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Zwölftausend Fuß

Beitritt
23.06.2021
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Zwölftausend Fuß

Der Flugzeugrumpf war eiskalt und sie spürte das scharfkantige Metall der offenen Kabinentür. Und ihre entsetzliche Angst. Sie schnürte ihr die Kehle zu. Ihre Muskeln verkrampften in der hilflosen Suche nach festem Halt, ihre Gedanken rasten. Der Fahrtwind übertönte das betäubende Dröhnen der vier Triebwerke und zerrte an ihr. Beinahe hätte er sie aus dem Flugzeug gerissen. In die Kälte und die Tiefe.

Mühsam zwang sie sich, die Augen zu öffnen. Der Fahrtwind füllte sie sofort mit Tränen, in der Dämmerung konnte sie fast nichts erkennen. Dennoch war sie sich der endlosen Leere unter sich bewusst. Das große Militärflugzeug hatte schon vor Minuten die Wolkengrenze erreicht und ihre Flughöhe musste schon deutlich über zwölftausend Fuß betragen. Schreckliche viertausend Meter.

Ihre Gedanken gerieten außer Kontrolle und sie verlor die Orientierung, bis sie hinter sich eine Bewegung spürte. Sie drehte den Kopf, versuchte über die Schulter zu schauen. Er stand direkt hinter ihr. Der Fahrtwind verzerrte sein Gesicht zu einer grotesken Grimasse. Hinter der Brille sah sie seine stahlgrauen Augen und erkannte darin nichts als Entschlossenheit. Das Gesicht eines Psychopathen, schoss es ihr durch den Kopf. Sie versuchte, ihn zurückzuschieben, aber die Muskeln unter seiner Uniform gaben keine Handbreit nach. Noch einmal öffnete sie den Mund, aber ihr Schrei verwehte im Fahrtwind. Dann spürte sie seine Hand an ihrer Schulter. Unerbittlich schob er sie vom Flugzeug weg. Ihr linker Stiefel rutsche kurz unter ihr weg und ihre Hände verloren den Halt, bevor sie kopfüber in die Tiefe stürzte.

Sie hatte immer gedacht, der freie Fall sei etwas Friedliches, Erhabenes. Die Realität war so ganz anders. Ihr Magen hob sich, der Körper verkrampfte sich, während sie immer schneller in die Leere trudelte. Der Fahrtwind presste die Luft in ihre Lungen und das Atmen wurde immer schwerer. Die Wolkendecke raste auf sie zu.

Dann spürte sie seine Hand um ihren Brustkorb. Die andere hielt ihr den Höhenmesser vor die Augen. Der Zeiger drehte sich schnell nach links, während sie tiefer und tiefer fielen. Mit den Beinen stabilisierte er ihren Fall, bis sie gleichmäßig Kopf voran durch die Wolkendecke rasten. Kurz bevor der Höhenmesser zweieinhalb tausend Fuß anzeigte, spürte sie noch einmal den Druck seiner Hand unter ihren Rippen. Fest und kurz. Sie ahnte, was jetzt kommen würde.

Als er den Fallschirm mit einem Ruck auslöste, passierte für einen atemlosen Augenblick nichts. Sie fielen unverändert weiter, ihr Herz raste, bis sich endlich der Schirm über ihnen entfaltete und sie mit einem Ruck in die Gurte gedrückt wurde. Und dann war da Ruhe und dieses ungeheure Glücksgefühl. Sie waren durch die Wolken gefallen und schwebten fast lautlos über der Landschaft.

Sie fühlte sich so frei, wie schon lange nicht mehr und erinnerte sich zurück an ihren Abend im italienischen Restaurant. Romantische Atmosphäre, teurer Wein und vor allem die Hoffnung, ihre Beziehung doch noch retten zu können. Sie erinnerte sich an die Überzeugung in seiner Stimme. »So ein Abenteuer wird uns gut tun. Die Versöhnung vertiefen. Wir werden uns nah sein wie noch nie, Liebling« hatte er gesagt. Seine Stimme mit dem verführerischen texanischen Akzent war voller Wärme. Er hatte recht behalten.

Die Wolken über ihr färbten sich rot und es wurde heller um sie herum. In ihrem Kopf entstand ein Schrei, zuerst körperlos, dann bahnte er sich unaufhaltsam einen Weg bis zu ihrer Kehle und sie schrie ihre Begeisterung und ihr Glück in den Sonnenaufgang hinein.

 

Hallo Gerald,

dein Text ist schön kompakt und beschreibt das Erlebnis eines Fallschirmsprungs sehr emotionsgeladen. Die Kürze veranschaulicht gut, wie schnell so ein Absprung gehen kann (und würde deshalb auch gut in die Kategorie Flash Fiction passen).

Der Flugzeugrumpf fühlte sich kalt an, eiskalt.
Der erste Satz ist schon mal eher vage beschrieben. Noch kann man sich nicht orientieren, nur der kalte Flugzeugrumpf ist ein Anhaltspunkt. Das macht neugierig und regt sofort zum Weiterlesen an.
Was sie spürte, war das scharfkantige Metall der offenen Kabinentür.
Bei scharfkantig sehe ich die Chance, die Szene noch genauer zu beschreiben. Vielleicht spürt sie, wie sich das Metall in die Handflächen bohrt, dann wird der Sinneseindruck noch konkreter.
Für einen Moment geriet der Gedankenstrudel in ihrem Kopf völlig außer Kontrolle und versetzte sie um Stunden zurück.
Die Rückblende finde ich gut umgesetzt, sie wirkt organisch und stellt Kontext her.
Mit dem letzten Rest an Kraft, riss sie sich zurück in die Gegenwart.
kein Komma
Der Fahrtwind trieb ihr sofort die Tränen in die Augen und in der Dunkelheit unter sich konnte sie fast nichts erkennen. Dennoch war sie sich der scheinbar endlosen Leere unter sich schrecklich bewusst.
unter sich? oder unter ihr? Das erste "unter sich" würde ich wegen der Dopplung ganz streichen.
"Das Gesicht eines Psychopathen, schoss es ihr durch den Kopf.
Das " ist überflüssig
Die Muskeln unter seiner Uniform gaben keine Handbreit nach.
Was soll das heißen? Warum sollten seine Muskeln nachgeben? Und warum eine Handbreit? Und woher weiß sie das überhaupt, wenn die Uniform darüber ist?
Sie hatte immer gedacht, der freie Fall sei etwas [F]riedliches, [E]rhebendes.
Großschreibung
Entsetzlich. Ihr Magen hob sich, der Körper verkrampfte sich, während sie immer schneller in die Leere trudelte. Die Wolkendecke raste auf sie zu.
Was man hier noch einbauen könnte, ist die Erwähnung, wie laut die vorbeiziehende Luft rauscht. Das würde auch den Gegensatz zu dieser späteren Stelle hervorheben:
Und plötzlich waren da Ruhe und dieses ungeheure Glücksgefühl. Sie waren durch die Wolken gefallen und schwebten fast lautlos über der Landschaft.

Viele Grüße
Michael

 

Hallo @Michael Weikerstorfer,

vielen Dank für das ausführliche und schöne Feedback.

Die Fehler habe ich gleich mal korrigiert.

Was sie spürte, war das scharfkantige Metall der offenen Kabinentür.
Bei scharfkantig sehe ich die Chance, die Szene noch genauer zu beschreiben. Vielleicht spürt sie, wie sich das Metall in die Handflächen bohrt, dann wird der Sinneseindruck noch konkreter.
Ich habe mal versucht, das aufzugreifen, ohne den Erzähl-Fluss zu verändern.

Für einen Moment geriet der Gedankenstrudel in ihrem Kopf völlig außer Kontrolle und versetzte sie um Stunden zurück.
Die Rückblende finde ich gut umgesetzt, sie wirkt organisch und stellt Kontext her.
Danke.

Die Muskeln unter seiner Uniform gaben keine Handbreit nach.
Was soll das heißen? Warum sollten seine Muskeln nachgeben? Und warum eine Handbreit? Und woher weiß sie das überhaupt, wenn die Uniform darüber ist?
Oops, eigentlicht wehrt sie sich gegen ihn. Daher spürt sie die Muskeln. Das habe ich ergänzt.

Entsetzlich. Ihr Magen hob sich, der Körper verkrampfte sich, während sie immer schneller in die Leere trudelte. Die Wolkendecke raste auf sie zu.
Was man hier noch einbauen könnte, ist die Erwähnung, wie laut die vorbeiziehende Luft rauscht. Das würde auch den Gegensatz zu dieser späteren Stelle hervorheben:
Gute Idee. Ich weiß noch nicht, wie ich das formulieren könnte.

Also vielen Dank und
liebe Grüße,
Gerald

 

Moin @C. Gerald Gerdsen

Wie versprochen: Hier bin ich! :-) Schön, dass Du eine neue "alte" Story von Dir eingestellt hast. Da mache ich mich doch gleich ans Werk. Gleich vorneweg: Ich werde einiges zitieren, aber das sind eigentlich nur Vorschläge bzw. vieles ist halt Geschmackssache, schau doch mal, ob was dabei ist, dass Dir weiterhilft.

Der Flugzeugrumpf fühlte sich kalt an, eiskalt. Aber sie spürte die Kälte kaum.
Die Kälte ist zu Beginn omnipräsent. Gefällt mir soweit, die ersten Sätze erwecken Spannung, aber meiner Meinung nach übertreibst Du es ein wenig mit gleich 3x Kälte. Du könntest das etwas komprimieren, vielleicht so: Der Flugzeugrumpf fühlte sich eiskalt an. Aber sie spürte diese Kälte kaum. Das klänge für mich besser.

Und vor allem ihre entsetzliche Angst. Sie schnürte ihr die Kehle zu.
Das mit der Kehle zuschnüren ist halt so altbekannt, dass liest man immer und immer wieder und deshalb ist es ziemlich ausgelutscht. Vielleicht fällt Dir noch was besseres ein, wie Du ihre Angst rüberbringen kannst.

Der Fahrtwind übertönte das ohnehin betäubende Dröhnen der beiden großen Triebwerke und hätte sie beinahe aus dem Flugzeug gerissen. Nach draußen, in die Kälte und die Tiefe.
Ist es wichtig, dass die beiden Triebwerke gross sind? Triebwerke sind doch immer relativ gross, es ist deshalb meiner Meinung nach unwichtig, dies hier noch extra zu erwähnen. Das "nach draussen" könntest Du auch streichen, es ist klar, weil Du vorher schreibst, dass sie beinahe aus dem Flugzeug gerissen wird. Wohin soll sie sonst gerissen werden, als nach draussen? ;-)

Für einen Moment geriet der Gedankenstrudel in ihrem Kopf völlig außer Kontrolle und versetzte sie um Stunden zurück. Zurück zu dem Abend im Restaurant. Romantische Atmosphäre, italienisches Essen und vor allem die Hoffnung, ihre Beziehung – trotz allem – noch einmal retten zu können. Sie erinnerte sich an die Überzeugung in seiner Stimme. »So ein Abenteuer wird uns gut tun. Die Versöhnung vertiefen. Wir werden uns nah sein wie noch nie, Liebling« hatte er gesagt. Seine Stimme mit dem verführerischen texanischen Akzent war voller Wärme gewesen. Sie hätte es besser wissen müssen.
Die Rückblende ist ok, aber es hat mich irgendwie ein wenig aus dem Text gerissen, weil es mit dem Anfang doch sehr stark bricht. So kurz vor dem Absprung, denkt sie da wirklich an den Abend im Restaurant zurück? Ich habe selbst bisher zwei Fallschirmsprünge hinter mir (Tandem) und mein Kopf war kurz vor dem Sprung, während dem Sprung und etwa bis zu einer halben Stunde danach einfach nur leer. Ich habe an gar nichts gedacht, die Aufregung und das Adrenalin war viel zu gross. Aber das ist sicher von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Vielleicht könntest Du probieren, mit dem Restaurantbesuch einzusteigen und dann im zweiten Abschnitt direkt mit dem Fallschirmsprung weiterzumachen. Wäre für mich runder, denke ich.

Dennoch war sie sich der scheinbar endlosen Leere unter sich schrecklich bewusst.
Ich denke "scheinbar" ist so ein Füllwort, was es nicht wirklich braucht. In diesem Moment ist die Leere für sie endlos, dann kannst Du das auch streichen.

Sie fielen einfach weiter, bis sich der große Gleitschirm über ihnen öffnete und sie mit einem Ruck in die Gurte gedrückt wurde.
Ein Gleitschirm ist nicht das gleiche wie ein Fallschirm, soviel ich weiss. Mit einem Gleitschirm startet man von einem Berg/Hügel o.ä.

In ihrem Kopf entstand ein Schrei, zuerst körperlos, dann bahnte er sich vom Zwerchfell aus nach oben sprudelnd einen Weg durch ihre Kehle und sie schrie ihre Begeisterung und ihr Glück in den Sonnenaufgang hinein.
Der letzte Satz liest sich etwas holperig und der hat mich rausgerissen. Wenn Du das Durchgestrichene entfernen würdest, liest er sich gleich viel runder.

Der Text hat mir gefallen, Gerald, und ich habe das Adrenalin gespürt, kurz vor dem Sprung und währenddessen. Das ist dir meiner Meinung nach gut gelungen.

Weiter so & Beste Grüsse,
d-m

 

Hallo @Nicolaijewitsch,

Ja sehr schön, ich fühlte mich gut unterhalten! Keinerlei Kritikpunkte.
Na so was. :schiel: Das freut mich. Vielen Dank.
________

Hallo @deserted-monkey ,

Die Kälte ist zu Beginn omnipräsent. Gefällt mir soweit, die ersten Sätze erwecken Spannung, aber meiner Meinung nach übertreibst Du es ein wenig mit gleich 3x Kälte. Du könntest das etwas komprimieren, vielleicht so: Der Flugzeugrumpf fühlte sich eiskalt an. Aber sie spürte diese Kälte kaum. Das klänge für mich besser.
Stimmt. Ich habe das mal gekürzt.

Das mit der Kehle zuschnüren ist halt so altbekannt, dass liest man immer und immer wieder und deshalb ist es ziemlich ausgelutscht. Vielleicht fällt Dir noch was besseres ein, wie Du ihre Angst rüberbringen kannst.
Hm, es fällt mir immer schwer, hier andere Metaphern zu finden, weil das so nah an der Realität ist. Ich denke mal darüber nach.

Der Fahrtwind übertönte das ohnehin betäubende Dröhnen der beiden großen Triebwerke und hätte sie beinahe aus dem Flugzeug gerissen. Nach draußen, in die Kälte und die Tiefe.
Ist es wichtig, dass die beiden Triebwerke gross sind? Triebwerke sind doch immer relativ gross, es ist deshalb meiner Meinung nach unwichtig, dies hier noch extra zu erwähnen. Das "nach draussen" könntest Du auch streichen, es ist klar, weil Du vorher schreibst, dass sie beinahe aus dem Flugzeug gerissen wird. Wohin soll sie sonst gerissen werden, als nach draussen? ;-)
Jau, du hast recht. Gekürzt.

Die Rückblende ist ok, aber es hat mich irgendwie ein wenig aus dem Text gerissen, weil es mit dem Anfang doch sehr stark bricht. So kurz vor dem Absprung, denkt sie da wirklich an den Abend im Restaurant zurück? Ich habe selbst bisher zwei Fallschirmsprünge hinter mir (Tandem) und mein Kopf war kurz vor dem Sprung, während dem Sprung und etwa bis zu einer halben Stunde danach einfach nur leer. Ich habe an gar nichts gedacht, die Aufregung und das Adrenalin war viel zu gross. Aber das ist sicher von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Vielleicht könntest Du probieren, mit dem Restaurantbesuch einzusteigen und dann im zweiten Abschnitt direkt mit dem Fallschirmsprung weiterzumachen. Wäre für mich runder, denke ich.
Ich wollte gerne mit der offenen Tür einsteigen, habe aber die Rückblende noch einmal verändert und einen Absatz nach hinten verlegt.

Dabei finde ich es immer wieder spannend, wie unterschiedlich der Text wahrgenommen wird. @Michael Weikerstorfer hat die Rückblende als stimmig erlebt.

Mal sehen, ob es so runder wirkt.

Dennoch war sie sich der scheinbar endlosen Leere unter sich schrecklich bewusst.
Ich denke "scheinbar" ist so ein Füllwort, was es nicht wirklich braucht. In diesem Moment ist die Leere für sie endlos, dann kannst Du das auch streichen.
Gestrichen.

Sie fielen einfach weiter, bis sich der große Gleitschirm über ihnen öffnete und sie mit einem Ruck in die Gurte gedrückt wurde.
Ein Gleitschirm ist nicht das gleiche wie ein Fallschirm, soviel ich weiss. Mit einem Gleitschirm startet man von einem Berg/Hügel o.ä.
Meines Wissens springt eigentlich fast niemand mehr mit einem Rundschirm. Auch die Freifaller haben Gleitschirme. Aber da es eigentlich egal ist, habe ich das Wort gekürzt.

In ihrem Kopf entstand ein Schrei, zuerst körperlos, dann bahnte er sich vom Zwerchfell aus nach oben sprudelnd einen Weg durch ihre Kehle und sie schrie ihre Begeisterung und ihr Glück in den Sonnenaufgang hinein.
Der letzte Satz liest sich etwas holperig und der hat mich rausgerissen. Wenn Du das Durchgestrichene entfernen würdest, liest er sich gleich viel runder.
Stimmt.

Der Text hat mir gefallen, Gerald, und ich habe das Adrenalin gespürt, kurz vor dem Sprung und währenddessen. Das ist dir meiner Meinung nach gut gelungen. Weiter so & Beste Grüsse,
d-m
Vielen Dank. Das war das Ziel. (Bin übrigens noch nie gesprungen, nur - wie du oben beschrieben hast - von einem Berg gestartet. Der Rest ist Phantasie. ;)

Liebe Grüße,
Geald

 

Hallo @percaperca,

danke, dass du dir die Zeit genommen hast, meinen Text zu lesen und zu kommentieren und zu kritisieren.

Wenn man uns mit "Action!" kommen möchte, die mit xtremem Ambiente jongliert, muss alles bis auf's Tüpfelchen stimmen - sonst kommt die Maschine ins Trudeln und die ganze Nummer stürzt ab.
Ich finde das Ambiente gar nicht so extrem, aber "Action" ist schon die ungefähre Richtung, in die ich ziele.

Wer schon mal direkt mit rasenden Maschinen und extremen Verhältnissen zu tun hatte, weiß, dass man da kein Kopfkino mehr an haben kann, sondern Glück hat, wenn man bei Sinnen bleibt und sich nicht in die Hose macht.
Oh, bist du sicher? Solange die Heldin "aktiv" bleibt, stimme ich der adrenalin-schwangeren Aufmerksamkeit zu. Die Heldin hier ist aber - zumindest aus ihrer eigenen Wahrnehmung heraus - einem Psychopathen ausgeliefert. Und das ist schon der Moment für Dissoziation und Flashbacks. Du darfst mir glauben, dass ich mit mit diesen Dingen auskenne. Das ist mein tägliches Brot.

Aber auch @deserted-monkey fand diese Rückblende nicht überzeugend. Insofern nehme ich die Kritik ernst. Im Moment lasse ich die Flashbacks dennoch drin, weil sie den notwendigen Rahmen für die Handlung liefern.

Es ist also wenig sinnvoll, das frühmorgendliche Gebrumm eines Sportflugzeugs und die Kälte seiner dünnen Außenhaut allzuzu episch aufzublähen.
Ich rede nicht von einem Sportflugzeug, sondern hatte eher eine Gruman oder eben eine C-130 Lockheed "Hercules" im Kopf. Vermutlich war ich zu oft am Frankfurter Flughafen. Der 'Antagonist' und Lover ist ein amerikanischer Soldat und das Ganze hat dementsprechend einen andren Kontext. Ich habe das mal ergänzt.

Tipp: mach den Morgen heller und lass die Requisiten im Normalbvereich. Dann klingt die Nummer glaubhafter.
Ich habe mal "Dämmerung" statt Dunkelheit eingebaut.

Warum beginnst Du nicht einfacher mit:
Der Flugzeugrumpf fühlte sich eiskalt an. Aber Sie spürte die Kälte kaum, nur das scharfkantige Metall der offenen Kabinentür. Und vor allem ihre entsetzliche Angst, die ihr die Kehle zuschnürte. Ihre Gedanken rasten. Der Fahrtwind übertönte das ohnehin betäubende Dröhnen der die beiden Triebwerke und hätte sie beinahe aus dem Flugzeug gerissen. In die Kälte und die Tiefe. Sie zwang sich, die Augen zu öffnen; Der Fahrtwind trieb ihr sofort die Tränen in die Augen und; in der Dunkelheit konnte sie fast nichts erkennen. Dennoch war sie sich der endlosen Leere unter sich schrecklich bewusst. Sie hatten schon vor Minuten die Wolkengrenze erreicht - und ihre Flughöhe musste schon deutlich über viertausend Fuß betragen. schreckliche viertausend Fuß!
Ich fange eigentlich immer mit einem Hinweis auf das äußere Setting an, besonders im Action-Bereich. Das liegt vermutlich daran, dass ich entsprechende Texte selbst gerne lese.

Aber trotzdem danke. Ich habe bei der Überarbeitung des Textes bemerkt, dass ich von viertausend Fuß geschrieben habe. Das wären nur knapp über 1300 Meter. Da gibt es nicht viel freien Fall.

LG,
Gerald

 

Moin @C. Gerald Gerdsen,

danke für Deine Geschichte.
Ich war selbst noch nie Fallschirmspringen, doch deine Beschreibungen und vor allem Empfindungen der Prota vor, während und nach dem Sprung haben mich abgeholt und mein Kopfkino lief flüssig.
Besonders gut gefallen hat mir dabei, dass Du mit (m)einer Erwartungshaltung gespielt hast. Das Ganze beginnt wie ein Thriller, als ob ein Opfer von ihrem Peiniger - der auch noch ihr Lebensgefährte ist ... so scheint es - gegen den eigenen Willen in gewaltiger Höhe aus einem Flugzeug gedrängt wird. Ich hab das voll und ganz gekauft und so hat mich der letzte Absatz eiskalt erwischt. Gut gemacht. :)

Kleinigkeiten:

Sie zwang sich, die Augen zu öffnen. Der Fahrtwind trieb ihr Tränen in die Augen
Wiederholung. Den zweiten Satz könnte man vielleicht irgendwie ändern?

Für einen Moment geriet der Gedankenstrudel in ihrem Kopf völlig außer Kontrolle und Bilder schossen durch ihren Kopf, versetzten sie um Stunden zurück.
Vielleicht kann man das "Für einen Moment" streichen, da unnötig? Der Gedankenstrudel in ihrem Kopf geriet völlig außer Kontrolle ..."

Hinter der Brille waren seine stahlgrauen Augen zu sehen und sie sah darin nichts als Entschlossenheit. Das Gesicht eines Psychopathen, schoss es ihr durch den Kopf.
Besonders "das Gesicht eines Psychopathen" hat bei mir den Eindruck verstärkt, dass sie es hier mit einem Gegner zu tun hat. War das so beabsichtigt?

Sehr gerne gelesen,
Beste Grüße
Seth

 

Hallo @Seth Gecko,

danke für Dein Feedback. Ich habe "Für einen Moment" gestrichen und versucht, die Doppelung bei Augen zu vermeiden. Bin aber vor allem bei den Augen nicht sicher, ob das funktioniert.

Hinter der Brille waren seine stahlgrauen Augen zu sehen und sie sah darin nichts als Entschlossenheit. Das Gesicht eines Psychopathen, schoss es ihr durch den Kopf.
Besonders "das Gesicht eines Psychopathen" hat bei mir den Eindruck verstärkt, dass sie es hier mit einem Gegner zu tun hat. War das so beabsichtigt?
Ja, ich wollte den Beginn durchaus eher als Thriller anlegen (Psychopath oder Borderliner als Partner). Ich glaube, es scheint zu funktionieren. Erst im Rückblick merkt man, dass diese Einschätzung mehr ihrer Angst geschuldet ist, als seinem Verhalten. Andererseits wissen wir ja nicht, wie die Geschichte weiter geht. ;)

Liebe Grüße,
Gerald

 

Hallo @Rob F,

danke für Dein Feedback. Freut mich, wenn der Bogen funktioniert und im Leser zunächst Unklarheit entsteht ... bis zur Auflösung.

Bezogen auf eine Geschichte fehlen nur im Prinzip die Protagonisten. Die beiden Personen sind hier ja nur Mittel zum Zweck, zwei namenlose Gestalten, bei denen ich keinen Grund finde, warum mich ihr Schicksal interessieren sollte. Dafür müsste es eine längere Geschichte sein, die schon eine Entwicklung vor dem Sprung hat, mir die Personen näherbringt.
Ja, ich verstehe. Die Protagonisten bleiben blass.

Der Flugzeugrumpf fühlte sich eiskalt an. Aber sie spürte die Kälte kaum. Was sie schmerzhaft spürte, war das scharfkantige Metall der offenen Kabinentür.
Das klingt seltsam, der Rumpf fühlt sich eiskalt an, aber dann spürt sie die Kälte kaum ...
Vorschlag:
"Der Flugzeugrumpf war eiskalt. Aber sie spürte es kaum, dafür umso mehr das scharfkantige Metall der offenen Kabinentür."
Ich habe das mal umgestellt.

Der Fahrtwind trieb ihr Tränen über die Pupillen und in der Dämmerung konnte sie fast nichts erkennen.
Nur über die Pupillen ... ?
ich würde anstatt dem "und" ein Komma setzen
Vorher hatte ich da eine Doppelung, die auch nicht gut war. Ich habe das nochmal umgeformt.

Dennoch war sie sich der endlosen Leere unter sich schrecklich bewusst.
"schrecklich" streichen
(wenn es für sie schrecklich ist, sollte das auf andere Weise dem Leser deutlich werden, nicht indem du es einfach explizit schreibst)
Okay, okay, ich versuche mal, den Text weniger schrecklich zu gestalten.

Die C-130 Hercules hatten schon vor Minuten die Wolkengrenze erreicht und ihre Flughöhe musste schon deutlich über zwölftausend Fuß betragen. Schreckliche viertausend Meter.
Ist es wichtig, was genau für ein Flugzeug es ist? ;
hatte ; schon wieder dieses schreckliche Wort ;)
Ja, erste Leserinnen (wie die verschwundene @percaperca) hatten ein kleines Sportflugzeug im Kopf. Ich wollte gerne ein großes Flugzeug. Vielleicht habe ich aber auch einfach zu viel Ken Follett gelesen. :D

Der Gedankenstrudel in ihrem Kopf geriet völlig außer Kontrolle und Bilder schossen durch ihren Kopf, versetzten sie um Stunden zurück.
Den Satz würde ich, auch durch die Wortwiederholungen, noch mal grundsätzlich überdenken.
Umgebaut.

Hinter der Brille waren seine stahlgrauen Augen zu sehen und sie sah darin nichts als Entschlossenheit.
Auch diesen, er klingt, als würdest du dich darum drücken, einfach zu schreiben, was du meinst ... auch die Verwendung von Aktiv und Passiv in einem Satz wirkt seltsam.
Ebenso.

Danke für Deine detaillierte Kritik. Ich hoffe, dass ich den Text noch ein bisschen besser machen konnte.

LG, Gerald

 

Der Flugzeugrumpf war eiskalt. Aber sie spürte es kaum. Was sie schmerzhaft spürte, war das scharfkantige Metall der offenen Kabinentür. Und vor allem ihre entsetzliche Angst. Sie schnürte ihr die Kehle zu. Ihre Gedanken rasten. Der Fahrtwind übertönte das betäubende Dröhnen der vier Triebwerke und hätte sie beinahe aus dem Flugzeug gerissen. In die Kälte und die Tiefe.
Hallo,

Verortung ist immer gut. Hier wäre, glaube ich, weniger etwas mehr. Das ist auch recht ungeordnet und sehr voll. Der eiskalte Rumpf ist super. Den fühlt sie ja, sonst könnte sie darüber keine Aussage machen. Das scharfkantige Metall der offenen Kabinentür. Das wäre mein erster Satz. Die Kabinentür ist offen, da passiert gleich Action, dann ist die Tür scharfkantig, was für ein Symbol!, und ich denke, das ist ein guter Hook. Schmerzhaft würde ich rausnehmen. Sie spürt die scharfen Kanten, das wird schon nicht geschmeidig anfühlen, der Schmerz steckt da auch schon ein wenig drin. Dann die entsetzliche Angst. Das ist ein Superlativ, entsetzlich. Du hast es aber in so einem Nachsatz nur erwähnt, nach der offenen Kabinentür. Und vor allem ... entweder oder. Ich glaube aber, du hast das nicht nötig. Die erwähnte Angst muss für den Leser intuitiv spürbar sein, bzw nachvollziehbar, ohne dass du sie erwähnst. Mit der zugeschnürten Kehle bist du auf dem richtigen Weg. Da würde ich noch unmittelbarer werden. Eine Aktion beschreiben, eine Handlung. Wie sie in die Tiefe sieht und sich über den Puls am Hals streicht oder tief durchatmet oder weiche Knie bekommt und zu Boden sackt. Klassisches show.

Dennoch war sie sich der endlosen Leere unter sich bewusst.
Wie kann man sich etwas bewusst sein, dass man nicht erkennt? Das ist ja symbolisch auch ein Sprung irgendwie ins Ungewisse, oder? Sie ahnt vielleicht, was da ist. Wie kann sie sich auch bewusst werden, wenn sie entsetzliche Angst hat? Manchmal ist weniger, mehr. Ich finde es gut, dass du hier Atmosphäre kreieren möchtest, uns den Charakter zeigst, aber auf einer solchen Kürze ist jedes Wort wichtig, alles muss man abwägen, es muss einen guten Grund haben, dazustehen, es darf kein Ballast sein.

»So ein Abenteuer wird uns gut tun. Die Versöhnung vertiefen. Wir werden uns nah sein wie noch nie, Liebling« hatte er gesagt. Seine Stimme mit dem verführerischen texanischen Akzent war voller Wärme gewesen. Sie hätte es besser wissen müssen.
Auf diese Kürze eine Rückblende halte ich für schwierig. Das erscheint mir ein wenig wie eine erzählerische Krücke. Vielleicht schiebst du die Erklärung einfach nach hinten, wenn sie unten gelandet sind. Dann hättest du zwar so eine Pun-Geschichte, aber es wirkte organischer. Oder ein kurzer Dialog vor dem Sprung, wo er das sagt. "Ich hab dir gesagt, so ein Abenteuer wird uns gut tun!", obwohl klar wird, vielleicht ist er sich auch nicht sicher, dann wäre es ein Sprung ins Ungewisse im doppelten und übertragenen Sinn.

Eins noch: warum muss das ein texanischer Akzent sein? Warum kein pfälzischer? Ich habe das früher auch gemacht, weil ich irgendwie dachte, bestimmte Sujets passen nicht nach Deutschland, das dürfen keine Deutschen sein. Manchmal denke ich das noch immer, vor allem wenn es um bestimmte Genre geht, wie Western. Ein astreinen Spaghetti-Western a la "Hang 'em higher" könnte ich mir nur schwer mit Fritz Müller als Killer vorstellen. Aber ich sage nicht, dass es unmöglich ist. Das hier braucht aber keine Verortung in fremde Gefilde. Wenn etwas näher ist, wird es auch realistischer. Es verliert Distanz. Wenn dein Nachbar Guido mit seiner Frau einen solchen Sprung macht und es dir erzählt, ist es dir näher, als wenn du dir ein youtube Video ansiehst oder dir deine Urlaubsbekanntschaft Fred davon erzählt. Deswegen plädiere ich hier für mehr Nähe einfach.

Sie wusste, was jetzt kommen würde.
Woher? Ist doch das erste Mal, dass sie springt, oder? Sie ahnt das vielleicht theoretisch, oder? Wissen kann sie es nicht im Sinne von erfahren haben, ein Gefühl dafür haben.

Ja, finde ich gut. Ein Happy End. Ich habe keinerlei Erfahrung damit, aber Fallschirmspringen liest sich gut. Ich würde das auch gerne mal tun, aber geben zu, davor mächtig Respekt zu haben, um nicht zu sagen: Angst. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie diese Angst dann weicht und man ein Gefühl für das Fliegen bekommt, ein Menschheitstraum, wie der Körper, der ja nicht an diese Kräfte gewöhnt ist, sich anders anfühlen würde und man diese grandiose Draufsicht hat, über den Dingen, fast schon metaphysisch. Ich nehme mal an, du hast da Erfahrung mit, und wenn das so sein sollte, würde ich mir da mehr von wünschen - wie sich das genau anfühlt, was man sieht, kleinste Details, wie sich der Wind im Gesicht anfühlt, was der Auftrieb mit deinem Körper macht, was man hört, wie das klingt ... einfach mehr intime Details. Ein Astronaut sagte mal: space smells like burnt steak. Das ist so unfassbar präzise und gut, und so etwas würde ich mir auch hier wünschen. Den ganzen Teppich aus Erfahrungen in einer dir einzigartigen Sprache. Ja, sind so meine fünf Cents.

Gruss, Jimmy

 

Hallo @jimmysalaryman,

vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, den Text zu lesen und zu kommentieren.

Verortung ist immer gut. Hier wäre, glaube ich, weniger etwas mehr. Das ist auch recht ungeordnet und sehr voll. Der eiskalte Rumpf ist super. Den fühlt sie ja, sonst könnte sie darüber keine Aussage machen. Das scharfkantige Metall der offenen Kabinentür. Das wäre mein erster Satz. Die Kabinentür ist offen, da passiert gleich Action, dann ist die Tür scharfkantig, was für ein Symbol!, und ich denke, das ist ein guter Hook.
Ich mag den eiskalten Rumpf, aber ich habe den Satz dennoch gestrafft, Kälte und Kante zusammen gefasst. Ist hoffentlich besser so.

Dennoch war sie sich der endlosen Leere unter sich bewusst.
Wie kann man sich etwas bewusst sein, dass man nicht erkennt? Das ist ja symbolisch auch ein Sprung irgendwie ins Ungewisse, oder? Sie ahnt vielleicht, was da ist.
Sie weiß ja, dass das Flugzeug so hoch geflogen ist. Da muss sie es nicht sehen.

Eins noch: warum muss das ein texanischer Akzent sein? Warum kein pfälzischer? Ich habe das früher auch gemacht, weil ich irgendwie dachte, bestimmte Sujets passen nicht nach Deutschland, das dürfen keine Deutschen sein. Manchmal denke ich das noch immer, vor allem wenn es um bestimmte Genre geht, wie Western. Ein astreinen Spaghetti-Western a la "Hang 'em higher" könnte ich mir nur schwer mit Fritz Müller als Killer vorstellen. Aber ich sage nicht, dass es unmöglich ist. Das hier braucht aber keine Verortung in fremde Gefilde. Wenn etwas näher ist, wird es auch realistischer. Es verliert Distanz.
Ich habe an eine Air-Base in Frankfurt gedacht. Da gibt es Militärmaschinen und amerikanische Soldaten. Das wird mit der Uniform und dem texanischen Tonfall angedeutet. Es gab hier in der Gegen (Südhessen) viele Frauen, die sich zu amerikanischen Soldaten hingezogen fühlten und das soll in der Geschichte durch scheinen.

Aber @Rob F hat ja schon darauf hingewiesen, dass die Protagonisten ein wenig blass bleiben.


Sie wusste, was jetzt kommen würde.
Woher? Ist doch das erste Mal, dass sie springt, oder? Sie ahnt das vielleicht theoretisch, oder? Wissen kann sie es nicht im Sinne von erfahren haben, ein Gefühl dafür haben.
Er hat ihr sicher vor dem Sprung den Ablauf erklärt. Ich habe dennoch mal ein "ahnte" daraus gemacht.

Insgesamt vielen Dank,
Gerald

 

»So ein Abenteuer wird uns gut tun. Die Versöhnung vertiefen. Wir werden uns nah sein wie noch nie, …

Gelungenes Spiel, eine Beziehung zu retten und somit zu vertiefen durch Höhenkilometer und – was ich bei einem
Militärflugzeug
unterstelle,

lieber Gerald,

eine mögliche Methode, sich den Wind um die Nase wehen zu lassen und über Dinge hinwegzusehen lernen – aber in einer Militärmaschine unterstelle ich ein wenig, dass die momentane Weltlage hineinspielt in die Verschwisterung – Versöhnung wäre ja das falsche Wort ... noch

Paar Flüskes

Ihre Muskeln verkrampften im hilflosen Versuch, sich fest zu halten.
„festhalten“ ein Wort, auch in Infinitiefen

»So ein Abenteuer wird uns gut tun. Die Versöhnung vertiefen. Wir werden uns nah sein wie noch nie, Liebling«KOMMA hatte er gesagt.

Seine Stimme mit dem verführerischen texanischen Akzent war voller Wärme gewesen.
Nix falsch, aber m. E. kann aufs „gewesen“ verzichtet werden, es sei denn die "Wärme" wäre hernach weg ...

Kurz bevor der Höhenmesser zweieinhalb tausend Fuß anzeigte, spürte sie noch einmal …
„zweieinhalbtausend“

Gern gelesen vom

Friedel

 

Hallo @C. Gerald Gerdsen,
ein kleiner Happen für zwischendurch, der auch gut in Flash Fiction gepasst hätte.

Der Flugzeugrumpf war eiskalt und sie spürte das scharfkantige Metall der offenen Kabinentür. Und ihre entsetzliche Angst. Sie schnürte ihr die Kehle zu. Ihre Muskeln verkrampften im hilflosen Versuch, sich fest zu halten. Ihre Gedanken rasten. Der Fahrtwind übertönte das betäubende Dröhnen der vier Triebwerke und zerrte an ihr. Beinahe hätte er sie aus dem Flugzeug gerissen. In die Kälte und die Tiefe.
Flugzeug, Kälte, scharfes Metall, dein Einstiegssatz gefällt mir gut. Das mit den Muskeln liest sich für mich komisch, kann sein, dass nur ich das bin, aber das klingt als würden die Muskeln sich selbst festhalten und dabei verkrampfen. Und wieso "hilfloser Versuch"? Sie hält sich doch fest, also hilft es doch was. Sie fällt ja nicht, oder verstehe ich irgendwas falsch? "Ihre Gedanken rasten" ist irgendwie so eine leere Floskel.

Mühsam zwang sie sich, die Augen zu öffnen. Der Fahrtwind füllte sie sofort mit Tränen, in der Dämmerung konnte sie fast nichts erkennen. Dennoch war sie sich der endlosen Leere unter sich bewusst. Das große Militärflugzeug hatte schon vor Minuten die Wolkengrenze erreicht und ihre Flughöhe musste schon deutlich über zwölftausend Fuß betragen. Schreckliche viertausend Meter.
Tragen die nicht irgendwelche Brillen? Das hab ich mich gefragt beim Lesen, ganz wertfrei für dich zur Info. Der fette Satz verlässt für mich irgendwie die Perspektive, der klingt so auktorial. Ich hatte irgendwie nicht den Eindruck, dass sie mit 12T Fuß etwas anfangen könnte.
Die Rückblende hat mich dann kurz irritiert, weil sie mich aus diesem emotionalen Moment etwas rausgeholt hat und auch nicht wirklich etwas erklärt, sondern Fragen aufgeworfen hat. Das hab ich erst nicht gecheckt. Im nächsten Absatz dann, bin ich dann noch mal zurückgesprungen zur Rückblende, und hab dann erst irgendwie geschnallt, dass das wohl ihr Freund ist, mit dem sie springt und mir gingen so Gedanken durch den Kopf wie: Ähm, wie soll denn ein Abenteuer die Versöhnung vertiefen? Häh? Klar, ich kann mir das schon herleiten, fand den Freund dadurch aber dann echt spooky und dann sagt sie ja auch, "das Gesicht eines Psychopathen" Und da hat mir dann irgendwie gefehlt, dass ich weiß, was sie für eine Beziehung haben, was er für ein Typ ist und was sie für ein Typ ist, weil warum sollte sie mit so einem spooky Typen Falschschirmspringen gehen? Jedenfalls glaube ich, dass es dir hier gar nicht um so psychologisch-durchdachte Charaktere oder die Beziehung der beiden geht, sondern mehr um diesen Moment. Ich soll als Leserin gar nichts über die beiden wissen. Ja, darum weiß ich nicht, ob die Rückblende dir hier gute Dienste leistet. Ich glaube auch, dass du hier etwas spielen willst mit dem Leser, die Situation mit Absicht etwas bedrohlicher darstellst (Psychopath, unerbittlich schob er sie zur Tür), als sie eigentlich ist. Das finde ich auch ganz gut, aber auch da war tatsächlich die Rückblende nicht so hilfreich, weil ich nicht wusste, was herrscht denn da nun für eine Stimmung. Ist es bedrohlich oder ist sie mit ihrem Freund unterwegs, dem sie vertraut und der sie beschützt. Ja, darum hab ich das Bedrohliche beim Lesen nicht so richtig gekauft und dachte, der Autor will wohl, dass ich hier Bedrohung sehe, wo aber eigentlich keine ist. Oder es soll tatsächlich bedrohlich sein, aber auch dann kaufe ich es nicht. Ich war etwas orientierungslos.
Sie hatte immer gedacht, der freie Fall sei etwas Friedliches, Erhabenes. Die Realität war so ganz anders.
Du könntest überlegen den zweiten Satz zu killen. Sie hatte immer gedacht ... das impliziert mMn, dass es anders ist als gedacht. Den ersten Satz finde ich aber toll. Und auch dann die Beschreibung des Sprunges. Da könntest du dir für meinen Geschmack mehr Zeit lassen. Da würde ich gerne etwas mehr drin schwelgen, wissen wollen, wie sich das anfühlt. Ja, da noch etwas mehr Futter, fände ich toll. Und ja, auch das Ende finde ich schön, da konnte war ich dabei, wie es ist, von diesem Gefühl der Angst so plötzlich befreit zu sein und nur noch Glück zu spüren. Das ist so ein bisschen wie bei ner Geburt, der ganze Schmerz, die ganzen Hormone und dann ist es vorbei und all die Hormone durchfluten den Körper. So frei und leicht und schön.

Viele Grüße
Katta

 

Hallo @Friedrichard,

vielen Dank für dein Feedback. Die "Flüsskes" habe ich aufgesammelt.

Die Verbindung zur gegenwärtigen politischen Situation habe ich gar nicht gesehen. Leuchtet mir natürlich ein, aber der Text ist eigentlich schon deutlich älter. OK, shit happens. Ist vielleicht gar nicht schlecht, aktuell etwas über Versöhnung zu schreiben.

Da mehrere Leser über meinen Rückblick gestolpert sind, habe ich den Absatz mal verändert und an das Ende gestellt. Mal sehen, ob er hier funktioniert.

@Katta,

vielen Dank auch dir für dein Feedback. Die Brillen habe ich weg gelassen, um die Doppeldeutigkeit der Situation zu entkräften. Und manchmal pfeift der Wind auch durch die Brillen. :-)

Die Muskeln, die sich an sich selbst festhalten, habe ich noch 'mal verändert. Das war tatsächlich etwas ungeschickt formuliert. :Pfeif:

Wie ich eben schon geschrieben habe, versuche ich jetzt auch 'mal, die Rückblende an das Ende des Textes zu stellen und schaue, wie das wirkt. Das macht die Beziehung eventuell klarer.

Und es freut mich, dass du diese Hochstimmung so nachvollziehen kannst.

Vielen Dank und
liebe Grüße,
Gerald

 
Zuletzt bearbeitet:

Oh Mist, ich habe nicht gespeichert. Dann setze ich mich heute Nachmittag noch einmal an den Text.

[Edit:] So, ich hoffe, es hat jetzt geklappt. [/Edit]

 

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