Ich find das wirklich putzig, wie bei dieser Diskussion jedesmal 500 Jahre alte Beispiele kommen.
Du irrst, Quinn, das mit dem 500 Jahre alten Beispiel war mal, diesmal habe ich ein beinahe 1000 Jahre altes Beispiel gebracht.
Da wird als Beweis dafür, dass es absolut okay ist "public viewing" zu sagen, angeführt
Nein, nicht als Beweis dafür, sondern um zu sagen: Jede Sprache nimmt, solange sie lebt, Fremdes ins sich auf – die eine mehr und die andere weniger.
Wir haben heute eine ganz andere Situation.
Haben wir? Du sagst doch selbst, dass sich eine Sprache
„organisch entwickelt, über Jahrhunderte durch den Kontakt mit Besatzungsvölkern oder - händlern. Ein Volk mit einer geringen Alphabetesierungsquote. Das sind komplett andere Umstände, in denen sich Sprache entwickelt hat.“
Genau das haben wir auch heute, nur dass die Alphabetisierungsquote eine weit höhere ist. Die Kontakte der Normannen zu den Einheimischen von damals waren hautnah und genauso ist es auch heute: Durch die Medien. Und beides zusammen – die höhere Alphabetisierungsquote und die permanente Verfügbarkeit „fremder“ Medien für weite Bevölkerungsschichten – bewirkt eben eine schnellere organische Entwicklung der Sprache. Für manche scheint das zu schnell zu sein.
Aber nicht nur das Deutsche, alle Sprachen werden durch den heutigen engen Kontakt voneinander befruchtet. Wenn man es positiv sieht. Die Schwarzseher sagen zu dieser Befruchtung freilich Kontamination, pardon, Verseuchung. 
Goethe hat es positiv gesehen, deswegen gilt auch heute sein Wort:»Die Gewalt einer Sprache ist nicht, dass sie das Fremde abweist, sondern dass sie es verschlingt.«
Nur weil die Normannen mal die Südküste Englands erobert und ihr Französisch mitgebracht haben, müssen wir es doch nicht okay finden, dass ein einzelner Mensch uns nun mit "Public Viewing" quält, bis in alle Ewigkeit!
Da hast du Recht, wenn auch man sich über diese Ewigkeit streiten kann – ich
zitiere:
“Eine Gefahr der »Überfremdung« der deutschen Sprache, wie sie seit dem 17. Jh. in fast regelmäßigen Abständen und so auch neuerdings wieder von bestimmter Seite befürchtet wird, bestand nie und besteht auch in Zukunft nicht. Die Aufnahme neuer und das Aussterben alter Fremdwörter hält sich seit Jahrhunderten nahezu die Waage. Daran haben selbst die Massenmedien des 20. Jh.s, denen bei der Verbreitung von fremdem Wortgut eine besondere Rolle zugesprochen wird, nichts geändert.“
Das Beispiel "Public Viewing" ist zudem eine Besonderheit – auf diesen Begriff trifft Folgendes zu:
“ Besonders deutlich zeigt sich der kulturelle Einfluss einer Gebersprache, wenn Wörter nach ihrem Vorbild entstehen, die sie selbst gar nicht kennt. So werden heute gelegentlich Wörter nach englischem Muster gebildet, ohne dass es sie im englischsprachigen Raum überhaupt gibt. Man spricht dann von Scheinentlehnungen (Twen, Handy, Showmaster) und Halbentlehnungen mit neuen Bedeutungen (Herrenslip, engl. briefs). Wer solche Neubildungen als sprachlich-kulturelle Rückgratlosigkeit (»linguistic submissiveness«) deutet, übersieht, dass es sich um ein legitimes und seit Jahrhunderten bewährtes Mittel der Sprachbereicherung handelt. Die meisten Termini der wissenschaftlichen Fachsprachen sind solche Schein- oder Halbentlehnungen: nach griechischem oder lateinischem Muster geprägte, aus griechischen oder lateinischen Versatzstücken zusammengesetzte »Kunstwörter« (so eine sprechende, im 17. bis 19. Jh. verbreitete Verdeutschung von Terminus), die in den Ausgangssprachen so nicht belegt sind (z.B. Chromosom, Gen, Fotosynthese in der Biologie, Hormon, Karzinom, Toxoplasmose in der Medizin).“
Was wär denn passiert, wenn die Schlacht von Hastings anders ausgegangen wäre und du nicht dieses Beispiel hättest? Wärst du dann anderer Meinung darüber? Käme drauf an, was die Süddeutsche drüber schriebe, nehme ich an.
Blödsinn – wie du sehen kannst, bringe ich Zitate überwiegend aus dem Duden. Aber eines zeigt dieses Beispiel deutlich: Der Stachel sitzt – du kommst in deinem Beitrag 3 Mal auf Hastings und die Folgen zurück -, wohl weil das Argument nicht zu entkräften ist.
Wer ist dann dafür, dass Einzelpersonen oder Organisationen aus Motiven, die überhaupt nichts mit Sprache zu tun haben, solche Macht auf die Sprache ausüben? Findet das einer toll? Hört einer gern Jürgen Klinsmann zu?
Die Motive eines Sprechers oder einer Organisation haben nichts damit zu tun, ob ein neues Wort vom Volk angenommen und in der Folge dann ins Wörterbuch kommt. Beispiel: So wie einst der Begriff
„Felix Austria“ zum geflügelten Wort wurde, so hat es auch die
“Flasche leer“zu einer gewissen Berühmtheit gebracht. Beides wurde unverändert in den Sprachgebrauch übernommen, obwohl das eine lateinisch ist und das andere im falschen Deutsch ausgedrückt. Die Zeit wird es zeigen, ob Trapattonis Spruch die Zeiten genauso überdauern wird, wie das bei Felix Austria der Fall war.
Erst vor zwei Jahren wurde in den USA ein Bundesgesetz beschlossen, das Englisch dauerhaft als einzige Amtssprache vorsieht. Der Grund dafür waren Bestrebungen der zugewanderten Hispanios - die in manchen Gegenden bereits eine Bevölkerungsmehrheit stellen - Spanisch als zweite Amtssprache zu etablieren.
Sehe ich das richtig: Die spanisch sprechende Mehrheit darf sich nicht durchsetzen, wenn die andere, englisch sprechende Mehrheit das nicht will? Aber so ist nun mal: Die Konservativen, also die Bewahrer von Status Quo, gibt es überall, doch sie werden nicht gewinnen, das Neue setzt sich überall durch, und wenn nicht, ist der Niedergang vorprogrammiert – siehe Geschichte der alten Kulturen.
Die Schwammartigkeit des Deutschen, besonders was Wörter aus dem angelsächsischen Raum betrifft, hat sicherlich einen soziolinguistischen Hintergrund. Übrigens soll, meines Wissens, auch das Italienisch von Anglizismen geradezu heillos überschwemmt sein. Würde meine Theorie, besagte Affinität zu englisch-amerikanischen Wörtern stammt aus der Nachkriegszeit, unterstützen. Die Deutschen konnten aus ihrer Scham und ihrem schlechten Gewissen gar nicht mehr aufblicken.
Man kann das so sehen, aber die Tatsache, dass auch die unbelasteten Franzosen, Italiener, Spanier und die ganzen ehemaligen Ostblockvölker auch das Englische als erste Fremdsprache bevorzugen und nicht zuletzt aufgrund des Internets mit den gleichen "Anglizismenproblemen“ zu kämpfen haben, spricht dem entgegen.
Nun aber, in der heutigen Zeit, in dem die USA eifrig dabei sind ihren Ruf durch rücksichtslose, blinde imperialistische Außenpolitik zu ruinieren, lässt sich leicht voraussagen, dass es mit den Anglizismen bald vorbei sein wird, vielleicht schon in zehn Jahren.
Na ja, erstens leben Totgesagte länger, und zweitens hat es in der Historie schon oft führende Staaten/Kulturen gegeben, die irgendwann ihre Führungsrolle verloren haben. Das hat weniger mit ihrer imperialistischen oder expansionistischen Politik zu tun (siehe Rom, Araber, Spanier, Engländer), sondern mit der Innovationskraft dieser Staaten/Kulturen: Sobald sie anfingen, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen, ging bergab mit ihnen und andere traten an ihre Stelle.
Insofern war das 20. Jahrhundert weniger ein englisches, denn amerikanisches. USA haben wie ein Schwamm alles Gute von überall her importiert: Die besten Ideen samt den Wissenschaftlern, die diese Ideen produzierten. Ihr ziemlich hemdsärmeliger aber erfolgreicher Umgang mit dem angesammelten Wissen (Einscannen von Büchern, was Volltextsuche ermöglicht) führt dazu, dass englischsprachige Literatur überall verfügbar ist. In Europa dagegen kocht jeder sein eigenes Süppchen (wenn es überhaupt so weit ist), was im Endergebnis bedeutet, dass man vor allem auf wissenschaftlichen Gebieten bevorzugt die allein leicht verfügbaren amerikanische Quellen liest, verwendet und natürlich auch zitiert.
Es war schon immer so: Wer zuerst etwas erfand, gab der Erfindung (muss nicht unbedingt etwas Technisches sein) den Namen, und die anderen übernahmen mit der Erfindung auch den Namen. Das erklärt fast alle Anglizismen der heutigen Zeit, nicht aber Neuschöpfungen wie Public Viewing oder Handy, doch dazu siehe meine Antwort an Quinn.