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- Anmerkungen zum Text
In der Hauptsache wird mein gutes Herzelein greenwichs Wunsch entsprechen
Oh ja, @Friedrichard , nimm diese Geschichte, bitte, bitte!
Nicht immer hilft Farbe
https://www.wortkrieger.de/index.php?threads/nicht-immer-hilft-farbe.64000/
verarbeitet, wenn auch das weitere Œuvre wie
Waat dat watt?
https://www.wortkrieger.de/index.php?threads/waat-dat-watt.62219/undKatzen sind altmodisch
https://www.wortkrieger.de/index.php?threads/katzen-sind-altmodisch.63782/
miteingeflossen ist.Natürlich konnt‘ ich mir nicht verkneifen, eine eigene Jugendsünde zu fleddern
Seltsame Reise Sommer 67
https://www.wortkrieger.de/index.php?threads/seltsame-reise-sommer-67.35480/
Das Marx-Zitat stammt aus: „Luther als Schiedsrichter zwischen Strauß und Feuerbach“ von 1842
Der Feuerbachkreis
Dürftig und kinderlos lebst du in langsamer Zeit.
Nichts zu erzeugen und nichts zu pflegen in sorgender Liebe,
Alternd im Kinde sich nicht wiederzusehn, ist der Tod.«
aus: Hölderlin, „Der Wanderer“, 27 ff. (1797)
Der Feuerbachkreis
Karl Marx
„Weiß einer, was mit Friedchen ist?“, wirft Wagner ein, dass Stirner grinst und behauptet: „Der reitet bestimmt auf sei‘m Pudel durch Nacht und Wind.“
„Hoffentlich fällt er da nich‘ runner!“, brummt Marx in seinen Bart, als Keller auf einem Königspudel eingeritten kommt mit der Botschaft an den Wirt, „Hannes, zapf ma‘ gleich‘n großes, brauchze nachher nich‘ so viel laufen!“
Wagner verzieht das Gesicht, „Verschalt doch ...“ und schüttelt sich.
„Nicht bei mir, weiße doch, Richie“, kontert Keller, hängt die Marineparka auf, deutet den Hund auf einen Platz und setzt sich zu dem Trio.
Der halbe Liter kommt.
„Dann lasset dich schmecken!“, sagt der Wirt und geht zurück an den Zapfhahn.
Die vier stoßen auf ihr Wohl an, trinken. Kellers Zug ist mächtig, das Glas schon halb leer, dass er gleich das nächste mit ‘nem Kurzen ordert.
„Sag mal, Gottfried“, wirft Marx ein, „hastu‘s Mittagsschläfchen verschlafen?“
„Nee, Kalle, Flori will mal wieder ‘ne Mutprobe machen, also nicht unbedingt die Deutsche Bank plündern, sondern ‘ne Kleinkrämerseele erschrecken. - Wann, wen und wie weiß ich nicht.
Aber wird die arme Seele sich schon redlich verdient hab‘n.“
„Wird wieder so ausgehn wie letztens im Schützenverein, behaupt ich mal“, meint Marx.
Stirner wirft ein: „Wird wohl so sein.“
Keller fährt fort: „Nee, gefragt hat er nur, was ich für‘ne Musik gern mal wieder hör‘n würde.
Da fiel mir doch glatt die Raumpatrouille ein ...“
„Ach, gibts das Raumschiff noch?“, fragt Wagner.
„Nee, kennt er nicht, hat er gleich zugegeb‘n. -
Bin mir aber sicher, dass er das hinkriegt.
Mit der Musik auf jeden Fall ...“
„Das Gedudel hat sich ja ziemlich lang gehalten, find ich, länger schon als Cages slow and soft as possible“, und ausgerechnet Wagner, der bierernste Wagner, macht sich lustig: „Da hat Halberstadt Glück, dass Cage nicht die Posaunen von Jericho geschrieben hat, sondern nur ‘ne Komposition in Stille. Sonst stünd‘ da nicht ein Stein mehr auf‘m andern!
Auf solch eine Komposition muss man ja auch erst mal kommen!
Stille ...“
„Die schmerzt auf‘m Ohr oder schläfert ein ...“, meint Marx.
Und sie kommen von Höcksken auf Stöcksken, von dem auf das und als einer fragt, wer denn nun den Käpt‘n Blaubär spreche, „Völz kann‘s ja nicht mehr sein!“, fährt Stirner pflichtbewusst hinein ins Chaos: „Kommt, lasst uns weitermachen!“
Aber Keller ist schon beim vierten Bier und kurzem Dritten und nicht bei der Sache, träumt.
Mehr als fuffzig Jahre zurück in die Zukunft.
Da fiel er nach den Demos und Blockaden der Springerdruckhäuser am Osterdienstag nach dem Dutschkeattentat zu Hause in ein tiefes Loch, verlor sich im Nirgendwo und fand nur ganz langsam wieder zu sich im Irrgendwo, glaubte zu erkennen, dass er auf der Brücke eines Schiffes lag und einige Meter vor ihm sich zwei gackernde Hühnervögel stritten.
Er robbte vorsichtig und so weit möglich geräuschlos näher an das Paar.
Die beiden trugen traumhafte Uniformen, die heute noch was hergäben und vor denen man - so viel hatte er schon gelernt als Wölfling und Pfadfinder und beim Hauptmann von Köpenick, den sie gerade in der Schule lasen - im wirklichen Leben stramm stünde. Nicht jeder, aber immerhin ist so was ja auch ansteckend und abschreckend zugleich.
Das eine Huhn war ein bunter Hahn
und das andre eine Henne von Fasan.
Die beiden stritten sich über ein mathematisches Problem - Navigation und den Kurs, der zu nehmen wäre.
Die Henne gackerte gerade: „Ich befürworte Ihre Autorität, Commander McLane, denn Autorität muss sein und wo kämen wir hin, wenn’s drunter und drüber ginge?
Aber gleichzeitig bin ich selber Autorität genug und stelle etwas dar und sehe es gerne, wenn sich andere mir unterwerfen: Denn bei mir kann jeder tun und lassen, was ich will!", drehte sich um und ließ den Hahn stehen.
Der Commander erstarrte und schluchzte zunächst nur vor sich hin – nun ahnte Friedchen, welch ein Weichei McLane war! - und dieses Weichei krähte: "Gehen Sie nur, Leutnant Jagellovskaja, gehen Sie nur!
Dass man auf einer galaktischen Sandbank strandet, kann doch nur einem Sicherheitsoffizier gelingen, der zudem noch professioneller Spitzel Galaktischer Sicherheitsdienste ist und eine dumme graue Gans in bunter Huhniform…“, womit er wohl ein dummes Huhn umschrieb.
Die Namen kamen Friedchen bekannt vor.
Aber das konnte doch nicht das Raumschiff Orion sein!
Jedenfalls nicht dessen Commander, wie die Jungen ihn aus der Raumpatrouille kannten.
„Vor einer schluchzenden Uniform wird auch niemand strammstehen“, sagte der kleine Keller im Stillen.
Da hatte der Commander ihn endlich bemerkt.
„Wer bist denn du?“, krähte er sanftmütig.
Und Keller erzählte ohne Punkt und Komma, wie er in dieses tiefe Loch gepurzelt und auf dem Schiff gestrandet sei. Da lächelte der Commander und versprach, ihn wieder aus dem leeren Raum herauszubringen, wenn er ihm ein oder zwei Probleme zu lösen helfe. Nicht das eigentlich größte, denn das dumme Huhn hätte den Raumkreuzer in ein galaktisches Trümmerfeld navigiert, wo’s nun festsäße, und er, der Commander, müsste den Kreuzer wieder flott kriegen. Aber bei zwei Dingen könne Gott und Friedchen helfen, da ein Schüler, der er sicherlich sei, näher am allgemeinen Wissen der Zeit lebe als er mit seinem speziellen Wissen von Übermorgen.
An Bord gebe es ein anarchisches Ferkel, das ihn vor versammelter Mannschaft beim Spiel der Uno ständig schlage und das ihm einmal an den Kopf geworfen habe, es gebe drei Arten von Vorgesetzten: die einen können bis drei zählen, aber die andern können es nicht.
„Das verstehe ich nicht. Wo bleibt da die dritte Art?“, fragte der Commander ein wenig verzweifelt.
Oh Neugierde, was tust du mir an!, jammerte es Keller.
Wie sollte ein kleiner Mittelschüler die Probleme eines Weltraumreisenden und der Welt lösen, zumindest erklären können! In welch ein Jammertal hatte die Neugier ihn gestoßen! Und er verspreche aller Welt, sich auf seine Schulbücher zu konzentrieren und weniger herumzustreunen, mehr über spanische Grammatik – möge sie ihm auch immer ein böhmisches Dorf bleiben - zu lernen als über Beatniks und Musik (was natürlich die Guitarre nicht ausschlösse). Vergeblich kratzte Gott Friedchen das bisschen zusammen, was er von der Spieltheorie zu wissen glaubte, um das Verhalten der Uno erklären zu können.
Aber der Commander hatte andere Sorgen, als von Friedchens bescheidenem schulischen Wissen zu profitieren, denn das kleine Raumschiff kam mit einem überraschenden Ruck aus dem galaktischen Trümmerfeld heraus, dass alle und alles zu stürzen drohte.
Im gleichen Augenblick schlug sich der Commander vor die Stirn und krähte hysterisch als der Gockel, der er war: „Was sind wir doch für Schwachköpfe und doch zugleich genial! –
Haltet euch fest, wo ihr nur könnt!“
Aber da ging die Fahrt schon abwärts.
Die Orion war nämlich am Rand der Milchstraße angekommen und - als wär’s das nebensächlichste der Welt - es wurde bewiesen, dass die uns bekannte Welt, eben unsere Galaxie, eine Scheibe ist -
eine Scheibe Emmentaler.
Dieser wissenschaftliche Beweis wird auf immer mit dem Namen des Commanders verknüpft sein, obwohl ihn das dumme Huhn von Sicherheitsoffizier dort hineinmanövriert hat.
Aber wem an Bord würde wissenschaftlicher Ruhm noch nützen?
Die Orion erwies sich als das Raumschiff am Rande des Abgrundes, das einen Schritt voraus wäre. Kurz und gut, man wird sagen: Der Commander ginge einen Schritt zu weit.
Die Orion kippte über den Rand der Milchstraße, um mit Mann und Maus in ein schwarzes Loch zu stürzen - unweit des Feuerbachkreises und des Pannekoekserails.
Niemand vermochte sich zu halten. Alle purzelten sie durcheinander: Friedchen übern Commander und das Sicherheitshuhn über beide und alle über Mann- und Frauschaft. Hähne, Hennen und Keller und andere schleuderte es von der Brücke und sie traten einen Freiflug ins Nichts an, der jeden Billigflieger in den Schatten stellt. Sie schrien, was das Zeug hält und Dohlen und Möwen stimmten ein in das Geschrei und die auf ihren Besen kreisenden Hedwig und Isabell rezitierten das Hexeneinmaleins.
Und niemand hörte zu.
Cage blieb und bleibt stumm.
Stille zöge sie hinab, wo sie doch eigentlich schwerelos schweben müssten ...
„He, aufwachen!“, bellt Marx und Stirner schüttelt Keller, der tatsächlich die Erkennungsmelodie der Raumpatrouille erkennt. Hannes hat die Tür weit aufgerissen, der Himmel schämt sich und Rauch beißt. Keller, Marx, Stirner und Wagner stürmen hinaus und Hannes, der Wirt, ruft die Feuerwehr.
Was die vier nach wenigen Metern sehen, macht fassungslos!
Da steht kopfschüttelnd und mit ringenden Händen Mooder Ääd vor der brennenden Schöpfung und schweigt.
„Wir können ja morgen aufräumen kommen und meine Eltern haben bestimmt eine Versicherung gegen … so was“, sagt Niklas und und Julia nickt zustimmend.
„Genau, meine Eltern haben auch eine, also regeln die das.“
Die Mooder fährt zu ihnen herum. „Ist das wirklich alles? Mehr fällt euch nicht ein?“ Ihr Tonfall ist ruhig und dennoch böse, dass sie die Köpfe einziehen. Den Kopf zur Seite geneigt, als lausche sie, schaut sie Richtung Hofeinfahrt. Da steht der Feuerbachkreis und von weitem ertönen Martinshörner, die rasch näherkommen.
Julia wirft ihre Haare zurück und richtet sich auf. „Wir haben uns doch entschuldigt, geben Sie uns doch eine Chance es in Ordnung zu bringen“, dass Opa Kalle der Kragen platzt: „Zum Donnerdrummel nochmal!
Kein‘ Kurasch inne Büx, aber La-Paloma pfeifen!
Was soll das sein, Du hätt`st euch entschuldigt?
Kein Mensch, nicht mal der Heiland, kann sich selbst von Schuld freisprechen!
Um Entschuldigung bitten könnt ihr, nicht mehr - aber auch nicht weniger - und auf Vergebung hoffen.“
Und Opa Max schimpft und fragt die jungen Attentäter, ihm auch nur eine Versicherung zu nennen, die groben Unfug finanziere!
Da hebt Gottfriedchen sein Auge gen Himmel und siehe, es reiten auf ihren Besen Hedwig und Isabell um die Krone einer mächtigen Eiche. Da steckt die Orion fest und wir hören die Stimme Wolfgang Völz‘, des Armierungsoffiziers der Orion:
„Höret, ihr Menschlein, wir sind zu solidarischem Handeln bereit, denn eure Interessen sind unsere. Denn wisset, der Baum ist befallen vom Thaumetopoea processionea und bringt die Orion in Gefahr, erneut abzustürzen. Das kann nicht in unserem Interesse sein.
Und was das Feuer in eurer Welt nicht schafft, wird gleich das Wasser besorgen, dass wir bereit sind, mit unserer modernen Technik einen Zeitensprung in die gute alte Zeit zurück zu tun und es wird sein, als hätte es euch nie gegeben.“
Nichts zu erzeugen ist ja und nichts zu Pflegen in Liebe
Alternd im Kinde sich nicht wieder zusehn, wie derTod.«
aus: Hölderlin, „Der Wanderer“ (2. Fassung, 1801)