Was ist neu

Bootsmann

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21.09.2001
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Bootsmann

Eigentlich sollte ich guter Laune sein. Wir drei waren auf dem Weg in unseren Urlaubsort. Die Autobahn war nur mäßig befahren, keine Staus. Tina und Benni vertrugen sich, waren sogar ein Herz und eine Seele. Sie spielten das ‚Fratzen-Spiel‘ wie sie es nannten. Abwechselnd schnitten sie eine Grimasse und der jeweils andere musste erraten, was der Fratzenschneider damit ausdrücken wollte.
Ich ließ sie gewähren, war froh, dass sie mich nicht mit Fragen quälten. Wieder einmal Gelächter aus der hinteren Reihe. „Falsch“ rief Benni seiner Schwester triumphierend zu. „Das sollte Mama gestern Abend bedeuten.“ Ich blickte fragend in den Rückspiegel. Die Kinder prusteten.
Gestern Abend. Es wurde recht hitzig beim Abendessen. Schon seit längerer Zeit kam das Thema „Hund ja oder nein“ auf den Tisch. Die Kinder wollten einen Hund. Die Rasse
war ihnen egal. Paul war auch nicht abgeneigt. Er würde, wenn er denn dürfe, zu einem Golden Retriever neigen. Ich hingegen lehnte einen Familienhund kategorisch ab. Mein letztes Wort war wieder einmal „Nein!“ Dann stand ich auf und verschwand vom Tisch. Nicht dass ich keine Gründe genannt hätte. Mehr als einmal. Sie steckten alle unter einer Decke und hatten gegen jedes Argument meinerseits eine Antwort parat. Ich reagierte wohl zu heftig gestern Abend. Auch mit Paul fand keine Aussprache mehr statt. Ich fuhr heute Morgen mit den Worten los: „Dann Tschüss bis zum Wochenende.“ Paul würde in ein paar Tagen nachkommen.
Ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut. Meine Hände verkrampften sich am Lenkrad.
„Mama, spielst du mit?“ fragte Benni.
„Nein, das geht wohl schlecht. Ich muss mich auf die Fahrbahn konzentrieren. Soll ich etwa einen Unfall bauen?“
Die Kinder spielten weiter.
„Wann machen wir mal Pause?“ jammerte Benni.
„Gleich kommt eine Raststätte. Da halten wir an.“
Eigentlich hatte ich nichts gegen Hunde. Im Gegenteil. Ich erinnerte mich an Strolchi. Er war mir der beste Freund in meiner Kindheit, dem ich all meine Sorgen und Geheimnisse anvertrauen konnte. Warum kam mir gerade jetzt der Gedanke daran? Er war eine Promenadenmischung. Meine Freundin und ich versuchten ihn zu dressieren, spielten Dompteuse. Strolchi war recht störrisch. Er ließ sich mit Hundekuchen füttern, tat aber nicht das, was wir von ihm wollten.
Strolchi entlockte mir ein Lächeln.
Nach ein paar Kilometern folgte ich den Hinweisschildern zur nächsten Autobahnraststätte.
„Wir gehen zum Spielplatz!“ Tina riss die Tür auf.
„Ist gut, nimm Benni an die Hand! Achtet auf die Autos! Ich komm gleich nach.“
Sobald ich den Motor abstellte, stürmten sie hinaus. Es war irre heiß an diesem ersten Ferientag.
Während ich die Tür öffnete, hörte ich dieses Winseln, konnte es nicht einordnen. Ich meinte, das Geräusch käme von der Autotür.
Ein Hund – wie sollte das praktisch laufen? Wer würde sich letztendlich mit ihm die Beine vertreten? Ich natürlich. Mein lieber Paul geht auswärts arbeiten; die Kinder haben Schule und sonstige Nachmittagsvergnügungen und ich? An mir würde diese Gassigeherei dann letztendlich hängenbleiben.
Da war es wieder, dieses jämmerliche Flehen. Ich ging dem Geräusch nach, welches meinen Trübsinn nur noch verstärkte und war froh, die Kinder jetzt nicht bei mir zu haben. Sie hätten wieder mit dem Hundethema angefangen. Ich war nicht in der Stimmung dazu.
Obwohl - Gassigehen? Ich wollte doch schon lange mit dem Joggen beginnen. Das wäre doch eigentlich eine gute Gelegenheit.
Mein Herz klopfte. Ein paar Schritte weiter, gleich hinter den Blautannen vermutete ich dieses elende Wesen. Ausgesetzt, an einen Pfahl gebunden, halb verdurstet. - Wie er wohl aussieht ?
Es wird ja wohl Hundefutter in der Raststätte geben?
Was spräche dagegen, diesen armen Vierbeiner loszubinden und einfach mitzunehmen?
Im Kofferraum liegt ja noch die alte Decke.
In diesem Moment war ich Tina dankbar. Auf sie konnte man sich verlassen. Ich erinnere mich an meine Worte „...und was würden wir im Herbst machen, wenn wir in Urlaub fahren? Was wäre dann mit dem Hund?“
Tinas Antwort kam prompt: „Mama, die Pension ist auch für Hunde. Auch für Hunde ein Herzliches Willkommen steht im Prospekt.“
Zum Glück war Benni jetzt auf dem Spielplatz. Er hätte mir zugesetzt mit seinen exellenten Überredungskünsten. Und das mit seinen gerade einmal fünf Jahren. Dann hätte er sich natürlich seinem Vater gegenüber gebrüstet, mich herumgekriegt zu haben.
Nur noch ein paar Schritte.
Paul würde sich freuen über den unvorhergesehenen Familiennachwuchs; da war ich mir sicher. Im Ferienort gäbe es sicher einen Tierarzt. Wer weiß, ob dieses arme Geschöpf nicht schon an Unterernährung erkrankt wäre.
Im Geiste sah ich mich schon joggen, früh am Morgen mit einem zotteligen Kläffer an meiner Seite. Noch ein paar Schritte trennten mich von unserem neuen Gefährten. Welcher Mensch kann so ein Geschöpf seinem Schicksal überlassen? Da wäre ich der letzte! Sein Winseln öffnete mein Herz. Es begann zu klopfen.
Ich war schon in Höhe der Blautannen, als mich eine Stimme aus meinen Gedankengängen riss:
„Bootsmann! Ich bin doch schon da! Hab dir doch nur Wasser geholt!“
Ich blickte der Stimme nach; mein Tempo verlangsamte sich, sah einen jungen Mann, der in beiden Händen eine Schüssel mit Wasser hielt und hinter den Blautannen verschwand. Ich setzte meinen Weg fort. Dort sah ich einen Hund – angeleint an einen Wohnwagen - schwanzwedelnd. Das jämmerliche Gejaule veränderte sich zu einem freudigen Bellen.
Bootsmann – Unser neuer Hausgenosse wäre ein Golden Retriever gewesen.

:p

 

Gut erzählt, auch spannend. Aber hey - was haben alle Leute gegen Hunde? Was gibt es da noch zu überlegen? NATÜRLICH MUSS EIN HUND HER, MENSCH!!!! Das Weib ist doch echt zu blöd! :D

Das Thema "ausgesetzter Hund, den man an einer Autobahnraststätte findet und mit nach Hause nehmen möchte" kenne ich... :rolleyes: ;)

Griasle!
stephy

 

Hallo stephy,
Du Frühaufsteherin oder Spätinsbettgeherin! Danke für Deinen Kommentar. WAS DIE MUTTI GEGEN EINEN HUND HAT? Nun, sie lässt sich ja umstimmen.Ihr Mutterherz wird angerührt durch die Winselei. Aber an wem hängt der Hundejob letztendlich? da sie ja grad zwei Gören aus dem Gröbsten raus hat, hat sie im Moment eigentlich keine Lust, sich wieder ein Anhängsel ans Bein zu binden! -Denk ich mir wenigstens.-
Grüße Heidi <IMG SRC="smilies/baby2.gif" border="0"> <IMG SRC="smilies/baby2.gif" border="0"> <IMG SRC="smilies/baby2.gif" border="0"> <IMG SRC="smilies/baby2.gif" border="0"> <IMG SRC="smilies/baby2.gif" border="0">

 

Morschen,

nette Geschichte für zwischendurch. Könnte ich auch meinem Sohn vorlegen.

Nicht jedes Kind sollte einen Hund kriegen. Denn ein Tier zu haben, bedeutet Verantwortung zu übernehmen. Dazu ist nicht jedes Kind in der Lage. Das kommt erst mit der Zeit und will genau beobachtet werden. Und einen Hund anschaffen als Therapie UM zur Verantwortung zu erziehen, halte ich für nicht tierlieb.

Übrigens heißt es "Golden Retriever". Der Red River fließt in Utah ...

Heiko

 

Moin Heiko,
wie nett, für so mal nebenbei, aber immerhin.
Mit Kettensegendingsbums kann ich Dir nicht dienen. Danke für "Golden Retriever". Wusste nicht, wie diese Rasse geschrieben wird. Hatte nicht so schnell mit dieser Aufklärung gerechnet. Deine Anmerkung in Bezug auf Anschaffung eines Hundes hat mich /uns dazu bewogen, keinen Hund anzuschaffen. Dafür haben wir eine Katze, die von allen geliebt wird und ihre eigenen Wege geht -ohne an die Leine genommen werden zu müssen-.
Grüße Heidi :p

 

@Morphin
Damit hast Du schon recht, weshalb man NIEMALS einem Kind ein Tier anschaffen sollte! Man sollte es mit einem Hund aufwachsen lassen, solange man auch die Bedingungen (Garten, Auslauf, Zuwendung etc.) erfüllen kann. Ich bin ja selbst mit Tieren aufgewachsen, aber früher, da mußten natürlich meine Eltern die Käfige der Hasen ausmisten... ;)
Ich halte es für sehr wichtig, daß man mit Tieren aufwächst... :cool: Aber wenn es von den Bedingungen her nicht geht, dann geht's halt nicht... :(

@Heidi
Ja - meine Frage war eigentlich auch ironisch gemeint... :rolleyes:

Grizze
stephy

P.S.: nicht freiwillig Frühaufsteherin. Ich geh halt noch zur Schule... :rolleyes:

 

@Heidi

Ich steh nicht auf Geschichten mit Kettensägenrobotern. Das Zitat hab ich gewählt, weil ich es für unabdingbar satirisch halte. Ich stehe mehr auf Geschichten aus dem Alltag. Deine ist ja aus dem Alltag ... 'na, immerhin' klingt ein bißchen enttäuscht. Brauchst Du nicht zu sein. Dein Stil ist ok.

;)

Heiko

 

Na, Heiko,
bin nicht enttäuscht. Da müsste man schon anderes Kaliber auffahren. Dein "Kettensägenroboter-Zitat" find ich übrigens auch zum Umfallen. :p
ALso: rundum Übereinstimmung!
Grüße Heidi

 

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