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Zufall, Schicksal und der freie Wille

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12.03.2001
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Zufall, Schicksal und der freie Wille

Da ich gerade die das sogenannte Philosophenkollektiv Fanta Vier drin hatte (im CD-Player) beschäftigt mich diese Frage:

Ist es Zufall oder Schicksal oder ist's von beiden keins?

bzw: "Der Mensch kann zwar tun was er will, aber er kann nicht wollen was er will."

Oder wie erlebt Ihr das?

 

Was für ein Glück, Romeo, dass ich schön ausgeschlafen habe inzwischen

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!

Ich probiere Ninas Frage mal mit meiner neuesten Story zu beantworten, die paßt vielleicht ganz gut (und ist nicht als Selbstdarstellung gemeint, Nina

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).

"Der kleine Gott" ist eine Geschichte über den ganz alltäglichen Sadismus, über die Macht der Machtlosen, im Grunde vielleicht eine Geschichte über jeden von uns. Und eine "zufällige", ungleiche Begegnung spielt dabei eine entscheidende Rolle.


DER KLEINE GOTT

Schnecke. Es ist beinahe unmöglich, mir Deine Perspektive zu eigen zu machen.
Ich bemühe mich dennoch und beobachte Dich in Deiner unendlich bedächtigen Art der Fortbewegung. Du kriechst den Boden vor meinen Füßen entlang und beabsichtigst (oder denkst Du vielleicht gar nicht darüber nach?), die alte Mauer des verwilderten Gartens zu erreichen - Du hast alle Zeit der Welt dazu.
Es gibt nichts, das Dich drängen könnte, nichts, worüber Du Dir Sorgen machen müßtest.
Für Dich gibt es nur Deinen Weg, den Du seit wohl undenklichen Zeiten mit aller Dir eigenen Geduld zurückzulegen scheinst.
Dich kümmert nicht die Bedrohung, Du spürst nicht die Bedrohung, die Dir auf diesem Pflaster seit Urzeiten begegnen kann.
Du kennst nur Weg und Ziel - nichts sonst ist für Dich von Belang.

Du bewegst Dich in Deiner eigenen Welt, zu der ich keinen Zugang zu haben scheine.
Du bemerkst mich nicht einmal.

Für Dich bin ich nicht von Bedeutung, völlig ungeachtet meiner körperlichen Größe, ungeachtet auch meines Schattens, den ich im Sonnenlicht auf Dich werfe.

Du empfindest weder Furcht noch Zorn darüber, dass ich Deinen Lauf mit meinen Augen aufmerksam verfolge.
Weg und Ziel, nichts sonst findet in Deinem Bewußtsein Platz..
Aber ich bringe es auf den Punkt: nichts von all dem interessiert mich wirklich.
Ich sehe Dich, und ich sehe das Sonnenlicht auf Deinem Schneckenhaus funkeln.
Ich kann sogar, wenn ich mich etwas bemühe, die Spur sehen, die Du auf dem Asphalt hinterlassen hast.
Ich bewundere auch die Tatsache, dass Du immer noch lebst und Dein Ziel im Auge behalten kannst:
trotz all der Menschen und Fahrzeuge, die Deinen Weg gekreuzt haben müssen.

Dennoch ist nichts davon für mich von Belang.

Ich beneide Dich um die Ausschließlichkeit und Sorglosigkeit Deines Lebens.
Es kränkt mich, Deine Vollkommenheit anerkennen zu müssen.

Und obwohl Du fast das Ziel Deiner langen Reise erreicht hast, Deine Fühler fast die Mauer erspüren können, gefällt es mir, Gott zu sein für Dich.
Ich gehe weiter, ohne das Knirschen unter meinem Absatz besonders zu beachten.
Einige Tränen kann ich trotzdem nicht unterdrücken - und ich verdamme mich dafür, dass ich weine.


Zufall, dass der Protagonist dieser Schnecke begegnen mußte? Schicksal, dass er aus seinem Frust heraus Gott spielen wollte?

Ich glaube, deine Frage läßt sich einfach nicht beantworten.

Boris (BeautifulExp@aol.com)

 

Schnecken haben kein Bewusstsein. Und nur da man sich erdreistet, ein Lebewesen zu töten, "spielt" man noch lange nicht Gott.

Zu Armelle: Schicksal. Wir können ja einmal darüber nachdenken, wie der Begriff "Zufall" entstanden sein könnte.

 

@ Alpha
das klingt beinahe wie eine konfuzianische Weisheit. Bringt die grauen Zellen jedefalls gehörig zum Schwitzen

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@ Boris: Wenn man aus Schneckenperspektive die Dinge betrachtet und der Schnecke mal hypothetisch ein Minimum an rationalem Denkvermögen attestiert, würde diese Handlung und die zugrundeliegende Motivation doch nur auf Verständnislosigkeit stossen.

Vielleicht überfordern der Zufall oder das Schicksal unser eigenes Denkvermögen in ähnlichem Masse...

 

Zufall existiert auf Quantenebene. Wenn Elementarteilchen spontanen und zufälligen Ereignissen gehorchen (Hahn%Co, dann gilt das wohl auch für die nächsthöheren Stufen des Seins, also Atome, Moleküle, Friseusen, denn jedes Ding ist die Summe seiner Teile. Da die Quantenmechanik auch nach 70 Jahren noch in den Kinderschuhen steckt,müssen wir konstatieren, dass Zufall (der nicht mehr als der Erfüllungsgehilfe des Schicksals ist) einfach nur ein physikalisches Gesetz darstellt, dessen Wirkungsweise zu begreifen unsere Gehirne noch zu klein sind.

Und freier Wille ist eine Illusion, da wir in einem Referenzrahmen agieren, der nicht von uns geschaffen ist, d.h. wir sind zu 100% Produkt unserer Umwelt und reagieren nur auf sie, selbst wenn wir ein Eis wollen, oder einen Fick oder eine Beförderung.

Alles klar?

 

Nee, nicht die Summe der Teile, mehr! Das war doch die Sache mit der Emergenz.

 

Mehr ist schon richtig, wollte damir nur ausdrücken, dass wenn alle Teile grün sind, das größere Ganze auch grün ist, und nicht rot.

 

Das Ganze ist immer mehr das die Summe seiner Teile ... will damit sagen wenn alle Teile grün sind heißt das noch lange nicht das auch das Ganze Grün ist ... wahrscheinlicher ist das, gerade weil wir es vermuten, das Ganze eben nicht Grün ... sondern Rot oder Blau oder wie auch immer ist ...

 

Halte ich für nicht auf Beobachtung basierende Spekulation. Selbstverständlich kann das Große Ganze Eigenschaften offenbaren, welche die Summe seiner Teile nicht aufweisen, doch bleiben deren Grundeigenschaften erhalten, siehe Physik, Mathematik, alle auf präsisen und nachweisbaren Experimenten fußenden Wissenschaften.

 

@Boris:
Solche Zufälle wie Deinen gibt es sehr oft, zufällige zeitliche Übereinstimmungen von Ereignissen oder Begegnungen. Normalerweise nimmt man solche Zufälle gar nicht wahr, weil sie so häufig sind. Nur wenn die Sinne aus welchen Gründen auch immer geschärft sind, wird der Zufall mit einer poetischen Bedeutung aufgeladen und je nachdem, wie sehr die betreffende Person geneigt ist, sich auf den Zufall einzulassen, mystifiziert. Ganz langweilig könnte man auch sagen, dass Zufälle nichts weiter als selektive Wahrnehmung sind, bzw. die Interpretation des Zufalls seinen Wert ausmacht (je unwahrscheinlicher, desto Zufall?). Denn wenn der Zufall nicht mit einer poetischen Bedeutung aufgeladen wird, bleibt er unerkannt.

Kunderas Interpretation gefällt mir besonders gut:
Das menschliche Leben ist komponiert wie ein Musikstück. Der Mensch, der vom Schönheitssinn geleitet ist, verwandelt ein zufälliges Ereignis in ein Motiv, das er der Partitur seines Lebens einbeschreibt. Er nimmt es wieder auf, wiederholt es, variiert und entwickelt es weiter, wie ein Komponist die Themen seiner Sonate transponiert. Ohne es zu wissen, komponiert der Mensch sein Leben nach den Gesetzen der Schönheit, sogar in Momenten tiefster Hoffnungslosigkeit.
Nicht die Notwendigkeit, sondern der Zufall ist voller Zauber.

@Alpha und Sönke:
Mit Quantenkrempel kenne ich mich nicht so gut aus. Hat das aber nicht etwas mit Schrödingers Katze zu tun? Und der Heissenbergschen Unschärferelation? Vielleicht sind diese Quantensprünge gar nicht zufällig, und weil wir sie nicht messen können (oder noch nicht messen können?) und deshalb kein Prinzip ableiten können, berufen wir uns auf das Chaos.
Freier Wille: vgl. Schopenhauer: "Der Mensch kann nicht wollen, was er will." Tun kann er es trotzdem. Das iss ja schonmal besser als gar nix.

 

Mit "Schicksal" meinte ich eher so etwas wie Vorbestimmung. So wie meinetwegen Ödipus seinem Schicksal auch nicht entrinnen konnte, obwohl bzw. gerade WEIL er nichts anderes als genau das versucht hat.

 

Schroedingers Katze sagt, dass nichts geschehen ist, bevor es jemand wahrnimmt. Heisenbergs Unschärferelation sagt aus, dass wir etwas verändern ,allein dadurch, dass wir es wahrnehmen. Ich sage, dass Realität nur das ist, was wir uns wahrzunehmen entscheiden.

 

Warum verändern wir es denn dadurch, dass wir es wahrnehmen? Weil das Messgerät nicht fein genug ist, oder war das noch was anderes? Uih... bei solchen Sachen steh ich wie das Männlein im Walde. Das, was Du sagst, sage ich so ähnlich: Wahrnehmung ist ein erwartungsgesteuerter Suchprozess.
Wenn Du sagst "entscheidet", dann betont das find ich ein "Bewußtsein", das so gar nicht da ist.

 

Also, das mit der Heisenbergschen Unschärferelation funktioniert so: Man kann bei der mikromikroskopischen Betrachtung von Elementarteilchen ihre Position bestimmen, aber nicht gleichzeitig das Drehmoment. Odre man kann ihr Drehmoment messen, aber dann nicht ihre genaue Position, sowie man das eine misst, verändert man das andere, und es liegt nicht an zu unpräzisen Instrumenten, das ist extrem vereinfacht, aber darauf läuft es hinaus. Daher existieren für die Betrachtung unseres Universums 2 Grenzen, die mikroskopische (Heisenberg) und die makroskopische (weil es unmöglich ist, unser Universum von außen zu betrachten, jedenfalls für die Wesen, die darin leben. Das ist der maximale Referenzrahmen. Nun ist es so, dass alles, was Du oder ein anderes Lebewesen im Universum Dir vostellst, innerhalb dieses Referenzrahmens einmal geschehen muss, einfach weil dieses Universum alles ausprobiert, was möglich ist, also auch, was Du Dir ausgedachts hast, denn es ist möglich, sonst hättest Du es ja unmöglich denken können, also erschafft Dein Geist jede Realität, die Du wahrzunehmen beliebst. Is nich kompliziert, is nur detailliert.

 

Das klingt irgendwie gut. So kannte ich das noch nicht mit dem Referenzrahmen.

 

ich glaube ich lesen jetzt ein gutes buch ... selten habe ich einen solchen mix erlebt ... erkenntnis der naturwissenschaften auf die metaphysik anzuwenden ... auf die idea muss man erst einmal kommen ... was soll man mehr dazu sagen ... lest lieber ein gutes buch

 

Ich habe ein gutes Buch dazu geschrieben. Kann ich Dir ja mal mailen. Aber Vorsicht! Es könnte Deinen Horizont erweitern...

 

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