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Zahnarzt

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12.11.2001
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Zahnarzt

Es war Montag, kurz vor drei Uhr nachmittags.
Ich stand zu Hause im Flur und warf erst einen Blick auf meine Uhr, dann einen Blick durch die geöffnete Badezimmertür.
“Ich will aber nicht zum Zahnarzt“, nörgelte mir mein Sohn entgegen und fuchtelte ungehalten mit der Zahnbürste. “Außerdem habe ich Hunger“, unwillig wischte er den Rest Zahnpastaschaum in ein frisches Handtuch.
Schönen Dank auch, dachte ich und sah mich wieder in einem Berg von Wäsche ersticken.
Ich blickte erneut zur Uhr. “Wir haben noch 10 Minuten, iss noch schnell eine Banane und dann musst du nochmals putzen“, ermahnte ich.
Henrik verzog das Gesicht. “Ich möchte etwas anständiges zum Essen.“
“Eine Banane ist etwas anständiges“, erwiderte ich und schlüpfte in meine Schuhe.
“Ich will aber keine Banane“, gab mir mein Sohn abweisend zu verstehen und verschränkte die Arme vor der Brust.
Toll, ich war schon genervt, bevor wir überhaut los fuhren.
“Nun reiß dich mal zusammen“, sagte ich wirsch und hielt meinem Sohn die Jacke hin.
“Ich hasse das“, erwiderte dieser und öffnete die Haustür.
Keine Frage, wir waren in diesem Moment seelenverwandt.
Während der kurzen Autofahrt, spielte mein Sohn beleidigt und brachte kein Wort mehr hervor, kaum hatte ich aber den Wagen in eine Parklücke gequetscht, nörgele er wieder los.
“Ich finde Zahnarzt blöde. Ich gehe nicht in den Behandlungsraum. Ich habe Hunger...“
Kurz vor der Praxis platzte mir der Kragen.
“Wenn du nicht gleich aufhörst, dann...“, ich überlegte kurz, “... dann gehe ich am Wochenende nicht mehr mit dir ins Kino.“
Unmissverständlich packte ich meinen Sohn am Ärmel, um seinen Blick der sich gelangweilt auf seine Schuhe richtete, auf mich zu lenken.
“Ist mir doch egal“, antwortete dieser schnippisch und zuckte die Schultern.
Mit brodelnden Inneren betrat ich die Praxis, sagte freundlich: “Guten Tag“, während mein Achtjähriger die Begrüßung der netten Arzthelferin ignorierte und gleich ins Wartezimmer ging.
“Na, ihr Sohn ist ja gut drauf heute“, schallte es mir entgegen.
Ich lächelte und reichte die Versicherungskarte über den Tresen, um dann stumm meinem Sohn zu folgen.
“Wie lange dauert das den noch“, fragte dieser, kaum das ich mich neben ihn in den bequemen Wartezimmersesseln gesetzt hatte.
“Nimm` dir doch eine Micky Maus“, schlug ich vor und deutete auf den Tisch mit den Zeitschriften.
“Ich habe keine Lust zum Lesen“, maulte Henrik und lümmelte sich in den Sessel.
Die Frau, mit der wir das Zimmer teilten, warf mir einen empörten Blick entgegen.
“Setzt dich bitte wieder anständig hin“, ermahnte ich meinen Sohn leise und beobachtete erleichtert, das er meiner Anweisung folgte. Vorerst zumindest, bald baumelten seine Beine wieder über der Lehne.
Ich biss die Zähne zusammen und starrte in meine Zeitung. Zwei Minuten später wurden wir aufgerufen.
“Na endlich“, tönte Sohnemann und ignorierte die Hand der Zahntechnischen Assistentin, die ihm diese zur Begrüßung entgegen streckte.
Kino war somit gestrichen!
“Sag mal Henrik, hast du heute einen nicht so guten Tag?“, fragte die Assistentin und legte ihm eine Papierserviette, mit einem Bändchen um den Hals.
Henrik antwortete nicht, sondern hampelte auf dem Zahnarztstuhl herum und befreite sich von dem umgelegten Papier.
Zwei Münder riefen ermahnend: “Henrik!“
“So geht das nicht“, kündigte die Assistentin an. “Das muss um bleiben!“
Tränen schossen Henrik in die Augen.
Mir wurde ganz heiß.
“Ich will das aber nicht, die habe ich noch nie umgehabt“, stieß mein Sohn schluchzend hervor.
Ich versuchte ihn zu beruhigen und einigte mich, mit der Assistentin, das er das Papier in der Hand halten durfte. Allgemeine Erleichterung legte sich auf die Gemüter und die Assistentin konnte gar mit der Polierpaste die Zähne tiefenrein behandeln, zumindest bis sie das Fluorid Gel auf seine Zähne strich.
“Iiiih“, schrie mein Sohn und schoss hoch. “Das schmeckt ekelig.“
Die Assistentin verrenkte genervt die Augen.
Mein Sohn würgte.
Ich versuchte Ruhe zu bewahren und reichte ihm einen überschwappenden Pappbecher.
Er nahm einen Schluck und spuckte den Inhalt, aus seinem Mund, über den Rand des Wasserbeckens auf den Fußboden.
Die Assistentin lief rot an, öffnete den Mund, sagte aber nichts.
Mein Sohn heulte.
Ich wünschte mich fort auf eine einsame Insel.
Fünf Minuten später verließ ich mit brennenden Wangen und einem still schluchzenden Sohn an der Hand, die Praxis.
Ich schwor mir: Das nächste Mal, geht Sohnemann mit seinem Papa hierher.

 

Hallo Carmina,

tja, das hättest du dir eigentlich denken müssen und den Sohnemann gleich mit dem Papa hinschicken sollen...

Na, wem ist schon so ein Zahnarztsbesuch kein Gräuel [--> neue Rechtschreibregel!], haben wir (fast) alle schon erlebt, dennoch hat mich die Geschichte nicht besonders vom Hocker gerissen. :rolleyes:
Ist halt mal trotz allem eine typische Alltagsgeschichte und hier somit bestens aufgehoben.


Gruß, Hendek

 

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