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Zehn aus Zehntausend

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17.11.2014
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Zehn aus Zehntausend

Nicht ich, nicht ich. Alle andern, nur nicht ich.
Ich bin ein Feigling, dass ich sowas denke, aber den Tod fürchtet jeder, da ist jeder ein Feigling, und wenn alle Feiglinge sind, dann ist das vielleicht in Ordnung.
Zehn Leute suchen sie aus, zehn Leute müssen heute in den Bunker. Oh Gott. Nicht hier, nicht heute, nicht ich.
Der Untersturmbannführer geht die Reihe auf und ab. Zackig, wie einer von Jethros Spielzeugsoldaten, die man hinten aufziehen kann und dann laufen sie genauso. Hin, her, hin, her.
Die Menschen senken die Blicke, nur nicht auffallen, nur nicht provozieren. Warten, dass er auch an ihnen vorbeigeht, er soll auf keinen Fall stehen bleiben, auf keinen Fall vor mir.
„Du, Nummer 37240, vortreten.“ Er zeigt auf einen mageren alten Mann mit zerbrochener Brille. Noch neun, schießt es mir durch den Kopf, und im selben Moment schäme ich mich dafür.
„Und wenn noch eine Judensau zu fliehen versucht“, schreit der Untersturmbannführer, „sind es das nächste Mal zwanzig, die dafür sterben müssen!“
Damit marschiert er weiter die Reihen entlang. Sucht wahllos aus der schwarzweißgestreiften Menge aus. Nummer 1293. Noch acht. Nummer 13982. Noch sieben. Nummer 2342. Noch sechs. Nummer 23487. Noch fünf. Als er auf Nummer 124902 deutet bricht kurz Chaos aus, denn der ist noch jung und kräftig, und seine Frau fängt an zu weinen und zu schreien, und sich an ihn zu klammern, aber als die Soldaten mit der Waffe auf sie zielen, lässt sie ihn los und der Untersturmbannführer kann mit seiner Auswahl fortfahren. Vier fehlen ja noch. Noch drei. Und dann nur noch zwei, aber dafür fühlen sich meine Beine auf einmal so schwach und dünn an, denn jetzt bleibt er genau vor mir stehen. „Du“, sagt er und zeigt auf einen Mann direkt neben mir, was unangenehm ist, denn so bekomme ich mit, wie er seine Hose durchnässt. Ein erwachsener Mann, gebrochen, durch ein einziges Wort. Und es fehlt immer noch einer. Einer noch muss heute sterben, in dem Bunker, aus dem man die Schreie hört.
„Du“, sagt er wieder, und noch immer steht er so nah vor mir, dass ich seinen staubigen Atem riechen kann. Doch ich habe Glück, er zeigt nicht auf mich.
Er zeigt auf meinen Vater.

„Nein!“, schreie ich und die Tränen kommen ganz von selbst.
„Nein!“, schreit meine Mutter, „bitte, bitte nicht, wir brauchen ihn doch!“
Jethro schreit nicht, klammert sich nur an seinem Bein fest.
Mein Vater schreit auch nicht, aber ich kann die Verzweiflung in seinen Augen sehen, und auch die Angst. Um sich und um uns, denn wer soll nun für uns sorgen?
„Vortreten, Judensau“, brüllt der Untersturmbannführer, doch jemand anders brüllt lauter.
„Lassen Sie den Mann leben!“ Einer der Häftlinge ist vorgetreten. Ziemlich blass und dünn ist er, aber das sind wir ja alle. „Ich werde für ihn sterben. Das macht für Sie doch keinen Unterschied, oder?“
Der Untersturmbannführer stutzt. Dann zuckt er die Achseln. „Na schön, mir ist es gleich. Dann stirbst eben du für ihn. Judensau.“ Und damit lässt er sie abführen. Die neun Ausgewählten, und den Wahnsinnigen mit der Nummer 16670, der freiwillig in den Hungerbunker geht.
Plötzlich ist mir der Gedanke unerträglich, dass nur eine Nummer von diesem Menschen übrigbleiben wird. „Wie heißt du?“, frage ich ihn, kurz bevor, die Soldaten ihn wegbringen. „Du bist doch kein Jude, oder?“
Der Mann lächelt traurig. „Ich heiße Maximilian Kolbe. Und ich bin Priester.“

 
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Fast hätte ich es vergessen - also nachträgliches Edit:

Dies schrieb Perfektionistin über ihre Geschichte:
Eigentlich schreibe ich keine ernsten, oder tragischen Geschichten, dieser Text bildet eine Ausnahme.
Freue mich sehr über Kritik und hoffe, dass mein Text diesmal "eine Kurzgeschichte (ist), wie wir sie hier bei WK.de definieren."

Solche Bemerkungen bitte in einen Extrapost setzen.

Und: Keine Sorge, ist eine Geschichte. ;)


Hallo Frau Perfektionistin,
ich kannte Maximilian Kolbe nicht, hab also gleich mal nachgegoogelt, wer das ist.
Da hast du die Geschichte ja so ziemlich eins zu eins übernommen. Also ich hab die Kurzgeschichte gern gelesen, wenn man da von gern sprechen kann. Wie bist du auf die Idee gekommen, das Schicksal dieses Mannes zum Thema zu machen? Finde ich eine gute und spannende Sache, sich damit zu befassen. Auch die Idee, nicht den Mann, den Kolbe gerettet, zum Perspektivträger zu machen, sondern seine Tochter oder Sohn, finde ich gut.
Ich hab aber auch ein Aber.
Zum Stil gibts nichts zu sagen, der ist klar, flüssig, liest sich gut. Also da will ich überhaupt nicht meckern. Und eine Geschichte ist das sowieso, die genauso für sich stehen bleiben kann.
Ist mehr eine Anregung, ein bisschen mehr Mut zu kriegen. Was mir hier fehlt, das ist die Anbindung an eine der Personen. Ich weiß nicht, ob das Geschmackssache ist oder nicht, aber ich denke mir, man kommt intensiver in die Thematik über die Gedankenwelt von einer der Personen, also wenn du nicht nur den bloßen Ablauf erzählst und dich nur auf die unerwartete und heftige Wendung verlässt und auf die Schilderung der Angst bei der schrecklichen Musterung des Untersturmbannführers. Für jemanden, der Kolbe kennt, hat die Geschichte keinerlei Überraschung oder darüber hinausgehenden sittlichen Nährwert. Also für mich fängt die eigentliche Geschichte oder das, was dann wirklich spannend würde, an einer anderen Stelle an. Wie geht jemand (oder seine Familie) damit um, dass sich da gerade jemand für ihn geopfert hat? Bleibt es bei der Erleichterung, die man vermutlich im ersten Moment spürt? Wie ist es später? Wie kommt jemand wie Kolbe dazu, sich opfern zu wollen. Was bewegt ihn? Das muss man ja nicht direkt aus seiner Perspektive zeigen, aber was denkt die Tochter darüber? Halt nur den bloßen Ablauf, das finde ich ein bisschen wenig für dieses spannende Thema. Von daher - nur Mut, sich weiter mit ernsthaften Themen zu beschäftigen.
Viele Grüße von Novak

 

Hallo Novak,

du hast dich extra über M. Kolbe schlau gemacht? Danke für die Mühe! Und natürlich auch für deine hilfreiche Kritik!

Wie bist du auf die Idee gekommen, das Schicksal dieses Mannes zum Thema zu machen?
Maximilian Kolbe ist so ziemlich der jüngste Heilige (nicht wegen seinem Alter, sondern weil er noch nicht so lange tot ist) in der Geschichte, deswegen kannte ich ihn durch die Schule. Übrigens war der Vater den er rettete mit seiner Familie persönlich bei der Heiligsprechung dabei.
Ich war gleich fasziniert von einem so bescheidenen, selbstlosen, unauffälligen Menschen, der nur durch die Umstände zum Märtyrer wurde.
Als ich bei einer Schreibübung einen historischen Text schreiben sollte, fiel mir Maximilian Kolbe wieder ein, und ich schrieb kurzerhand über ihn (seine Häftlingsnummer habe ich dann später nochmal recherchiert und geändert).

Zum Stil gibts nichts zu sagen, der ist klar, flüssig, liest sich gut. Also da will ich überhaupt nicht meckern.

Das freut mich.

Für jemanden, der Kolbe kennt, hat die Geschichte keinerlei Überraschung oder darüber hinausgehenden sittlichen Nährwert. Also für mich fängt die eigentliche Geschichte oder das, was dann wirklich spannend würde, an einer anderen Stelle an.

Danke für diesen Einwand! Du hast vollkommen Recht, ich habe mich hier nur in eine beteiligte Person hinein versetzt, und aus deren Perspektive die tatsächlichen, historischen Begebenheiten geschildert. Mehr wollte ich hier auch nicht, es sollte einfach so authentisch und spannend wie möglich dieser kurze Moment im KZ gezeigt werden.

Ist mehr eine Anregung, ein bisschen mehr Mut zu kriegen.

Den Mut, über die historische Begebenheit hinauszuschreiben hatte ich hier wirklich nicht, das stimmt. Gerade wenn das Ereignis noch nicht sooo lange zurückliegt, scheue ich mich davor, einfach etwas dazu zu erfinden. Ich habe dabei die Sorge, dass ich die Geschichte verfälsche. Ein bisschen dramatisieren halte ich für in Ordnung - aber weiterzuspinnen und zu verändern kommt mir in diesem Kontext irgendwie erlogen vor.

Aus diesem Grund schreibe ich im Moment auch an einer komplett erfundenen Geschichte - da ist man freier.

Halt nur den bloßen Ablauf, das finde ich ein bisschen wenig für dieses spannende Thema.

Freut mich, dass du das Thema spannend findest! Diese kleine Episode könnte wirklich auch nur der Ausschnitt aus einem Roman sein. Bisher konnte ich mich noch nicht richtig entscheiden - sollte es noch ein Davor und ein Danach geben, oder muss die Szene für sich stehen?

Herzliche Grüße und danke für dein Feedback!

die Perfektionistin

 

Hallo Perfektionistin

Ich finde, der Text ist über weite Strecken sehr ordentlich geschrieben. Dir gelingt es schnell, den Leser in das Geschehen zu ziehen.

Einer solchen Szene wohnt natürlich eine große Dramatik inne, insofern kann man auch gut einen Spannungsbogen aufbauen. Das machst du hier zwar auch, auf der anderen Seite gehst du aber auch sehr schnell drüber hinweg:

Nummer 1293. Noch acht. Nummer 13982. Noch sieben. Nummer 2342. Noch sechs. Nummer 23487. Noch fünf. Als er auf Nummer 124902 deutet bricht kurz Chaos aus, denn der ist noch jung und kräftig,

In den KZs wurden die Häftlinge nur mit ihren Nummern angesprochen, und hier im Text sind sie leider auch nicht viel mehr als das. Wenigstens der Nummer 124902 gibst du im Ansatz ein Gesicht, aber im Groß und Ganzen finde ich das nicht optimal umgesetzt. Klar, irgendwie spannend ist es trotzdem, aber weniger jetzt, weil du diese Szene so toll beschreibst, sondern weil es eben wie gesagt schon eine Szene ist, die von sich aus viel Dramatik mitbringt. Ich hätte mir jetzt gewünscht, dass all diese Nummern Gesichter bekommen, vielleicht sogar, dass man in einer Art von Rückblende mehr über sie erfährt.

„Du“, sagt er wieder, und noch immer steht er so nah vor mir, dass ich seinen staubigen Atem riechen kann. Doch ich habe Glück, er zeigt nicht auf mich.*
Er zeigt auf meinen Vater.

Dieses "ich habe Glück" solltest du hier streichen. Glück hat er ja nicht wirklich, wenn der Vater ausgewählt wird.

Ich sehe dasselbe Hauptroblem im Text wie Novak auch: Da steckt sehr wenig kreative Eigenleistung drin. Du erzählst nur die Geschichte des Priesters nach, wie man sie auch an anderen Stellen im Internet lesen kann. Natürlich ist das hier keine historische Beschreibung, du verpackst das in eine Geschichte, hast dir überlegt, aus welcher Perspektive du es erzählen willst und baust den erwähnten Spannungsbogen auf, aber insgesamt ist das schon etwas wenig.

Als guter Autor muss man ziemlich vielseitig sein: zum einen muss man mit Wörtern umgehen können, man muss die Sprache beherrschen, das ist so das Handwerkszeug, und das machst du auch ziemlich ordentlich in dem Text. Da gibts nichts zu bemängeln. Aber es gehört halt auch zu einem guten Autor, dass er was zu erzählen hat. Der sprachlich schönste Text taugt nichts (für mich), wenn er keine interessante Geschichte zu erzählen hat. Du erzählst zwar eine interessante Geschichte, aber die hast nicht du dir ausgedacht, sondern du erzählst halt was nach. Warum ist dein Text auf diese eine Szene reduziert, ohne dass irgendein Beteiligter ein individuelles Gesicht bekommt? Das macht das Ganze ziemlich plakativ, reißerisch, und damit wirst du dem Thema nicht gerecht. Das finde ich schade.

Du schreibst:

Ich habe dabei die Sorge, dass ich die Geschichte verfälsche. Ein bisschen dramatisieren halte ich für in Ordnung - aber weiterzuspinnen und zu verändern kommt mir in diesem Kontext irgendwie erlogen vor.

Ja, was heißt Geschichte verfälschen? Es ist doch sonnenklar, dass das hier fiktive Texte sind, schau mal was Tarantino in Inglourious Basterds gemacht hat. Die Frage ist halt, wenn du nichts drumherum erzählst, warum dann überhaupt eine Geschichte über dieses Thema schreiben?

Es ist ein starkes Thema (in dem Sinne, dass es viel Potential für eine Umsetzung bietet), aber auch ein schwieriges Thema, und letzten Endes muss ich sagen, dass mir dein Text inhaltlich nicht genügt. Mir ist das zu wenig. Vielleicht würde ich es anders sehen, wenn du diese Szene erfunden hättest ... aber sie einfach nachzuerzählen, so ohne ihr einen vernünftigen Kontext zu geben, finde ich zu wenig.

Grüsse,
Schwups

 

Hallo Perfektionistin

Ich fand die Geschichte recht gut.

Leider kam ich aber nicht richtig in sie hinein, was wohl daran liegt, dass er sich zuerst vorwirft, er sei ein Feigling, obschon er doch fürchtet, umgebracht zu werden. Ich glaube halt nicht, dass jemand in dieser Lage noch lange darüber «meditiert», ob er nun feige oder mutig ist, ob er nun in Ordnung ist oder nicht, es sei denn, die Lage ist nicht wirklich existenziell.

Den Schluss hast du gut erzählt.

Gruss teoma

 

Hallo Schwups,

entschuldige, dass ich nicht früher geantwortet habe, ich war übers Wochenende verreist. Nun habe ich endlich Zeit, auf deine Kritik einzugehen. Vielen Dank, dass du so genau und ehrlich kommentiert hast!

Du“, sagt er wieder, und noch immer steht er so nah vor mir, dass ich seinen staubigen Atem riechen kann. Doch ich habe Glück, er zeigt nicht auf mich.*
Er zeigt auf meinen Vater.

Dieses "ich habe Glück" solltest du hier streichen. Glück hat er ja nicht wirklich, wenn der Vater ausgewählt wird.

Diese Formulierung ist hier so gewollt. Der Protagonist denkt zuerst an sich, wie wohl jeder in dieser Situation, das heißt er ist zuerst erleichtert, dass nicht er, sondern jemand anderes stirbt, und erst danach begreift er, dass dieser jemand anderes sein Vater ist.

Als guter Autor muss man ziemlich vielseitig sein: zum einen muss man mit Wörtern umgehen können, man muss die Sprache beherrschen, das ist so das Handwerkszeug, und das machst du auch ziemlich ordentlich in dem Text. Da gibts nichts zu bemängeln. Aber es gehört halt auch zu einem guten Autor, dass er was zu erzählen hat. Der sprachlich schönste Text taugt nichts (für mich), wenn er keine interessante Geschichte zu erzählen hat.

Weise Worte, ich stimme dir vollkommen zu. Und normalerweise denke ich mir mit Hingabe eigene Geschichten und Charaktere aus. Doch warum nicht auch mal Geschichten nutzen, die sich von selbst geschrieben haben?

Du erzählst zwar eine interessante Geschichte, aber die hast nicht du dir ausgedacht, sondern du erzählst halt was nach.

Auch das stimmt. Die Geschichte ist wahr, und habe mich bemüht sie so zu erzählen, wie sie tatsächlich stattgefunden haben könnte, das war für mich die Herausforderung: Etwas historisch korrekt und trotzdem spannend darstellen.
Ich verstehe, dass manch einer das für unkreativ hält. Aber mit dieser Kurzgeschichte wollte ich eben eine tatsächliche Begebenheit einfangen und konservieren. Damit man eben nach dem Lesen denkt "Oh, mann, und das ist tatsächlich passiert!" und nicht: "na ja, ist ja nur ausgedacht."

Warum ist dein Text auf diese eine Szene reduziert, ohne dass irgendein Beteiligter ein individuelles Gesicht bekommt? Das macht das Ganze ziemlich plakativ, reißerisch, und damit wirst du dem Thema nicht gerecht. Das finde ich schade.

Plakativ und reißerisch, das ist hart. Dann ist bei diesem Text wohl tatsächlich etwas schiefgelaufen.
Natürlich hätte ich auch in Rückblenden die Geschichten der Ausgewählten erzählen können, doch dann hätte ich die Perspektive des Protagonisten verlassen. Der Text wäre dadurch erheblich länger geworden, und die Szene nicht mehr "in Echtzeit", dargestellt.
Vielleicht bekäme sie dadurch aber auch mehr Tiefe. Danke für die Anregung, ich probiere das gerne mal aus.

Und dann die Sache mit den Nummern:

In den KZs wurden die Häftlinge nur mit ihren Nummern angesprochen, und hier im Text sind sie leider auch nicht viel mehr als das. Wenigstens der Nummer 124902 gibst du im Ansatz ein Gesicht, aber im Groß und Ganzen finde ich das nicht optimal umgesetzt.

In einem KZ wurden aus Menschen Nummern gemacht, alles Individuelle wie Haare, Kleidung, Name, Beruf wurde gewaltsam genommen.
Das wollte ich in der Geschichte unterbringen, deshalb die Nummern. Aber du hast Recht, vielleicht hätte ich die Häftlinge trotz dieser Annonymität detailreicher beschreiben sollen, um ihnen mehr Persönlichkeit zu geben.
Dann hätte ich aber vielleicht eine andere Perspektive wählen müssen, und es wäre eine ganz andere Geschichte dabei herausgekommen.

Ich danke dir sehr für deine Kritik und deine Anregungen. Vieles werde ich sicher in meine nächste Geschichte mit einbauen.

Herzliche Grüße

die Perfektionistin

 

Hallo Teoma,

auch dir vielen Dank, für deine kurze Rückmeldung.
Dir scheint das Ganze sogar noch zu unrealistisch zu sein, das ist interessant.

Ich glaube halt nicht, dass jemand in dieser Lage noch lange darüber «meditiert», ob er nun feige oder mutig ist, ob er nun in Ordnung ist oder nicht, es sei denn, die Lage ist nicht wirklich existenziell.
Doch das glaube ich schon. Es muss unglaublich erniedrigend sein, sich so klein zu machen, so von der Willkür eines Menschen abhängig zu sein.
Und ich kann mir schon vorstellen, dass jemand in dieser Lage, ein schlechtes Gewissen hat, weil er anderen den Tod wünscht, um selbst zu überleben.
Aber ich kann hier natürlich nur spekulieren - zum Glück.
Den Schluss hast du gut erzählt.

Dankeschön!

Herzliche Grüße

die Perfektionistin

 

und noch immer steht er so nah vor mir, dass ich seinen staubigen Atem riechen kann.
Ein gewagtes Stück, dass Du da lieferst zum 14. August 1941 über das Opfer des polnischen Franziskaners Maximilian (eigentlich Rajmund) Kolbe,

liebe Perfektionistin,

aber - wie ich finde, manierlich gelöst – mit einem kleinen Makel, der hier durchscheint: QUOTE]Als er auf Nummer 124902 deutet[,] bricht kurz Chaos aus, denn der ist noch jung und kräftig, …* [/QUOTE]Bis 1941 forcierte Adolf Eichmann die Auswanderung von Juden und erst ab Herbst 1941 und vor allem nach der Wannseekonferenz (20.01.42) stoppte Eichmann die bis dahin von ihm (und, wen könnte das überraschen, Hitler) bevorzugte Auswanderung von Juden und ab da begann der sytematische Abtransport in die Konzentrationslager. Die galten zuvor und auch danach, kurz gesagt, als Arbeitslager („Arbeit macht frei“) und die statistisch erwartete Lebensdauer eines arbeitsfähigen Häftlings wurde auf neun Monate kalkuliert. Nummer 124902 hatte also gute Chancen, eben nicht für die Flucht eines Mithäftlings hingerichtet zu werden.

Gleichwohl: Es ist gut, dass diese Taten nicht vergessen werden!
Auf ein fehlendes Komma hab ich schon hingewiesen. Hier nun wäre eines entbehrlich

frage ich ihn, kurz bevor[…] die Soldaten ihn wegbringen.
Eine letzte Korrektur wäre hier vorzunehmen
, dass ich sowas denke,
So was immer auseinander, da an sich ein so etwas.

Hier will mir mehr als der bloße Aussagesatz durchzubrechen

Nicht ich, nicht ich. Alle andern, nur nicht ich.
Oder auch deutlicher im
Oh Gott.
- einem Ausruf!, wie ich finde
*
Wäre hier nicht eher ein passiver Vorgang
…, denn so bekomme ich mit, wie er seine Hose durchnässt.
Etwa „wie seine Hose durchnässt wurde.“
*
Jethro schreit nicht, klammert sich nur an seinem Bein fest.
Hier wird der flüchtige Leser – Du glaubst gar nicht, wie viele es davon gibt, selbst hierorts – sich fragen „an wessen Bein“ und mancher wird den Slapstick fertigbringen, dass Jethro sich selbst ans Bein packe.

Gern gelesen vom

Friedel

 

offtopic Friedrichard

Sag mal, Friedel, wäre es nicht schön langsam an der Zeit, da du ja wirklich in neun von zehn deiner Kommentare gebetsmühlenartig diesen Korrekturvorschlag machst,

Friedrichard schrieb:
Eine letzte Korrektur wäre hier vorzunehmen
dass ich sowas denke,
So was immer auseinander, da an sich ein so etwas.

wo doch sogar schon der Duden "sowas" als alternative Schreibweise akzeptiert, deine Haltung endlich als das zu erkennen, was sie ist? Nämlich als donquichottehaft?
Wenn, ich sag mal geschätzte 50% der deutschsprachigen Bevölkerung die zusammengeschriebene Version als richtig und ästhetisch ansprechender empfinden, ist es doch allemal Zeit, das Regelwerk entsprechend anzupassen. Vor allem in diesem Fall, wo die Umstellung (oder besser Akzeptanz als Alternativschreibweise) von "so was" zu "sowas" an der Verständlichkeit eines Textes nichts bis wenig ändert.

Ist es wirklich so schlimm, wenn die Macht des Faktischen bisweilen eine normative Wirkung auf Normen hat?
Stell ich als Frage jetzt einfach mal so in den Raum.

offshore

 

„Ik beheers het Duitse, maar de taal gehoorzamt me niet.“
Peter Altenberg ins Holländische übersetzt​

So etwas aber auch,

lieber ernst,
dass das zu einer Geschichte angesprochen wird, die 1941 spielt. Und wer hat was gegen Don Q.?

Nimm’s also nicht tragisch,

liebe Perfektionistin,
denn nach Deinem Pseudonym wirstu dergleichen Ereignisse verkraften, ohne großen Schaden zu nehmen.
Die Dudenredaktion in ihrer opportunistischen Anpassungswut nutzt die Umgehungsstraße der Rechtschreibung und somit die Zusammenziehung von „so etwas“ - obwohl die Grammatik-Redaktion weiterhin „so was“ schreibt, die muss ja auch ihre Quellen angeben wie z. B. den short message service (nhd. SMS), der ja auch das Loblied der Aküspra ( = Abkürzungssprache) singt.

Nix dagegen, wenn man nicht nur bewusstlos vor sich hinschreibt und weiß, was „so etwas“ bedeutet und welcher Wortart es zuzurechnen sei.

„So“ ist ursprünglich Adverb (in der Bedeutung von „in der Weise“) und wird dann Konjunktion (i. S. von „dann, deshalb“). Etwas oder auch in der älteren Form etwer hingegen ist ein untergegangenes Pronomen und bestimmte da schon sinnigerweise Unbestimmtes (wie heute noch irgendwer/-was) in Dingen, vor allem in Mengen (und wird dann „ein wenig“). Was aber wäre aber die Summe aus Adverb + Pronomen?

Goldiges 1941, mag da mancher versehentlich denken, da brauchte sich niemand über dergleichen den Kopf zerbrechen. Da sieht man wieder, wie gut wir’s mit der marktkonformen Demokratur haben …

Übrigens, im Ruhrlatein ist der Mörder des Genitivs in Gefahr, ausgerottet zu werden, wenn es heißt, mir und mich verwechsel ich nicht, das kommt bei mich nicht vor, ich hab’n kleinen Mann im Ohr, der sagt mich alles vor.

Wie sagt Karl Kraus: „„Umgangssprache entsteht, wenn sie mit der Sprache nur so umgehn; wenn sie sie wie das Gesetz umgehen; wie den Feind umgehen; wenn sie umgehend antworten, ohne gefragt zu sein. Ich möchte mit ihr nicht Umgang haben; ich möchte von ihr Umgang nehmen; die mir tags wie ein Rad im Kopf umgeht; und nachts als Gespenst umgeht.“

I. d. S.

Friedel

 

Hallo Perfektionistin,

Als jemand, der Maximilian Kolbe nicht kannte, barg das Ende der Geschichte den von dir wahrscheinlich intendierten Überraschungseffekt (wenn ich dir das mal so unterstellen darf).
Die Figur bzw. deren "Innerer Monolog" als Idee, die Thematik zu verarbeiten, wirkt auf mich sehr gut. Die Hektik bzw. innere Anspannung, als die Nummern alle ausgewählt werden und die Person einen "Countdown" startet, birgt für mich sehr viel Spannung (Anspannung) und ich wurde beim Lesen selbst sogar nervös.
Das ist für mich definitiv die Highlightstelle der Geschichte.

Der Einwand der fehlenden kreativen Eigenleistung ist für mich ambivalent. Du bist keine Holocaust-Überlebende, oder? Und ich gehe mal davon aus, dass du in deinem Leben sonst wahrscheinlich noch nie ersthaft in einer Situation warst, in der du mit solcher Vorankundigung wie hier um dein Leben fürchten musstest (als Banküberfallgeisel etc.)? Vor diesem Hintergrund ist es eine saubere und auch angemessen empathische Leistung.
Allerdings finde unabhängig deiner Biopgraphie den Inneren Monolog noch ausbauungsfähig. Der Einstief mit den Gedanken über das Feigling-Dasein, zum Beispiel, in das sich, wie ich mir vorstellen kann, noch mehr Scham mischen würde.
Die Person erkennt, dass sie selbstsüchtig ist, aber rationalisiert das, dass jeder so ist - aber würde sie es zum Beispiel zugeben? Könnte sie selbstloser sein? Und selbst wenn - ist Angst und Scham nicht doch menschlich?
Wenn das nochmal angesprochen wird, dann wäre auch die Leistung Kolbes noch mehr hervorgehoben.
Natürlich ist da die Schwierigkeit, das alles in einem Rahmen zu beschreiben, der nicht philosophisch ausschweift, sondern sich auf die Überlebenssinstinkte konzentriert (der Situation also angemessen). Trotzdem denke ich, das ein oder zwei Sätze noch drin sein könnten.
Aber auch ohne sehr gelungen.

Liebe Grüße
Tell

 

P.S. Nur eine Sache noch: Wie kommt die Erzählerin darauf, dass Kolbe kein Jude ist? (Kein Stern? Keine semitischen Gesichtzüge?)

 

Kann ich beantworten,

lieber Tell,
und zugleich ein herzlich' willkommen allhier.

Kolbe war neben allem möglichen Franziskaner, also Katholik.

Gruß und schönen Restsonntag vom

Friedel

 

Hallo Friedel,

Danke. ;)
Es war mir klar (ich hab ja auch nachgelesen), dass er katholischer Priester war. Nur: Wie kommt die Ich-Erzählerin in dieser Situation darauf, ihn zu fragen, ob er kein Jude ist (ich gehe davon aus, er ist ein Mann, den sie zuvor noch nicht kannte). Da wäre die Frage ja nicht unbedingt das naheliegendste.

Liebe Grüße
Tell

 

Lieber Tell,

entschuldige, dass ich erst so spät auf deinen wirklich hilfreichen Kommentar eingehe. Zum Glück hat Friedel ja zumindest schon auf deine Frage geantwortet, danke Friedel!

Zuallererst freut es mich sehr, dass die Geschichte grundsätzlich bei dir funktioniert hat, die angespannte Situation auf dich abfärben konnte.
Nein, ich bin keine Holocaust Überlebende - dazu bin ich eindeutig zu jung :)
Vielen Dank auch für deine Verbesserungsvorschläge. Du hast vollkommen recht, man könnte den inneren Monolog garantiert noch mehr "auskosten", noch mehr widersprüchliche Gefühle hineinpacken, und somit ein komplexeres Figurenbild erzeugen. Hier war ich im Zwiespalt, wie viel äußere - wie viel innere Handlung braucht man?
Was deine letzt Frage angeht, so denke ich einfach, dass es auch in einem KZ Gruppen und Außenseiter gibt, und dass Kolbe vermutlich als katholischer Priester eher ein Außenseiter war. Viele der Häftlinge kannten sich ja auch schon vorher durch Gemeinden oder Familien oder Geschäfte. Der Protagonist fragt sich, was dieser Mensch, von dem er vielleicht gehört hat, dass er kein Jude ist, verbochen haben könnte, dass er in dem KZ gelandet ist. Mag sein, dass die Frage erstmal verwirrt, er hätte sich ja auch einfach bedanken können...

Viele Grüße
die Perfektionistin

 

Hallo Perfektionistin,

Wie gesagt, Friedels Kommentar ging ja an meiner Frage vorbei. ;) Dass die Ich-Erzählerin fragt, weil sie ihn nicht kennt - eventuell kannst du erwähnen, dass er auch absolut nicht-semitisch aussah, keinen Stern trug? - hat für mich einfach gefehlt bzw. es war nicht naheliegend, dass sie nach der allgemeinen Anspannung, nachdem es sonst nie Thema war, auf einmal noch sagt: "Aber Sie sind kein Jude".
LG

LG

 

Hallo Perfektionistin,
Ein gutes Thema hast du gewählt und diese Szene verdient es durch eine Geschichte gewürdigt zu werden.
Auch der Titel trägt dazu bei, nicht zu viel zu verraten und macht neugierig.
Einerseits ist es gut, dass du nicht zu lange Abschweifungen schreibst, du konzentrierst dich sofort auf die spannende Szene. Andererseits geht doch etwas vom Protagonisten verloren. So überrascht es, dass Jethro, das Kind neben seinem Vater steht. Offensichtlich eine glückliche Fügung, das hier die Familie zusammen steht. Da böte sich durchaus noch Platz für Ausschmückung an, und dadurch könnte sich der Leser besser mit den Hauptfiguren identifizieren.

lg
Bernhard

 

Hallo Tell, Hallo Bernhard,

Euch beiden ein spätes aber herzliches Danke für eure hilfreiche Kritik.
Eure Verbesserungsvorschläge scheinen mir in dieselbe Richtung zu gehen: Beide Male geht es um genauere Beschreibungen, Erklärungen, Hintergründe.
Ihr könntet Recht haben. Der Schreibstil ist ziemlich schlicht, das sticht mir mittlerweile sogar selbst ins Auge. Tragendes Element sind eindeutig die Handlungen, nicht die Sprache. Weil die Geschichte nun schon so lange her ist, dass ich sie selbst nicht mehr gut finde, werde ich einfach versuchen, eure Tipps in der nächsten Kurzgeschichte umzusetzen.
Nochmal danke für euer Feedback und viele Grüße!

 

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