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Andalusien kann sehr kalt sein

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28.11.2014
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Andalusien kann sehr kalt sein

Der leichte Hauch ihres Parfüms kitzelt meine Nase. Sie muss ganz in der Nähe sein, steht wahrscheinlich gleich neben mir, schaut auf mich herab, überlegt, zögert, ahnt vielleicht, dass ich mich nur schlafend stelle.
„Lea“, sagt sie leise, „es wird Zeit. Der Mann mit dem Mietwagen wartet schon.“
Seit Beginn unserer Reise verzichtet sie auf das ‚Tante’. Warum, weiß ich nicht, doch es gefällt mir.
Ich öffne die Augen und sehe in ihr junges Gesicht. Es ist etwas Forschendes darin. Ich frage mich, was sie ihr aufgetragen haben. Acht zu geben, dass ich nichts Unüberlegtes tue, dass ich genug esse, dass es nicht zu viel Wein wird? Was noch? Ich weiß es nicht – und eigentlich interessiert es mich auch nicht.
Julia stellt den Teller mit dem kaum berührten Abendessen auf das kleine Tablett, greift nach der halbvollen Weinflasche, ist unschlüssig, lässt sie stehen und nimmt nur das leere Glas.
„Du hast übrigens vergessen, mich als Fahrer einzutragen.“
Ich schließe die Augen. Noch habe ich keine Lust, über irgendetwas nachzudenken. Gestern an der Rezeption. Das Formular. Schon möglich, dass ich das vergessen habe. Aber das wird sich wohl nachholen lassen.
„Oder möchtest du dich etwa selbst ans Steuer setzen?“
Bevor mich das Ungewohnte dieser Bemerkung erreicht, ist sie schon aus dem Zimmer. Merkwürdiges Mädchen. Ich drehe mich zur Seite, schaue auf die Wand und wünsche mir, einfach so liegen zu bleiben, nichts zu spüren, nichts zu denken.


Durch die perlenden Regentröpfchen des Seitenspiegels sehe ich die graue Autoschlange. Kurve um Kurve schrauben wir uns aufwärts. Julia schaut konzentriert nach vorne und umfasst das Lenkrad, als wolle es sich ihrem Griff entziehen. Ich stelle mir die Fahrer hinter uns vor, wenn unsere Bremslichter wieder einmal viel zu früh aufleuchten.
Endlich eine Gerade. Wir sind auf dem Pass.
„Lass uns eine Pause machen, Julia. Da müsste gleich ein Aussichtspunkt kommen.“

Sie öffnet meine Tür: „Lea, komm, steig doch auch aus!“
Mit dem Radio beschäftigt, schüttle ich den Kopf: „Geh du nur. Mir ist das noch zu kalt.“
„Ach, komm schon.“
Krächzende Geräusche. Der Sucher findet hier oben nur schwer einen Sender.
„Toller Blick.“ Julia muss eine Hand über die Augen halten. „Wie im Flugzeug. Und Schnee liegt da. Schnee! In Andalusien! Jetzt im Mai!“
„Lass nur.“ Ich ziehe die Tür zu mir. „Ich kann mir das alles auch von hier aus ansehen.“
Unverhofft zerreißen harte Klavierschläge die Ruhe des Morgens. Die Stelle kommt mir bekannt vor. Irgendein Russe.
Julia gibt auf und mit einem dumpfen Ton rastet die Tür ein.

Wir sind nicht allein hier oben. Ein junger Mann sucht nach der richtigen Position, um alles gleichzeitig auf’s Bild zu bekommen: seine Begleiterin, das Wolkenmeer unterhalb der kleinen Steinmauer und die sich bis zum Horizont ausdehnende, weißbedeckte Bergkette. Nach dem dritten Versuch scheint der Frau das Hin und Her zu reichen. Sie zieht die dünne Jacke enger zusammen und strebt dem Parkplatz zu.
Die Musik ist ruhiger geworden. Eine Oboe hat ihr poetisches Spiel begonnen. Ich lehne mich zurück und schließe die Augen.

Deine Hand liegt leicht auf meiner Schulter und wir genießen die Stille des Augenblicks. Minutenlang verharren wir schweigend am Rand der kleinen Natursteinmauer. Ich beginne zu frösteln, zwinge mich, unbeweglich zu bleiben. Deine Hand wird schwerer. Und noch bevor ich es höre, weiß ich, was du sagen wirst: „Warte. Gleich. Gib mir nur noch diesen kurzen Moment.“

„Leaaa! Leaaa!“ Der Ruf durchdringt die nun einfallenden Geigen, reißt mich hoch und zwingt mich, zur Seite zu schauen.
Mein Herz beginnt zu rasen. Julia ist auf einen Felsvorsprung geklettert und steht dort mit weit ausgebreiteten Armen, Gesicht und Körper dem weiß-blauen Panorama entgegengestreckt. Ich sehe, dass sie balancieren muss, um ihr Gleichgewicht zu halten. Ich erkenne die Pose und möchte schreien, denn hinter ihr ist kein DiCaprio, der ihr etwas ins Ohr flüstert, der zart ihre Taille umfasst und sie hält, wenn ihr Schwanken stärker wird.
Meine Hand sucht den Fensteröffner.
„Julia, komm sofort da runter! … Julia! … Bitte!“
Sekundenlang steht sie wie erstarrt. Ganz langsam dreht sie sich zur Seite und schaut rüber. Ich kann diesen Blick nicht deuten.
Mit einem gewagten Satz springt sie auf den Schotterboden der Plattform, knickt ein wenig ein, richtet sich wieder auf und kommt zum Auto, begleitet von Paukentönen, die düster über den Platz hallen. Ich habe nicht mitbekommen, dass die Musik irgendwann wilder geworden ist.
Ohne mich anzuschauen, öffnet sie die Tür und setzt sich neben mich.
„Was sollte der Blödsinn?“, frage ich schärfer als beabsichtigt, denn ich muss die jetzt schrill einsetzenden Bläser übertönen. Reflexartig drücke ich den Knopf. Die schroff eintretende Stille hat etwas Theatralisches.
Ich muss ein paar Mal tief durchatmen, bevor ich mich zur Seite drehen kann.
Julia weint, ganz leise. Eine Träne hat sich gelöst und rinnt, eine dunkle Spur hinter sich herziehend, langsam zum Kinn, bleibt kurz hängen und fällt dann auf ihr Bein.
Als ich ihr ein Taschentuch reichen möchte, beginnt sie zu schluchzen.
Wortlos schauen wir auf das im Sonnenschein glitzernde Schneegebirge.

Allmählich beruhigen wir uns. Julia versucht, die Flecken unter ihren Augen mit dem Handrücken wegzureiben, aber sie verschmiert sie nur. Zurück bleiben zwei ausgefranste, dreckige Halbmonde. Sie ist sehr blass. War sie das schon bei unserer Abfahrt?
Ich lege ihr das Taschentuch aufs Bein. Diesmal greift sie danach.
„Komm, Julia. Lass gut sein. Fahren wir weiter.“

Granada. Alles ist anders, ernüchternd: die staubige Öde des Parkareals, die Unzahl der Hinweisschilder, die schreienden Parkplatzwächter, die langen Busreihen.
Das ist nicht das Granada meiner Erinnerung. Ich spüre, wie ich tiefer in meinen Sitz sinke und am liebsten für mich bleiben möchte. Was soll ich hier?
Sie haben mich überredet – ich habe mich überreden lassen. Es war wohl diese leise Stimme, die mir eine Möglichkeit vorgaukelte, hinauszufinden aus diesem Loch, in das ich spätestens am Ende des Tages zurückfalle.
Und natürlich war es meine Schwester, die wie so oft zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen wollte: „Du bist nicht so allein und kommst auf andere Gedanken.“ „Ihr könnt euch schon mal ein bisschen beschnuppern. Wenn Julia dann im nächsten Semester in deine Mansarde zieht, seid ihr euch nicht mehr so fremd.“
Julia macht ihre Sache gut. Sie spricht spanisch, kümmert sich um alles, organisiert, passt auf, dass alles läuft, wie wir es geplant haben, und quält sich für mich sogar durch endlose Serpentinen.
Nur zu sagen haben wir uns nicht viel. Aber wem hätte ich im Moment überhaupt etwas zu sagen, jetzt, da du dich für immer aus dem Staub gemacht, mich allein zurückgelassen hast. Dir würde ich gerne meinen Frust über all das hier anvertrauen, sagen, wie es um den Zauber Granadas bestellt ist.

Andalusien. Unser Andalusien. Das ist dreißig Jahre her. Was mir geblieben ist, sind Bilder, Ausrisse. Eine enge, quirlige Gasse in Sevilla, rotkarierte Decken auf wackligen Tischen, die samtene Kühle des Abends am Fluss, weiß gekalkte Bergdörfer mit endlosen Ausblicken. Und mittendrin wir – nur wir.

„Die Führung beginnt um zwei.“ Julia wedelt mit den Karten. „Wir können aber schon reingehen und uns das eine oder andere ansehen. Hast du eine Idee, womit du anfangen möchtest?“
Ich habe keine Idee, würde mir am liebsten einen schattigen Platz suchen, an dem es ruhig ist, an dem es keine Menschen gibt.
„Weißt du was, Julia. Wir treffen uns gegen zwei am Eingang. Schau dir nur an, was dir gefällt. Ich mach es mir irgendwo bequem.“

‚Bequem’ geht leider nicht. Es gibt hier keine Bänke und wie damals setze ich mich auf eine dieser niedrigen Steinstufen im Halbschatten. Erst als ich sitze, wird mir klar, dass das Aufstehen schwierig sein wird.
Ruhig ist es hier. Nur das stetige Plätschern der kleinen, sich kreuzenden Fontänen. Ein paar Japaner schleichen vorbei, verbeugen sich dafür, dass ich meine ausgestreckten Beine zu mir ziehe. Dann sind auch sie im Palast verschwunden. Der Innenhof ist zu einem sakralen Ort geworden.

Aus dem kühlen Halbschatten der Kolonnaden schauen wir in den Patio, spüren seine Zeitlosigkeit. Du möchtest die Andacht des Ortes nicht stören, murmelst leise etwas von all denen, die hier gelebt haben: Römer, Juden, Araber, engstirnige katholische Könige. Ich höre Namen, die mir nichts bedeuten, die ich gleich wieder vergesse.
„Was glaubst du, was von uns bleibt, wenn wir nicht mehr sind?“, unterbreche ich dich flüsternd.
Du legst den Reiseführer zur Seite. Überlegst. „Wahrscheinlich nicht viel ... Mit Sicherheit keine Paläste.“
Ich strecke meine Beine, lehne mich an eine Säule.
„Meinst du, dass da gar nichts bleibt?“
„Keine Ahnung.“ Eine Strähne meines Haares hat es dir angetan und du wickelst sie um einen Finger.
Ich nehme deine Hand, möchte, dass du mir zuhörst.
„Aber irgendwas muss doch bleiben. Es kann doch nicht sein, dass wir einfach weg sind, so als hätte es uns nie gegeben.“
„Kinder. Man sagt, in unseren Kindern leben wir weiter.“
„Und wenn wir keine Kinder haben? Was dann? Ende – aus – gar nichts?“
Du lässt dir Zeit, greifst wieder nach meinem Haar.
„Erinnerungen.“
„Erinnerungen?“
„Ja, das wird es sein. Erinnerungen der anderen an uns. Vielleicht wird da jemand sein, der uns für irgendetwas dankbar ist, der lächelt, wenn er an uns denkt?“
Du streichst mir das Haar aus der Stirn, schaust mir in die Augen und grinst: „Oder für immer sauer auf uns ist.“
Dir ist nach Zärtlichkeit, nicht nach philosophischem Geplänkel.

Julia ist schon vor mir zurückgekommen. Nach vorne gebeugt sitzt sie auf einer Bank und betrachtet etwas in ihrer Hand. Erst, als ich neben ihr stehe, zuckt sie zusammen und rückt zur Seite – etwas weiter als nötig.
„Na, bist du beeindruckt?“
Sie nickt. „Sehr. Alles ist wirklich sehr schön.“
Wie so oft bricht unser Gespräch einfach ab. Wir sitzen schweigend und schauen auf die Türme der Burganlage.
Die Sache am Pass fällt mir ein. Und ihr Gesichtsausdruck.
„Julia, ist alles in Ordnung mit dir?“
„Ja. Alles okay.“
„Wirklich?“
„Ja. Ja. Alles in Ordnung.“
Sie verschränkt die Arme. Ich verstehe. Aber ich möchte nicht aufgeben.
„Oder ist es etwas mit mir? Du kannst es ruhig sagen.“
„Nein, nichts mit dir.“
Sie dreht sich zu mir. Ihre Augen sind grün mit ein bisschen Braun in der Mitte. Hat sie eigentlich einen Freund?
„Weißt du, Lea. Diese Reise … Das ist deine Reise.“
„Ja, und es ist schön, dass ich dich dabei habe.“ Ich tätschle ihre Hand, doch sie beachtet meine Geste gar nicht.
„Das mit dir ist wirklich nicht ganz leicht.“
Sie schaut zur Burg.
„Du bist da und gleichzeitig nicht da. Du lächelst und bist nett, aber alles eigentlich nur, damit man dich ganz schnell wieder in Ruhe lässt.“
Ihr Blick wird unsicher und sucht Halt an ihren Händen.
„Irgendwie suhlst du dich in deiner Trauer.“
„Ich suhle mich in meiner Trauer? Empfindest du das so?“
„Ja. Und du passt gut auf, dass niemand dich dabei stört.“
Sie hebt den Kopf. „Nur heute morgen, … da oben in der Sierra, als du so wütend geworden bist … Weißt du, da hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass du mich überhaupt wahrnimmst.“
Sie holt tief Luft.
„Und außerdem: Es gibt nicht nur dich auf der Welt.“
Es fällt mir schwer, bei dieser Phrase nicht zu lächeln. Doch sie achtet gar nicht auf mich.
„Andere Menschen kommen auch nicht immer weiter, … und wissen nicht, was sie tun sollen. … Auch sie möchten am liebsten einfach liegen bleiben.“
Bevor ich etwas erwidern kann, werden wir abgelenkt.
„Lea, sieh mal, ich glaube, die warten auf uns.“
Wir haben nicht bemerkt, dass sich inzwischen ein paar Leute eingefunden haben, die wie wir an der Führung teilnehmen wollen.
Julia springt auf und läuft winkend zu ihnen.

Ein Bild liegt auf der Bank. Ich nehme es an mich.


Wieder werden die verzweifelten Fahrer in den Autos hinter uns riskante Überholmanöver in Erwägung ziehen.

„Lea, sollen wir oben noch mal eine kleine Pause machen?“
„Ja, warum nicht. Aber …“
Sie errät meine Gedanken: „Keine Sorge. Diesmal ohne Akrobatik.“

Der Aussichtsplatz ist leer. Wir parken so, dass wir vom Auto aus einen Blick nach Osten über die zur Ebene abfallenden Bergketten haben. Sogar das Meer ist zu sehen. Die Abhänge vor uns sind karg und graugrün, das Weiß der Berge im Norden hebt sich scharf ab vom dunklen Blau des Himmels.
Kaum spürbar, aber stetig verändert sich die Szenerie. Die von der untergehenden Sonne angestrahlten Wolken zerrinnen zu pastellfarbenen Streifen und allmählich nehmen die Bergketten den Ton alten Kupfers an. Gleichzeitig vermehren sich die Grautöne über uns, bis zum Schluss die Ebene völlig im Dunkeln liegt und die Lichter der Dörfer aussehen wie weiße Stecknadelköpfe auf dunklen Kissen.

„Lea, schau mal in den Rückspiegel.“
Der Himmel hinter uns ist feuerrot.
„Das ist fantastisch! Komm, lass uns aussteigen!“
Diesmal lasse ich mich nicht bitten. Wir setzen uns auf die kleine Mauer und schauen nach Westen. Während es hinter uns Nacht ist, steht der Himmel über den Bergen vor uns in Flammen. Ich verliere mich in diesen Anblick, kann nicht aufhören, zu schauen, und wünsche mir, dieses Erlebnis endlos zu verlängern. Nach und nach lösen Blau- und Lilatöne das Orange-Rot ab. Dann erst siegt auch dort die Dunkelheit.
Julia neben mir beginnt zu frösteln. Ich lege meinen Arm um ihre Schulter und wundere mich, dass mir nicht kalt ist.
„Was meinst du? Sollen wir weiter?“ Sie sagt es ganz leise. „Oder sollen wir noch ein bisschen bleiben?“
„Nein, ich glaube, jetzt können wir fahren.“

Im Auto fällt es mir ein.
„Julia, …“
„Ja, Lea?“
„Noch etwas.“ Ich knipse das Licht an und fasse in meine Tasche.
„Hier, ich glaube, das hast du auf der Bank vergessen.“
Julia schaut auf das Bild.
„Du hast das?“
Ich reiche es ihr und stumm betrachten wir das winzige Wesen.

All die Fragen, die mir durch den Kopf gehen, seitdem ich das Bild von der Bank genommen habe, drängen nach vorne. Ich wäge ab und verwerfe, fürchte, das Zerbrechliche unserer neuen Vertrautheit durch plumpe Neugierde zu gefährden.

Julia fährt mit dem Zeigefinger über die noch undeutliche Kontur, umrundet sie immer wieder.
Es braucht Zeit, bis ich mich traue, unsere Stille zu durchbrechen.
„Julia, mir ist wichtig, dass du etwas weißt: ...“
Die Feierlichkeit meiner Stimme stört mich und ich beginne noch einmal. Doch es wird nicht besser:
„Weißt du, wie immer du dich entscheiden wirst: …“
Ich stocke wieder. Was rede ich da für einen Blödsinn? Hat sie sich nicht längst entschieden?
„Julia, vor der Zukunft solltest du keine Angst haben.“
„Ja?“
„Dass du bei mir wohnen kannst, das weißt du. Das Haus ist groß genug.“
„Ja.“
Hört sie mir eigentlich zu? Aber ich muss ihr das jetzt sagen, später fehlt mir vielleicht der Mut dazu.
„Da ist noch etwas, was ich dir geben kann.“
„Ja?“
„Sieh mal. Ich habe jetzt viel Zeit, sehr viel Zeit. … Mehr als ich für mich brauche.“
Immer noch liegt ihr Blick auf dem kleinen Bild und ich frage mich, ob sie das, was ich sage, überhaupt erreicht.
Julia hebt den Kopf und lächelt. Und diesmal ist sie es, die ihren Arm um mich legt. Ich spüre, wie sich eine Träne löst und nehme das Taschentuch, das sie mir reicht.

 
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Hallo barnhelm,

*jetzt, da du dich für immer aus dem Staub gemacht hast.*
Bis zu dieser Stelle tappte ich etwas im Dunkeln, warum sie sich so zurück zieht. Das könnte für mich etwas früher kommen. Der Schluss kommt dann recht zackig daher. Du beschreibst in der gesamten Geschichte so wunderbar ihre Gefühle, Zweifel und Gedanken. Ich fände es toll, wenn du das im Schlussteil noch etwas ausbauen würdest. Wie stellt sie sich die Zukunft mit einem Baby im Haus vor? Bleibt dadurch etwas von ihr übrig, wenn sie stirbt?

Die Auslassungszeichen finde ich auch an einigen Stellen zu viel. Auch das **** könntest du ruhig ausformulieren.
Aber das ist Fehlersuche in einer mMn toll geschriebenen Geschichte.

Sehr gern gelesen.
Viele Grüße
wegen

PS: Der Leo heißt DiCaprio. :shy:

 
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Liebe Bea Milana,

das war schön, deinen Kommentar (wie auch wegens) noch vor dem Einschlafen zu lesen. Ich hatte ganz vergessen, wie stressig diese Zeit nach dem Einstellen eines Textes ist und dass ich mir das eigentlich nicht mehr antun wollte. Aber so konnte ich doch mit einem guten Gefühl zur Ruhe kommen. Dir hat er gefallen – und dass ist doch schon mal eine sehr wichtige Stimme. Danke also für deine Rückmeldung.
Mit den drei Punkten überlege ich noch. Ist ja wirklich viel. Mal sehen, was sich da machen lässt.
‚okay’ ist ausgebessert.

Liebe Bea, dir und deinen Lieben eine schöne Weihnachtszeit.

Liebe Grüße
barnhelm


Liebe wegen,

auch dir lieben Dank für deine prompte Rückmeldung. Natürlich freue ich mich darüber, dass auch dir die Geschichte gefallen hat.

Bis zu dieser Stelle tappte ich etwas im Dunkeln, warum sie sich so zurück zieht. Das könnte für mich etwas früher kommen.
Eigentlich wollte ich die Geschichte sich erst ein wenig entwickeln lassen, ehe ich die konkrete Information gebe. Ich warte deshalb noch mal ab, was andere sagen.

Ich fände es toll, wenn du das im Schlussteil noch etwas ausbauen würdest. Wie stellt sie sich die Zukunft mit einem Baby im Haus vor?
Oh, das wäre dann aber eine ganz andere Geschichte. Wahrscheinlich hat sie gar keine konkrete Vorstellung davon. Ich glaube, sie sucht nach so etwas wie Sinn in ihrem (neuen) Leben – und das könnte das Sich-Kümmern sicherlich bringen. Eventuell aber auch neue, nicht geahnte Problemchen.

Bleibt dadurch etwas von ihr übrig, wenn sie stirbt?
Ich denke schon. Zumindest ist das auch meine Hoffnung.

DiCaprio ist geändert. Die Sternchen sind weg.

Liebe wegen, auch dir wünsche ich ein schönes Weihnachtsfest und geruhsame Tage.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Liebe barnhelm,
ich will es gleich sagen, mir gefällt der Text sehr sehr gut. Er ist sehr zart von den Beschreibungen her, aber auch von der Handlungsentwicklung - ein fein gewirktes, gleichzeitig sehr spannendes Gespinst.

Mir geht es wie Bea, die Landschaftsbeschreibungen, der Bezug auf Andalusien, die Stimmung zwischen den beiden Frauen, das ist alles sehr berührend geschildert, sehr malerisch im wortwörtlichen Sinne. In meinen Augen genau richtig dosiert zwischen Andeutungen, Vermutungen und wirklichen Informationen, welcher Art die jeweiligen Probleme der beiden Frauen sind.

Eine Anmerkung am Rande, die nichts Direktes mit deinem Text zu tun hat. Durch eine kleine Diskussion über eine Literaturzeitschrift (hier im Forum) bin ich drauf gestoßen. Ich hatte mich gefragt, ob man als Leser überhaupt erkennen kann, ob der Text von einer Autorin oder einem Autoren geschrieben worden ist. Es gibt ja einerseits die berühmte Diskussion (nicht hier im Forum) über die Benachteiligung von Frauen im Literaturbetrieb, weshalb sich einige Frauen männliche Pseudonyme zulegen. An der Problematik ist sicher was dran. Aber ich habe mich eben gestern so ganz naiv gefragt, ob es wohl die berühmte weibliche Stimme überhaupt gibt und ob ich wie gesagt, "männliche" und "weibliche" Texte überhaupt erkennen könnte. Ich rede jetzt gar nicht vom Thema, sondern von der Art des Herangehens an das Thema und vom Stil. Ich habe echt keine Ahnung, und ich will auch keinesfalls jetzt hier eine geschichtenfremde Diskussion anzetteln, ich fand das nur so lustig, dass ich heute morgen dann hier rumlese und denke, ach guck mal, genau, wenn es sowas wie eine weibliche Stimme gibt, dann ist dieser Text ein Beispiel dafür.
Sorry für diesen leichten offtopic-Ausflug, ich wollte ihn aber auch nicht vorenthalten, wir lesen ja immer vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen, Ängste oder eben auch Überlegungen, die fließen ein in die Rezeption und entfalten ihre eigene Wirkung im Dialog mit dem Text.

Sehr schön, wie du mit subtilen Andeutungen arbeitest, wie du unterschiedliche Möglichkeiten einstreust, zum Beispiel, warum die Nichte sie begleitet, später dann, wie deren Sorge beschaffen sein könnte. Da erfährt man erst durch ihre Pose, dass auch sie ein Problem hat. Du fällst aber gottseidank danach nicht mit der Tür ins Haus, sondern entwickelst den Konflikt der Nichte langsam und ebenso leise und zart, wie du das bei der älteren Frau gemacht hast. Der genaue Konflikt, warum das Baby jetzt nicht passt, wie stark ihr Kinderwunsch überhaupt ist, das steht alles nur zwischen den Zeilen. Man erfährt nichts Genaues, man spürt nur die Verlorenheit der jungen Frau, demgegenüber ihr Verantwortungsbewusstsein, ihre Vernunft, man spürt das durch gänzlich andere Verhaltensweisen, z. B. die umsichtige Abwicklung der Reisemodalitäten, das langsame Fahren, wie gesagt, es bezieht sich auf anderes, aber man spürt es eben, das ist eine verantwortungsbewusste Frau, sehr sensibel, deren Gefühle aber auch sehr angespannt sind, sonst würden sie sich nicht in der Lebensgefahr spüren wollenden und gleichzeitig lebensfrohen Aktion entladen wollen.
Auch wie umsichtig, aber dennoch spannungsvoll du die Auflösung "zubereitest", das ist sehr schön entwickelt. Du musstest gar nicht sagen, was das für ein Bildchen ist, das erklärt sich wie von selbst.

Ebenso bei der Tante, man erfährt anfangs gar nicht, warum ihr die Nichte als Begleitung zugesellt wurde, man spürt aber, da ist was, und es stört die Ältere auch irgendwie, dass sie nicht allein sein kann. Langsam - und im Dialog ihrer Beziehung zu Andalusien und Granada entwickelt sich dann der Grund ihrer Trauer und die Bedeutung, die der Verlust des liebsten Gefährten für sie hat. Das finde ich sehr einfühlsam geschrieben. Aber ich will das betonen, gleichzeitig wirklich spannend, nicht im Sinne eines Thrillers natürlich, klar, aber eben so, dass man nicht mehr aufhören will mit dem Lesen, man will unbedingt wissen, was da los ist.

Das Ende, es ist tröstlich. Verlust und Neubeginn stehen manchmal so nahe beieinander. Eine alte und vielleicht sehr klischeehafte Erkenntnis, aber du hast es geschafft, ihr ein liebevolles, menschliches und nuancenreiches Gewand anzuziehen.

Schöner Text, barnhelm. Hat mir sehr gefallen.

 
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Hej barnhelm

es ist ja wunderbar, dich in deiner eigenen Geschichte zu finden. Eine über zwei unterschiedliche Frauen in unterschiedlichen Lebensphasen. Da freut sich mein Herz. Und ich nehme sie mir vor wie ein feine Süßigkeit zu feinem Kaffee an einem angenehmen Platz mit weiter Sicht.

Seit Beginn unserer Reise verzichtet sie auf das ‚Tante’. Warum weiß ich nicht, doch es gefällt mir.

Der Artikel vor Tante ist für mein Empfinden verzichtbar, weil es wenig zur Situation passt, die schlaftrunken ist. Zum anderen würde sie auch nicht die Tante Lea sagen. Vielleicht mag ich auch bloß den Klang nicht.

Ich genieße deinen eleganten Stil und diese Innenschau deiner Protagonistin, wie sie schweigend, beinahe stur schweigt, nur beobachtet.

Bevor mich das Ungewohnte dieser Bemerkung erreicht, ist sie schon aus dem Zimmer. Merkwürdiges Mädchen. Ich drehe mich zur Seite, schaue auf die Wand und wünsche mir, einfach so liegen zu bleiben, nichts zu spüren, nichts zu denken.

Dieser Stil inspiriert mich, so bin ich empfindlich und merke, wie mich die Wertung irritiert. Die Tante ist ganz bei sich, schafft Distanz, leidet offenbar. Und deswegen würde ich diesen Abschnitt lieber ohne merkürdiges Mädchen lesen. Dafür könnte ihr im "echten Leben" in dieser Situation die Reflexion fehlen. Die Indizien, wie der Schlaf, der Wein, nicht aufstehen wollen, Vergesslichkeit bereiten mich darauf vor, dass die Tante gut möglich depressiv verstimmt ist.

Auch der Absatz auf der Aussichtsplattform, die Musikuntermalung, die Energie der Nichte, die Introvertiertheit der Tante ist erfrischend sparsam und ich fühle mich sehr wohl in deinem trüben Wetter, im Mai in Andalusien.

Julia gibt auf und mit einem dumpfen Ploppen rastet die Tür ein.

Achja, ich sehe dich sitzen und überlegen, mit welchem Wort die Autotür zuschlägt. Und nunja ploppen ist eine Möglichkeit, aber da ich zunehmend penibel und sensibel auf diesen schönen sprachlichen Text reagiere, mag er für mich nicht passen. DU könntest sie leicht geöffnet lassen, Lea die frische Luft geniessen lassen. :shy:

Die Musik ist ruhiger geworden. Eine Oboe hat ihr poetisches Spiel begonnen. Ich lehne mich zurück und schließe die Augen.

Ich habe mir Lea bereits die ganze Zeit zurückgelehnt die Szenerie um sie herum beobachtend vorgestellt.

Deine Hand liegt leicht auf meiner Schulter und wir genießen die Stille des Augenblicks. Minutenlang verharren wir schweigend am Rand der kleinen Natursteinmauer. Ich beginne zu frösteln, zwinge mich, unbeweglich zu bleiben. Deine Hand wird schwerer. Und noch bevor ich es höre, weiß ich, was du sagen wirst: „Warte. Gleich. Gib mir nur noch diesen kurzen Moment.“

Ein spannender Einschub und ein Wimpernschlag, um in Leas Seele zu blicken und dennoch nichts zu wissen.

Ich erkenne die Pose und möchte schreien, denn hinter ihr ist kein DiCaprio, der ihr etwas ins Ohr flüstert, der zart ihre Taille umfasst und sie hält, wenn ihr Schwanken stärker wird.

Ich auch und deswegen benötige ich den Namen und das Bild gar nicht. Aber schön, dass Lea nicht gänzlich verschlossen ist und die Not erkennt.

Mit einem gewagten Satz springt sie auf den Schotterboden der Plattform, knickt ein wenig ein, richtet sich wieder auf und kommt zum Auto, begleitet von Paukenschlägen, die düster über den Platz hallen. Ich habe nicht mitbekommen, dass die Musik irgendwann wilder geworden ist.

Wunderschön, wie du weiterhin die Musik mit einbeziehst. Es gibt kein schöneres Paar als Literatur und Musik. Sie tragen sich gegenseitig und dient hier sehr gut als Katalysator.
Barnhelm, ich lese sehr langsam weiter, weil ich nichts von den beiden Frauen verpassen will und esfällt mir leicht, weil du klar und präzise bleibst.

Reflexartig drücke ich den Knopf. Die schroff eintretende Stille hat etwas Theatralisches.
Ich muss ein paar Mal tief durchatmen, bevor ich mich zur Seite drehen kann.

Du schreibst und ich sehe und empfinde, als sähe ich einen guten Film. Julia bringt Energie in den Wagen, die Musik gesteigert, sammelt sich selbst, Lea überflutet davon ... Musik aus. Es bleibt Energie, frische Luft und das Atmen der Frauen. Stille. Wunderschöner Moment.

Julia weint, ganz leise. Eine Träne hat sich gelöst und rinnt, eine dunkle Spur hinter sich herziehend, langsam zum Kinn, bleibt kurz hängen und fällt dann auf ihr Bein.
Als ich ihr ein Taschentuch reichen möchte, beginnt sie zu schluchzen.
Wortlos schauen wir auf das im Sonnenschein glitzernde Schneegebirge.
Was ist nur los mit diesem Mädchen? Warum weint sie? Was sollte diese riskante Aktion?
Allmählich beruhigen wir uns. Julia versucht, die Flecken unter ihren Augen mit dem Handrücken wegzureiben, aber sie verschmiert sie nur. Zurück bleiben zwei ausgefranste, dreckige Halbmonde. Erst jetzt fällt mir auf, dass sie sehr blass ist. War sie das schon bei unserer Abfahrt?
Ich lege ihr das Taschentuch aufs Bein. Diesmal nimmt sie es.
„Komm, Julia. Lass gut sein. Lass uns weiter.“
Wie fremd wir uns doch sind.

Auch eine zarte Idee, beide Frauen gleichzeitig und sich gegenseitig öffnen öffnen zu lassen. sich wechselwirkend zu beeinflussen. Es ist gut, dass du nicht viel Zeit verlierst. Keine großen Gesten und Metaphern verwendest. Finde ich.:shy:

Aber wem hätte ich im Moment überhaupt etwas zu sagen, jetzt, da du dich für immer aus dem Staub gemacht hast. Dir würde ich gerne meinen Frust über das alles hier anvertrauen, sagen, wie es um den Zauber Granadas bestellt ist.

Natürlich ist es ein Verlust. Diese Schockstarre wird vermutlich durch wenig anderes ausgelöst. Und jetzt spüre ich auch sprachlich, dass sich etwas in Lea löst. Es wird umgangssprachlicher. Wut ist spürbar. Sehr wunderbar.

Andalusien. Unser Andalusien. Das ist dreißig Jahre her. Was mir geblieben ist, sind Bilder, Ausrisse. Eine enge, quirlige Gasse in Sevilla, rotkarierte Decken auf wackligen Tischen, die samtene Kühle des Abends am Fluss, weiß gekalkte Bergdörfer mit endlosen Ausblicken. Und mittendrin wir – nur wir.

Das ist ja schon etwas hardcore, sie hätten auch gut woanders, einen weniger erinnerungsbehafteten Ort auswählen können. So eine Konfrontationsbegegnung ist ja der Vorschlaghammer. herrjee.

„Die Führung beginnt um zwei.“ Julia wedelt mit den Karten. „Wir können aber schon reingehen und uns das eine oder andere ansehen. Hast du eine Idee, womit du anfangen möchtest?“
Ich habe keine Idee, würde mir am liebsten einen schattigen Platz suchen, an dem es ruhig ist, an dem es keine Menschen gibt.
„Weißt du was, Julia. Wir treffen uns gegen zwei am Eingang. Schau dir nur an, was dir gefällt. Ich mach es mir irgendwo bequem.“

Ich bin schon noch mit meinen Gedanken bei Julia im Wagen. Bei ihren Tränen, jetzt wo sie erneut aktiv ist.

Bequem’ geht leider nicht. Es gibt hier keine Bänke und wie damals setze ich mich auf eine dieser niedrigen Steinstufen im Halbschatten. Erst als ich sitze, wird mir klar, dass das Aufstehen schwierig sein wird.

Entweder erfahre ich an dieser Stelle etwas über ein körperliches Leiden oder über ihr Alter. Ich entscheide mich für eine ältere Frau. ;)

Ein paar Japaner schleichen vorbei, verbeugen sich dafür, dass ich meine ausgestreckten Beine zu mir ziehe. Dann sind auch sie im Palast verschwunden. Der Innenhof ist zu einem sakralen Ort geworden.

Natürlich Japaner. Die begegnen einem tatsächlich überall, obwohl ich vermehrt Chinesen wahrnehme. Die reisenden sind wohlhabender und vor allem haben sie mehr Zeit. But so.

Dir ist nach Zärtlichkeit, nicht nach philosophischem Geplänkel.

Weißt du, an dieser Stelle wäre es mir lieber, du würdest Lea bei ihren schmerzlichen Gedanken lassen. Das leicht zynische passt besser zu ihm. Und so mag ich Geplänkel nicht so gerne.

Die Sache am Pass fällt mir ein. Und ihr Gesichtsausdruck.
„Julia, ist alles in Ordnung mit dir?“
„Ja. Alles okay.“
„Wirklich?“
„Ja. Ja. Alles in Ordnung.“
Sie verschränkt die Arme. Ich verstehe. Aber ich möchte nicht aufgeben.
„Oder ist es etwas mit mir? Du kannst es mir ruhig sagen.“
„Nein, nichts mit dir.“

Ich bin streng, weil ich jedes Wort schätze, das du schreibst. Lea ist eine sensible Frau und den einleitenden Fragesatz wünschte ich mir weniger banal. Vielleicht gar nicht als Frage. Irgendwie subtiler und versonnener. Lea ist nicht hellwach, öffnet sich erst langsam. Das gefällt mir diese Direktheit weniger für sie. - Ich finde, das solltest du zumindest wissen. :shy:

„Ich suhle mich in meiner Trauer? Empfindest du das so?“
„Ja.“ Sie hebt den Kopf. „… Nur heute morgen, … Da oben in der Sierra, als du so wütend geworden bist … Weißt du, da hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass du mich überhaupt wahrnimmst.“
Sie holt tief Luft.
„Und außerdem: Es gibt nicht nur dich auf der Welt.“
Es fällt mir schwer, bei dieser Phrase nicht zu lächeln. Doch sie achtet gar nicht auf mich.
„Andere Menschen kommen auch nicht immer weiter, … und wissen nicht, was sie tun sollen. … Auch sie möchten am liebsten einfach liegen bleiben …“
Bevor ich etwas erwidern kann, werden wir abgelenkt.

Es wurde höchste Zeit, dass du mir mehr von Julia zeigst. Allerdings hätte ich das auch sagen können, dabei hätte ich mir etwas weniger Naives vorgestellt. Wie du bemerkst, werde ich langsam dreist. ;)

Wieder werden die verzweifelten Fahrer in den Autos hinter uns riskante Überholmanöver in Erwägung ziehen.

So, nun hast du das zum zweiten Mal erwähnt und ich vermute einen Autounfall mit Todesfolge. Das lässt mich nicht unberührt und so lese ich den Verlauf mit Unbehagen weiter.

Gleichzeitig vermehren sich die Grautöne über uns, bis zum Schluss die Ebene völlig im Dunkeln liegt und die Lichter der Dörfer aussehen wie weiße Stecknadelköpfe auf dunklen Kissen.

EIn unprätentiöses Bild und deshalb so wundervoll. Ruhig (und lange ;)) beobachtet und verbildlicht.

Ich verliere mich in diesen Anblick, kann nicht aufhören, zu schauen und wünsche mir, dieses Erlebnis endlos zu verlängern. Nach und nach lösen Blau- und Lilatöne das Orange-Rot ab. Dann erst siegt auch dort die Dunkelheit.

wie gut ich das kenne. Den Wunsch, Situationen endlos zu verlängern und am Ende ... Dunkelheit. Gewöhnen werde ich mich daran nie, auch wenn es Menschen wie Lea gibt, die ähnlich empfinden und somit ich nicht allein damit bin.

Julia neben mir beginnt zu frösteln. Ich lege meinen Arm um ihre Schulter und wundere mich, dass mir nicht kalt ist.
„Was meinst du? Sollen wir weiter?“ Sie sagt es ganz leise. „Oder sollen wir noch ein bisschen bleiben?“
„Nein, ich glaube, jetzt können wir fahren.“

Eine zarte Annäherung, dennoch spüre ich weiterhin Leas Distanziertheit, oder? Es ist mehr so der Wille dazu. Immerhin kommunizieren sie und Lea nimmt sich körperlich wahr. Immerhin.

All die Fragen, die mir durch den Kopf gehen, seitdem ich das Bild von der Bank genommen habe, drängen nach vorne. Ich wäge ab und verwerfe, fürchte, das Fragile unserer neuen Vertrautheit durch plumpe Neugierde zu gefährden.

Ich war ungeduldiger und warte schon die ganze Zeit, wann du mir endlich verrätst, was dort auf der Bank logengeblieben ist. ;) Wie hübsch. Die unbelegte Theorie: einer geht, einer kommt. Und das innerhalb einer Familie. Gruselig.

„Julia, mir ist wichtig, dass du etwas weißt: ...“
Die Feierlichkeit meiner Stimme stört mich und ich beginne noch einmal. Doch es wird nicht besser:
„Weißt du, wie immer du dich entscheiden wirst: …“
Ich stocke wieder. Was rede ich da für einen Blödsinn? Hat sie sich nicht längst entschieden?
„Julia, vor der Zukunft solltest du keine Angst haben.“
„Ja?“
„Dass du bei mir wohnen kannst, das weißt du. Das Haus ist groß genug.“
„Ja.“
Hört sie mir eigentlich zu? Aber ich muss ihr das jetzt sagen, später fehlt mir vielleicht der Mut dazu.
„Da ist noch etwas, was ich dir geben kann.“
„Ja?“
„Sieh mal. Ich habe jetzt viel Zeit, sehr viel Zeit. … Mehr als ich für mich brauche.“
Immer noch liegt Julias Blick auf dem kleinen Bild und ich frage mich, ob sie das, was ich sage, überhaupt erreicht.
Dann hebt sie den Kopf und lächelt. Und diesmal ist sie es, die ihren Arm um mich legen möchte. Eine komplizierte Angelegenheit, wenn man in einem Auto nebeneinander sitzt.

Schön, dass du konsequent bleibst und noch schöner, dass du Lea selbst darüber stolpern lässt, wie ungeschickt sie auf Julia reagiert und dann endet diese etwas peinliche Szene mit leisem Humor. Feinfein.

Gut, dass diese Autoüberholmanöverbemerkungen folgenlos blieben, aber auch inhaltlich merkwürdig. Was hast du dir dabei gedacht?

Liebe barnhelm, ich bin diesen beiden Frauen sehr gerne durch Andalusien gefolgt und wenn es mich jetzt etwas stört, das zu wenig passiert ist, dann liegt das vermutlich daran, dass ich entsetzlich gerne noch viel länger bei ihnen geblieben wäre. Jahrelang.
Deine bedächtige, wohltemperierte harmonische Sprache wirkt beruhigend auf mich und wenn es nach mir ginge, hätten die Dialoge weniger herkömmlich sein dürfen. Auch wenn das jetzt vermessen klingt.

Ich freue mich, (endlich mal) wieder eine Geschichte von dir vorgefunden zu haben und dann auch noch passend zur challenge, denn Gegenwind in deren beider Leben is nicht zu übersehen. Ach, weht es da oben an der Natursteinauer eigentlich auch sehr?

Freundlicher, ach was, lieber Gruß, Kanji

 
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Liebe barnhelm,

- und eigentlich interessiert es mich auch nicht.

Damit hast du knapp zusammengefasst, wie es in deiner Prota aussieht.
Sie ist so versunken in ihrer Trauer um den Lebensgefährten (Ehemann?),dass sie zunächst keinen Raum lässt für andere Menschen.
Eine Tante und ihre knapp erwachsene Nichte sind zusammen auf einer Reise in Andalusien, verordnet von Leas Schwester, die sich große Sorgen macht. (Tante) Lea und (Nichte) Julia fühlen sich eher bedrängt als beschenkt, spüren keine Nähe.
Für Julia ist es eine Reise in die Vergangenheit, in die frühe Zeit mit dem Lebensgefährten, vielleicht auf der Hochzeitsreise. Angesichts der monumentalen historischen Zeugnisse ist es auch eine Zeit für existentielle Fragen.

"was glaubst du, was von uns bleibt, wenn wir nicht mehr sind?"

"Meinst du, dass da gar nichts mehr bleibt?"

"und wenn wir keine Kinder haben? Was dann? Ende - aus - gar nichts?"

"Erinnerungen?"

Es scheint Leas Lebensthema zu sein. Und nun beschert ihr das Schicksal eine Antwort:

Julia, die Nichte, wird ihr vielleicht in das leere Haus jenes Leben bringen, das die bange Frage "Ende - aus - gar nichts?" beantwortet.

Ein feines Kammerspiel in grandios beschriebener Kulisse mit zwei Frauen, die mMn gar nicht mal so unterschiedlich sind.

Der Schluss: beinahe ein Weihnachtsmärchen.

Liebe barnhelm , wie sehr haben sich die Zeiten geändert, wenn ich an die Geschichte "Die Schande" denke.
Gar nichts mehr von moralischer Enttrüstung, von gesellschaftliche Ächtung. Ist schon ein Sprung in der christlichen europäischen Tradition. Oder?

Sprachlich, das weißt du, kritisiere ich selten. Aber hier gibt es sowieso nichts zu meckern.
Wie schön, dass du dich an der Challenge beteiligst!

Herzlichst
wieselmaus

 

Hallo barnhelm,

ich finde es schön, dass du nach einer längeren Pause (wenn ich dein Profil richtig deute) wieder etwas geschrieben hast! Auch wenn jetzt nicht nur Lob kommt ...

Mit dem Titel deiner Geschichte kann ich mich nicht anfreunden. Das ist so diese Sorte Titel, nämlich ein Aussagesatz, die ich immer problematisch finde und schlicht nicht mag. Ein Statement, das fast belehrend klingt und hier im konkreten Fall am Kern der Story vorbeigeht. Ja, es ist im Mai in Andalusien kalt, aber zwischen den beiden Frauen entwickelt sich im Laufe der Geschichte etwas, da spüre ich zwischenmenschliche Wärme.

Der leichte Hauch ihres Parfüms kitzelt meine Nase.

Da stolpere ich gleich über das erste Wort. Neulich habe ich bei Peeperkorn meine Obsession ‚bestimmter oder unbestimmter Artikel?‘ angdeutet („Rehe vor einer/der Futterkrippe“ - er nimmt den unbestimmten, ich würde den bestimmten Artikel nehmen).
Hier bei dir geht es mir so, dass ich definitiv lieber lesen würde: „Ein leichter Hauch ihres Parfüms ...“. Begründung: Je nachdem, wenn da noch andere Leute in der Nähe stünden, könnten die ebenfalls einen (anderen) Hauch wahrnehmen.
Bei deiner Variante liegt die Betonung darauf, dass sie insgesamt nur leicht und unaufdringlich parfümiert ist, aber dafür fände ich es nicht optimal formuliert. Eigentlich meine ich, dass da der unbestimmte Artikel hingehört.

Sie öffnet meine Tür: „Lea, komm, steig doch auch aus!“

Ich würden den Doppelpunkt in einen Punkt verwandeln, da es kein echter Redebegleitsatz ist („sie sagt:“).

Minutenlang verharren wir schweigend am Rand der kleinen Natursteinmauer. Ich beginne zu frösteln, zwinge mich, unbeweglich zu bleiben.

Ich bin mir nicht sicher, ob mir diese Formulierung gefällt. Habe aber keine Alternative im Angebot.

„Komm, Julia. Lass gut sein. Lass uns weiter.“

Die Wortwiederholung stört mich. Kann der mittlere Satz nicht weg?

Julia macht ihre Sache gut. Sie spricht spanisch, kümmert sich um alles, organisiert, passt auf, dass alles läuft, wie wir es geplant haben, und quält sich für mich sogar durch endlose Serpentinen.

Da sehe ich Kürzungspotential.

Für einen Moment schaut sie zur Burg, als könne sie dort etwas finden, das mir verdeutlicht, was sie sagen möchte.
„Manchmal glaube ich, dass bei dir alles vergeblich ist.“
Ja, da mag sie wohl recht haben.
„Ich fühle mich bei dir, als würde ich gegen Windmühlen kämpfen. “
„Gegen Windmühlen?“ Mich verblüfft dieser Vergleich. Dann fällt mir ein, was sie studiert.
„Weißt du, Lea. Was immer ich mache, es erreicht dich nicht. Du lächelst und bist nett, aber alles nur, damit man dich ganz schnell wieder in Ruhe lässt.“
Ihr Blick wird unsicher und sucht Halt an ihren Händen.

„Irgendwie suhlst du dich in deiner Trauer und passt gut auf, dass dich niemand dabei stört.“
„Ich suhle mich in meiner Trauer? Empfindest du das so?“

Hier nun ein radikaler Kürzungsvorschlag, der deinem Text mehr Kraft verleihen würde. Brutal, ich weiß. Aber das, was ich gerne weghätte, das ist so Blabla, und so redet niemand. (Und die Andeutung mit dem Studienfach ist mir zu kryptisch.) Sich in der Trauer suhlen - DAS ist ein starkes Bild, das ist großartig, eine der besten Stellen im Text!!

Etwas liegt auf der Bank. Ich nehme es an mich.

Das hätte ich auch gerne gestrichen, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Die Erzählerin sieht ja sofort, dass es ein Ultraschallbild ist und verschweigt es dem Leser noch ein Weilchen. So etwas mag ich nicht. Und die zwei Sätze sind entbehrlich.

Die von der untergehenden Sonne angestrahlten Wolken zerrinnen zu pastellfarbenen Streifen und allmählich nehmen die Bergketten den Ton alten Kupfers an.

Sehr schönes poetisches Bild!

Mit meinem Gesamtfazit tue ich mich noch etwas schwer, nachdem ich den Text gerade erst gelesen habe. Was ich auf jeden Fall sagen kann: Die Einschübe in Kursiv, das sind für mich die berührendsten Stellen deines Textes. Die Zeitlosigkeit, die Andacht - davon hätte ich mir noch mehr gewünscht. Da packst du mich, barnhelm, da muss ich schwer schlucken. Ja, doch, hat mir gefallen. Danke für die Geschichte!

Liebe Grüße, schöne Weihnachtsfeiertage und auf weitere Texte von dir im neuen Jahr! :)
Anne

 

Gude barnhelm,

zuallererst möchte ich deinen Titel loben: "Andalusien kann sehr kalt sein". Ich finde das irgenwie poetisch und habe direkt gedacht "das will ich lesen". Und ich kann gleich nachschieben, ich habe es gerne gelesen.
Mir gefällt die Grundsituation zweier Menschen, die sich beide abgekapselt haben und doch langsam ihren Weg zueinander finden. Ich finde sie sehr menschlich und glaubwürdig. In diesem Zuge finde ich die häufigen Auslassungen gerade richtig: sie verdeutlichen für mich, dass es "Menschen" sind, die sich unterhalten und deren Text nicht fertig geschrieben ist. Sie verhaspeln sich und müssen immer wieder neu ansetzen. Das sieht zuweilen im geschriebenen Text nicht wunderschön aus, wirkt aber realistisch.

Es fällt mir schwer, bei dieser Phrase nicht zu lächeln. Doch sie achtet gar nicht auf mich.
-> Diesen Teil finde ich sehr schön. Lea kritisiert für sich an Julia das, was diese wiederum ihr ankreidet.

Aber, und jetzt komme ich zu meinem einzigen Kritikpunkt: Für mich geht es am Ende etwas zu schnell, wie sich Julia auf ihre Tante einlässt. Deren Entwicklung kann ich absolut nachvollziehen: sie möchte ihre Nichte schützen, freut sich auf das Leben und ihre Chance, noch eine Spur in der Welt zu hinterlassen. Gegen dieses starke Bild wirkt Julia für mich noch etwas blass. Sie weiß jetzt, dass sich ihre Tante auch um ihr Kind kümmern wird, aber wenig zuvor warf sie ihr noch vor, nicht auf den Rest der Welt zu schauen. Da fehlt mir in der Schlussszene ein letztes Aufbegehren, eine gewisse Skepsis, die dann nochmal weggewischt wird und es ist wirklich alles gut.

Aber das kann mein Gesamturteil kaum trüben, da ich finde, dass du hier eine insgesamt sehr stimmige und vor allem sehr schöne Geschichte präsentierst. Und zu den lebensnahen Charakteren gibt es noch eine fast schon zauberhafte Kulisse.


Liebe Grüße,
Vulkangestein

 
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Liebe Novak,

das ist ein Kommentar, der nur gut tut. Besonders gefallen hat mir, dass du das erkannt hast:

... das ist eine verantwortungsbewusste Frau, sehr sensibel, deren Gefühle aber auch sehr angespannt sind, sonst würden sie sich nicht in der Lebensgefahr spüren wollenden und gleichzeitig lebensfrohen Aktion entladen wollen.
Das trifft meine Intention und freut mich deshalb sehr.

Zu deinen Gedanken darüber, ob man Texten anmerkt, ob sie von Frauen geschrieben wurden. Ich finde schon, obwohl ich das gar nicht so recht festmachen kann. Sicherlich ist es vor allem die Herangehensweise, aber auch da kann man sich ganz schön irren. Wenn ich darüber nachdenke, so habe ich das Gefühl, dass z.B. eine Patricia Highsmith in ihrer subtilen Art ihre Geschichten sprachlich und auch inhaltlich anders aufzieht, als es etwa ein Steven King macht. Und auch bei Judit Hermann höre ich immer eine weibliche Stimme. Aber auch hier kann das Wissen darum, dass es sich um eine Autorin handelt, diesen Eindruck auslösen (und verstärken). Immerhin eine interessante Fragestellung bei den nächsten Texten, die ich lesen werde.

Dir, liebe Novak, noch einmal ganz herzlichen Dank für deinen aufbauenden Kommentar.

Ich wünsche dir eine geruhsame und kuschlige Weihnachtszeit.
Liebe Grüße
barnhelm


Hallo, liebe wieselmaus,

ja, ich hab mich mal wieder an eine Geschichte gewagt. Du weißt ja, dass bei mir nicht unbedingt ein Anliegen dahintersteht, das danach drängt, ausgeführt zu werden. Aber ich hatte mir vorgenommen, an der Challenge teilzunehmen und das habe ich dann auch gemacht. Und diesmal hat sich da einfach etwas entwickelt und ich habe mich selbst gewundert, wie das dann langsam Gestalt annahm. Unterm Strich hat es Spaß gemacht und ich frage mich, womit sich mein Kopf in den nächsten Tagen bei meinen Waldspaziergängen beschäftigen wird.

Was ich ganz verblüffend fand, war, dass dir zu meiner Geschichte Begriffe wie ‚Kammerspiel’ und ‚Weihnachten’ eingefallen sind. Die hatte ich nämlich auch im Kopf.

Auch dir, liebe wieselmaus, und deinen Lieben wünsche ich angenehme und friedvolle Weihnachtstage.

Liebe Grüße
barnhelm

Ps: Kanji, du wirst sicher verstehen, dass ich zur Antwort auf deinen umfangreichen Kommentar etwas länger brauchen werde. Da sind ein paar Sachen drin, über die ich noch nachdenken muss, ebenso wie über Anne49 s Komm. Habt erst einmal Dank dafür - natürlich auch Vulkangestein.

 

Liebe Kanji,

danke für deinen so umfangreichen Kommentar. Ich glaube, ich beantworte ihn am besten, indem ich dich zitiere:

Der Artikel vor Tante ist für mein Empfinden verzichtbar, weil es wenig zur Situation passt, die schlaftrunken ist. Zum anderen würde sie auch nicht die Tante Lea sagen. Vielleicht mag ich auch bloß den Klang nicht.
Lass ich mal, weil mir das hier ohne Artikel nicht recht gefällt.

Und deswegen würde ich diesen Abschnitt lieber ohne merkürdiges Mädchen lesen. Dafür könnte ihr im "echten Leben" in dieser Situation die Reflexion fehlen. Die Indizien, wie der Schlaf, der Wein, nicht aufstehen wollen, Vergesslichkeit bereiten mich darauf vor, dass die Tante gut möglich depressiv verstimmt ist.
Ich hatte hier eigentlich daran gedacht, dass das ein Gedanke ist, der sehr flüchtig kommt und wieder geht.

Achja, ich sehe dich sitzen und überlegen, mit welchem Wort die Autotür zuschlägt. Und nunja ploppen ist eine Möglichkeit, aber da ich zunehmend penibel und sensibel auf diesen schönen sprachlichen Text reagiere, mag er für mich nicht passen. DU könntest sie leicht geöffnet lassen, Lea die frische Luft geniessen lassen.
Du hast völlig recht mit diesem ‚Ploppen’. Deine Idee mit der geöffneten Tür ist überlegenswert.

Ich auch und deswegen benötige ich den Namen und das Bild gar nicht.
Ist auch nur eingeschoben für die, die die Pose nicht (gleich) erkennen:D.

Keine großen Gesten und Metaphern verwendest. Finde ich.
Das freut mich, dass du das sagst.
Ich entscheide mich für eine ältere Frau.
Richtig, so war das gedacht.
Das leicht zynische passt besser zu ihm. Und so mag ich Geplänkel nicht so gerne.
Muss ich drüber nachdenken.
Ich bin streng, weil ich jedes Wort schätze, das du schreibst. Lea ist eine sensible Frau und den einleitenden Fragesatz wünschte ich mir weniger banal.
Darüber werde ich nachdenken, ebenso über den gesamten Dialog. Das ist auch eine Antwort auf Anne49 s Kürzungsvorschlag. Aber während ich mit der Änderung des Einleitungssatzes keine Probleme habe, fällt mir das Weglassen des gesamten Dialogs sehr schwer.

dabei hätte ich mir etwas weniger Naives vorgestellt. Wie du bemerkst, werde ich langsam dreist.
Diesen Einwand nehme ich sehr ernst. Ich hatte das so gesehen: Julia hat sich schon ziemlich aus der Deckung gewagt und wird unsicherer und natürlich auch ‚beliebiger’ in dem, was sie sagt.
So, nun hast du das zum zweiten Mal erwähnt und ich vermute einen Autounfall mit Todesfolge. Das lässt mich nicht unberührt und so lese ich den Verlauf mit Unbehagen weiter.
Nein, hier habe ich zwei Sachen im Kopf: Eine Julia, die noch keine großen Fahr-Erfahrungen hat, sich aber der Tante zuliebe ans Steuer gesetzt hat und nun die Schwierigkeiten dieser Bergstecken bewältigen muss. Der gesamten Geschichte liegen Erinnerungen an eine Fahrt mit einer sehr jungen Freundin zugrunde. Sie bemuttert mich immer etwas und es war für sie Ehrensache, dass sie fuhr. Ohne mich jetzt loben zu wollen, bin ich aufgrund meiner Erfahrung die bessere Autofahrerin und bekam ständig mit, wie sie die Fahrer hinter uns durch ihre Übervorsichtigkeit zur Weißglut brachte.
wie gut ich das kenne. Den Wunsch, Situationen endlos zu verlängern und am Ende ... Dunkelheit. Gewöhnen werde ich mich daran nie, auch wenn es Menschen wie Lea gibt, die ähnlich empfinden und somit ich nicht allein damit bin.
Ja, hier sollte dieses der Welt-abgewandt-Sein langsam kippen.
Deine bedächtige, wohltemperierte harmonische Sprache wirkt beruhigend auf mich und wenn es nach mir ginge, hätten die Dialoge weniger herkömmlich sein dürfen. Auch wenn das jetzt vermessen klingt.
s.o. Darüber werde ich auf jeden Fall nachdenken. Das auch als Antwort auf Anne49.
Vielleicht kennst du das ja auch: Man ist wie vernagelt, wenn man einmal etwas formuliert hat und steht sich selber völlig im Weg.

Liebe Kanji, vielen Dank für deine offene und unkomplizierte Art, dich meinem Text zu nähern. So ist mir einiges fraglich, anderes erst bewusst geworden, über das ich nachdenken werde.

Ich wünsche dir eine schöne Weihnachtszeit mit vielen besinnlichen Momenten.

Liebe Grüße
barnhelm

Liebe Anne49,

ich danke dir für deinen Kommentar. Wie du sicherlich gesehen hast, habe ich ein paar Aspekte, die du in ihm ansprichst, schon im Kommentar an Kanji versucht zu beantworten. Besonders die Überlegungen zum Dialog werden mich beschäftigen (müssen). Wie sich das am Ende entwickeln wird, kann ich noch nicht sagen. Sicherlich werde ich ihn nicht so radikal kürzen, wie du vorgeschlagen hast. Das ist mir persönlich dann eine zu krasse Reduzierung und passt für mein Gefühl nicht in das übrige Text-Ganze. Aber – wie gesagt – ich bin noch nicht am Ende meiner Überlegungen.

Zum Titel. Es ist natürlich so, dass ich mit Andalusien eher Hitze in Verbindung bringe. Ich bin fast jedes Jahr im Frühling dort und erlebe im März und im April häufig besonders in Sevilla, aber auch am Atlantik Temperaturen von über 25 Grad. Nur in der Sierra Nevada ist das natürlich anders. Wie der Name schon sagt, liegt dort sehr lange noch Schnee. Außerdem habe ich den Titel als kleine Hommage an eine meiner Lieblingsschriftstellerinnen, Patricia Highsmith, gewählt. Einer ihrer Romane hat den Titel ‚Venedig kann sehr kalt sein’.

1. Etwas liegt auf der Bank. Ich nehme es an mich.
Das hätte ich auch gerne gestrichen, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Die Erzählerin sieht ja sofort, dass es ein Ultraschallbild ist und verschweigt es dem Leser noch ein Weilchen. So etwas mag ich nicht. Und die zwei Sätze sind entbehrlich.
Davon möchte ich mich eigentlich nicht trennen, da es bedeuten würde, dass ich den gesamten Text umschreiben müsste. Mir gefällt es eigentlich so, wie es ist.
Die Zeitlosigkeit, die Andacht - davon hätte ich mir noch mehr gewünscht. Da packst du mich, barnhelm, da muss ich schwer schlucken. Ja, doch, hat mir gefallen. Danke für die Geschichte!
Ja, davon hätte ich auch gerne noch mehr geschrieben. Vielleicht in einer anderen Geschichte. Anne, ich danke dir für deinen Kommentar und besonders für diesen letzten Satz.

Auch dir schöne Weihnachten und Geschenke, die dir Freude machen.

Liebe Grüße
barnhelm

 
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Liebe barnhelm, ich nochmal.

genau der Titel "Venedig kann sehr kalt sein" kam mir sofort in den Sinn. Ich dachte, jeder versteht sofort die Anspielung, ebenso wie die auf die Pose in "Titanic". Mir geht es ja bei unseren "jüngeren" Autoren so, dass ich deren Songtexte nicht kenne und mir dadurch leider manche Nuance oder Pointe entgeht.

Der leichte Hauch ihres Parfüms ...

Ich finde, der Artikel kann sehr wohl bleiben. Es ist nämlich ein unverwechselbarer Duft, den Lea sofort erkennt. Sie tut ja nur so, als würde sie noch schlafen. Wahrscheinlich presst sie Augen zu ...

Zu dem ersten langen Gespräch zwischen Lea und Julia ist mir noch was eingefallen. Julia zögert zunächst aus Respekt mit dem, was sie wirklich sagen will. Sie will die Tante ja nicht kränken. Aber dann fasst sie sich ein Herz, da sie selbst unter Druck steht. Dann klingt ihr Windmühlenvergleich trotzig und witzig zugleich. Die Tante versteht, schließlich reisen sie im Land Don Quichotes, das amüsiert sie innerlich, ein richtiger Eisbrecher. Ich würde nicht allzu sehr kürzen. Julia muss sich das von der Seele reden.

Schließlich Weihnachtsmärchen. Das Kind in der Krippe, der Erlöser. Ich weiß gar nicht, ob die ursprüngliche Botschaft von all denen, die Weihnachten feiern, noch verstanden wird. Weihnachtsmärkte hin oder her.

Dir wünsch ich wunderbare Gänge durch den Wald. Wölfen wirst du ja kaum begegnen, hoffentlich.

Gruß aus dem tief verschneiten Schwarzwald
wieselmaus, die gerade ein Eichhörnchen in den Sträucher vor der Terrasse herumturnen sieht.

 

Liebe barnhelm,

deine Geschichte berührt mich. Sie ist leise erzählt, ganz vorsichtig und sanft, aber trotzdem kraftvoll. Das gefällt mir sehr. Ich kann da auch sprachlich nichts finden, das mich raus gebracht hätte, außer dieser winzig kleinen Kleinigkeit:

Wie manchmal bricht unser Gespräch einfach ab.
Vielleicht liegt das an mir, aber ich finde, das klingt bei all den schönen Sätzen drum herum nicht gut. "Wie manchmal" ist das, was mich stört. Hmm ... Vielleicht besser "Wie so oft"? Oder ganz weglassen und einfach schreiben: "Unser Gespräch bricht einfach ab." Ja, keine Ahnung, ob dir das hilft, aber dieser eine Satz ist mir aufgefallen.

Da sind viele Themen drin in deiner Geschichte. Und ich glaube, sie berührt mich so, weil sie die Stimmung trifft, in der ich mich im Moment öfter befinde als noch vor ein paar Monaten. Da schwingt Trauer mit, Bedauern, irgendwie auch so ein sich-suhlen im eigenen Unglück (Julia spricht das ja auch offen aus). Aber eben auch – und das ist das Schöne – Hoffnung. Die zarte Annäherung zwischen den beiden, die hebt mich beim Lesen dann wieder aus dieser emotionalen Senke heraus und ich denke mir: Hey, vielleicht sind die beiden besser füreinander, als sie es ahnen. Und diese leise Ahnung ist ja am Ende bei den letzten Sätzen sehr deutlich spürbar.

Da sind zwei Frauen unterschiedlicher Generationen, die anfangs eher zweckgebunden reisen. Weil sie wohl beide dazu überredet wurden. Ich glaube, sie sind gut, um sich gegenseitig den Spiegel vorzuhalten. Nachdem sie aufhören, umeinander herumzuschleichen und endlich ein wenig die Deckung fallen lassen, spürt man, dass sie sich gegenseitig helfen könnten, wenn beide ein paar Schritte aus ihrer Komfortzone gehen.

Was ich beeindruckend finde, ist, dass ich mich mit beiden irgendwie identifizieren kann. Ich verstehe Leas Hang, sich einfach der Trauer hinzugeben, fast wie eine Heldin zu leiden, alles Positive fast schon abzuwehren, was sie von ihrem Elend ablenken würde. Und dann ist da Julia, die helfen will, aber nicht an sie rankommt, und dazu noch selbst ein Packerl zu tragen hat. Vielleicht ist es eben auch genau das, was diese Wut in ihr heraufbeschwört. Dieses "Du bist nicht allein auf der Welt" sagt da viel aus, finde ich. Denn klar, der eigene Schmerz wiegt immer am schwersten, aber es hilft ab und zu ungemein, mal die eigene Perspektive gerade zu rücken.

Also, ja, was soll ich sagen: Hat mir sehr gefallen!
Liebe Grüße
RinaWu

 
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Hallo barnhelm,
ich mag den Anfang Deiner Geschichte. Das Reintasten, das die Atmosphäre des Halbschlafs schön einfängt. Die kleinen Hinweise, die halbvolle Weinflasche, sie zögert. Man weiß, warum, gut gezeigt und sicher dargestellt. Ich weiß aber eigentlich noch nichts Konkretes und habe dann den Text zweimal gelesen, um alles zu verstehen. „Aus dem Staub gemacht“ deutete ich erst als: Da ist jemand abgehauen. Gut, wahrscheinlich meine Nachlässigkeit in der Deutung der Zeichen. Nach der zweiten Lektüre verstehe ich die Zusammensetzung und es erschließen sich die Einschübe und alles macht Sinn. Sie hat keine Kinder, oder? Die Schwangerschaft der Nichte als Motiv des Lebens, das ihr verwehrt blieb. Der Dialog mit ihm, was dann eigentlich bleibt, gespiegelt im historischen Kontext der Baulichkeit, die auch von der Vergangenheit erzählt, der es aber letztlich egal ist, wer darin haust. Moslems, Juden, Christen. Erinnerung bleibt also nur im Lebendigen, nicht im Unbelebten, das sich mit x-beliebigen Varianten des Lebens füllen lässt und seinen Ursprung verschweigt. Tradition, Weitergeben, Fortführen der Lebenskette als Urmotiv, als Urwunsch, als Auslöser aber auch der Verunsicherung, der Enttäuschung, der Verzweiflung und des Glücks. Das sehe ich dann beim wiederholten Lesen sehr subtil eingefangen und dann verstehe ich die Landschaftsschilderung, die Parallele mit dem Klavierkonzert. Ein sinnlicher Text, der ja nicht viel Handlung hat, nicht eine Kohärenz und das irritiert mich zunächst. Dann schwingt man sich aber ein in die erwähnten Monumentalfragen, die hier an persönlichen Schicksalen in weiter Zeitdimension ausgebreitet werden und das berührt mich. Das könnte auch ganz schnell ein Bausch-und-Bogen-Kitsch werden, eine übersüffige Geschichte, die auf die Berührung durch die existenziellen Bilder setzt. Das sehe ich da nicht, überhaupt nicht. Der Text ist kontrolliert und gefasst und geht nicht aus dem Ruder. Da bleibt die Emotion gut in der Form gehalten. Ein paar sprachliche Sachen, persönliche Anmerkungen:
Finde ich umständlich:

das Ungewohnte dieser Bemerkung
Irritiert mich ein wenig im Beschreibungskontext:
perlenden Regentröpfchen
Sehr schön die sporadische, lakonische Art der Unterhaltung. Gute Atmosphäre.
Wunderbar:
Irgendein Russe.
Wahrscheinlich Trivonof.
Finde ich im Ausdruck seltsam. Aber wohl Ansichtssache.
Ploppen
strebt dem Parkplatz zu.
Die Oboe passt perfekt.
Für mich zu umständlich als spontane Aktion:
Meine Hand sucht
Fragezeichen?
Weißt du was, Julia.
Ich finde Ellipsen gut. Die hier finde ich nicht gelungen, weil sie die vorherige Aussage der Ruhe so offen lässt, sich darauf bezieht und dann nicht als Stilmittel, sondern unvollständig wirkt.
Nur das stetige Plätschern der kleinen sich kreuzenden Fontänen.
Das erklärt mir zu nüchtern und ist entbehrlich für mich. Das spüre ich im Grunde aus Deiner schönen Beschreibung des Ortes.
Der Innenhof ist zu einem sakralen Ort geworden.
Das empfinde ich recht abrupt als Einschub.
Hat sie eigentlich einen Freund?
Den Dialog über die gegenseitige Einschätzung finde ich gut getroffen. Ich verfolge die zwei, fahre hinterher und überhole nicht.
Schöne Ebene, schöner Status, aber umständlich. Ich fände irgendwas mit „zerbrechlich“ schöner. Oder vielleicht gar keine Erklärung des gewandelten Verhältnisses, weil man es aus dem Dialog heraushört.
das Fragile unserer neuen Vertrautheit
Herzliche Grüße
rieger

 
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Liebe barnhelm

Ich halte mich etwas zurück, was die Challenge betrifft, werde auch keinen eigenen Beitrag schaffen. Ich lese aber alle Geschichten und bei einigen juckt es mich danach in den Fingern. So bei deinem Text.

Wenn du mich im Vorfeld eingeweiht und gefragt hättest, was ich von der Idee halte, Verlust, Trauer, neues Leben, die Frage, was bleibt etc. auf die Art zu thematisieren, wie du es in dieser Geschichte tust, hätte ich wohl gesagt: Ja, kann man machen, aber ich weiss nicht so recht, könnte etwas schmalzig werden. Dass mich das Ergebnis so berühren würde, wie dein Text es getan hat, hätte ich mir nicht vorstellen können.
Es ist wohl die ruhige, zurückhaltende, stimmige und stimmungsvolle Erzählweise, die es ausmacht, ich finde das ausgezeichnet dosiert. Ich kann mich nur dem anschliessen, was andere gesagt haben. Eine realistische, aber auch positive Geschichte im besten Sinn des Wortes.

Lass mich noch etwas Kritisches anbringen. Ich finde, die Dialoge sind nicht ganz auf der Höhe der erzählenden Passagen. Du hast viel «Pragmatisches» in diese Dialoge gepackt. Exemplarisch:

Wir können aber schon reingehen und uns das eine oder andere ansehen. Hast du eine Idee, womit du anfangen möchtest?

Aber auch, wenn es z.B. um das Aussteigen geht: «Komm» / «Lass mal» etc. Es gibt zwar keinen Satz, der besonders fragwürdig wäre, aber in der Summe ist mir das aufgefallen.
Der Dialog zur Endlichkeit, zur Frage, was bleibt, war mir zudem etwas zu explizit, ich hätte hier lieber was auf der symbolischen Ebene gelesen, oder Andeutungen, etwas mehr Geheimnis, wie im Text sonst auch.

Der zweite Überlegung betrifft die Fragen, die die Erzählerin sich manchmal stellt:

Ganz langsam dreht sie sich zur Seite und schaut zu mir rüber. Ich kann ihren Blick nicht deuten. Ist das Trotz?

Was ist nur los mit diesem Mädchen? Warum weint sie? Was sollte diese riskante Aktion?

Vielleicht kannst du noch mal prüfen, ob es alle diese Fragen auch braucht. Vor allem die zweite von mir zitierte Stelle betrifft Fragen, die sich die Leser stellen sollten. Ich kenne das sehr gut, diese Versuchung, eine Figur an die Stelle der Leser treten zu lassen, vor allem dann, wenn der Text etwas geheimnisvoll wird. Das ist so eine Art Botschaft an den Leser: Ja, ich weiss, das ist etwas schräg, was gerade geschieht, aber keine Sorge, ich weiss was ich tue! Bei mir ist es dann oft so, dass die Figuren fragen: «Bist du / seid ihr verrückt geworden?» :)

Aber das sind nur Marginalien zu einem überzeugenden Text, den ich sehr gelesen habe und der mich bewegt hat.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Liebes Vulkangestein,

auch dir danke ich sehr für deinen lobenden Kommentar. Du hast ja gerade selber einen Text eingestellt und kennst dann ja diese Unsicherheit danach: Hat meine Idee funktioniert? Kommt er bei den Lesern an? Und da ist es schön, wenn man aus den Rückmeldungen erfährt, dass das, was man sich so gedacht hat, (bei den meisten zumindest) geklappt hat. Aber, und das sehe ich auch an deinem Text, dieses Feedback ist auch wichtig, weil die Schwachstellen benannt werden und der Text sich so entwickeln kann.

Dir geht mein Schluss etwas zu schnell und du sagst:

Da fehlt mir in der Schlussszene ein letztes Aufbegehren, eine gewisse Skepsis, die dann nochmal weggewischt wird und es ist wirklich alles gut.
Ich werde in den nächsten Tagen alle Ratschläge noch einmal ordnen und mir eine Haltung zu ihnen überlegen. Im Moment bin ich in erster Linie mit den Dialogen beschäftigt und warte auf Erhellung. Aber den von dir genannten Aspekt werde ich ‚in meinem Herzen bewegen’, um ein weihnachtliches Bild zu gebrauchen.

Liebes Vulkangestein (ich würd’ manchmal schon ganz gerne wissen, ob Mann oder Frau), auf jeden Fall noch einmal danke fürs Loben und Mitdenken.

Weihnachtliche Grüße von
barnhelm, die im tiefen Ungarn einen verschneiten Winterwald vor der Tür hat.

Auch dir, liebe wieselmaus, noch einmal ganz lieben Dank für deine Rückmeldung. Es ist wirklich manchmal ein Generationenproblem, ob Hinweise im Text ankommen oder nicht. Schön, dass es bei dir geklappt hat.

Noch einmal liebe Weihnachtsgrüße
barnhelm


Lieber Bas,

auch dir ganz herzlichen Dank für deinen freundlichen Kommentar. Das, was ich am Anfang zu Vulkangestein gesagt habe, gilt auch ganz besonders für dich. So eine Rückmeldung ist sehr wichtig, das kennst du ja sicher selber. Und auch gerade, wenn sie, wie bei dir, ins Detail geht, ist sie sehr hilfreich. Ich habe deine Vorschläge leicht übernehmen können, da sie mir einleuchteten und ich gar nicht lange darüber nachdenken musste.

Mich freut es, dass dir meine Geschichte grundsätzlich gefallen hat. So ist dein Kommentar für mich ein richtiger Wohlfühl-Kommentar geworden, über den ich mich sehr gefreut habe.

Und ja, hier ist was dran:

Ich weiß nicht, wie viel von dir selbst in dieser Geschichte steckt, aber mein Gefühl sagt mir, dass du dir hier viel von der Seele geschrieben hast, es fühlte sich so an, als hättest du unnötigen Ballast in einen Korb gepackt und ihn dann mit einer Menge schöner, bunter Luftballons in den Himmel steigen lassen.

Lieber Bas, ich wünsche dir schöne Weihnachtstage und Muße für schöne Stunden.

Liebe Grüße
barnhelm

 
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Liebe RinaWu,

danke auch für deinen von Empathie mit meinen beiden Protagonistinnen getragenen Kommentar. Das ist ein sehr schönes Feedback.

Die Stelle, die von dir angemerkt wurde, habe ich geändert, bin mir aber nicht sicher, ob das genau so bleiben wird. Das braucht alles noch ein bisschen Überlegung (oder schiebe ich das vielleicht einfach nur vor mir her?:D)

Auf jeden Fall hast du meine Intention sehr gut nachvollzogen:

Was ich beeindruckend finde, ist, dass ich mich mit beiden irgendwie identifizieren kann. Ich verstehe Leas Hang, sich einfach der Trauer hinzugeben, fast wie eine Heldin zu leiden, alles Positive fast schon abzuwehren, was sie von ihrem Elend ablenken würde. Und dann ist da Julia, die helfen will, aber nicht an sie rankommt, und dazu noch selbst ein Packerl zu tragen hat. Vielleicht ist es eben auch genau das, was diese Wut in ihr heraufbeschwört.

Liebe Rina, auch dir noch schöne und besinnliche Tage. Ich glaube, für jemanden, der wie du noch mitten im Leben steht, ist das Zur-Ruhe-Kommen wohl der wichtigste Aspekt dieser geballten Ladung an Feiertagen.

Liebe Grüße
barnhelm

Hallo rieger,

das ist ein Kommentar, der mich in seiner Tiefe überwältigt. Du sprichst viele Aspekte an, die mir so oder so ähnlich beim Schreiben durch den Kopf gingen und zeigst darüber hinaus noch Feinheiten auf, die bei mir allenfalls unterschwellig vorhanden waren. Danke für deine vielen interessanten Gedanken.

Über deine Anmerkungen denke ich noch nach. Viele kann ich nachvollziehen. Im Moment füge ich sie den vielen guten Vorschlägen, über die ich nachzudenken habe, hinzu.

Das könnte auch ganz schnell ein Bausch-und-Bogen-Kitsch werden, eine übersüffige Geschichte, die auf die Berührung durch die existenziellen Bilder setzt.
Ja, das war die Gefahr, das hat ja auch Peeperkorn schon angedeutet. Deshalb freut mich:

Das sehe ich da nicht, überhaupt nicht. Der Text ist kontrolliert und gefasst und geht nicht aus dem Ruder. Da bleibt die Emotion gut in der Form gehalten.
Zur Musik:
Ich hatte irgendwie Schostakowitschs 1. Sinfonie im Kopf. Nagle mich aber bitte nicht an der richtigen Reihenfolge fest, in meinem Kopf befinden sich nur Teilstücke, deren genauen Platz ich aber nicht benennen könnte. Das Wilde und Unkonventionelle dieses Frühwerks schien mir zur Szene, aber auch zum Sich-Aufbäumen Julias gut zu passen.

rieger, ich danke dir ganz herzlich für deinen anspruchsvollen und in die Tiefe gehenden Kommentar und wünsche auch dir eine schöne Weihnachtszeit.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo Barnhelm,

noch ein kleiner Kommentar zu deiner Geschichte von mir. Ich fand sie sehr schön. Passt für mich auch irgendwie zur Weihnachtszeit, da bin ich immer ein bisschen rührselig. Was mir sehr gut gefallen hat, dass du nicht wirklich ins kitschige abdriftest. Sehr gut wird beschrieben, wie die Tante in ihrer Welt der Trauer "gefangen" ist und nicht wirklich den Zugang zu den Menschen um sie herum findet. Doch ist sie noch nicht so weit weg, dass sie nicht spürt, dass ihre Nichte etwas beschäftigt. Ich finde deinen Schluss so schön, weil er für mich so positiv behaftet ist. Eine Schwangerschaft, ein Kind, bedeutet doch auch immer einen Neuanfang. So auch irgendwie für die Tante, die sich aktiv einbringen möchte. Zum Schluss aber noch etwas anderes: Am Anfang, so nach dem ersten Absatz, dachte ich, es handelt sich um eine Musikerin/Sängerin, in einem Tour Bus...:D:Pfeif:
Liebe Grüße Sabine

 

Lieber Peeperkorn,

auch dir danke ich ganz herzlich für deinen freundlichen Kommentar. Da fällt mir doch gleich ein Stein vom Herzen, wenn ich höre, dass es dir gefallen hat. Und du hast völlig recht, wenn du anmerkst, dass das ganze Unterfangen durchaus ins kitschige Rührstück hätte abdriften können. Das war mir sehr bewusst und ich habe reduziert, reduziert, reduziert, sprachlich und auch inhaltlich. Und ich musste mich von ein paar Ideen verabschieden, die ich auch noch gerne verkauft hätte. Aber letztendlich hat es der Geschichte wohl genutzt.

Zu deinen Anmerkungen:

Mein größtes Problem waren und sind die Dialoge. Da muss ich unbedingt noch einmal ran, habe allerdings noch keine Idee, wie ich das im einzelnen machen soll, ohne dass es einerseits zu künstlich wird, andererseits zu platt alltagssprachlich. Auf jeden Fall ist das noch einmal eine schöne Aufgabe und ihr habt mir ja schon einige Hinweise und Tipps gegeben. Es wird sich um Nuancen handeln, aber die müssen eben stimmen.

Dasselbe gilt für die Fragen, die sich die Protagonistin stellt. Da merke ich natürlich auch, dass ich dem Leser zu wenig zutraue. Einige werde ich sicher streichen bzw. durch andere Formulierungen ersetzen.

Und dann noch zu diesem Punkt:

Der Dialog zur Endlichkeit, zur Frage, was bleibt, war mir zudem etwas zu explizit, ich hätte hier lieber was auf der symbolischen Ebene gelesen, oder Andeutungen, etwas mehr Geheimnis, wie im Text sonst auch.

Das ist schwer, weil eben auch ein Gratwanderung. Aber da habe ich schon eine Idee, muss sie nur noch ausformulieren. Mal sehen.

Lieber Peeperkorn, dir wünsche ich, dass deine ‚Projekte’ gelingen mögen (wovon ich eigentlich überzeugt bin) und dass du dir bei allem auch eine schöne Weihnachtszeit gönnen kannst.

Liebe Grüße
barnhelm

 

<Nur zu sagen haben wir uns nicht viel. Aber wem hätte ich im Moment überhaupt etwas zu sagen, ...>

gilt buchstäblich für mich,

liebe barnhelm,

und mir Wandalen liest sich diese Geschichte ähnlich wie ein Klassiker, wenn in einem Trauerspiel versucht wird, die Liebe zu erhalten oder doch gegenüber anderen zu verteidigen - wobei die Liebe bei eben den Klassikern zumeist unterliegt und der/die Liebende zugrunde geht, dem Du die Utopie des kommenden Lebens entgegensetzt.

Merkwürdig genug, dass gerade eben über change.org. bei mir eine Anfrage eingetroffen ist, ein Netzwerk für ältere, von Einsamkeit und Isolation - tödlicher als jede Zigarette!, man reiche mir den Aufkleber "Leben ist tödlich" - Betroffene zu unterstützen.

Drei Flusen wären m. E. aufzulesen, dreimal Kommas

Ganz am Anfang

<Seit Beginn unserer Reise verzichtet sie auf das ‚Tante’. Warum[,] weiß ich nicht, doch es gefällt mir.>

sollte nach dem "warum" ein Komma gesetzt werden. Warum?
Es ist hier eine Ellipse und - wenn man so will - eine Apposition zum Verzicht. Hättestu kleist'sche Vorlieben und beide Sätze in einen gepackt, es fiele deutlicher aus.

Bissken Flüchtigkeit hier

<„Was sollte der Blödsinn?“[,] frage ich schärfer als beabsichtigt, ...>

Und hier

<„Weißt du[,] Lea.>

wäre es auch für jeden einsichtig, wenn die Anrede/der Name vorne stünde.

Gern gelesen vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Bea Milana,

Etwas liegt auf der Bank. Ich nehme es an mich.
Ich will auf keinen Fall andeuten, dass das schlecht ist, verstehe mich bitte nicht falsch. Aber ich sehe (leider) sofort die erzählerische Absicht, die Konstruktion (des Zufalls) dahinter. Vllt. wenn es ihr beim Laufen aus der Hose flattern würde ... oder es ist im Auto zwischen die Sitze gerutscht ... ach, ich weiß auch nicht.
Ja, das war das Problem: Wie bringe ich das ein. Ich möchte mich im Moment noch nicht von der von mir gewählten Lösung trennen, weil mir alles andere noch gekünstelter und vor allem auch umständlicher erscheint. Aber alles ist im Fluss. Auch das:
„Erinnerungen.“
„Erinnerungen?“
„Ja, das wird es sein. Erinnerungen der anderen an uns. Vielleicht wird da jemand sein, der uns für irgendetwas dankbar ist, der lächelt, wenn er an uns denkt?“
Ich werde die Wiederholung wohl rausnehmen, obwohl sie mir eigentlich logisch erscheint und ich sie mir auch im Zusammenhang ganz gut vorstellen kann und weniger als eingesetztes rhetorisches Mittel empfinde.
Danke, liebe Bea, dass du dich noch mal gemeldet hast. Ich freue mich wirklich über die Resonanz, die mein Text hatte. Meine größte Befürchtung war, dass die Thematik dem einen oder anderen zu altbacken erscheinen würde.

Liebe Grüße
Barnhelm

Liebe Sabine P,

auch dir danke ich für deinen Kommentar. Schön, dass mein Text deine Gefühlswelt getroffen hat. Ja, irgendwie spielt der Gedanke von Weihnachten unterschwellig mit.
Amüsiert habe ich mich über deine Assoziation am Anfang. Ich hoffe, dass sich das schnell korrigiert und dich nicht weiter verwirrt hat.
Jetzt werde ich mich noch einmal an meinen Text machen und die vielen Anregungen aufnehmen bzw. verwerfen. Und ich glaube, dir geht es mit deinem Text ähnlich. Ist doch schön, dass wir dieses Forum haben, das uns Hilfestellung leistet bei der Optimierung unserer Texte.
In diesem Sinne auch dir frohes Schaffen. Ganz wichtig aber auch: die Festtage in Ruhe genießen und die Seele baumeln lassen.

Frohe Weihnachten
barnhelm

Lieber Friedrichard,

wenn sich doch alle Sachen so leicht korrigieren ließen wie die von dir aufgesammelten Flusen. Sind alle berichtigt. Danke dafür und auch fürs ‚Gern gelesen’.
So dürfte der Text, was seine formale Endkontrolle angeht, wohl durch sein. Jetzt muss ich mir nur noch inhaltlich ein paar Gedanken machen.

Lieber Friedel: Zum Jahresende möchte ich dir einmal für dein unermüdliches Flusen-Suchen danken. Wir alle sind ja meistens inhaltlich unterwegs und übersehen die vielen kleinen Stolpersteinchen, die unsere Texte auch nach dem hundertsten Lesen immer noch enthalten. Und dann kommst du und sammelst auch noch sie auf, so dass wir uns zumindest in dieser Hinsicht gelassen zurücklehnen können. Schön, dass du dir für uns diese Mühe machst (und ganz nebenbei noch interessante Texte verfasst, die uns durch ihre divergente Denkart erfreuen.)

Liebe Weihnachtsgrüße und die besten Wünsche für eine schöne Zeit mit deinen Lieben.

barnhelm

 

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