Was ist neu

Zoe

Challenge 1. Platz
Challenge 1. Platz
Mitglied
Beitritt
28.01.2018
Beiträge
141
Zuletzt bearbeitet:

Zoe

„Kauf dir doch mal so ein Handy, dann erreicht man dich wenigstens“, sagte mein Vater noch, dann legten wir endlich auf.
Ich zog mein grünes Wollkleid an, zu kalt für die Jahreszeit, griff meine Schlüssel und zog eine Jacke aus dem Kleiderhaufen neben der Tür. Ich fror schon bei den Fahrradständern.
Die Galerie war nicht geheizt, natürlich, hier stellten Studenten aus und Leute wie der verrückte Jörg. Die Galeristen konnten sich keine Heizung leisten. Ich stellte mich in die von der Tür am weitesten entfernten Ecke. Wenigstens zog es hier nicht.
Auf den kleinen Zeichnungen um mich herum waren menschliche Figuren zu sehen, nebeneinander sitzend, oder einer saß und der andere stand eben auf. Immer waren sie halb voneinander abgewandt oder starrten gemeinsam einen Punkt außerhalb des Bildes an. Jemand trug einen Pullover, fein gezeichnet, mit Norwegermuster, die übrige Gestalt war aber nur eine Kontur, am Gesicht aufgerissen.
Das Bild, vor dem ich stehen geblieben war, zeigte eine Hand, an der drei Finger fehlten. Vor der Hand lag ein Messer. Vor dem Messer lagen drei Finger.
„Hast du von Julia gehört?“, hatte mein Vater am Telefon gefragt. „Hat sie sich bei dir gemeldet?“
Die Betreuerin hatte ihn angerufen. Es war nicht das erste Mal, dass meine Schwester verschwand. Vermutlich eine Panikattacke. Sie hatte die Tabletten abgesetzt, das machten ja alle ab und an. Dann hielt sie sich für ein paar Tage versteckt, in einer Pension irgendwo im Schwarzwald oder draußen, im Wald, unter einer Brücke, wer weiß, bis sie sich sicher fühlte, bis die Angst oder die Psychose abklang, je nachdem, wie man das sah.
Vielleicht war es aber auch etwas anderes. Vielleicht war es diesmal geschehen. Das, wovor wir uns am meisten fürchteten. Wovon wir nicht sprachen. Vielleicht hatte sie es geschafft. Hatte genug Tabletten und Verzweiflung in sich. Hatte sich in einen Wald gelegt oder vielleicht auch einfach in ihrer winzigen Wohnung ins Bett. Ob es sinnvoll wäre, die Polizei einzuschalten, ihre Tür aufzubrechen? Vielleicht kam sie ja wieder. Da sollte alles in Ordnung sein, wie sie es zurückgelassen hatte, sagte mein Vater.
„Vielleicht hat sie sich ja bei der Mutti gemeldet.“ So hieß meine Mutter noch zwischen meinem Vater und mir, gut zehn Jahre nach der Scheidung.

„Hey!“ Hinter mir stand Marco, neben ihm Monique, die Künstlerin. Hinter den beiden jemand, den ich, schien mir, kannte, an dessen Namen ich mich nicht erinnerte, und dazwischen eine kleine Frau mit unglaublich krausem Haar in einem viel zu weiten Kleid.
„Grit! Ich wollte dir doch Zoe vorstellen“, sagte Marco, „Zoe, das ist Grit.“
Zoe, die Frau, in die er sich im Sommer verliebt hatte. Monique hatte ihn deswegen rausgeworfen. Er schlief bei Freunden oder zog heulend durch die Straßen, ritt im Galopp durch alle Phasen der Liebe. Irgendwann stand er wieder vor Moniques Tür, da war sie schon voll mit der Ausstellung beschäftigt. Marco strich die Wände der Galerie, und wir kamen nach und nach vorbei und hörten uns die ganze Geschichte an. Jetzt stand er grinsend zwischen Monique und Zoe.
Ich spürte in meinem Rücken die Zeichnung mit den drei abgeschnittenen Fingern. Keine eigentliche Zeichnung, Monique hatte vielmehr von beschichteten Blättern das Schwarz weggekratzt, bis diese Zeichnungen erschienen, die in karierte Schulhefte gezeichnet schienen. Family Tree nannte sie das Ganze: eine Familiengeschichte. Dabei war bei ihr, soweit ich wusste, alles in Ordnung.
Jemand reichte mir einen Becher Weißwein.
Vielleicht hatte meine Mutter mich inzwischen angerufen, falls mein Vater sie erreicht hatte. Oder meine Schwester hatte eine Nachricht hinterlassen. Vielleicht konnte ich ihr helfen, wer weiß, in einer Sache, die die Eltern nicht erfahren sollten.
Ich dachte an meinen Anrufbeantworter, trank schnell und begann mich zu verabschieden, indem ich alle, die ich kannte und auch ein paar, bei denen ich mir nicht sicher war, nacheinander in den Arm nahm. Mit Zoe hatte ich noch kein Wort gewechselt. Als ich ihr unsicher zunickte, hob sie leicht die Arme an. Ich ging auf sie zu und drückte sie kurz an mich, wie man das so machte, ein gegenseitiger Druck, man lässt los, kurzes Nicken und weiter.
Aber da kam kein Gegendruck von ihrer Seite, keine Umarmungsbewegung mit Anfang und Ende. Zoe wurde in meinen Armen flüssig: als wären ihr Hals, ihr Haar, ihr kleines, kühles Gesicht, als wäre ihre dünne Gestalt aus Wasser, unaufhörlich abwärts fließend, ihre Arme strömten meinen Rücken hinunter; oder es war ich, die in ihren Armen zerfloss. Sie war ein wenig kleiner, ein bisschen schmaler in den Schultern und sie hörte nicht auf, zwischen meinen Armen hindurchzurinnen. Ich musste mich setzen. Da war ein Stuhl. Hatte den jemand für uns hingestellt? Ich lehnte meinen Mund an ihren, das war ein Anker, denn unsere Beine waren schon ganz durcheinander und in die Röcke unserer Kleider verwickelt. Ich öffnete die Augen. Um uns herum war so viel Platz und dann stand Marco da und grinste uns an, ein paar Leute starrten oder versuchten, nicht zu starren. Zoe und ich standen auf. Sie lächelte, und ich ging.

Im Treppenhaus, zwischen dem zweiten und dritten Stock stand eine Frau und rauchte, dabei trank sie Kaffee aus einer kleinen roten Tasse. Ich nickte ihr zu, sie lächelte. Ich spürte meine Haut noch, wie sie meinen Körper umgab, nicht wie ein fest geschnürter Sack, sondern weich und in ständiger Bewegung.
Aber kaum, dass ich die Wohnungstür aufschloss, stand alles still. Vom Treppenhaus konnte ich durch den winzigen Flur in das Zimmer sehen, in dem der Anrufbeantworter auf dem Fußboden stand. Das rote Licht blinkte nicht. Keine Nachricht. Meine Schwester hatte sich nicht gemeldet, nicht bei meinen Eltern, nicht bei mir. Wäre ich doch in der Galerie geblieben. Ein leichtes Flirren auf der Innenseite der Arme erinnerte mich an Zoes abwesenden Körper. Ich schlief schlecht, wachte auf in der Überzeugung, das Telefon hätte geklingelt. Als ich nachsah, stand der Anrufbeantworter auf seinen achtunddreißig alten Nachrichten. Ich hatte geträumt.

In den nächsten Tagen rief Marco an, ob alles in Ordnung sei, meine Mutter, die auch nichts wusste, und schließlich ein Architekt, der eine größere Übersetzung anfragte.
Mein Endlosfaxgerät spulte zehn Meter Vertragstext auf den Teppich. Ich hatte wieder Arbeit und verbrachte die Tage in der Bibliothek. So spät es eben ging, kehrte ich abends zu meinem nicht blinkenden Anrufbeantworter zurück. Am Ende der Woche dann eine Nachricht, aber nicht von meiner Schwester. Es dauerte einen Moment, bis ich die Stimme zugeordnet hatte: Marco hatte Zoe meine Nummer gegeben. Ich spürte sofort wieder das Fließen in meiner Haut.
Ich traf sie in einem Café, meine Tasche verbeult von dem zerknitterten Vertrag. Sie rauchte unaufhörlich, redete viel mit ihrem rauen Akzent. Ich rauchte mit, redete mit, alles, was mir einfiel. Wir gingen zu der Wohnung, in der sie ihr Zimmer hatte: ein Bett, ein Tisch, ein kleines altes Sofa und zwei Stühle. Als Schrank dienten Regale und eine Kleiderstange neben der Tür. Ihre Zeit in Deutschland war fast vorbei, der Job beendet und kein anderer in Sicht. Wir rauchten noch mehr, sie hatte Whiskey da. Wir saßen auf einem winzigen Sofa, aber da war immer noch Platz zwischen uns, zwischen unseren Schultern und Armen. So leicht wir uns in der Galerie in die Arme gesunken waren, so viel schwieriger schien es hier. Meine Schultern und Ellenbogen waren mir im Weg, die Knie eckig, der Zwischenraum, der zwischen uns auf dem Sofa saß, nahm meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, wie ein ungebetener Gast, der unaufhörlich redet. Wir sprachen über alles Mögliche, nur nicht über diesen Raum, der immer lauter wurde. Ich hielt es kaum aus, wollte schon aufstehen und gehen, als Zoe mit der Rückseite ihrer Hand über meinen Oberarm fuhr. Ich wandte mich ihr zu. Ein Dröhnen von Steinen, die einen Hang hinunterrollen, Felsen, die in den Abgrund stürzen, weil der Gebirgsfluss sich ein neues Bett geschaffen hat. Ich neigte mich vor sie zu küssen.
Wir zogen uns gegenseitig aus unseren Kleidern, strampelten uns aus der Unterwäsche, kichernd, dann wieder ernst.
Dann stand sie mir gegenüber, nackt.
Ein Frauenkörper, dem meinen so ähnlich. Anders als die Männer, an die ich mich gewöhnt hatte. Die Haut, sagte Zoe später, die Haut ist der größte Unterschied. Immer wieder strich ich mit den Fingern über ihren Bauch, über ihre Brust und seitlich am Hals herauf zu ihren Wangen.
Die Haut war es, nicht nur weicher, sie schien Licht anders zu reflektieren, in den Kuhlen über dem Schlüsselbein zum Beispiel, oder auf der Landschaft ihrer Hüfte, wenn sie auf der Seite lag: ein weicher Schimmer. Ich staunte über ihre Gelenke, ich nahm ihre Beine in meine Hände und wog sie. Sie ließ mich machen, eine Weile, knurrte dann leise, wie ein kleiner Hund und zog mich zu sich. Ihre Hand fuhr über meinen Rücken. Unsere Beine verwickelten sich. Wir küssten uns, und weil alles an ihr klein war, hatte sie auch eine ganz kleine Zunge, klein und kühl. Das übereinander Gleiten, Streicheln, sich Verwickeln und Entwirren, alles schien kein Ende zu nehmen, kein Ziel zu haben. Ich würde meinen, ich hätte die Nacht ganz ohne Schlaf zugebracht, wenn ich mich nicht an diesen Traum erinnerte: Ich stand in einer Grotte am Meer. Das seichte Wasser leuchtete hellgrün, der Fels schimmerte golden. Da waren auch andere Menschen, saßen und lagen auf den Steinen und ich ging in das Wasser, immer weiter, es wurde tiefer und tiefer, und als ich nicht mehr stehen konnte, ging ich trotzdem weiter. Das Wasser stieg über meinen Kopf, und ich ging auf dem Boden des hellgrünen Meeres spazieren, ohne Angst: Ich hatte verstanden, dass ich unter Wasser atmen konnte.
Als ich aufwachte, brachte Zoe einen Kaffee aus der Küche.
Ich fuhr von ihrer Wohnung direkt zur Bibliothek, schlug dort den ganzen Tag in den Wörterbüchern Fachbegriffe für Bauverträge nach und kam erst abends heim. Der Anrufbeantworter blinkte. Marco fragte, ob ich mit ihm und Monique ins Kino gehen wollte und mein Vater, wo ich denn sei, er müsse dringend mit mir sprechen.
Ich rief ihn sofort an. Julia war nicht aufgetaucht. Sie war auch nicht tot aufgefunden worden. Ich konnte dieses Gefühl nicht deuten. Enttäuschung? Eher eine verpasste Erleichterung. Aber wie könnte es eine Erleichterung sein, zu wissen, dass meine Schwester tot war?
Mein Vater berichtete, was er von der Betreuerin hatte: Drei Tage nach ihrem Verschwinden hatte meine Schwester Geld abgehoben, das hatte die Betreuerin in den Kontoauszügen gesehen. Jetzt war der erste November vorbei, das Geld, das meine Eltern ihr jeden Monat überwiesen, war auf ihrem Konto und sie hatte es nicht angerührt.
Die Polizei brach die Wohnungstür auf. Die Betreuerin ging hinein. Die Wohnung war unordentlich und offensichtlich nicht mehr benutzt. Tabletten in allen Schubladen, schmutzige Wäsche auf dem Bett. Ihre Haarbürste wurde für die DNA-Bestimmung mitgenommen.
Mein Vater hatte auch mit dem Polizisten gesprochen. Der kannte Julias Diagnose.
„Netter Mann“, sagte mein Vater.
Wenn sie sich im Wald mit Schlaftabletten vergiftet hatte, so der Polizist, würde man sie früher oder später finden. In einer Nadelwaldschonung eher später, das konnte Jahre dauern. Hatte sie sich allerdings in einem der Baggerseen in der Nähe ihrer Wohnung ertränkt, so würde man ihre Leiche vielleicht nie finden, denn die Kiesablagerungen konnten einen menschlichen Körper für immer bedecken.
Lange war sie meine große Schwester gewesen, aber mit einem Meter fünfundfünzig hatte sie aufgehört zu wachsen, und ich habe sie dann langsam und ohne es zu wollen überholt. Jetzt sah ich ihren dünnen Körper im Kies versinken, im Dickicht unter Nadelbäumen liegen, ungeschützt, und sehnte mich danach, selbst unter Wasser zu sein und nie mehr auftauchen zu müssen.
Ob wir jemanden wüssten, bei dem sie vielleicht untergekommen sein könnte, hatte der Polizist gefragt. Freunde, aus der Schule vielleicht.
Uns fiel niemand ein.

Als ich Marco und Monique vor dem Kino traf, stand Zoe bei ihnen. Wir berührten uns den ganzen Abend nicht, bis wir wieder in ihrem winzigen Zimmer standen.
„Findest du das nicht eklig?“, fragte sie.
„Was?“
„Na, mit einer Frau!“
Ich stand vor ihr, meine nackten Brüste berührten ihre.
„Nicht ekliger als mit einem Mann.“
Sie lachte. Ich hob sie hoch, setzte sie aufs Bett und ließ mich wieder ins Meer sinken. Die Wasseroberfläche schimmerte in großer Ferne über unseren Köpfen. Mitten in der Nacht wachte ich auf. Etwas hatte mich geweckt, ein Bild oder ein Gedanke. Ich sah meine Schwester auf dem Waldboden liegen, am Rande einer Lichtung, unter einem Baum. Sie trug wie immer eine dunkle Jacke, die dünnen Beine steckten in formlosen Jeans. Ihr Haar stand wie elektrisiert vom Kopf ab, eine Folge des Waschzwangs. Ihre offenen Augen waren starr. Sie war tot. Hatte ich das geträumt? Ich lag steif neben Zoe, die ruhig atmete. Ich wollte mich bewegen, aber ich konnte nicht einmal einen Finger rühren. Vielleicht war in Wirklichkeit ich gestorben, und nicht sie. Ich schloss die Augen und öffnete sie. Ein leichtes Gewicht senkte sich auf meine rechte Schulter. Zoes Hand. Sie fuhr über mein Schlüsselbein und verharrte auf meiner Brust. Ich atmete wieder. Wir drehten uns zueinander, sie strich das Bild des Waldes von meinen Augen.

Als ich am nächsten Morgen zu meiner Wohnung hinaufging, drehte sich die Frau zu mir um, die wieder am halboffenen Fenster rauchte und dabei ihren Kaffee trank.
„Jetzt kommen die heim, die ein Laster haben“, sagte sie und drehte sich zum Fenster zurück. Ich starrte sie an, was meinte sie? Hatte sie „ein Laster“ gesagt oder vielleicht „einen Laster“? Ich nickte ihr zu und ging weiter. Warum überhaupt rauchte sie im Treppenhaus?
Der Anrufbeantworter wie immer unbewegt: 38 alte Nachrichten. Wochen vergingen, der Wind riss die letzten Blätter von den Bäumen. Die Kleider meiner Schwester waren mehrfach vom Regen durchnässt und von der Sonne getrocknet worden, jetzt wurden sie von buntem Laub bedeckt. Auch ihr Gesicht verschwand unter den Blättern, die im nächsten Regen braun und schwarz wurden und zu einer kalten Masse verklebten. Wenn sie denn tot in einem Wald lag, was ich, ohne es mir einzugestehen, bereits mehr hoffte als fürchtete.
Ich traf Zoe fast jeden Abend. Solange wir draußen waren, mit Freunden oder allein, verhielten wir uns wie oberflächliche Bekannte. Sie setzte sich gegenüber von mir an den Tisch; nie saßen wir nebeneinander. Erst verstand ich es nicht, wollte zumindest heimlich ihre Hand fassen können, aber dann gefiel es mir. Jeden Abend sah ich sie aus dieser Entfernung an, als hätte ich sie eben kennengelernt. Jeden Abend wusste ich nicht: würde sie mich in ihr Zimmer einladen? Würden wir uns berühren, verwickeln, die Kleider vom Leib reißen? Oder würde sie mich zu meinem auf der Zahl 38 erstarrten Anrufbeantworter zurückschicken? Ich lehnte mich zurück und betrachtete ihre Ohrringe mit den kleinen blauen Steinen oder das blaugeblümte Tuch in ihren Haaren, den nebelblauen Lidschatten. Ich sah ihr zu: Wie sie sprach, sich Marco zuwandte, ihr Glas hielt oder schwenkte. Erst als wir auf der Straße standen, als Marco und Monique oder Jörg, Heiko und Julie oder wie immer sie hießen sich verabschiedet hatten, bot ich ihr an, sie ein Stück nach Hause zu begleiten, oder sie lud mich auf einen Whiskey ein. Immer war ich erleichtert, wenn sie die Zimmertür hinter uns schloss. Nun war es nur eine Frage der Zeit, bis eine von uns mutwillig den Raum zwischen uns zum Einsturz brachte.
Neben ihrem Schreibtisch standen zwei Umzugskartons, die sie mit ihren Büchern füllte. Zu Weihnachten wollte sie bei ihren Eltern sein und sich im neuen Jahr einen Job und eine Wohnung suchen. Immer häufiger klingelte ihr Handy, und immer häufiger verließ sie das Zimmer, um nebenan fast flüsternd zu telefonieren. Dabei verstand ich kein Wort Griechisch. Ich verstand aber, dass es jemanden gab, dort in Griechenland, der auf sie wartete, vielleicht eine andere Frau, vielleicht ein Mann. Einmal sagte ich: Ich komme dich in Athen besuchen, vielleicht schon im Februar. Da antwortete sie, dass Februar zu früh sei, die Zimmersuche schwierig, man wüsste doch noch gar nichts. Ich nickte. Was ich denn Weihnachten mache, wechselte sie das Thema.
Das hatte mich mein Vater auch gefragt. Meine Schwester war jedes Jahr zu den Eltern gereist, Heiligabend bei der Mutter, der erste Weihnachtstag beim Vater oder umgekehrt. Mir war das Fest zuwider: Streit, Geschrei und Türenknallen, und dann unweigerlich übertriebene Dankbarkeit beim Auspacken der Geschenke. Ich blieb seit Jahren über die Festtage in der ausgestorbenen Stadt. Irgendjemand fand sich immer, oder ein Kino war noch am vierundzwanzigsten geöffnet. Aber ohne meine Schwester, und die Eltern lebten in verschiedenen Städten – wer soll sich da noch streiten, dachte ich.
Ich kaufte mir ein Zugticket für den dreiundzwanzigsten und meldete mich für Heiligabend und den ersten Weihnachtstag bei meiner Mutter, für den zweiten Feiertag bei meinem Vater an.
Am zweiundzwanzigsten druckte ich den französischen Vertragstext aus und schob ihn durch mein Faxgerät. Im Elektrohandel ließ ich mir mein erstes Handy aufschwatzen. Zu Hause packte ich den Anrufbeantworter und warf ihn in den Müll. Dann ging ich mit Zoe zum Abschied essen. Wie immer nach dem Abend in der Galerie berührten wir uns nicht in der Öffentlichkeit. Sie saß mir gegenüber, ihr blauer Pulli rutschte über die Schulter. Noch einmal gemeinsam über den Meeresgrund spazieren, noch einmal die nackten Füße im Sand, dachte ich, während ich in einem hippen Thaigericht herumstocherte. Noch einmal die kalte Stadt vergessen, die ausfallenden Züge, Weihnachten, Telefon und Faxgerät. Die Außenwelt war ein heller Fleck hoch über uns und kräuselte sich im Wind.
Ich wollte ihr nicht sagen, dass ich sie vermissen würde, dass ich sie hierbehalten wollte, also verabschiedete ich mich vor ihrem Haus, indem ich meine Arme um sie legte, sie kurz und fest an mich drückte und wieder losließ: eine Geschichte, die einen Anfang hat und ein Ende.
Am nächsten Tag ließ sie sich von Heiko, der ein Auto hatte, zum Flughafen fahren. Ich packte meine Tasche. Kalte Wolken hatten sich über der Stadt zusammengeballt. Im leeren Treppenhaus roch es nach Zigaretten, und als ich auf die Straße trat, fing es an zu schneien. Bald würden die ersten Züge abgesagt werden.

Das Laub bedeckte ihre Kleider, ihre Hände, ihr Gesicht. Durch das leere Geäst fielen die ersten Flocken. Eine feine Schneeschicht legte sich auf den Waldboden und die sauber gefegten Wege, wurde dichter und füllte die Unebenheiten des Bodens aus. Von einem toten Körper zwischen den Bäumen keine Spur.
Ich gab mir einen Ruck, stieß mich mit beiden Füßen ab und schwamm hinauf, auf das Licht zu, das sich von mir zu entfernen schien. Ich trat mit den Füßen nach unten, musste doch die Oberfläche erreichen. Der Druck auf die Brust nahm zu, mein Oberkörper zuckte. Ich schnappte laut nach Luft. Als ich die Augen öffnete, sahen mich der Mann und die Frau über die neueste Ausgabe des Bahnmagazins hinweg besorgt an. Ein ungewohntes Geräusch hatte mich geweckt. Da war es wieder: Mein Telefon klingelte.

 

Hallo Placidus,

eine schrecklich schöne Geschichte, bisschen flippig, schräg mit vielen Fransen und wunderschönen Gefühlsbildern. Manchmal verzetteln sich Deine Sätze, total verschachtelt und führen "angeblich" in andere Richtungen, schnurren dann aber wie ein Gummiband wieder zurück zum roten Faden.
Hier ein paar Sachen, die mich stutzen ließen:

die Bilder vom verrückten Jörg, die konnten sich keine Heizung leisten.
... die Bilder konnten sich keine Heizung leisten? :teach:
Hinter den Beiden jemand,
... beiden immer klein schreiben, so sagte meine Deutschlehrerin ... jemand dann auch klein geschrieben? Hinter den beiden (Studenten) stand (ein) Jemand. Jemand groß geschrieben ... mhm ... ich lass es mal stehen, weiß es aber nicht so zielsicher :susp:
Ein Haar aus ihrer Bürste wurde für die DNA-Bestimmung genommen.
... wann spielt deine Geschichte? DNA-Bestimmung gab es erstmal in Deutschland 1988 ...
Ich nickte ihr und ging weiter.
... vielleicht: Ich nickte ihr zu und ging weiter. Oder: Ich nickte und ging weiter.
wer soll sich da noch streiten, dachte ich.

:thumbsup::heul:

Die Außenwelt war ein heller Fleck hoch über uns und kräuselte sich im Wind.
Wunderschönes Bild.
Du hast volle Breitseite Gefühl gezeigt - dieses Wechselspiel zwischen der durchgeknallten Schwester, dem Liebesabenteuer und dem täglichen Kampf mit AB und erstem Handy hat mir gut gefallen. Auch der Schluss - wirkungsvoll und eine runde Story.
Grüße - Detlev

 

Lieber @Placidus ,

ein herrlicher, wahnsinnig guter Text :-) Fein, leise – ohne prätentiös zu wirken; konkret, handlungsbetont – und dennoch oder gerade darin sehr poetisch. Hab ich wirklich genossen. Auch wenn ich vielleicht gar nicht den Strang mit der Schwester gebraucht hätte. Vielleicht aber habe ich auch etwas ganz Wichtiges überlesen :rolleyes:
Ein paar Lieblingsstellen:

die Bilder vom verrückten Jörg, die konnten sich keine Heizung leisten
herrlich
Vor dem Messer lagen drei Finger.
„Hast du von Julia gehört?“, hatte mein Vater mich am Telefon gefragt.
toller Übergang. Auch wenn ich mich frage, ob der so in der Spannung, die er aufbaut, eingelöst wird.
Ich ging auf sie zu und drückte sie kurz an mich, wie man das so machte, ein gegenseitiger Druck, man lässt los, lächeln und weiter
:thumbsup:
als Zoe mit der Rückseite ihrer Hand über meinen Oberarm fuhr. Ich wandte mich ihr zu. Ein Dröhnen von Steinen, die einen Hang hinunterrollen, Felsen, die in den Abgrund stürzen, weil der Gebirgsfluss sich ein neues Bett geschaffen hat. Ich neigte mich, vor, sie zu küssen.
auch das. Akkurat und trotzdem sinnlich beschrieben.
Wir zogen uns gegenseitig aus unseren Kleidern, strampelten uns aus der Unterwäsche, kichernd, dann wieder ernst.
da kriegst du mich. Die Bilder rattern und werden Kino :-)
eine ganz kleine Zunge, klein und kühl
ein ebenso nachvollziehbares wie schönes Detail.
Hatte sie „ein Laster“ gesagt oder vielleicht „einen Laster“?
das auch. Sehr schön.

War mir eine Freude!
Gruß
Carlo

 

Ich schließe mich meinen Vorrednern an. Ein wunderschönes, poetisches und auf eine ehrliche Weise melancholisches Stück Text. So mitten im Leben, während gleichzeitig der Tod so nahe ist.

Ich mochte die Metaphern und Träume von Meer. Spätestens da hatte ich mich in diesen Text verliebt. Genau so träume ich vom Wasser, ohne, dass ich Texte mit so einer Leichtigkeit schreiben könnte.

Auch der Schluss ist klasse in seiner Unbestimmtheit.

"Ich nickte ihr", das fiel mir auch auf und ich hielt es für Dialekt. Österreich oder Bayern.

Vielen Dank für diesen Text.


Liebe Grüße
Gerald

 

So, und nun noch ein bisschen detailliertes Feedback.

Vielleicht hatte sie es geschafft. Hatte genug Tabletten und Verzweiflung in sich. Hat sich in einen Wald gelegt oder vielleicht auch einfach in ihrer winzigen Wohnung ins Bett
Stört das 'Hat' nur mich? Es erscheint wie aus der Zeit gefallen. Gehört da nicht auch ein 'hatte' hin, oder sollte es sich auflösen und aus dem Satz eine Ellipse machen?

Mit Zoe hatte ich noch kein Wort gewechselt. Als ich ihr unsicher zunickte, hob sie leicht die Arme an. Ich ging auf sie zu und drückte sie kurz an mich, wie man das so machte, ein gegenseitiger Druck, man lässt los, lächeln und weiter.
Sehr schön beobachtet.

Aber da kam kein Gegendruck von ihrer Seite, keine Umarmungsbewegung mit Anfang und Ende. Zoe wurde in meinen Armen flüssig: als wären ihr Hals, ihr Haar, ihr kleines, kühles Gesicht, als wäre ihre dünne Gestalt aus Wasser, unaufhörlich abwärts fließend, ihre Arme strömten meinen Rücken hinunter; oder es war ich, die in ihren Armen zerfloss.
Sie war ein wenig kleiner, ein bisschen schmaler in den Schultern und sie hörte nicht auf, zwischen meinen Armen hindurchzurinnen. Ich musste mich setzen. Da war ein Stuhl. Hatte den jemand für uns hingestellt? Ich lehnte meinen Mund an ihren, das war ein Anker, denn unsere Beine waren schon ganz durcheinander und in die Röcke unserer Kleider verwickelt.
Wundervoll.

Um uns herum war so viel Platz und dann stand Marco da und grinste uns an, ein paar Leute starrten oder versuchten, nicht zu starren.
Der letzte Halbsatz ist besonders gut.

Ich spürte meine Haut noch, wie sie meinen Körper umgab, nicht wie ein fest geschnürter Sack, sondern weich und in ständiger Bewegung.
Aber kaum, dass ich die Wohnungstür aufschloss, stand alles still.
Der Unterschied zwischen Leben und Tod. Bewegung und Stillstand.

Ein Frauenkörper, dem meinen so ähnlich. Anders als die Männer, an die ich mich gewöhnt hatte. Die Haut, sagte Zoe später, die Haut ist der größte Unterschied.
:thumbsup:


Die Haut war es, nicht nur weicher, sie schien Licht anders zu reflektieren, in den Kuhlen über dem Schlüsselbein zum Beispiel, oder auf der Landschaft ihrer Hüfte, wenn sie auf der Seite lag: ein weicher Schimmer.
Poesie.

Sehr gerne gelesen und diese intensive und so ganz und gar un-voyeuristische Erotik genossen.

Liebe Grüße
Gerald

 

Hallo @Placidus

ich weiche bei der Besprechung deines Textes mal von meinem üblichen modus operandi ab, gehe also nicht chronologisch vor und mache nur wenige Kommentare zu sprachlichen Aspekten.

Was ich an diesem Text wirklich bewundere, ist die, ich nenne es mal erzählerische Dichte. Ich habe zwei Anläufe gebraucht, um in deinen Text zu finden, aber dann hat er mich nicht mehr losgelassen. Bei den bisherigen Texten stolperte ich immer irgendwann über mE schiefe Formulierungen, aber bei Zoe fand ich alles so stimmig, dass sich tatsächlich ein Sog beim Lesen entwickelte. Ich würde gerne so schreiben können, auch wenn dieser Schreibstil null zu mir passt.

Ich mag melancholische, düstere Themen, und beides ist in deinem Text stark vertreten. Der Text 'lebt', er springt auf mich über und ich fühle das Geschehen.

Daher: Chapeau! Ich bin sehr beeindruckt.

Nun ein etwas kritischerer Ton, der aber eher verschiedene Geschmäcker anspricht als die zweifellos große Qualität des Textes.

Zum Einen nimmt das Verschwinden der Schwester und die Suche nach ihr einen großen Raum ein, erdrückt dadurch einerseits die Erotik, setzt sie aber gleichzeitig auch in ein besonderes. Der Schwermut liegt wie ein durchsichtiger Schleier über den erotischen Szenen.

Ein Frauenkörper, dem meinen so ähnlich. Anders als die Männer, an die ich mich gewöhnt hatte. Die Haut, sagte Zoe später, die Haut ist der größte Unterschied. Immer wieder strich ich mit den Fingern über ihren Bauch, über ihre Brust und seitlich am Hals herauf zu ihren Wangen.
Die Haut war es, nicht nur weicher, sie schien Licht anders zu reflektieren, in den Kuhlen über dem Schlüsselbein zum Beispiel, oder auf der Landschaft ihrer Hüfte, wenn sie auf der Seite lag: ein weicher Schimmer. Ich staunte über ihre Gelenke, ich nahm ihre Beine in meine Hände und wog sie. Sie ließ mich machen, eine Weile, knurrte dann leise, wie ein kleiner Hund und zog mich zu sich. Ihre Hand fuhr über meinen Rücken. Unsere Beine verwickelten sich. Wir küssten uns, und weil alles an ihr klein war, hatte sie auch eine ganz kleine Zunge, klein und kühl. Das übereinander Gleiten, Streicheln, sich Verwickeln und Entwirren, alles schien kein Ende zu nehmen, kein Ziel zu haben. Ich würde meinen, ich hätte die Nacht ganz ohne Schlaf zugebracht, wenn ich mich nicht an diesen Traum erinnerte: Ich stand in einer Grotte am Meer. Das seichte Wasser leuchtete hellgrün, der Fels schimmerte golden. Da waren auch andere Menschen, saßen und lagen auf den Steinen und ich ging in das Wasser, immer weiter, es wurde tiefer und tiefer, und als ich nicht mehr stehen konnte, ging ich trotzdem weiter. Das Wasser stieg über meinen Kopf, und ich ging auf dem Boden des hellgrünen Meeres spazieren, ohne Angst: Ich hatte verstanden, dass ich unter Wasser atmen konnte.

Den Passus habe ich einmal rausgesucht, weil ich ihn einerseits großartig finde und er gleichzeitig Skepsis in mir hervorruft. Das klingt paradox, aber es ist ein bißchen so, wie wenn ich einen Film gucke, der mich zu Tränen rührt und dem ich dann im Nachhinein die Methoden vorwerfe (dramatische Musik, Nahaufnahme der handelnden Personen, rührselige Dialoge), mit dem er das erreicht hat.

Hier ist das ähnlich. Ich bewundere die Sprache, die erzählerische Dichte, und gleichzeitig frage ich mich, ob es wirklich Menschen gibt, die darüber nachdenken, ob Haut Licht anders reflektiert. Gleiches gilt für die Landschafts- und Meeresmetaphorik. Ich finde sie stimmig, poetisch schön und dennoch irgendwie bemüht, künstlich.

Letzten Endes ist es wohl einfach Geschmackssache. Ich mag es, wenn Texte mit Basisvokabular eine Wahrheit freilegen, die sich mir sofort erschließt, ich mag Texte mit Struktur und Ordnung und klarem Handlungsablauf.

Deinen Text würde ich nicht zu dieser Kategorie zählen und trotzdem hat er mich tief beeindruckt und bewegt.

LG,

HL

 

Danke @Detlev , @Carlo Zwei , @C. Gerald Gerdsen und @HerrLehrer ,

für eure schnellen und positiven Kommentare!
Ich war extrem unsicher, diesen Text einzustellen, zum einen wegen des Themas an sich, aber auch in Hinblick auf die Vermischung des Verlustes des Schwester und der Liebesgeschichte. @Carlo Zwei : Die Frage, ob es das Verschwinden der Schwester braucht, habe ich mir erst gestellt, als der Text praktisch fertig war. Ich kann sie derzeit unmöglich beantworten.

Aber eins nach dem anderen:
@Detlev: also dass ich das mit den BEIDEN nicht hinkriege, da muss ich mal meinen Analysten fragen. Da hat mir Friedrichard die Ohren schon sooo lang gezogen. Geändert, ebenso wie die Heizkosten sparenden Bilder.
Die Geschichte spielt 2000, DNA wurde bereits genutzt.
Und tatsächlich nickte ich ihr natürlich zu...
Danke nochmal
Lieben Gruß
Placidus

@Carlo Zwei : ja, der Strang mit der Schwester. Das war die ursprüngliche Idee, die Erotik und im Hintergrund der Tod. Oder die drei Frauenkörper. Ob das am Ende alles genug Platz hat in diesem kurzen Text, ich weiß es nicht. Danke für die Lieblingsstellen!
LG
Placidus

@C. Gerald Gerdsen : allerdings hatte sie (sich in einen Wald gelegt), ich hab da beim Überarbeiten Zeiten geändert und wieder was übersehen. Dankle auch für die einzelnen Stellen... Da gehe ich jetzt ganz erleichtert schlafen!
Liebe Grüße!


und - @HerrLehrer!
Das ist ein sehr interessantes Feedback. Die Frage, was einem stilistisch gefällt, ist natürlich mit der Frage verbunden, welcher Stimme man vertraut. Ein modernerer, kargerer, direkterer Stil verwendet eben andere Mittel, die auf andere Weise ihre Wirkung erzeugen. Schön, dass dich dieser Text trotzdem berührt hat!
Darüber hinaus ließe sich die Frage, ob "jemand" in diesen Situationen auf diese Bilder kommt, nur lösen, wenn es mir gelänge, die Protagonistin so plastisch erscheinen zu lassen, dass man es ihr zutraut. Das nehme ich mal mit.
Danke!
LG
Placidus

 

Moin, moin liebe @Placidus,

endlich komme ich auch zum kommentieren und starte jetzt einfach mal mit Deiner wunderschönen Geschichte. Zum Glück ist ja bei Literatur ganz viel Geschmack im Spiel und das bringt uns diese unglaubliche Vielfalt. Diese hier, trifft meinen Geschmack mit voller Wucht.
Ich mag die klare, unverschnökelte Sprache am Anfang und den großen Kontrast zu den sinnlichen Wortbildern, die Du malst. Da werde ich wirklich versuchen, mir mal etwas abzugucken, das zu üben, denn ich bin ja meist ganz sachlich unterwegs, einfach zu verkopft.
Und ja, ich mag die Verflechtung der Stränge, die Sorge/Angst/Unwissenheit in Bezug auf die Schwester, da waren viele Stellen, an denen ich gerne einem anderen Faden gefolgt wäre, aber mehr so neugierde, Lust drauf, nicht Ärger, denn Deine Geschichte fesselte mich auch.
Ich hangle mich mal an ein paar Zitaten entlang:

„Kauf dir doch mal so ein Handy, dann erreicht man dich wenigstens“, sagte mein Vater noch, dann legten wir endlich auf.
Ich mag Dialog als Einstieg, weil er mich fordert. Und Dir geling in meinen Augen dennoch toll eine Vorstellung der Protagonisten, das sagt ja schon ne Menge aus.

Im Herbst 2000 hatten die meisten meiner Freunde nur den Festnetzanschluss
Ichgestehe, über die Jahreszahl grüble ichimme rnoch. Ich persönlich bin schon absolute Spätzünderin was Handy angeht, aber mein erstes ist verdammt lange her. Wenn Du die Zeit bewusst gewählt hast, dann fehlt mir eine Begründung, warum erst jetzt. Es gibt ja auch heute noch Verweigerer, aber so stolpere ich.

zeigte eine Hand, an der drei Finger fehlten. Vor der Hand lag ein Messer. Vor dem Messer lagen drei Finger.
Hier habe ich hochgescrollt, ne, kein Horror im Tag, also finde ich es wunderbar skurill.
Absolut eine der Stellen, wo ich gerne eine Geschichte zu lesen würde.

„Hast du von Julia gehört?“, hatte mein Vater mich am Telefon gefragt.
„Hat sie sich bei dir gemeldet?“ Die Betreuerin hatte ihn angerufen.
Da Du ja eine sehr versierte Autorin bist, gehe ich davon aus, dass die Zeilenwechsel stimmen. Also ist die zweite Frage unsere Protagonistin. Mich verwirrt der Nachsatz, den verorte ich ja bei dem Vater. Generell eien Frage: Habe ich etwas überlesen, oder klärst Du nirgens, das es sich um eine Frau handelt? Im Prinzip ist es ja egal, gefühlt habe ich auf Frau getippt, aber ... ach, vielleicht lese ich noch ein drittes Mal und finde die Stelle.

Das, wovor wir uns am meisten fürchteten. Wovon wir nicht sprachen. Vielleicht hatte sie es geschafft.
Auch eine Geschichte wert. Dieser unglaubliche Zwiespalt zwischen Liebe zur Person und dem Unwillen/Unvermögen diese Auf und Ab, Hoffnung und Angst noch länger zu ertragen. Ohnmacht hoch drei.

Ich erinnerte mich noch an ihre Stimme am Telefon, damals, fünfzehn mag ich gewesen sein. Ich war allein zuhause und sie rief an, von einer Telefonzelle am Waldcafé, weil sie sich in den Wald gelegt hatte mit all den Tabletten und dann hatte sie es mit der Angst bekommen.
Boah! Auch eine Extrageschichte, sehr harter Topak. Es sagt viel über die Protagonistin, wobei es sich hier nicht spiegelt (muss es natürlich auch nicht)

Zoe wurde in meinen Armen flüssig: als wären ihr Hals, ihr Haar, ihr kleines, kühles Gesicht, als wäre ihre dünne Gestalt aus Wasser, unaufhörlich abwärts fließend, ihre Arme strömten meinen Rücken hinunter; oder es war ich, die in ihren Armen zerfloss.
Ich mag diesen Satz wirklich sehr!

Um uns herum war so viel Platz und dann stand Marco da und grinste uns an, ein paar Leute starrten oder versuchten, nicht zu starren. Zoe und ich standen auf. Sie lächelte, und ich ging.
Auch eine tolle Stelle, schönes Kopfkino.

Ich nickte ihr zu, sie lächelte
Meckern auf ganz hohem Niveau. Das Lächeln gab es ein paar zeilen davor schon, vielleicht ...?

Meine Schultern und Ellenbogen waren mir im Weg, die Knie eckig, der Zwischenraum, der zwischen uns auf dem Sofa saß, nahm meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, wie ein ungebetener Gast, der unaufhörlich redet.
Du hast für mich erfrischende Bilder, mag ich auch sehr

Das Wasser stieg über meinen Kopf, und ich ging auf dem Boden des hellgrünen Meeres spazieren, ohne Angst: Ich hatte verstanden, dass ich unter Wasser atmen konnte.
Wenn es ein Bild für "ja, du willst es mit einer Frau" sein soll finde ich es super. Sonst habe ich es nicht verstanden.

Ein Haar aus ihrer Bürste wurde für die DNA-Bestimmung genommen.
Würde man nicht einfach die Bürste mitnehmen?

„Findest du das nicht eklig?“, fragte sie.
„Was?“
„Na, mit einer Frau!“
Ich stand vor ihr, meine nackten Brüste berührten ihre.
„Nicht ekliger als mit einem Mann.“
Grins! Genau!

Jeden Abend sah ich sie aus dieser Entfernung an, als hätte ich sie eben kennengelernt. Jeden Abend wusste ich nicht: würde sie mich in ihr Zimmer einladen? Würden wir uns berühren, verwickeln, die Kleider vom Leib reißen?
Das passt zu der Diskursion über "Was ist Erotik?" - Ein Verlangen, ein Bedürfniss, etwas Unerreichtes (bisher)

Ich lehnte mich zurück und betrachtete ihre Ohrringe mit den kleinen blauen Steinen oder das blaugeblümte Tuch in ihren Haaren, den nebelblauen Lidschatten. Ich sah ihr zu: Wie sie sprach, sich Marco zuwandte, ihr Glas hielt oder schwenkte.
Sehr schöne, feine Beobachtungen, da kann ich mir auch noch etwas abschauen. Dankeschön!

Ich gab mir einen Ruck, stieß mich mit beiden Füßen ab und schwamm hinauf, auf das Licht zu, das sich von mir zu entfernen schien. Ich trat mit den Füßen nach unten, musste doch die Oberfläche erreichen. Der Druck auf die Brust nahm zu, mein Oberkörper zuckte. Ich schnappte laut nach Luft. Als ich die Augen öffnete, sahen mich der Mann und die Frau über die neueste Ausgabe des Bahnmagazins hinweg besorgt an. Ein ungewohntes Geräusch hatte mich geweckt. Da war es wieder: Mein Telefon klingelte.
Irgendwo ein rundes Ende, das telefon und es könnte die Schwester sein oder die völlig andere Version, die Polizei. Ja, passt. Ich glaube, ich habe e snur nicht so mit den Träumen, daher lässt mich das hier ein wenig rumeiern.
Liebe Placidus, ich mag die Geschichte wirklich, sie hat absolut ihre erotischen Momente und ganz viel Handlung. In meinem Kopf noch Handlung für ein paar Geschichten mehr. Freue mich irgendwann drauf.
witch

 

Liebe @greenwitch,
vielen lieben Dank für deinen Kommentar! Auch die Hinweise auf Türen, die auf weitere Geschichten verweisen...
Das Jahr 2000 kommt raus (war ein vergessener Rest eines früheren Anfangs). Ich hatte mein erstes Handy tatsächlich erst Dezember 2001, aber ich muss ja nun die Leser nicht mit meiner persönlichen Technikaversion verwirren. Das doppelte Lächeln kriege ich auch noch aus dem Weg.
Das mit der Bürste - Ehrlich gesagt, ich weiß nicht genau, wie die das machen. Ich stelle mal die Bürste rein und schaue, was passiert.
Vielleicht kann ich den Schluss noch etwas entrümpeln.
Ja, das mit dem Atmen unter dem Meer hat etwas mit der für die Protagonistin neuen Sexualität zu tun. Etwas fließendes, Endloses. Ich werde nochmal auf die Traumsequenzen insgesamt schauen, aber etwas später und mit mehr Abstand.

Vielen Dank nochmal und liebe Grüße aus dem Zug
Placidus

 

Hallo @Placidus ,

ich habe deine sanftmütige Geschichte jetzt das dritte Mal gelesen, was für meine Verhältnisse ungewöhnlich ist, meist reicht es mir, eine Geschichte einmal intensiv durchzulesen. Aber ich vermochte nicht so recht mit deinem Plot warmzuwerden und ich vermag erst jetzt, nach dem dritten Mal zu erklären, wieso das so ist.

Es ist eine sanftmütige Geschichte, die wie die Beispiele mit dem Wasser und dem Meer unaufgeregt dahinfließt, irgendwie fast schon meditative Stimmung auslöst, aber es ist auch eine hochgradig traurige Geschichte und diese Kombination liegt mir nicht so sehr.
Traurig ist diese Geschichte, weil es einerseits und das durchgängig aufrecht erhaltene bedrückende Gefühl geht, dass der Schwester deiner Protagonistin etwas zugestoßen sein könnte oder sie sich das Leben genommen haben könnte und weiterhin traurig ist, dass deine Protagonistin davon zutiefst in ihrem Leben betroffen und eingeschränkt ist.

Das wiederum zeigst du sehr plastisch und eindrücklich, dass dein Protagonisten fast schon so eine Art zwei Leben führt, eines, in welchem sie versucht, ihrem Beruf nachzugehen und sich in eine Beziehung mit Zoe einzufinden, während sie in ihrem anderen Leben stetig an den Verbleib der Schwester denkt und zwar in den Kategorien Leben oder Tod und sie sich damit auch stets ihren Alltag mit seinen Freuden zerstört.
Das ist ein ziemlich bedrückender Plot und ich gehöre zwar nicht zu denjenigen, die immer nur auf lustig, ironisch, satirisch anspringen, aber bei einer erotischen Geschichte wünsche ich mir doch eine eher kräftige erotische Unterlage.
Die erotischen Momente zwischen Zoe und deiner Protagonistin gehen mir zu sehr in der bedrückenden Atmosphäre unter und genau das machte es mir so schwer, einen Zugang zu deiner Geschichte zu finden.

Die Stimmung allerdings, die du erzeugst hast, ist dir gut gelungen und sie ist auch stimmig und man kann sich in die Gedanken- und Gefühlswelt deiner Protagonisten gut einfühlen.

Die, deren Haustüren unten nicht abgeschlossen waren, hatten dazu einen Block an der Wohnungstür hängen, da konnten spontane Besucher eine Nachricht hinterlassen.
Den Satz würde ich weglassen, er zeigt eigentlich nur, dass ein Anrufbeantworter schon das höchste aller Gefühle war damals. Aber du möchtest ja diese Umbruchsituation schildern, dass es schon Leute gab, die Handys benutzten und eben ganz viele, die es noch nicht taten. Eine Art Übergangszeit.
Die Galerie war nicht geheizt, natürlich, die stellten Studenten aus und die Bilder vom verrückten Jörg.
Das ist unglücklich formuliert, ich bin alle drei Male gestolpert über, "die stellten Studenten aus", weil ich immer dann dachte: oh no, die stellen nicht die Studenten aus, sondern die Kunst der Studenten.
„Hast du von Julia gehört?“, hatte mein Vater am Telefon gefragt.
Hier beginnt eigentlich die Geschichte, klar alles davor benötigst du irgendwie, um in die Geschichte einzuleiten, aber im Grunde beginnt sie hier.
. Wovon wir nicht sprachen.
Ja, so ist das, wenn man sich gut kennt, man redet nicht über das Offensichtliche, weil man weiß, was es anrichten kann, wenn man es tut und natürlich auch, weil man vieles einfach nicht mitteilen muss, schließlich weiß der andere ja, was man denkt und fühlt.
„Hey!“ Hinter mir stand Marco, neben ihm Monique, die Künstlerin. Hinter den beiden jemand, den ich, schien mir, kannte, an dessen Namen ich mich nicht erinnerte, und dazwischen eine kleine Frau mit unglaublich krausem Haar in einem viel zu weiten Kleid.
„Das ist Zoe“, sagte Marco, „Zoe, das ist Grit.“
Diese Vorstellungsszene ist ein wenig hölzern, aber ich vermag dir keinen Tipp zu geben, wie man das eleganter formulieren könnte.
Aber da kam kein Gegendruck von ihrer Seite, keine Umarmungsbewegung mit Anfang und Ende. Zoe wurde in meinen Armen flüssig: als wären ihr Hals, ihr Haar, ihr kleines, kühles Gesicht, als wäre ihre dünne Gestalt aus Wasser, unaufhörlich abwärts fließend, ihre Arme strömten meinen Rücken hinunter;
Überraschende Beschreibung der Empfindungen deiner Protagonistin. Ich bin deswegen überrascht, weil ich noch nie auf die Idee gekommen bin, erotische Momente mit Wasser zu vergleichen. Aber irgendwie eine interessante Idee. Nur leider konnte ich mit ihr nicht zu 100% warm werden.
oder es war ich, die in ihren Armen zerfloss.
Diesen Halbsatz würde ich weglassen, weil er für meine Begriffe wieder etwas relativiert und zunichte macht, was deine Protagonistin vorher so plastisch beschrieben hat.
Ich schlief schlecht, wachte auf in der Überzeugung, das Telefon hätte geklingelt. Als ich nachsah, stand der Anrufbeantworter auf seinen achtunddreißig alten Nachrichten. Ich hatte geträumt.
Solche Situationen kennt vermutlich jeder nur zu gut, du hast es hier gut beschrieben, diese falschen Wahrnehmungen, die allesamt aus dem intensiven Gedanken heraus entspringen, es möge dies oder jenes endlich passieren. Dann sieht man plötzlich etwa Falsches oder hört etwas, was gar nicht vorhanden war. Gut beschriebn.
So leicht wir uns in der Galerie in die Arme gesunken waren, so viel schwieriger schien es hier.
Schön beschrieben, dass beide fast jedes Mal wieder auf Anfang stehen und sich neu vertraut machen müssen. So etwas gibt es. Gefällt mir.
Meine Schultern und Ellenbogen waren mir im Weg, die Knie eckig, der Zwischenraum, der zwischen uns auf dem Sofa saß, nahm meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, wie ein ungebetener Gast, der unaufhörlich redet. Wir sprachen über alles Mögliche, nur nicht über diesen Raum, der immer lauter wurde.
Klasse beschrieben. Ich verstehe sofort, was da zwischen den beiden für Hemmungen bestehen.
Ich neigte mich, vor, sie zu küssen.
Wieso dieses Komma vor mich? Der Satz kommt mir seltsam zerhackt vor dadurch.
und als ich nicht mehr stehen konnte, ging ich trotzdem weiter. Das Wasser stieg über meinen Kopf, und ich ging auf dem Boden des hellgrünen Meeres spazieren, ohne Angst: Ich hatte verstanden, dass ich unter Wasser atmen konnte.
Irre schöner Traum, er passt wunderbar zu dem Thema des Zerfließens, des Flüssigwerdens und zum Stil der sonstigen Beschreibungen.
Sie war auch nicht tot aufgefunden worden. Ich konnte dieses Gefühl nicht deuten. Enttäuschung? Eher eine verpasste Erleichterung. Aber wie könnte es eine Erleichterung sein, zu wissen, dass meine Schwester tot war?
Auch gut beschrieben, dieses seltsame Gefühl, wenn man genau weiß, dass man so etwas nicht denken und fühlen darf und es sich doch im Kopf eingeschlichen hat. So ähnlich wie diese Übersprungshandlungen, wenn einem auf Beerdigungen nicht zum Heulen, sondern zum Lachen zumute ist und man definitiv weiß, dass man genau das nicht tun darf, was automatisch den Druck erhöht, es doch tun zu müssen.
sie strich das Bild des Waldes von meinen Augen.
Gut beschrieben.
Oder würde sie mich zu meinem auf der Zahl 38 erstarrten Anrufbeantworter zurückschicken?
Gefällt mir auch gut.
Da war es wieder: Mein Telefon klingelte.
Und den Bogen zum Telefon am Anfang der Geschichte geschlossen.

Lieben Gruß

lakita

 

Liebe @lakita ,

danke, dass du dir diese Mühe gemacht hast! Du triffst mit deinem Kommentar da auch so ein vages Unbehagen, das ich bein Einstellen hatte, dass die Geschichte mit der Schwester die Begegnung mit Zoe letzztlich erdrückt. Ich werde aber noch einmal nachbessern, vielleicht kann ich mich dem, wovon ich dachte, dass es funktionieren könnte, weiter annähern.
(Habe gestern einen Essay von Calvino über Leichtigkeit in der Literatur gelesen, vielleicht hilft's).
Ich fange damit an, den Anfang etwas schlanker zu machen, da folge ich gleich ein paar von deinen Vorschlägen. Für ein paar andere, grundsätzlichere Sachen brauche ich etwas Abstand, ich sehe in dem Text den Wald vor Bäumen nicht mehr.
Nochmal Danke für deine Zeit und deine Genauigkeit - und fürs Lesen, Lesen und Lesen
(Meine Güte! Dreimal! bei einer Geschichte, mit der du nicht warm wirst!)
Lieben Gruß
Placidus

 

Hej @Placidus

Bin gerade am Schuldenbegleichen. Also schreibe ich erst etwas zu deinem Wettbewerbsbeitrag und beantworte dann deinen Kommentar zu meiner Zikadengeschichte.

Die Figurenzeichnung der Erzählerin finde ich gelungen, gerade das Assoziative, nicht sofort Erschließbare. Wenngleich der Bezug des einen Themenstrangs (Schwester) zu dem anderen (Zoe) nicht ganz nachvollziehbar ist. (für mich) Da wäre ein Hinweis, ein Halbsatz, was auch immer, hilfreich. Und wenn die Schwester eine ebenso winzige Zunge wie Zoe hat.
Ich lese insgesamt eine zarte Geschichte, spüre den erotischen Moment, ohne dass er mir aufgedrängt wird. Das ist schon gut.

Paar Stellen:

Die konnte man sich keine Heizung leisten.
stimmt was nicht mit dem Satz

Vielleicht kam sie ja wieder, da sollte alles in Ordnung sein, wie sie es zurückgelassen hatte, sagte mein Vater.
Vielleicht besser mit Ellipsen lösen, durch Punkt die Gedanken trennen.

Er schlief bei Freunden oder zog nachts laut heulend durch die Straßen, ritt im Galopp durch alle Phasen der Liebe. Irgendwann stand er dann wieder vor Moniques Tür, da war sie schon voll mit der Ausstellung beschäftigt.
ja, und es gibt einige Stellen mit einer Menge Info/Tell. Was davon redundant ist, könntest du entfernen.

Family Tree nannte sie das Ganze: eine Familiengeschichte. Dabei war bei ihr, soweit ich wusste, alles in Ordnung.
coole Deutung des Kunstwerks

Aber da kam kein Gegendruck von ihrer Seite, keine Umarmungsbewegung mit Anfang und Ende. Zoe wurde in meinen Armen flüssig:
schöne Stellen, auch im Anschluss, aber wovon geht der Impuls aus?.

Ein Frauenkörper, dem meinen so ähnlich. Anders als die Männer, an die ich mich gewöhnt hatte. Die Haut, sagte Zoe später, die Haut ist der größte Unterschied.
mm, ist mir too much Erklärung, denn es gibt auch durchaus Unterschiede weiblicher Haut

ich hätte die Nacht ganz ohne Schlaf zugebracht, wenn ich mich nicht an diesen Traum erinnerte: Ich stand in einer Grotte am Meer.
hier wäre auch ein Bezug möglich, braucht gar nicht viel
Ein ungewohntes Geräusch hatte mich geweckt. Da war es wieder: Mein Telefon klingelte.
Die Schwester?

Also insgesamt eine schöne Geschichte, an der sich arbeiten lässt

Viele Grüße von Haut(s) zu Haut(s)
Isegrims

 

Lieber @Isegrims, schön, von dir zu hören! Und danke für den gründlichen Kommentar.
Die Verbindung zwischen den beiden Teilgeschichten ist tatsächlich der größte Haken, ein paar Verbindungen habe ich bereits in Überarbeitungen eingefügt, jetzt, nach deinem Komentar, noch einmal.
Die vor dir marlierten Sätze (einmal eine aus den Latschen gekippt Konstrktion, die bei der letzten Überarbeitung hängengeblieben war) habe ich soweit aufgeräumt. Zwei Fragen habe ich noch:

Aber da kam kein Gegendruck von ihrer Seite, keine Umarmungsbewegung mit Anfang und Ende. Zoe wurde in meinen Armen flüssig:
schöne Stellen, auch im Anschluss, aber wovon geht der Impuls aus?.

Wie meinst du das? Welcher Impuls?

und zweitens, am Ende der Traumszene:

hier wäre auch ein Bezug möglich, braucht gar nicht viel
Du meinst, einen Bezug auf die Schwester? Das wäre an der Stelle in der Tat schön, aber ich wüsste nicht ganz, wie...

Danke nochmal und viele Grüße!

 

Guten Abend, liebe @Placidus

schöne Stellen, auch im Anschluss, aber wovon geht der Impuls aus?. Wie meinst du das? Welcher Impuls?
Ich meine diesen Moment der Verflüssigung, der braucht mMn irgendeinen Impuls oder ein längeres Verharren auf dem Moments, denn das ist ja eine entscheidende Stelle innerhalb des Textes.

Du meinst, einen Bezug auf die Schwester? Das wäre an der Stelle in der Tat schön, aber ich wüsste nicht ganz, wie...
mm, ich stelle mir eine Erinnerung vor, die Zoe mit der Schwester verbindet, etwas, in dem sich die beiden ähneln, an dem eine Verbindung sich entzünden könnte, ein Gesichtsausdruck, die Form des kleinen Fingers, was auch immer.

Viele Die-Esidiele.hat-dicht-gemacht-bis-ins-Frühjahr-stattdessen-kann-man-dort-Lebkuchen-kaufen-Grüße
Isegrims

 

Hallo @Placidus,
eine eigenartige Geschichte mit sehr poetischen Bildern und einer Erotik, die sich vor einem düsteren Hintergrund abspielt. Das hat zuweilen fast etwas Betäubtes, Schlafwandlerisches. Ich fragte mich auch nach der Verbindung zwischen den beiden Themen, warum die Protagonistin gerade in dieser Situation so offen wird für diese neue Erfahrung mit einer Frau. Irgendwie so ein Gefühl, als ob sie versucht, den Schmerz über ihre Schwester, ihre Sorge unten zu halten, auch, sich schon von ihr zu lösen, den Tod der Schwester anzunehmen, was für eine schreckliche Situation, dieser Schwebezustand. Und da hinein tritt nun diese überraschende Begegnung, hat fast etwas Mystisches, dieses Fließen und ich meine du hattest dieses Motiv schon in einem anderen Text. Da reizt für mich der Text die Grenzen der Realität sehr aus, dass sie sich da in den Armen liegen, sich nicht lösen können. Aber ich geh da mit, du hast da, durch deine Sprache, auch durch die Beschreibung der Ausstellung, den Boden für geschaffen. Da nun die Schwester eine kleine zarte Frau ist und die Zoe auch, drängt sich mir auch schon fast ein bisschen was inzestöses auf, hier die vielleicht tote Schwester, dort die sehr lebendige, warme Zoe aus dem Süden, die Halt gibt. Eine Tür schließt sich, eine andere öffnet sich.

Ich hatte mein grünesbereits Wollkleid an, zu kalt für die Jahreszeit, griff meine Schlüssel und zog eine Jacke aus dem Kleiderhaufen neben der Tür.
irgendwas verrutscht?
Das Bild, vor dem ich stehen geblieben war, zeigte eine Hand, an der drei Finger fehlten. Vor der Hand lag ein Messer. Vor dem Messer lagen drei Finger.
Ehrlich gesagt fand ich das zunächst ein bisschen ironisch, Kunst und so, aber dann wurde mir klar, was für eine Wirkung dieses Bild auf die Protagonistin in ihrer Verfassung hat. Vielleicht auch ein Bild für die psychotische selbstzerstörerische Schwester.
„Hast du von Julia gehört?“, hatte mein Vater am Telefon gefragt.
„Hat sie sich bei dir gemeldet?“
Hier bin ich genauso irritiert wie @greenwitch , ich hätte das zweite noch dem Vater zugeordnet.
Marco strich die Wände der Galerie, und wir kamen nach vorbei und hörten uns die ganze Geschichte an.
nach und nach ?
Family Tree nannte sie das Ganze: eine Familiengeschichte. Dabei war bei ihr, soweit ich wusste, alles in Ordnung.
Schön.
Zoe wurde in meinen Armen flüssig:
ist für mich erstmal kein erotisches Bild, aber sehr anschaulich
Ich spürte meine Haut noch, wie sie meinen Körper umgab, nicht wie ein fest geschnürter Sack, sondern weich und in ständiger Bewegung.
Schön, wie sich ihr Körpergefühl ändert.
Mein Endlosfaxgerät spulte zehn Meter Vertragstext auf den Teppich.
Auch schöne Details, die diesen Text wieder in der Realität verankern.
Meine Schultern und Ellenbogen waren mir im Weg, die Knie eckig, der Zwischenraum, der zwischen uns auf dem Sofa saß, nahm meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, wie ein ungebetener Gast, der unaufhörlich redet.
Das muss ich auch nochmal anmerken, das ist so stark, mit dem Zwischenraum,toll.
Ein Dröhnen von Steinen, die einen Hang hinunterrollen, Felsen, die in den Abgrund stürzen, weil der Gebirgsfluss sich ein neues Bett geschaffen hat. Ich neigte mich vor sie zu küssen.
auch ein großartiges Bild, für das, was da passiert. Ein neues Flussbett geschaffen. Das berührt mich sehr.
Ich stand in einer Grotte am Meer. Das seichte Wasser leuchtete hellgrün, der Fels schimmerte golden. Da waren auch andere Menschen, saßen und lagen auf den Steinen und ich ging in das Wasser, immer weiter, es wurde tiefer und tiefer, und als ich nicht mehr stehen konnte, ging ich trotzdem weiter. Das Wasser stieg über meinen Kopf, und ich ging auf dem Boden des hellgrünen Meeres spazieren, ohne Angst: Ich hatte verstanden, dass ich unter Wasser atmen konnte.
Grenzen lösen sich auf.
Mein Vater hatte auch mit dem Polizisten gesprochen. Der kannte Julias Diagnose.
„Netter Mann“, sagte mein Vater.
Berührend, diese kleine Bemerkung des Vaters.
Lange war sie meine große Schwester gewesen, aber mit einem Meter fünfundfünzig hatte sie aufgehört zu wachsen, und ich ich habe sie dann langsam und ohne es zu wollen überholt.

Ich lag steif neben Zoe, die ruhig atmete. Ich wollte mich bewegen, aber ich konnte nicht einmal einen Finger rühren. Vielleicht war in Wirklichkeit ich gestorben, und nicht sie. Ich schloss die Augen und öffnete sie. Ein leichtes Gewicht senkte sich auf meine rechte Schulter. Zoes Hand. Sie fuhr über mein Schlüsselbein und verharrte auf meiner Brust. Ich atmete wieder. Wir drehten uns zueinander, sie strich das Bild des Waldes von meinen Augen.
Irgendwie rettet Zoe sie vielleicht auch in dieser Zeit.
Als ich am nächsten Morgen zu meiner Wohnung hinaufging, drehte sich die Frau zu mir um, die wieder am halboffenen Fenster rauchte und dabei ihren Kaffee trank.
„Jetzt kommen die heim, die ein Laster haben“, sagte sie und drehte sich zum Fenster zurück.
? Hier musste ich nochmal zurück.
Im Treppenhaus, zwischen dem zweiten und dritten Stock stand eine Frau und rauchte, dabei trank sie Kaffee aus einer kleinen roten Tasse.
Und hab die Stelle gefunden. Ist vielleicht zu weit auseinander zu unscheinbar hier.
Einmal sagte ich: Ich komme dich in Athen besuchen, vielleicht schon im Februar. Da antwortete sie, dass Februar zu früh sei, die Zimmersuche schwierig, man wüsste doch noch gar nichts. Ich nickte. Was ich denn Weihnachten mache?
Das verstehe ich nicht. Februar ist zu früh, aber Weihnachten würde gehen?
Ich kaufte mir ein Zugticket für den dreiundzwanzigsten.
Wo fährt sie denn jetzt hin?

Ich bin dir da gerne gefolgt in diesen Zwischenraum, wo alles möglich ist.

Liebe Grüße von Chutney

 
Zuletzt bearbeitet:

Das Bild, vor dem ich stehen geblieben war, zeigte eine Hand, an der drei Finger fehlten. Vor der Hand lag ein Messer. Vor dem Messer lagen drei Finger.

Ich spürte in meinem Rücken die Zeichnung mit den drei abgeschnittenen Fingern.

„Kauf dir doch mal so ein Handy, dann erreicht man dich wenigstens“, sagte mein Vater noch, dann legten wir endlich auf.

Sollten wir ähnlichen Geistes sein –

liebe Placidus?,

erst durch das Ausbüchsen einer Groendaele aus dem Rudel an einer Umgehungsstraße zwischen zwo Waldstücken im Emsland wurde mir kurz nach der glorrreichen Jahrtausendwende der Nutzen eines „Handies“ zumindest zum „Wildfang“ bewusst – nebenbei: Irgendwann hab ich es in der Emscher ersäuft – da wars noch die Kloake inmitten des Potts – und bin heute immer noch händibefreite Zone.

Deine im Grunde hammerharte Geschichte - schwebt geradezu durchs Geschehen, sieben Male „vielleicht“ (wenn ich mich nicht verzählt hab) und seinem Geschwisterchen „scheinen“ - auf dessen substantiviertem Gegensatz ebenso wie zum substantivierten „sein“ ganze Philosophien errichtet sind) regiert, dessen Bedeutung von der realen Erscheinung nebst Wirkung eher einem realen Tat-/Sachbestand entgegensteht, um den wahren, realen Kern zu verschleiern – und der liegt m. E. im Namen der „Zoe“ (griechisch „Leben“) und in den drei Fingern vermeine ich nun: die Icherzählerin ist Zoe (oder identifiziert sich mit Z) und/aber des Lebens überdrüssig und da werde ich an Edward Munch – und nicht nur den „Schrei“ – erinnert.

Kleinere Anmerkungen

Hier spielt der Zufall ein Spiel mit Dear

Ich hatte mein grünesbereits Wollkleid an, …
mit grün als Zeichen der Hoffnung,
und hier
Jemand trug einen Pullover, fein gezeichnet, mit Norwegermuster (Hinweis auf Edvard Munch?), die übrige Gestalt war aber nur eine Umrisslinie, am Gesicht aufgerissen.

Purer Symbolismus – 2 x gerissen, darum nicht die feinere und kürzere „Kontur“ vorweg.

Noch ein Geheimnis ...

Marco strich die Wände der Galerie, und wir kamen nach vorbei und hörten uns die ganze Geschichte an.

Ein r ist leider nicht genug
Ich traf sie in einem Café, meine Tasche verbeult von dem zerknitterten Vetrag.

... und mein Vater, wo ich denn wäre, er müsse dringend mit mir sprechen.
Warum der Mix der Konjunktive? Das „wäre“ im Dialog impliziert Zweifel, nicht des Sprechers, sondern des Hörers ...

Wo is'n Willibald? Der hätte sicherlich mehr rausgeholt als ich armes (Hilfs)Arbeiterdrecksblag!

Gleichwohl:

Nicht ungern gelesen vom

Friedel,

der nun vllt. Deine Frage, die er nun am frühen Nachmittag in den Kommentaren entdeckt hat

Die Frage, ob es das Verschwinden der Schwester braucht, habe ich mir erst gestellt, als der Text praktisch fertig war. Ich kann sie derzeit unmöglich beantworten.
und behauptet: Klar braucht es des Verschwindens & meines nun um 6 nach drei.

fw

 

Die Frage, ob es das Verschwinden der Schwester braucht, habe ich mir erst gestellt, als der Text praktisch fertig war. Ich kann sie derzeit unmöglich beantworten.
finde ich nun in einem der vorherigen Kommentare, was natürlich meine These (s. o.) auf den Kopf stellt. Was aber, wenn sie

 

Hallo @Chutney ,

vielen Dank für deinen Kommentar und schön, dass der Text dich hat ansprechen können.

eine eigenartige Geschichte mit sehr poetischen Bildern und einer Erotik, die sich vor einem düsteren Hintergrund abspielt. Das hat zuweilen fast etwas Betäubtes, Schlafwandlerisches. Ich fragte mich auch nach der Verbindung zwischen den beiden Themen, warum die Protagonistin gerade in dieser Situation so offen wird für diese neue Erfahrung mit einer Frau. Irgendwie so ein Gefühl, als ob sie versucht, den Schmerz über ihre Schwester, ihre Sorge unten zu halten, auch, sich schon von ihr zu lösen, den Tod der Schwester anzunehmen, was für eine schreckliche Situation, dieser Schwebezustand. Und da hinein tritt nun diese überraschende Begegnung, hat fast etwas Mystisches, dieses Fließen und ich meine du hattest dieses Motiv schon in einem anderen Text. Da reizt für mich der Text die Grenzen der Realität sehr aus, dass sie sich da in den Armen liegen, sich nicht lösen können. Aber ich geh da mit, du hast da, durch deine Sprache, auch durch die Beschreibung der Ausstellung, den Boden für geschaffen. Da nun die Schwester eine kleine zarte Frau ist und die Zoe auch, drängt sich mir auch schon fast ein bisschen was inzestöses auf, hier die vielleicht tote Schwester, dort die sehr lebendige, warme Zoe aus dem Süden, die Halt gibt. Eine Tür schließt sich, eine andere öffnet sich.
Damit triffst du es ziemlich auf den Punkt. Es ist fast eine Dreiecksgeschichte, mit der Protagonistin zwischen der (mutmaßlich) toten Schwester und einer lebendigen Geliebten. Vielleicht eine Art Übergangszeit (auch für Zoe, die in ihr Land zurückkehrt). Ich wollte vieles offen lassen (z.B. kann da durchaus ein inzestuöses Moment gesehen werden, aber das wollte ich nicht explizit machen).
Am Ende, das werde ich noch klarer machen, eine Entscheidung letztlich aufzutauchen, zu den Eltern zu reisen, sich vom Anrufbeantworter zu trennen, ein Handy zu kaufen. Wie viele Entscheidungen ist es eine nicht vollständig aktive Entscheidung.
Lieben Dank fürs genaue Lesen!
Die Konstruktionsfehler (Wollkleidbereits etc.), das passiert mir beim Bearbeiten leider dauernd, am Ende brauche ich längst eine stärkere Brille herrje!
Habe ich repariert, hoffentlich ohne weiteres Geschirr zu zerschlagen.

Die unklaren Stellen (Weihnachten zu den Eltern und wer wann spricht) sind auch ausgeräumt, die Frau mit dem Laster lasse ich erstmal stehen. Ist sicherlich nicht nötig, aber ich hänge ein bisschen an ihr. (Gibt's nicht so eine alte Kreativenregel "Kill your darlings"? Da wäre sie wohl dran...)

Liebe Grüße
Placidus

und @Isegrims: ja. Das Flüssigwerden kommt etwas unvermutet. Hab die genaue Bewegung noch nicht. Finde ich aber. Einen Hinweis auf die körperliche Zartheit der Schwester habe ich jetzt an anderer Stelle. Ich glaube, allmählich verwebt es sich.
Danke nochmal und ganz herzliche
Hier-gibt-es-schon-noch-Eis-komm-halt-vorbei-Grüße
von Placidus


Und lieber @Friedrichard ,
das frage ich mich seit ein paar Wochen: wo ist unser Willibald? Eigentlich wollte ich dich fragen. Wenn du jemanden weißt, der was weiß, lass es mich wissen!
Mein erstes Mobiltelefon (hier nennen sie's telefonino: Telefönchen) habe ich mir tatsächlich erst im Dezember 2001 zugelegt. Und auch das nur gewissermaßen unter Protest. Selbst hier auf der Wortkriegerseite kämpfe ich mitunter mit den einfachsten Funktionen, zum Beispiel traue ich mich schon gar nicht mehr nachzufragen wie ich eigentlich das Buch ändere, das ich derzeit lese.
Vielen Dank fürs Vorbeischauen. Es ist leider eine ständige Schwierigkeit, dass ich beim Bearbeiten Fehler in den Text baue. Fehlendes R, doppeltes "ich", verschobenes "bereits" etc. sind jetzt also glücklich korrigiert. Und der Konjunktiv ausgebessert! Im Winter hat man, heißt es immer wieder, Zeit, den deutschen Konjunktiv zu lernen.

Kontur! Na klar! Danke!

Ich hoffe, der Name Zoe ist nicht zu dick aufgetragen. War beim Verschmelzen zweier Figuren stehen geblieben und ich fand's dann ganz passend.
Sieben mal vielleicht, das ist vielleicht ein bisschen viel. Vielleicht trenne ich mich von dem einen oder anderen Vielleicht, da schicke ich die Suchfunktion los. Wenn ich sie finde.

Liebe Grüße
Placidus

 

Ich hielt es kaum aus, wollte schon aufstehen und gehen, als Zoe mit der Rückseite ihrer Hand über meinen Oberarm fuhr.
Ouh, armtouch! Diese feine Geste hat mich voll erwischt, bin da sehr vulnerabel.

Hej @Placidus,

ich liebe deine Geschichte, die unterschiedlichen Stränge und wie du sie verknüpfst, verstrickst, verbindest. ich lese mich durch die Bilder, die Kühle der Protagonistin, der so Vieles widerfährt und die doch so passiv bleibt, erträgt und sich wenig mitteilt. Ich trage ihr Leid mit, den Verlust der Schwester, der so schwer lastet, weil sie mit der Ungewissheit zwischen allem Erträglichen schwebt, dem Druck des Vaters in seiner Sorge. Du hast so wundervolle Bilder geschaffen.

Ich will dir auch nur sagen, dass ich die Erotik, die mir fremden Bilder dazu, wie das Zerfließen der Geliebten in der Umarmung in der Öffentlichkeit, abgrundtief ... herzzerreißend empfinde. Es bereitet mich auf eine Zeit der Trauer vor, in der alles wegfließt oder ertrinkt. Selbst den Liebesakt an sich vermischt sich mit Wasser. Hier erwischt es sie auch noch doppelt, nein dreifach, wenn ich dieses Weihnachten mitzähle. Sie weiß von Anfang an, wie vergänglich diese Zeit der Begierde bleibt. Selbst die Bahnausfälle am Ende und die leere Stadt runden die Unsicherheit ab.
Meine Haut stellt sich jetzt beim Schreiben noch auf vor Empathie.

Ich werde sie noch einmal lesen oder mehrmals, aber diesen ersten Impuls einer random Leserin will ich dir unbedingt dalassen, damit du weißt, was diese Geschichte ausrichten kann.

Und ich würde sie in der Challenge dreimal wählen, wenn ich dürfte und wünsche dir viel Erfolg.

Lieber Gruß. Kanji

 

Die Konstruktionsfehler (Wollkleidbereits etc.), das passiert mir beim Bearbeiten leider dauernd, am Ende

Macht doch nix,

bitterböse Placidus,

dann schau’ ich eben noch mal vorbei (aber eher zufällig, dauert ja noch was, bis ich einem Hauch von Deutschtümelei oder -verfluchung verfalle). Flusen gibts immer wieder und da hätte auch Goethe oder der Herr Duden oder sein Konkurrent Wahrig (heute getarnt als Bertelsmann[stiftung], das ist die Institution, die amerikanische Verhältnisse in unseren Krankenstätten einführen will und schon nahe dran ist) kein Erbarmen erwarten dürfen und die erste Fluse findet sich bereits hier (also nicht den gesamten Text ändern wollen!) ...

Ich stellte mich in die von der Tür am weitesten entfernte[…] Ecke.
... nach meiner Lesart ist es auch ein Krimi (Du wirst lachen, ich les an sich keinen als solchen katalogisierten, weil sie idR die falsche Prämisse vorgaukeln, das Verbrechen aufgeklärt sein wollen.

Den einzigen, den ich seinerzeit mit Vergnügen gelesen hab, stammt natürlich von Frau Highsmith. Auf einen Satz reduziert hält da jemand um die Hand einer Frau an und deren Vater zeigt sein Wohlwollen, indem er dem Bewerber die Hand per Postpaket zuschickt. Viel länger ist das Original auch keineswegs …,

denn symbolisieren die drei Finger nicht die Schwurhand und den Eid?, fragt der

FRiedel

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom