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Zömeterium

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17.04.2007
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Zömeterium

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Die Sterne funkelten am Himmel über unserem Garten, die Welt war ruhig und friedlich. Die kühle Nachtluft war herrlich erfrischend zu atmen, und sie hatte diesen würzigen Duft, von dem ich nicht wusste, ob ihn sonst jemand kannte. Selbst in meinen Ohren klang es unwahrscheinlich, dass die Nacht einen eigenen Geruch verströmte, und doch war er da, und ich könnte auch nicht sagen, wo er denn herkam. Aber das war nicht das einzige, was ich an der Nacht neben der unendlichen Ruhe schätzte, ich mochte auch die Dunkelheit. Ich hatte keine Angst, dass irgendwo in der Nähe etwas lauern und beobachten könnte, hatte ich als kleines Kind schon nicht gehabt, denn die Dunkelheit verbarg mich ebenso. Einzig durch Mond und Sterne, sowie dem Schein der Straßenlaternen wurde sie unterbrochen, doch eine hohe Hecke schirmte mich vor neugierigen Blicken seitens der Straße her ab, ich war nahezu unsichtbar, doch um diese Zeit war sowieso niemand da, der mich hätte sehen oder nicht sehen können, die Straße war wie ausgestorben, ruhig und friedlich wie alles. Meistens.
Dieses Mal war es nicht so. Auf der anderen Seite der Hecke, auf dem Gehweg, waren Schritte zu hören. Es waren feste Schritte, sichere, nicht besonders schnell, aber auch nicht allzu langsam. Wer immer da ging hatte etwas vor und genug Zeit dafür. Ich war mir sicher, dass es ein 'er' war. Und er machte mich neugierig, denn sein Spaziergang um diese Zeit war genauso mysteriös wie sein Schrittrhythmus, der mir unbekannt war, also kannte ich die zugehörige Person auch nicht. Das Wichtigste aber war, dass er mich nicht bemerkt hatte, ich könnte ihm hinterher schleichen und nachsehen, wo sein Weg ihn hinführte. Sollte ich? Was hielt mich auf?
Kurzerhand setzte ich mich in Bewegung und verließ leise den Garten durch das Gartentor. Nun konnte ich den Unbekannten das erste Mal sehen, wenn auch nur von hinten, doch es bestätigte meine Vermutung, dass ich ihn nie zuvor gesehen hatte. Der Mann war etwas kleiner als der Durchschnitt, und er fühlte sich so sicher, dass er sich kein einziges Mal umdrehte.
Ich ging auf dem Grasstreifen neben dem Bürgersteig, um keine Geräusche zu verursachen und folgte ihm so den ganzen Weg bis zum Ortsausgangsschild des Dorfes. Er hatte einen Klappspaten dabei, und ich konnte nicht sagen, was er damit vorhatte. Oder was sein Ziel war. Bis ins nächste Dorf war es zu weit, um zu Fuß dort hinzugehen, und sonst gab es hier draußen nicht mehr viele mögliche Zielorte. In der Umgebung lagen Äcker und Wälder, doch der Mann machte keine Anstalten die Straße zu verlassen. Dann blieb nur noch der Friedhof übrig. Wollte er etwa einen Sarg ausgraben? Aber, wozu?
Der Mann bog ab, als der Friedhof in der Nähe war, und ich verwarf den Gedanken, dass ich mich irrte.
Der Friedhof war so klein, dass man ihn von jeder Seite gut einsehen konnte, also gab ich die Verfolgung auf und hockte mich ins Gras hinter einige Büsche. Durch die Blätter konnte ich den Mann weiterhin beobachten. Selbst wenn er sich nun umdrehen würde, würde er mich nicht sehen. Sollte er sich wegen Grabschändung strafbar machen, konnte ich ihn gleich morgen anzeigen lassen. Nun, für so einen Plan wäre es besser, wenn ich ein Beweisfoto oder einen Namen hätte, doch noch kannte ich nicht einmal sein Gesicht. Abgesehen davon klang die Geschichte sicher zu unglaubwürdig; besser war es, die Sache für sich zu behalten.
Der Mann machte sich an einem frischen Grab zu schaffen und hob die frische Erde aus. Ich konnte auch sagen, wer darin lag. Ein Klassenkamerad von mir, Thomas, er war heute Nachmittag beerdigt worden. Sein Tod war ganz plötzlich gekommen, ohne ersichtliche Umstände. Ganz plötzlich hatte er sich nicht mehr gerührt, der Arzt hatte nur noch seinen Tod durch Lähmung und Versagen aller lebensnotwendigen Systeme feststellen können, ich hatte in der Schule davon gehört. Und es war sicher kein Zufall, dass dieser Kerl gerade in dieser Nacht an seinem Grab auftauchte.
Der Spaten war etwas zu klein um viel Erde zu bewegen und der Kerl hatte es mit seiner Arbeit auch nicht besonders eilig; so saß ich stundenlang in dieser unbequemen Haltung hinter der Hecke und wartete darauf zu sehen, was weiter geschah. Ich wollte meine Position nicht verändern, denn dafür hätte ich für einen Augenblick den Blick vom Geschehen abwenden müssen, und ich wollte nichts verpassen.
Die Zeit wurde mir lang und der Drang in mir wuchs, die Beine zu vertreten. Ich bereute schon, dass ich hierher gekommen war, da warf der Mann den Spaten beiseite und streckte triumphierend die Arme aus, und richtete den Blick zum Himmel.
"Ja! Er ist hier!"
Daraufhin sah ich den Mann in das geöffnete Grab hinein klettern. Den Bewegungen seines Rückens zufolge öffnete er den Sarg. Dann richtete er sich auf, zog etwas aus einer Tasche und beugte sich wieder hinunter. Ich konnte nicht sehen, was er mit dem Leichnam anstellte, doch schließlich kletterte er aus dem Grab heraus und stellte sich abwartend davor. Was ich als Nächstes erblickte, erschreckte mich gar nicht so sehr, wie ich erwartet hätte. Es war Thomas, leichenblass, in den Sachen, in denen er beerdigt worden war. Er kletterte geistesabwesend aus dem Loch heraus und sah den Kerl, der ihn ausgegraben hatte, mit leeren Augen an. Man konnte förmlich sehen, dass er über seine augenblickliche Situation nicht nachdachte, als wäre trotz allem sein Gehirn schon gestorben.
"Höre meinen Befehl", sagte der Mann laut und deutlich zu ihm. "Schließ den Sarg, dann nimm den Spaten hier und schaufel das Grab wieder zu."
Thomas nickte. "Ja, Meister."
In diesem Augenblick fand ich einen passenden Namen für den kleinen Kerl, der auf mich mehr und mehr wie ein verrückter Wissenschaftler wirkte. Ab sofort hieß er bei mir nur noch der Nekromant.
Thomas gehorchte ihm ohne Widerspruch und befolgte seine Befehle, während der Nekromant sich in der Nähe auf dem Boden niederließ und ihm bei der Arbeit zusah. Obwohl Thomas etwas unkoordiniert wirkte, schaufelte er das Grab in erstaunlich kurzer Zeit zu, was auch mich erleichterte, da die Warterei nun bald ein Ende hatte. Als Thomas fertig war, stellte er sich vor den Nekromanten und erwartete weitere Befehle.
Mir tat er in diesem Augenblick leid, da er so willenlos war wie ein Zombie, geschaffen um seinem Herrn zu gehorchen. Ich wusste nicht, wie man diese Veränderung rückgängig machen könnte, und da es sowieso schwer für mich sein würde, unbemerkt in Thomas´ Nähe zu gelangen, war er so gut wie verloren. Was mich aber noch mehr interessierte, waren die Ziele des Nekromanten. Er würde sich sicher nicht mit nur einem Diener zufrieden geben, egal was er plante. Jemand musste ihn aufhalten. Aber da ich niemanden nach einem Grund oder Zweck dieses nächtlichen Vorfalls fragen, ich aber auch nicht einfach darüber hinwegsehen und das ganze vergessen konnte, wollte ich mich erst etwas informieren und dann weitersehen.
"Wir gehen. Folge mir", befahl der Nekromant und setzte sich in Bewegung, Thomas folgte ihm in einigen Metern Entfernung, wie ein Hund an einer unsichtbaren Leine.
Als sie an meinem Versteck vorbeikamen, hielt ich die Luft an, um nicht bemerkt zu werden. Der Mann war klein genug, dass er nicht über die Hecke spähen konnte, doch wäre er auf die unwahrscheinliche Idee gekommen, dahinter nachzusehen, hätte mich nur noch eine schnelle Flucht retten können, doch auf jeden Fall hätte er mich gesehen. Aber da er ja dachte unbeobachtet zu sein, ging er einfach seiner Wege. Um auf Nummer sicher zu gehen, wartete ich noch eine Viertelstunde, bevor ich mich auf den Weg zurück nach Hause machte.

Am nächsten Morgen stand ich früh auf, auch wenn ich von der langen Nacht todmüde war, um den Bus in die Stadt zu nehmen. Während der Fahrt fielen mir die Augen zu und ich schlief ein, schrak jedoch hoch, als der Bus in der Stadt anhielt. Mein Weg führte mich in die Bibliothek, wo ich mit meinen Nachforschungen begann. Da Thomas auf mich den Eindruck eines Zombies gemacht hatte und da mir weitere Anhaltspunkte fehlten, sah ich unter diesem Stichwort in einem Lexikon nach. Volltreffer! Da stand es drin, es gab ein Gift, das einen Menschen in einen todähnlichen Zustand versetzen konnte, genannt Tetrodotoxin, das über die Haut vom Körper aufgenommen werden kann und innerhalb von einer Dreiviertelstunde zu Lähmungen führt. In dem Glauben, das Opfer wäre tot, wird es beerdigt, der Totenbeschwörer aber gräbt sein Opfer aus und flößt ihm ein weiteres Gift ein, das ihm das Bewusstsein auslöscht und ihn zu einem willenlosen Körper macht, dazu da, Befehle auszuführen. Gegen das Tetrodotoxin gab es auch ein Gegenmittel, medizinische Kohle, die, ebenfalls über die Haut aufgenommen, den Prozess der Lähmung rückgängig machte. Doch ob es auch ein Gegenmittel gegen das zweite Gift gab, darüber fand ich nichts. Dann waren die Zombies verloren, doch das ließ mich den Entschluss fassen, etwas gegen den Nekromanten zu tun, soweit ich konnte. Ich hatte genug erfahren, jetzt musste ich in die Apotheke, um medizinische Kohle zu besorgen.

Tommy stand mit einigen seiner Kumpels auf der Straße. Da sie keine Beschäftigung hatten, verbrachten sie ihre Zeit damit, sich über alles in Sichtweite lustig zu machen, sei es ein Spruch, der mit Grafitti auf ein Plakat gesprüht worden war, eine Oma, die hinter dem Steuer eines altmodischen Autos saß und so langsam fuhr, als wäre das Auto so alt wie sie, und müsse geschont werden, oder einfach über die Klamotten eines kleinen Kindes. Wer oder was auch immer in ihrer Reichweite war und etwas aus der Reihe tanzte, fiel ihrem Spott zum Opfer.
Gerade sah Tommy ein Mädchen mit vollen schwarzen Haaren das Gebäude der Apotheke verlassen. Er kannte sie nur flüchtig und hatte jetzt keine Lust, sich mit ihr zu unterhalten, doch schon bevor seine Kumpels sie bemerkten, ahnte er, was sie nun sagen würden.
"Hey, geh doch zu der rüber und unterhalte dich mit ihr."
Tommy schüttelte unsicher den Kopf, in dem Bewusstsein, dass er nun selbst zur Zielscheibe ihres Spotts werden konnte.
"Hab dich nicht so. Mach schon. Bevor sie verschwindet!", befahl einer von ihnen mit deutlich mehr Nachdruck.
"Du bist doch keine Memme, oder?" Die anderen grinsten selbstsicher. Tommy gab sich geschlagen.
Das Mädchen bog um eine Ecke und er beeilte sich, um sie nicht zu verlieren. Wenigstens könnte er dort, ungesehen von seinen Kumpels, einfach stehen bleiben und eine Weile warten, um dann zurückzukehren und zu behaupten, er hätte mit ihr gesprochen. Was kümmerten ihn schon ihre dummen Ideen? Sollten sie doch selber mit ihr reden, wenn es ihnen so wichtig war!

"Hallo Roxane!"
Ganz in Gedanken versunken und meine nächsten Schritte durchdenkend, hatte ich Mali, eine Freundin von mir, nicht gesehen, die nun auf mich zukam. Ich fühlte mich zu müde und niedergeschlagen für ein Gespräch, und sollte sie nach den Gründen dafür fragen, konnte ich ihr nicht antworten. Vielleicht, aber nur vielleicht würde sie mir glauben, doch es gab keinen Grund sie damit zu belasten, ich wollte sie da nicht mit hineinziehen, und helfen konnte sie mir auch nicht, ohne sich selbst dabei in Gefahr zu bringen.
"Hallo Mali."
Ich klang zu bedrückt und versuchte, meiner Stimme einen glücklicheren Klang zu verleihen. "Ich habe dich hier gar nicht erwartet. Was machst du in der Stadt?"
Mein Blick fiel für einen Moment auf einen Punkt hinter sie, auf Tommy. Er sah zu uns herüber, doch nicht so, als würde er uns nur kennen, eher so, als wartete er auf eine Gelegenheit, einen von uns anzusprechen. Wenn ich nicht wüsste, dass der Nekromant mich nicht gesehen hatte, hätte ich denken können, dass Tommy mir eine Nachricht von ihm überbringen will, so in der Art von "Wenn du es wagen solltest meine Pläne zu durchkreuzen, werde ich auch aus dir einen Zombie machen." Was sonst könnte Tommy von mir wollen? Oder von Mali?
"Das könnte ich dich auch fragen", antwortete sie und ich schreckte aus meinen Gedanken hoch.
Sie wies auf die Plastiktüte, die zum Teil aus meiner Hosentasche hervorlugte, mit der medizinischen Kohle darin.
"Was ist das?"
Ich wollte nicht, dass sie mich das fragte, denn die Antwort würfe weitere Fragen auf.
"Ach, das ist nichts", versuchte ich mich herauszureden. "Ich habe jetzt keine Zeit, um mit dir zu reden, tut mir leid. Vielleicht ein anderes Mal."
Sie nickte mir verständnisvoll zu, stellte keine weiteren Fragen. Da wir uns gut genug kannten, verstand sie, dass ich meine Gründe hatte, und war mir nicht böse.
"Na dann auf Wiedersehen, Roxane."
Wir gingen auseinander. Ohne zu achten, welchen Weg Mali einschlug, trat ich auf Tommy zu.
"Und was willst du?"
Er stellte sich gerade hin, um größer auszusehen und Eindruck zu schinden. Auf mich hatte das keine Wirkung.
"Ich kann mich nicht daran erinnern, dich was gefragt zu haben."
Ein Großmaul, wie ich ihn kannte. Von ihm hatte ich nichts zu befürchten, außerdem war er jetzt alleine, seine Kumpels, von denen er so viel hielt, hätten ihm sowieso nicht beigestanden.
"Dann auf Wiedersehen." Ich drehte mich um und ging weiter. Aus den Augenwinkeln sah ich Mali kurz, sie beobachtete das Geschehen besorgt.
"Hey, warte!" Mit schnellen Schritten kam Tommy hinter mir her, ich blieb mit einem leicht genervten Seufzer stehen und sah ihn über die Schulter an.
"Ich will mich nur mit dir unterhalten."
Ich hob zu einer Bemerkung an, etwas wie "keine Lust" oder "scher dich zum Teufel" oder einfach nur "lass mich in Ruhe", doch in diesem Augenblick wurde er heftig von hinten angerempelt, stolperte vorwärts und hatte Mühe, sein Gleichgewicht wiederzufinden. Dann drehte er sich zu dem Mann um, der sich schnellen Schritts entfernte, ohne sich umzudrehen.
"Passen Sie doch auf, Sie Idiot", rief Tommy.
Diese Schritte weckten jüngste Erinnerungen in mir wach, ich kannte sie. Doch erst als mein Blick zu dem eher kleineren Kerl wanderte, der mehr davonlief als ging, realisierte ich, wer das war. Auch wenn ich ihn nur schemenhaft im Dunkeln und im orangen Schein der Straßenlaternen gesehen hatte, war ich mir sicher, dass es der Nekromant war. Und das Anrempeln war sicher nicht zufällig geschehen. Das Tetrodotoxin wurde über die Haut aufgenommen, ich war mir sehr sicher, dass Tommy infiziert worden war.
"Dieser Trottel", schimpfte Tommy, der von dem wahren Ausmaß dieses Kontaktes nicht einmal etwas ahnte. Nun, ganz sicher war ich allerdings auch nicht. Nur angenommen ich irrte mich, dann würde ich mich mit meinem Einmischen absolut lächerlich machen. Wenn ich mich jedoch nicht irrte und nicht eingriff, dann wäre es meine Schuld, wenn Tommy zum Zombie würde. Jetzt konnte ich mich fragen, was wohl schlimmer war.
"Bleib stehen", befahl ich Tommy mit fester Stimme.
Vor Aufregung vergaß er komplett zu widersprechen und ich ging langsam um ihn herum. Vielleicht war etwas von dem Gift zu sehen.
"Was soll das werden?"
Er hatte seine Stimme und seinen Stolz wiedergefunden, doch ich achtete nicht darauf. Auf seiner Jacke konnte ich nichts Genaues erkennen. Ich dachte schon, ich hätte mich wirklich geirrt, doch dann entdeckte ich feinen, dunklen Staub auf Tommys Handkanten. Wenn das das Gift war, durfte ich es auf keinen Fall berühren, sonst war auch ich verloren.
"Wo wohnst du?", fragte ich Tommy.
Ich hörte, wie er wie ein Stier laut die Luft ausblies, bevor er die Arme vor dem Körper verschränkte.
"Geht dich nichts an."
Ich sollte es bleiben lassen. Ich sollte wirklich die ganze Sache vergessen und Tommy in sein Verderben laufen lassen, schade wäre es nicht. Doch so oder so würde er nie erfahren, dass ich ihm helfen wollte, ein Danke hatte ich sowieso nicht erwartet, von niemandem. Nein, denn eigentlich wollte ich Tommy nur retten, um dem Nekromanten eins auszuwischen, und das war mir dieses Gemotze allemal wert.
"Geh nach Hause und wasch dir die Hände. Der Kerl eben hat dir ein Zeug draufgetan. Und fass auf dem Weg nichts an."
Er hob erstaunt die Hände und entdeckte den Staub darauf. Mit einem Finger nahm er etwas davon ab und betrachtete das Zeug genauer. Am liebsten hätte ich ihm die Hände auseinander gerissen als er begann, den Staub zwischen den Fingern zu verreiben. Das war für das Gift nicht gerade hinderlich.
"Lass das", fuhr ich ihn energisch an und wagte nicht, ihn zu berühren. "Geh endlich nach Hause!"
Ich sah, wie seine Finger zu zittern begannen. Die Situation war ihm unbekannt, er wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte.
"Was ist das? Was passiert nun mit mir?"
Es war nicht die richtige Zeit um Fragen zu stellen, eine Erklärung würde zu lange dauern. Tommy hatte noch ungefähr vierzig Minuten Zeit um sich das Gift von den Händen zu waschen und neue Sachen anzuziehen. Ich wusste nicht, ob die Kohle ihm helfen würde, wenn das Gift noch über die Haut in seinen Körper eindrang.
"Geh endlich nach hause und wasch dir die Hände. Sonst stirbst du."
Langsam ging er vorwärts, ich folgte ihm. Er wurde schneller. Als wir um eine Hausecke bogen, sah ich Mali, die uns hinterher sah. Hoffentlich zog sie nachher keine falschen Schlüsse.
Tommy lief schneller und schneller. Ich konnte nicht mit ihm mithalten, der Abstand zwischen uns vergrößerte sich. Dieser Idiot! Dadurch verteilte sich das Gift doch nur noch schneller!
Völlig außer Puste blieb ich schließlich stehen und wieder war es mir egal, was Tommy machte. Ich dachte, er würde noch weiter laufen, doch einige Meter weiter hechtete er in einen Hauseingang. Trotz der Seitenstiche ging ich noch einige Schritte vorwärts; die Tür fiel ins Schloss, bevor ich sie erreichte, doch ich hörte noch, wie ein Schlüssel im Schloss mehrmals umgedreht wurde. Dieser Trottel wollte meine Hilfe gar nicht!
Ich klopfte laut an die Haustür. "Mach auf! Ich muss dir noch das Gegenmittel geben!"
Bis auf das Rauschen einer Wasserleitung irgendwo in einer Wand, tat sich nichts. Wenigstens den einen Ratschlag befolgte er, doch ich bezweifelte, dass er ihm noch nützte.
"Mach endlich die Tür auf!"
Endlich rührte sich was, doch es war nicht die Haustür, sondern ein Fenster im zweiten Stock, das geöffnet wurde, und durch das Tommy den Kopf herausstreckte.
"Hau ab. Ich will dich nicht mehr sehen."
Er würde mich nicht zu sich lassen, er vertraute niemandem mehr. Ich hatte keine Chance, jetzt nicht. Dann musste ich ihm das Gegenmittel bei einer anderen Gelegenheit verabreichen. Ich wandte mich zum Gehen und hörte, wie er das Fenster schloss, doch nach einigen Metern drehte ich mich noch ein letztes Mal um.
Tommy ging gerade am Fenster vorbei, obwohl 'gehen' nicht ganz das richtige Wort war. Es war eher ein Hinken. Das Gift begann langsam zu wirken und hatte sein rechtes Bein gelähmt, das er nun nachziehen musste. Sein Gesicht war gequält verzerrt, als kämpfe er dagegen an. Wie gerne hätte ich ihm jetzt geholfen, doch ich musste mich zwingen, den Blick abzuwenden und weiterzugehen.

Die nächsten Tage verbrachte ich zu Hause, zu aufgeregt, um vor die Tür zu gehen. Weder wollte ich die Leute in der Stadt sagen hören, dass Tommy tot war, denn das war eine Lüge, auch wenn das außer mir und dem Nekromanten niemand wusste, noch hatte ich Lust darauf, jemand anderen zu treffen, den ich kannte. Meine Familie wunderte sich ein wenig darüber, da ich im Prinzip gerne nach draußen ging, besonders nachts, doch nun beschützte mich die Nacht nicht mehr, denn sie war auch nur ein Werkzeug des Nekromanten. Nebenbei bereitete ich mich auf die Nacht vor, in der ich Tommy ausbuddeln musste. Ich hatte mir ebenfalls einen kleinen Klappspaten von meinem Vater besorgt, ohne sein Wissen selbstverständlich, und das Werkzeug unter meinem Bett versteckt, wo es nicht von den anderen gefunden werden würde und wo ich es nicht allzu lange suchen musste.
Drei Tage nach meiner letzten Begegnung mit Tommy war seine Beerdigung. Noch am selben Abend holte ich den Spaten hervor und verließ mein Zimmer. Ab sechs Uhr abends war der Friedhof vor der Stadt für gewöhnlich menschenleer. Es war nicht weit bis dahin, etwa eine halbe Stunde Fußweg, doch es begann erst um sechs zu dämmern, bis es schließlich um sieben dunkel war, und ich wollte nicht gesehen werden, wenn ich das Grab öffnete, deswegen ging ich um halb sieben von zu Hause los. Ich hoffte, dass der Nekromant nicht früher als letztes Mal kam, und mir noch genug Zeit blieb.
Die fortgeschrittene Dämmerung verbarg mich genug um anzufangen, als ich den Friedhof erreichte. Der typische Geruch, den ich an der Nacht so schätzte, war noch nicht aufgezogen. Das war für mich nicht verwunderlich. Es kam auch vor, dass es morgens noch so roch, wenn es bereits hell war.
Tommys Grab war schnell gefunden. Ich sah mich noch um, ob jemand in der Nähe war, dann begann ich mit der Arbeit. Niemals zuvor hätte ich auch nur im Traum gedacht, dass ich irgendwann einmal einen Sarg vom Friedhof ausgraben müsste, um jemanden zu befreien, der dort lebendig begraben war. Ein wenig hoffte ich, dass er wirklich noch lebendig war. Was mir aber mehr Sorgen bereitete, waren andere Umstände. Mein Spaten war genauso klein, wie der vom Nekromanten es gewesen war. Das Loch, das ich bereits ausgehoben hatte, schien irgendwann nicht mehr größer zu werden. Ich war auch nicht besonders kräftig, dass ich hätte schneller graben können, und mit jeder Minute die verstrich, wurde ich nervöser. Würde der Nekromant plötzlich hinter mir auftauchen, so könnte ich mich vielleicht gegen ihn zur Wehr setzen, nicht jedoch wenn er mit einer Zombiearmee erschien. Dann hatte ich keine Chance.
Endlich stieß der Spaten auf Widerstand und ich erkannte eine schwarze Fläche am Grund des Lochs, in dem ich gerade stand. Es dauerte nicht lange und der Deckel des Sargs war so weit freigelegt, dass ich ihn öffnen konnte. Da lag Tommy, etwas blass, friedlich als würde er schlafen und doch reglos wie ein Toter.
Das würde sich hoffentlich gleich ändern. Ich holte die medizinische Kohle aus der Tasche und rieb etwas davon auf seinen Hals. Dort würde es hoffentlich am schnellsten wirken.
Nachdem ich aus dem Loch wieder herausgeklettert war, setzte ich mich in der Nähe auf den Boden. Ich wollte Tommy nicht alleine lassen, bevor er aufwachte und noch nicht wusste, was mit ihm geschehen war. Außerdem konnte der Nekromant jederzeit auftauchen, und dann half die Kohle auch nicht mehr, um Tommy zu retten.
Es dauerte nicht lange und ich hörte ein gequältes Stöhnen aus dem Grab kommen und stand auf, um nachzusehen. Tommy hatte die Augen aufgeschlagen und versuchte den Kopf zu drehen. Seine Glieder waren zum großen Teil noch gelähmt, doch er lebte.
"Was... oh... wo bin ich?"
Vorsichtig kletterte ich ins Loch, darauf bedacht, nicht auf ihn zu treten.
"Ich hätte dir schon neulich geholfen, aber du wolltest ja nicht auf mich hören."
Es war nicht die richtige Zeit für Beschuldigungen, das war mir klar, doch das musste ich einfach sagen.
Tommy fühlte sich, seinem Gesicht nach zu urteilen, wie in einem Albtraum, verständlich wenn man, unfähig sich zu bewegen, in einem offenen Grab erwachte, deswegen wollte ich ihn nicht in seinem Sarg liegen lassen. Ich hob seinen Oberkörper etwas an, schlang einen Arm um seine Brust und zog ihn aus dem Loch heraus, bevor ich ihn vorsichtig auf den Boden legte. Es würde wohl noch eine Weile dauern, bis er aufstehen und nach Hause gehen konnte, so lange musste ich noch warten. Das würde sicher einen Trubel veranstalten, wenn der totgeglaubte und schon beerdigte Tommy wieder herumspazierte! Man würde den Fall wieder aufrollen, Nachforschungen anstellen, die Polizei einschalten. Vielleicht fand man sogar das Tetrodotoxin und kam dem Nekromanten auf die Spur. Dann hätte die Sache hoffentlich ein Ende.
Tommy war nun soweit wiederhergestellt, dass er sich aufsetzen konnte und sich mit einem Arm abstützte. Sein anderer Arm hing noch gelähmt herab und seine Beine konnte er auch noch nicht bewegen.
"Was ist mit mir passiert?"
Ich bemühte mich um eine Kurzfassung.
"Du wurdest vergiftet und gelähmt, und da dich jeder für tot hielt, wurdest du lebendig begraben. Da ich das wusste, habe ich dich ausgegraben und dir ein Gegenmittel gegeben. Das Ganze ist vielleicht schwer zu glauben, aber du bist der lebende Beweis, dass das wahr ist."
"Allerdings, aber so war das nicht geplant."
Voll Schreck fuhr ich herum, als ich die Stimme hinter mir hörte und sah den Nekromanten in zehn Meter Entfernung vor mir stehen. Er machte keine Anstalten näher zu kommen, um uns beide mit Tetrodotoxin zu vergiften, trotzdem wirkte er so selbstsicher, als gehörten wir beide bereits ihm.
"Was ist denn das für ein Freak", flüsterte Tommy mir zu. Ich ignorierte ihn, da ich mich auf das konzentrierte, was der Nekromant als nächstes zu mir sagte.
"Ich habe dich schon heute Nachmittag gesehen, als du die Kohle gekauft hast, doch ich hätte nicht gedacht, dass du sie brauchst, um meine Pläne damit zu durchkreuzen." Sein Blick verfinsterte sich. "Ich warne dich: Solltest du noch einmal versuchen, mir eines meiner Opfer zu entreißen, so wirst du die ganze Macht meines Arsenals zu spüren bekommen."
Aufgrund dessen, dass ich etwas größer war als er, fühlte ich mich auch stärker. Auch konnte ich jederzeit weglaufen. Doch was war mit Tommy?
Ohne den Nekromanten aus den Augen zu lassen drehte ich mich zu ihm um.
"Wie geht´s dir? Kannst du aufstehen?"
Er stöhnte als er versuchte, sich mit seinem gelähmten Arm abzustützen, um aufzustehen. Eines seiner Knie war bereits wieder beweglich.
"Ja, es geht schon."
Langsam ging er einige Schritte vorwärts, dabei musste er ein Bein nachziehen. Das Geräusch seiner Schritte war ungewohnt.
"Lauft doch weg", lächelte der Nekromant. "Los, versucht es nur."
Tommy ließ sich das nicht zweimal sagen. Ohne nachzudenken und ohne Vorsicht lief er davon, so schnell, wie es sein aktueller Zustand zuließ. Wenigstens war er jetzt in Sicherheit, doch ich wagte das nicht, denn um zu fliehen musste ich dem Nekromanten den Rücken zukehren.
Er schien zu ahnen, was ich dachte, denn auf einmal setzte er sich im Schneidersitz auf den Boden. So bräuchte er einige Sekunden zum Aufstehen, wollte er mich verfolgen.
"Na los doch. Lauf nur weg. Ich werde dich nicht verfolgen."
Das roch nach einer Falle, aber gewaltig, auch wenn mir schleierhaft war, woraus sie bestehen sollte. Doch auch wenn mein Verstand mir dies sagte und auch wenn mein Gefühl mir sagte, dass da was faul war, so ergriff ich doch die Gelegenheit und lief davon.
Zwischen den Gräbern hindurch lief ich zum Ausgang des Friedhofs. Ein Blick über die Schulter verriet mir, dass der Nekromant wirklich nicht versuchte, mich zu verfolgen.
Hinter einem Busch sprang plötzlich der Thomas-Zombie hervor. Ich bemerkte ihn erst, als ich schon über ihn stolperte, und im nächsten Augenblick lag ich auch schon auf dem Boden. Thomas griff in meine Tasche und zog den Rest Kohle heraus, doch dann zog er sich überraschenderweise zurück.
Leicht verwundert, doch ohne weiter darüber nachzudenken, sprang ich auf und lief weiter, am Rand der Straße entlang, nach Hause.
Es dauerte einige Minuten bis die Panik in mir nachließ und ich völlig außer Atem stehen blieb. Ich stand nun alleine in der Dunkelheit der Nacht, nichts regte sich.
Was hatte ich doch für ein Glück, ich war dem Nekromanten tatsächlich entkommen! Jetzt würde hoffentlich alles gut werden, wenn die Leute Tommy wiedersahen. Zwar lag auch noch der Spaten auf dem Friedhof, neben dem aufgeschaufelten Grab, und meine Fingerabdrücke waren auf dem Stiel, doch wen kümmerte das? Meine Fingerabdrücke waren nirgendwo registriert, und niemand würde auf die Idee kommen, mich zu verdächtigen.
Langsam und mit einem Lächeln auf den Lippen ging ich weiter. Für heute war meine Aufgabe erledigt, und die Nacht war doch meine Verbündete, die ich nun wieder in vollen Zügen genießen konnte.
Auf einmal jedoch erstarb mein Lächeln, als ich der Veränderung gewahr wurde, erneut stieg Panik in mir auf, mein Herz schlug schneller und ich blieb stehen.
Jetzt ergab Alles einen Sinn, das Verhalten des Nekromanten und sein Gesagtes, auch das, was Thomas getan hatte. Meine Glieder wurden steif, ich war mit dem Gift in Berührung gekommen.
Wie gerne wäre ich jetzt einfach nach Hause gelaufen und hätte die Tür hinter mir abgeschlossen; den Teil der Kohle, den ich noch zu Hause hatte, würde mir helfen, doch ich musste meinen Herzschlag unter Kontrolle bekommen, denn je mehr ich mich anstrengte, desto schneller würde das Gift seine Wirkung entfalten.
Langsam setzte ich mich in Bewegung. Sicher konnte ich es bis nach Hause schaffen, wenn ich ruhig blieb. Ich wollte nicht zum Zombie gemacht werden, nein, nicht jetzt, wo ich doch als einzige von dem Nekromanten, dem Gift und dem Gegenmittel dazu wusste. Wer sollte ihn denn jetzt aufhalten? Nun, es gab noch Tommy, der ein bisschen was wusste, doch der würde sich sicher nicht mehr um die Sache kümmern.
Mit Schrecken stellte ich fest, dass eines meiner Knie bereits vor dem Gift kapituliert hatte, sodass ich hinken musste, wie Tommy vorhin; ich kam noch langsamer voran, doch schneller durfte ich nicht gehen, wollte ich meinen Puls niedrig halten. Doch das war nicht das einzige, was ich feststellte. Ich hatte auch den Eindruck, dass ich schlechter hörte und dass ich auch nicht mehr alles scharf sehen konnte. Das war eine Wirkung des Giftes, das nicht nur den Körper, sondern auch das Nervensystem lahm legte.
Einen Ruck weiter und ich blieb stehen, nicht weil ich es wollte, sondern weil ich meine Beine nicht mehr kontrollieren konnte. Ich würde es nicht mehr bis nach Hause schaffen, selbst wenn ich mich mit Hilfe meines verbliebenen Arms vorwärts ziehen würde. Nun war alles verloren.
Vor mir sah ich auf einmal die Lichter eines Autos, oder ich glaubte, dass es solche waren, denn ich sah nur noch verschwommen. Vielleicht was das meine Rettung, denn wenn der Fahrer mich ernst nahm würde er mich dahin bringen, wo man mir helfen konnte.
Ich hob eine Hand um das Auto heranzuwinken, doch die Hand folgte meinem Willen nur zur Hälfte, bevor auch sie von der Lähmung erfasst wurde. Erstaunt blickte ich auf meinen Arm hinab, der langsam wieder nach unten sank, das Auto fuhr vorbei ohne, dass ich es weiter beachtete. In dem Augenblick, als ich das Bewusstsein verlor, spürte ich noch, wie jemand seine Arme um mich schlang und mich von der Straße wegzog.

Noch völlig benommen von dem Gift erwachte ich irgendwann und schlug die Augen auf. Mit verschwommenem Blick versuchte ich mich umzusehen, doch mein Hals spielte da nicht mit, sodass ich nur geradeaus blicken konnte. Dass ich längst hätte ein Zombie sein können, hatte ich in diesem Augenblick vollkommen vergessen. Ich schloss die Augen wieder, um zu warten, bis die Lähmung soweit nachgelassen hatte, dass ich aufstehen konnte. Dabei schlief ich wohl kurz wieder ein.
Als ich das nächste Mal die Augen öffnete und wieder klar sehen konnte, bemerkte ich, dass meine Unfähigkeit mich zu bewegen nicht von der Lähmung herrührte, sondern von mehreren Lederriemen, die meinen Körper auf einen Stuhl schnallten, so einen von der Art, wie man ihn beim Zahnarzt sah, lang und schmal, mit Kopf- und Armstützen und mit einer wellenartigen Kontur, den Konturen des Körpers angepasst.
In dieser halb-liegenden Stellung konnte ich die Decke des Raums besser sehen als die Einrichtung um mich herum, die ich nur aus den Augenwinkeln wahrnehmen konnte. Hier sah es wirklich fast wie beim Zahnarzt aus, doch die Instrumente schienen eher für eine Operation geeignet zu sein, auch sah ich hier merkwürdige Aufbauten und Konstruktionen, Schränke mit chemischen Formeln darauf, von denen die meisten mir nichts sagten, alles wie aus einem Labor. Hatte der Nekromant mir etwa ein anderes, schlimmeres Schicksal zugedacht als das eines Zombies? War ich nun das Versuchskaninchen für irgendein verrücktes Experiment?
Aber er konnte doch nicht einfach mit mir verfahren, wie es ihm passte, denn offiziell war ich noch nicht tot. Nun, wenn er wollte konnte er das sicher ändern.
Vor der Tür hörte ich Schritte auf dem Gang, Schritte, die ich nur allzu gut kannte. Die Schritte blieben vor der Tür stehen, die Tür wurde geöffnet und der Nekromant stand da.
"Du bist wach. Wie schön!"
Hinter ihm sah ich durch den Türausschnitt eine weitere Tür, möglich, dass dies ein ganzer Komplex von Laboratorien war, in denen menschenfeindliche Experimente durchgeführt wurden, deren Resultate diese Zombies waren, von denen ich einen gerade vorbeigehen sah. Es war nicht Thomas. Wie viele von diesen Kreaturen hatte der Nekromant wohl schon erschaffen? Waren es zwei oder zweihundert? Und was hatte er bloß mit ihnen vor?
"Wenn Sie mich zu einem Zombie machen wollen, warum tun Sie es nicht?"
Meine Stimme klang fest, doch innerlich hatte ich Angst vor dem, was als nächstes geschehen würde, weil ich nicht wusste, was das war.
Der Nekromant trat mit einem Lächeln ein und schloss die Tür hinter sich.
"Ganz einfach, weil ich es nicht will."
Die Hände in den Taschen seines weißen Kittels stellte er sich neben den Stuhl, auf dem ich lag.
"Für dich habe ich mir was viel Besseres ausgedacht, Mäuschen. Es wäre schade um dich, da du so viel weißt, da wäre es eine Verschwendung dich zu einem hirnlosen Zombie zu machen."
Er verschwand aus meinem Blickfeld und ich hörte ihn Papier aus einer Schublade entnehmen. Auch wenn ich nur ungern erfahren wollte, welches Schicksal er für mich vorgesehen hatte, so war ich auf der anderen Seite doch neugierig, es zu erfahren.
Der Nekromant hängte die Blätter nebeneinander auf eine beleuchtete Scheibe, so eine, auf der man sich beim Zahnarzt Röntgenaufnahmen ansieht.
Ich konnte nicht fassen, was meine Augen erblickten! Der Nekromant war nicht nur ein verrückter Wissenschaftler, sondern geradezu durchgeknallt! Das waren Pläne von dem Aufbau eines Roboters, der aussah wie ein Mensch und sich genauso verhalten sollte; einige kleinere Pläne einzelner Bauteile waren auch zu sehen.
"Das Gehirn des Menschen besteht für mich aus nichts weiter als Eiweißketten", erzählte er mir. "Doch die Gedanken und auch das Gedächtnis sind elektrische Impulse, die über diese Bahnen laufen. Ich habe eine Methode entdeckt, mit welcher sich diese Ströme auf einen Mikrochip übertragen lassen. Das darauf gespeicherte Gedächtnis kann dann in einen künstlich erbauten Körper übertragen werden, der wie der alte aussieht, aber diesem haushoch überlegen ist, besonders was körperliche Kräfte und Langlebigkeit betrifft. Ich habe bereits erfolgreiche Versuche an Tieren durchgeführt, die sich nicht sehr von ihren lebenden Artgenossen unterscheiden, wie ich es beabsichtigt hatte. Was mir jetzt noch fehlt, ist ein menschliches Versuchsobjekt, bevor ich mich selbst dieser Verwandlung unterziehe. Aber ich gebe dir noch eine Chance: Ich werde dich gehen lassen, doch solltest du jemals wieder versuchen meine Pläne zu durchkreuzen, so rettet dich nichts mehr vor meinem Experiment. Hast du das verstanden?"
Ich schloss die Augen. Der Nekromant drängte mich nicht zu einer Antwort, denn wir hatten genug Zeit. Mir graute es vor dem Gedanken, zu einem Roboter umgebaut zu werden, dann könnte ich weder altern noch sterben, nie mehr, ich würde für ewig leben. Doch 'leben' konnte man wohl nicht mehr sagen, denn ich könnte dann auch weder Essen noch Trinken, ich könnte auch keine Kinder mehr bekommen, und gehörte es nicht auch zum Leben, aus Zellen aufgebaut zu sein?
Ein wenig konnte ich mir vorstellen, wie eine ewige Existenz aussehen würde: Um mich herum würden alle, die mir etwas bedeuteten, Freunde und Verwandte, ohne mich alt werden und sterben, immer und immer wieder neue, und ich könnte nichts dagegen tun. Ich würde auch Völker sich herausbilden und immer wieder untergehen sehen, wahrscheinlich würde ich die globale Erwärmung bis zu dem Punkt miterleben, an dem das Eis an den Polen ganz verschwunden war und noch darüber hinaus, ich würde die Umweltverschmutzung bis zum Ende betrachten, ich würde sehen, wie die Menschen irgendwann die Raumfahrt so weit entwickelt hätten, dass sie sich auf anderen Planeten niederlassen konnten, wo all das von vorne geschehen würde, immer und immer wieder, ohne, dass es jemals ein Ende finden würde. Das wäre wirklich eine harte Strafe, wie könnte der Nekromant so etwas nur freiwillig erleben wollen?
"Ich habe verstanden", murmelte ich und fragte mich, ob es etwas gab, für das ich all die Schrecken so einer Zukunft auf mich nehmen würde. "Ich mache sicher keinen Ärger mehr."
Daraufhin holte der Nekromant ein kleines Fläschchen und ein Taschentuch aus den Taschen seines Kittels.
"Gut, dann lasse ich dich nun nach Hause bringen, doch vorher muss ich dich betäuben, damit du den Weg hierher zurück nicht findest."
Er tropfte etwas von der Flüssigkeit auf das Tuch. "Keine Sorge, dir passiert nichts."
Erneut verlor ich das Bewusstsein, als das stechend riechende Tuch auf mein Gesicht gedrückt wurde.

Mali blieb stehen und blickte die Straße herunter, durch die sie Roxane das letzte Mal hatte verschwinden sehen. In ihrem Blick mischten sich freudige Erwartung und Hoffnungslosigkeit miteinander, denn seitdem ihre Freundin mit Tommy zusammen davongelaufen war, hatte sie sie nicht mehr gesehen, und das war vor vier Tagen gewesen. Tommy war seitdem übrigens auch nicht mehr aufgetaucht, und Mali wurde den Gedanken nicht los, dass er irgendwas damit zu tun hatte. Klar, er war bereits tot und beerdigt, doch um ihn war es nicht schade, fand sie, er hatte vorher sicher noch Zeit für irgendeine Schandtat gehabt. Dem traute sie alles zu, er tat doch alles um vor seinen Kumpels gut auszusehen!
Mali seufzte und wollte weitergehen, doch dann sah sie Tommy die Straße heraufkommen. Der tote und beerdigte Tommy spazierte die Straße entlang und war so lebendig wie sonst! Und Roxane war nicht da, obwohl sie es eigentlich sein sollte! Das hieß doch wohl nicht etwa, dass die falsche Person beerdigt worden war und nun in dem Grab ruhte, das für Tommy bestimmt gewesen war!
Schreckliche Bilder zogen vor Malis innerem Auge vorbei, sie sah Roxane vor sich, wie sie in dem engen Sarg zwei Meter unter der Erde lag und sich die Seele aus dem Leib schrie, während die Luft knapp wurde. Voller Zorn stürmte Mali auf Tommy zu und schrie ihn an.
"Was machst du hier? Wo ist Roxane?"
Lässig und ruhig, wie er sich gerne benahm, steckte er die Hände in die Hosentaschen.
"Bleib locker, Mädel. Woher soll ich das denn wissen?"
Wütend stieß Mali ihm gegen die Schultern, sodass er zurück taumelte.
"Tu doch nicht so! Ich habe gesehen, dass ihr zusammen davongelaufen seid!"
Jemand legte Mali von hinten die Hände über die Augen und mit einem Schlag hatte sie sich beruhigt. Sie hatte keinen Schimmer, wer das sein konnte und tastete der Person an den Armen entlang, um ihre Identität zu erraten.
Mali konnte es nicht fassen. "Roxane?"

Ich nahm meine Hände von Malis Augen und lächelte sie an, als sie sich zu mir umdrehte.
"Alles okay, ich bin doch hier. Tommy hat keine Schuld."
Mali sperrte vor Erstaunen den Mund auf.
"Aber, aber... Er war doch tot? Und du warst seitdem auch verschwunden?"
Ein weiteres Mal stand ich nun vor der Frage, wie viel ich erzählen konnte und wie viel sie mir davon glauben würde.
"Tommy war eigentlich nicht tot, das war ein Irrtum. Und da ich das wusste, habe ich ihn wieder ausgegraben."
Tommy tippte mir plötzlich auf die Schulter und zeigte dann auf einen Punkt neben mir.
"Hast du den da auch ausgegraben?"
Ich folgte seinem ausgestreckten Zeigefinger und erschrak.
"Hallo, Leute!"
Thomas klopfte Mali zur Begrüßung auf die Schulter. Nur mir fiel auf, dass er dabei auch ihren nackten Hals berührte. Das durfte nicht sein!
"Lass das gefälligst!", rief ich ihm zu, obwohl ich wusste, dass es schon zu spät war.
"Ja, genau. Lass das", stimmte Mali mir zu. "Wo kommst du eigentlich her? Hat man dich auch aus Versehen beerdigt?"
"Jo, aber so schlimm war das gar nicht."
Mali seufzte.
"Klingt, als ob es dir sogar Spaß gemacht hat. Na ja, du warst ja schon immer ein totaler Freak."
Wenn der totgeglaubte Tommy nun durch die Stadt spazierte und ich auch noch allen erzählte, dass er nicht tot war und ich ihn ausgegraben hatte, wen wunderte es da noch, dass sie die Anwesenheit von Thomas auch nicht merkwürdig fanden? Was hatte ich da nur angerichtet! Jetzt konnten selbst die Zombies unerkannt durch die Straßen spazieren!
Ich griff nach Malis Hand und zog sie mit mir mit. Nun musste ich versuchen zu retten, was noch zu retten war.
"Komm, wir gehen jetzt in die Apotheke."
"Hä? Nein!"
Mali riss sich los.
"Lass den Quatsch. Was soll ich da? Ich will jetzt nach Hause."
"Nein, Mali. Hör mir doch zu."
Sie fuhr herum und sah mir fest in die Augen.
"Nee, du spinnst wohl! Du erzählst hier rum, dass du Tote ausgräbst und die spazieren hier munter durch die Stadt? Was soll ich davon halten? Ich brauche keine weiteren Erklärungen von dir."
Es war genau wie mit Tommy. Sie würde mir erst glauben, wenn es zu spät war. Das hieß, dass ich sie, genau wie Tommy, erst aus dem Grab befreien musste. Doch dieses Mal würde es auf jeden Fall meine letzte Befreiung sein, wenn ich mich dazu entschloss. War Mali es wert, dass ich für sie mein Leben aufgab? Doch könnte ich es mir jemals verzeihen, wenn ich es nicht tat und sie damit zu einem Dasein als Zombie verdammte?
Mein Herz wurde mir schwer als sie davonging ohne meine Hilfe angenommen zu haben. Ich wusste nicht mehr, was richtig oder falsch war, was ich tun sollte, doch was ich mit Sicherheit wusste war, dass ich die Antwort selbst finden musste und dass niemand mir diese Entscheidung abnehmen konnte.
"Stirbt sie jetzt auch?"
Für diese Frage hätte Tommy es verdient, meine Faust ins Gesicht zu kriegen, doch ich riss mich zusammen, denn er konnte nichts dafür, dass er ein Trottel war.
"Geht dich nichts an", antwortete ich mit einer tonlosen Stimme, aus der jeder halbwegs intelligente Mensch meine Antwort heraushören könnte.
"Geh nach Hause, genieße dein Leben und freue dich, dass du es noch hast."
Ich ging davon. Das würden die letzten Worte sein, die er von mir als Mensch zu hören bekommen würde. Thomas kam mir hinterher und flüsterte "Vergiss ja die Warnung nicht, die der Meister dir gab." Dann ging er.
Nein, dachte ich, wie könnte ich die jemals vergessen?

Es geschah alles genau so, wie beim letzten Mal. Mali wurde noch am selben Tag für tot erklärt und drei Tage später beerdigt. Da ich den Klappspaten nach meiner letzten Aktion zurückgelassen hatte, musste ich dieses Mal den großen nehmen, außerdem besorgte ich mir noch ein Messer aus unserer Küche, für alle Fälle.
Mali wohnte in einem anderen Dorf, auf dessen Friedhof sie beerdigt wurde, sodass ich einen weiteren Friedhof besuchen musste, der jedoch näher lag als der von der Stadt. Als ich dort hinging, fühlte ich mich wie auf dem Weg zu meiner eigenen Beerdigung, nicht, zu der Ausgrabung meiner Freundin.
In der Dämmerung begann ich mit der Arbeit. Es musste wohl ein schauriges Bild sein, wie aus einem Gruselfilm, denn ich fühlte mich, als würde ich mein eigenes Grab schaufeln, mein Gesicht dürfte in etwa den selben halbtoten, hoffnungslosen Ausdruck haben, wie ein Verbrecher im Mittelalter, der zum Galgen geführt wurde.
Der Duft der Nacht war bereits aufgezogen, als ich den Sarg öffnete und Mali den letzten Rest der Kohle verabreichte. Als Mali schließlich erwachte und ich ihr aus dem Grab half, hörte ich die Stimme des Nekromanten hinter mir.
"Du hast es ja doch wieder getan."
Mali begann vor Angst zu schluchzen. Ich machte ihr ein Zeichen, dass sie gehen sollte und sie humpelte mit ihren steifen Beinen davon, dann zog ich das Messer und hielt es dem Nekromanten entgegen.
"Es tut mir leid, aber es musste sein. Sie ist meine Freundin."
Ich nahm an, dass Malis Vorsprung nun groß genug war und machte mich selbst aus dem Staub, das Messer bereit und meine Umgebung im Auge behaltend, falls wieder ein Zombie hervorspringen sollte, doch es kam keiner. Brauchte mich der Nekromant etwa nicht mehr? Hatte er einen anderen Plan?
Zu Hause angekommen fühlte ich mich sicher und erleichtert und griff nach der Türklinke, doch meine Hand zuckte zurück, als ein starker Schmerz sie durchfuhr. Voller Angst betrachtete ich meine blutenden Finger, die ich mir an der vergifteten Klinge aufgeschnitten hatte, die der Nekromant hinter der Klinke angeklebt hatte. Wieder einmal war ich in seine Falle getappt, die ich hätte vorausahnen können, doch das würde mir sicher nie wieder passieren.
Durch die Wunden gelangte das Gift schneller in meinen Blutkreislauf, sodass ich in kürzester Zeit meine Finger nicht mehr rühren konnte, die ich zum rettenden Öffnen der Tür benötigt hätte, nun konnte ich nur noch dastehen und mein Schicksal abwarten.

Als ich erwachte, lag ich wieder festgeschnallt auf dem Zahnarztstuhl. Ich fühlte nichts, weder Schmerzen, noch Angst, noch Freude darüber, dass ich noch am Leben war. Vor mir stand lächelnd der Nekromant und deutete zur Seite. Dort sah ich mich, meinen lebensfähigen Körper, eingefroren in einer durchsichtigen Kapsel, und als ich dort die angeschnittenen Finger sah und meine eigenen krümmte, spürte ich das Arbeiten elektrischer Maschinenteile in ihnen, da wusste ich, was geschehen war. Dass mein neuer Körper aussah wie mein alter, freute mich in diesem Moment überhaupt nicht.
"Es ist geglückt", freute sich der Nekromant und begann die Lederriemen zu lösen, die mich festhielten.
Nun lag es an mir zu entscheiden, was ich mit meiner neuen Existenz anfing.


(geschrieben: 3.9.2006 - 9.9.2006

Anmerkungen:
Zömeterium=Friedhof
Tetrodotoxin wird eigentlich über die Nahrung aufgenommen. Diese Eigenschaft wurde für die vorliegende Geschichte abgeändert, ebenso auch bei der medizinischen Kohle.)

 

Hallo Jellyfisch,

und sie hatte diesen unverwechselbaren, würzigen Duft, von dem ich nicht wusste, ob sonst jemand diesen kannte.
Bisschen umständlich. Ich würde das „unverwechselbar“ rausnehmen, bei „diesen würzigen Duft“ wird ja klar, dass es um einen ganz bestimmten geht – und da es ja gerade darum geht, ihn einzugrenzen, wird auch klar, dass es ein ganz eigener ist. Und statt „ob sonst jemand diesen kannte“ ein einfaches „ob ihn sonst jemand kannte“.

dass um mich herum etwas lauern und beobachten könnte
Das geht so nicht. dass (vielleicht: in der Dunkelheit um mich herum) etwas lauern und mich beobachten könnte
Oder: dass mich etwas beobachten und belauern könnt

Klar und deutlich
Es reicht doch wirklich eins von beiden, eigentlich brauch man sie beide nicht.

um keine Geräusche zu verursachen
, um keine

In diesem Augenblick fand ich einen passenden Namen für den kleinen Kerl, der auf mich mehr und mehr wie ein verrückter Wissenschaftler wirkte. Ab sofort hieß er bei mir nur noch der Nekromant.
Ein erstaunlich kaltblütiger Gedanke – hier wird ein bisschen zu deutlich, dass die Figur dem Autor in die Hände spielt, denn der braucht ja den schön griffigen Namen „der Nekromant“, nicht der Ich-Erzähler, dem es wahrscheinlich herzlich egal ist, wie der Typ heißt.

Und da ich mit niemandem über diesen nächtlichen Vorfall sprechen konnte, da mir das niemand glauben würde, musste ich mein Nötigstes tun.
Na ja, also wäre ich Zyniker würde ich ein Buffy-Syndrom schwerster Güte diagnostizieren. Ist schon ein richtiger Held/ eine richtige Heldin – folgt nem Fremden auf einen Friedhof, sieht wie er einen Zombie erweckt und beschließt ihn aufzuhalten. Also, na ja. Hauptsache, es ist spannend und das ist der Text durchaus.

Um auf Nummer sicher zu gehen wartete ich noch eine Viertelstunde
Um auf Nummer sicher zu gehen, [um … zu- Konstruktionen gehören immer abgetrennt – der Fehler taucht häufiger auf]

schrak jedoch hoch als der Bus in der Stadt anhielt.
, als

Doch ob es auch ein Gegenmittel gegen zweite Gift gab
gegen das zweite

Da wir uns gut genug kannten verstand
, verstand

doch die Tür fiel ins Schloss bevor ich sie erreichte
, bevor

Niemals zuvor hätte ich jemals geahnt
„Niemals – jemals“ ist nicht so schön. Niemals hätte ich geahnt

und mit jeder Minute die verstrich wurde ich nervöser.
, die verstrich,

und meine Fingerabdrücke waren auf dem Stiel, doch vielleicht wurde ich nicht dafür bestraft, weil ich eine vernünftige Erklärung dafür hatte.
Na ja, ihre Fingerabdrücke werden ja nicht gerade registriert sein. Wäre vielleicht spannender, wenn auf dem Spaten irgendwie der Name ihres Vaters stünde, oder so etwas. Dann hätte sie Grund für Panik.

dass mein eines Knie bereits den Geist aufgegeben hatte
Eins meiner Knie – und „Geist aufgeben“ tun Körperteile nicht, sie „verweigern den Dienst“ oder so etwas.

Als ich das nächste Mal die Augen öffnete und wieder klar sehen konnte bemerkte ich
Es schleichen sich jetzt doch einige Kommafehler in den Text (hinter „konnte“ fehlt eins“. Ich such aber nicht mehr jedes einzelne raus, sind ja eher Flüchtigkeitsfehler – bis auf die „um … zu“-Geschichte, der Fehler passiert recht häufig.

Aber ich gebe dir noch eine Chance: Ich werde dich gehen lassen, doch solltest du jemals wieder versuchen meine Pläne zu durchkreuzen, so rettet dich nichts mehr vor meinem Experiment. Hast du das verstanden?"
Hä? Was ist denn in den gefahren? Der Held entkommt dem Schurken; er wird nicht einfach so aus einer Laune heraus freigelassen.

Ein wenig konnte ich mir vorstellen, wie eine ewige Existenz aussehen würde: Um mich herum würden alle, die mir etwas bedeuteten, Freunde und Verwandte, ohne mich alt werden und sterben, immer und immer wieder neue, und ich könnte nichts dagegen tun.
Das sind schöne Gedanken, aber sie sind völlig unglaubwürdig in dieser Situation. Es geht ja um ihr Leben, sie ist Teenagerin, an einen Stuhl gefesselt, usw. Also irgendwie ist mir das alles zu unterkühlt.

Bis vor kurzem dachte ich noch, dass Thomas und Tommy tot wären und dir ebenfalls etwas zugestoßen wäre, und jetzt seid ihr auf einmal alle wieder da und ich stehe hier wie eine Blöde. Das ist alles zu viel für mich, das musst du verstehen. Deswegen werde ich jetzt nach Hause gehen und über alles nachdenken, doch jetzt will ich nichts mehr davon hören.
Also an der Figurenmotivation hapert es dem Text noch ein bisschen. Das ist schon alles recht hanebüchen: Ja, sorry, mein Weltbild ist gerade zusammengekracht und ich zweifle an meiner geistigen Gesundheit. Ich werde mich lieber mal zwei Stunden aufs Ohr legen, dann kapier ich schon alles.

Also erstmal: Kompliment. Der Text ist sauber erarbeitet, lässt sich flüssig lesen und ist durchaus spannend. Ich geh mal frech davon aus, dass du noch recht jung bist, was das Ganze um so beachtenswerter macht. Da könnten sich einige Etablierten hier im Forum eine gewaltige Scheibe abschneiden.
Der Text ist handwerklich gesehen also recht in Ordnung, man könnte sicher noch ein bisschen dran feilen, ein paar Kniffe mehr einbauen, und so weiter, aber alles okay.
Inhaltlich ist er so ein wenig eine Phantasterei. Ein Mädchen, das heldenhaft Abenteuer überlebt, Erwachsene tauchen so gut wie gar nicht auf, die doofen Jungs werden alle naselang zu Zombies. Ich hätte mir den Text auch in der Jugendrubrik vorstellen können, für richtigen Horror ist er schon recht brav und … - verzeih – ein wenig naiv und blauäugig.
Was noch ein bisschen fehlt ist die Figurenmotivation. Das erscheint an einigen Stellen doch sehr konstruiert und an den Haaren herbeigezogen – und auch die Heldin ist einfach zu heldenhaft. So wie Menschen gerne wären, nicht so, wie sie sind. Es wird zu deutlich, dass das Ganze eine „schöne“ Wunschvorstellung ist.
Aber trotzdem, ich glaube du hast Talent und wenn du dran bleibst und weiter schreibst, könntest du sehr gut werden, da bin ich mir ziemlich sicher. Erfahrung kommt halt mit der Zeit.

Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn,

Hab die Geschichte überarbeitet und Fehler korrigiert, mit folgenden Ausnahmen:

Ein erstaunlich kaltblütiger Gedanke – hier wird ein bisschen zu deutlich, dass die Figur dem Autor in die Hände spielt, denn der braucht ja den schön griffigen Namen „der Nekromant“, nicht der Ich-Erzähler, dem es wahrscheinlich herzlich egal ist, wie der Typ heißt.

Genau, ich brauche die Bezeichnung. "Der Mann", "der kleine Kerl" und "er" würden auf Dauer doch langweilig werden, und statt "er" zu sagen und die Leser zu verwirren, wenn ständig über andere Personen erzählt wird, gebe ich ihm diesen "griffigen" Namen. Abgesehen davon, gefällt er mir ganz gut. Wenn die meisten Menschen bei dem Wort "Nekromant" an einen schwarzgekleideten Magier denken, aber dieser kleine Wissenschaftler im weißen Kittel daherkommt, schafft das doch einen interessanten Kontrast, der dem ganzen etwas Lächerliches verleiht.

Na ja, also wäre ich Zyniker würde ich ein Buffy-Syndrom schwerster Güte diagnostizieren. Ist schon ein richtiger Held/ eine richtige Heldin – folgt nem Fremden auf einen Friedhof, sieht wie er einen Zombie erweckt und beschließt ihn aufzuhalten.

Das habe ich ein wenig abgeschwächt, aber ohne geht es nicht. Sonst macht die ganze Geschichte keinen Sinn.

Hä? Was ist denn in den gefahren? Der Held entkommt dem Schurken; er wird nicht einfach so aus einer Laune heraus freigelassen.

Wie Roxane vorher bereits sagte: Sie hätte schon längst ein Zombie sein können. Also, entweder sie wird freigelassen, oder die Geschichte findet dort ihr Ende. Abgesehen davon: Wenn sie entkäme, wüsste sie, wo das Labor ist.

Das sind schöne Gedanken, aber sie sind völlig unglaubwürdig in dieser Situation. Es geht ja um ihr Leben, sie ist Teenagerin, an einen Stuhl gefesselt, usw. Also irgendwie ist mir das alles zu unterkühlt.

Stimmt schon, aber ich weiß nicht, wie ich sonst die Reichweite eines solchen Eingriffs dem Leser klarmachen sollte. Jeder will doch unsterblich sein, warum sie nicht? Das kommt dann nicht recht rüber, wenn ich das weglasse.

Ich hätte noch gerne gewusst, ob die Absätze so okay sind, da ich vorher nie mit welchen gearbeitet habe, doch wenn du nichts darüber sagst, nehme ich an, dass sie in Ordnung sind.

 

Hallo Jellyfish,
obwohl ich sonst nicht gerade Geschichten mag, in denen Zombies vorkommen, weil sie mir immer etwas unrealistisch erscheinen, hast du es geschafft, mit deiner Geschichte mein Vorurteil zu überwinden.
Sie kommt, trotzdem sie relativ lang ist, immer noch als Kurzgeschichte rüber. Eines ist mir aber nicht so ganz klar geworden. Wo spielt deine Geschichte? Ein Kritikpunkt ist vielleicht, dass du die Gefühle deiner Personen noch mehr beschreiben könntest.
Sonst, gelungene Geschichte!

Segelengel;)

 

Hallo Segelengel. Zu deiner Frage:

Wo spielt deine Geschichte?

Wo genau sie spielt ist eigentlich uninteressant (also Namen der Orte), kannst dir beim Lesen selbst ausdenken. Ansonsten lebt Roxane in einem kleinen Dorf in einer ländlichen Umgebung (sie haben ja den Garten und es laufen nicht viele Leute herum). Die Stadt ist eine alte Kleinstadt, wo auch nicht viel los ist. Ist damit deine Frage beantwortet?

Und wegen den Gefühlen: Ich dachte, es kommt auch so rüber, dass Roxane eher mutig ist (im Gegensatz zu Mali), aber danke für den Tipp.

Ach und: Willkommen auf kg.de!

Grüße von Jellyfish

 

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