Was ist neu

Deutschland über alles

Seniors
Beitritt
10.11.2003
Beiträge
2.248

Deutschland über alles

Über den Import deutscher Wörter und deren unbekümmerte Verwendung in England schreibt die Süddeutsche Zeitung:

Während sich in Deutschland die Sprachbewahrer ob der unzähligen Anglizismen die Haare raufen, geht schnell vergessen, dass nicht nur importiert, sondern auch exportiert wird: Die Briten beispielsweise haben eine erwiesene Schwäche für das deutsche Wort 'über'. Sie benützen es zur Steigerung diverser Sachverhalte, verzichten dabei allerdings prinzipiell auf die ü-Pünktchen. Dies entdeckte eine Untersuchung des Wörterbuch-Verlags HarperCollins im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa. So bespricht man in englischen Büros unter Kollegen schon mal die neue Arbeitskollegin, ein echtes 'Uber-Babe', das auch noch 'uber-charming' ist. Der 'UberBoss' sollte von dieser Plauderei allerdings nichts mitkriegen. Und damit nicht genug: Auch die schöne Wendung 'Deutschland über alles' wird im Empire kreativ wiederverwertet. Je nach Belieben fordert deshalb der globalisierte Brite: 'human rights uber alles' oder 'the market dogma uber alles'. Paradoxerweise haben die Deutschen wiederum eine Vorliebe für englische 'under'-Wörter wie 'understatement' oder 'undercover'. Hat dieser über-unter Austausch etwas zu bedeuten? Wahrscheinlich nicht. Aber die Engländer sind insofern 'uberlegen', als dass sie sich um die Herkunft ihrer Wörter 'angst', 'blitz' oder 'zeitgeisty' nicht weiter scheren. Britische Gelassenheit - oder eben Coolness.sly

Warum können wir nicht so gelassen mit unserer Sprache - und den fremden Elementen in ihr – umgehen?

 

Das tun wir doch, wir importieren viel mehr Wörter als die Amis. Mir fällt das ja immer auf, wenn ich die englischen Kolummnen auf ESPN lese, so viel ist da mit "deutsch" nicht im Vergleich zu uns, bisschen Kindergarten, bisschen Schadenfreude, bisschen angst und das war's dann schon. Man muss sich nur mal 3Minuten Werbung angucken und kann sehen, was für einen Wortmüll wir da importieren.
Ich bin nicht dagegen, dass wir Wörter importieren. Aber dass unsere Sprache von schlecht bezahlten Synchronisations-Fuzzys am Fließband geformt wird und von Werbeleuten ... das ist mal kacke. :)

Also der Artikel da, ist wirklich doof. Mal ernsthaft. Das sind ganz andere Weisen. Bei denen werden Wörter wie "Zeitgeist" gezielt importiert, weil ein Bedarf für sie besteht - oder weil sie gut klingen. Bei uns werden Wendungen und Wörter rübergeballert, weil jemand bei der Synchronisation von Gilmore Girls unter Zeitdruck steht. Das ist schon ein gewaltiger Unterschied.
Unsere Popkultur wird 1:1 aus englischsprachigen Ländern importiert, mit minimalen deutschen Einsprengseln. Wieviel Popkultur importiert denn die USA? Bisschen Spanisch und das war's. Ganz andere Verhältnisse, sehr dummer, tendenziöser Artikel.

 
Zuletzt bearbeitet:

Warum können wir nicht so gelassen mit unserer Sprache - und den fremden Elementen in ihr – umgehen?

Für mich gesprochen: Weil nicht dann und wann mal ein Wörtchen daherkommt, sondern geradezu eine Überschwemmung durch Anglizismen stattfindet, die willfährigst von Fernsehmoderatoren und Printmedien transportiert wird. Praktisch erhält jedes neue Produkt, jede neue Entdeckung, jedes neue Sportgerät, jeder neue Wirtschaftszweig oder Begriff ... einen englischen Namen.
Dazu ein Zitat des Schriftstellers Galsan Tschinag http://de.wikipedia.org/wiki/Galsan_Tschinag:

Ähnlich wie bei den Deutschen gilt bei den Mongolen derjenige als 'weltgewandt' und 'gebildet', dem es gelingt, in jedem Satz ein oder zwei englische Worte unterzubringen. Noch zu keiner Zeit wurde die mongolische Muttersprache so entstellt wie in Laufe der letzten Jahre.

Manuela :)

P.S. Schlimm finde ich den Begriff "neudeutsch", noch schlimmer, wenn das Wort "sogenannt" vor ein englisches Lehenswort gestellt wird, am schlimmsten, wenn der (völlig überlüssige) englische Begriff im weiteren Satzverlauf auf Deutsch erklärt wird.

 
Zuletzt bearbeitet:

Diese uber-Sache ist ein echtes Sommerlochthema, das hatte seine Hochzeit so während des Punk, wenn ich mich recht erinnere.

Ich sehe das wie Quinn: Es geht nicht um importierte Wörter, die etwas treffen, wofür es in der eigenen Sprache keine adäquaten Begriffe gibt (auch Gemütlichkeit z.B. oder schlepping my suitcase around - das nun wieder wohl mehr aus dem Yiddischen kommt). Sondern um die massenhaft falsche Verwendung übernommener Wörter.

Glaube nicht, daß sich jemand ernsthaft über cool aufregt; weil das genau analog in englischsprachigen Ländern verwendet wird.
A mobile might come in handy sometimes, das macht es aber noch lange nicht zum Handy. Und dieser Quatsch mit Infopoint und sowas. Damit labern die Leute komisches Deutsch und machen dann darüberhinaus noch mehr Fehler im Englischen (das kann man manchmal tatsächlich schon raushören).

Damit ist der "Wortimport" in dieser Variante unsinnig. Soweit ich diese Debatten verfolgt habe, geht es meist um diese fehlerhafte Übertragung, nicht um lebendigen Sprachwandel, der einem im Moment, in dem man ihn miterlebt, vermutlich immer etwas eigenartig vorkommt. Wenn sich eine Sprache keine Fremd/Lehnwörter mehr einverleibt, ist dies vom linguistischen Standpunkt eines der Anzeichen, daß sie zu einer toten Sprache geworden ist; siehe Latein. Vllt sollten wir das also gelassener sehen.

Ich finde übrigens, das Ü im Titel hätte konsequenterweise ein U sein müssen, tsts. ;)

 

Wir hatten hier nen Englischkurs und der Lehrer, ein Schotte mit einem ganz spannenden Akzent, hat uns mal erklärt, wie das die Engländer sehen: Die müssen auch erst mal wieder eine neue Sprache lernen, wenn sie International Business machen wollen, weil das Englisch, das der Rest der Welt verwendet, einfach nicht mehr das Englisch ist, das sie in der Schule gelernt haben.

Man ist einfach als Engländer nicht mehr international, wenn man nicht weiß, was ein Handy ist. Oder dass, wenn ein Deutscher sagt: "I have to discuss that with my chef", er nicht etwa seinen Koch anrufen will, sondern seinen Boss.

Und das läuft in jeder Sprache so, und entsteht aus dem täglichen Leben in internationalen Firmen. Muss ich in meinem Büro ab morgen Englisch reden, weiß jeder, was ich mit "Chef" oder "Handy" meine - meine Kollegen aus den Staaten aber erstmal nicht.

Mittlerweile ist der internationale Einfluss auf die englische Sprache (Handy, Chef, Infopoint ... und das sind nur die deutschen Importe) so groß geworden, dass es in England und in den Staaten eigene Kurse und Bücher dafür gibt, um sich international auf Englisch verständigen zu können.

Schmunzeln muss man dann, wenn Wörter ganz offensichtlich falsch übersetzt werden, wie der Unternehmer, der dann zum Undertaker wird - und damit zum Leichenbestatter.

Und zu anderen Ländern: Frankreich hat mit "baladeur" mehr oder weniger erfolgreich den "Walkman" verdrängt, bei "coussin de sécurité" für den "Airbag" hats dann aber nicht mehr gereicht. Offensichtlich fanden die Franzosen dieses kurze, knappe Wort ganz einfach ... catchy.

 

Wenn sich eine Sprache keine Fremd/Lehnwörter mehr einverleibt, ist dies vom linguistischen Standpunkt eines der Anzeichen, daß sie zu einer toten Sprache geworden ist; siehe Latein. Vllt sollten wir das also gelassener sehen.
Das ist der Punkt und auch meine Meinung.

Wenn man sich die Druckerzeugnisse des 19ten Jahrhundert anschaut, dann wird man feststellen, dass man damals eine Unmenge französischer Wörter benutzte, die inzwischen so eingedeutscht sind, dass man deren fremden Ursprung gar nicht mehr merkt.

Manches aus dem Französischen wird jedoch unverändert angewandt (z.B. in der Haute Cuisine (Hohe Küche klingt halt blöd), beim Ballett oder in der Mode) wie derzeit auch das Englische in der Computerbranche, und das alles weltweit.

Umgekehrt hat die deutsche Sprache im 19.Jhdt. und Anfang des 20ten eine führende Rolle in der Wissenschaft gehabt, war da so wenig weg zu denken, wie heute das Englische. So werden heute noch weltweit deutsche Wörter unverändert in der Psychoanalyse verwendet, einfach weil Freud sie als erster eingeführt hat und die Übersetzungen selten so genau sein können, um nicht zu Missverständnissen zu führen.

Luther hat dem Volk aufs Maul geschaut und konnte daher eine kraftvolle Bibelübersetzung liefern. Er hat sich nicht darum gekümmert, woher ein Wort stammte, er hat es einfach verwendet. Das sollten auch wir in unseren Geschichten tun.

 

Luther hat dem Volk aufs Maul geschaut und konnte daher eine kraftvolle Bibelübersetzung liefern. Er hat sich nicht darum gekümmert, woher ein Wort stammte, er hat es einfach verwendet. Das sollten auch wir in unseren Geschichten tun.
Also ernsthaft, was hat Luther denn jetzt damit zu tun, dass Leute Denglisch Scheiße finden? Ein Wort wie "Handy" klingt einfach scheiße, weil es eine Lautfolge hat, die in jedem deutschen Satz fremd und albern klingen muss. Mit dem babyhaften "ä-y" da ("catchy" ist genau so mist). Vielleicht ändert sich das irgendwann, so wie wir die griechischen Lehnwörter auf "phon" heute als wohlklingend verstehen (Telephon, Xylophon, Grammophon"), aber im Moment ...wäh.

Da bringst du Beispiele von vor 500 Jahren. Da hat sich Sprache ganz anders entwickelt. Da haben irgendwelche französische Soldaten eine Provinz gebrandschatzt und die armen Leutchen haben ein paar französische Wörter aufgeschnappt und verballhornt.

Und wenn Leute "realisieren" falsch verwenden, dann ist das einfach ein Zeichen von Ignoranz. Wir tun unserem Denken keinen Gefallen, wenn wir die Sprache so von der Sache wegentwickeln, dass wir die Sache dahinter nicht mehr sehen. "Realisieren" zum Beispiel, das eigentlich als "in die Tat umsetzen" gedacht war/Real werden lassen ... das kann man mit viel Phantasie noch nachvollziehen (wobei in "verwirklichen", ja das "wirklich" viel besser drinsteckt), aber wie man von "realisieren" auf "begreifen, verstehen" kommen kann, da sieht man die Bedeutung überhaupt nicht mehr.

Realisieren verdrängt das wunderschöne Wort "begreifen"! Darüber sollte man sich aufregen - vor allem als Autor! Weil es die Arbeit erschwert.
Und nicht darüber, dass das angebliche deutsche Spießbürgertum so böse ist und das Wort "lifestyle" für überflüssig hält. Für den aktiven Lebensstil! Meine Fresse.

 

Wofür brauchen wir Wörter wie: Event, Sequel, Primetime, Product-Placement, Voting, Suspense, Screening, Ranking, Anti-Aging, Wellness, Nordic-Walking, Jogging, Trecking, und und und ...
Das würde ich mir gerne mal erklären lassen. Vor allem, was das mit moderner Sprachentwicklung zu tun hat.

 
Zuletzt bearbeitet:

Bei näherem Nachdenken (und kühlerem Abend) glaube ich, daß es gar nicht um potentielle Lehnwörter geht, sondern um eine stimmige Verwendung von Worten allgemein - in der eigenen oder in einer Fremdsprache.

Von daher bezog sich mein "entspannt" auch nur auf den Prozeß des Entlehnens/Veränderung im richtigen Kontext (> Sprachwandel), und nicht auf fröhliche Beliebigkeit mit allem und jedem.

Realisieren = erfassen ist ein Horrorbeispiel, bei dem ich nur noch rot sehe; ebenso wie "Sinn machen", was man hier auch oft liest, und was ebenso falsch ist. Das sind falsche Übertragungen aus dem Englischen. Es werden aber ähnlich gelagerte Fehler in der eigenen Sprache / mit längst ursprünglich korrekt entlehnten Worten gemacht. So nehmen Leute Formalia für sowas wie 'Formkram/Fehlerliste'. Es werden falsche Bezüge gesetzt und Begriffe unstimmig zusammengesetzt. Sowas hat nicht unbedingt mit Sprachwandel zu tun (kann allerdings dazu werden, je nachdem, ob es Konvention wird, oder nicht). Aber nicht jeder Fehler und Trendbegriff gehört gleich zum Sprachwandel.

Etwas anderes ist für mich, wenn Autoren kreativ mit Sprache spielen - das setzt aber erstmal ein grundlegendes Verständnis für das voraus, dessen man sich bedient. Dabei können Worte/Begriffe entstehen, die speziellere Konnotationen haben, als bestehende Konventionen es leisten können. Das hat etwas mit der Suche nach Ausdruck zu tun - und nicht mit der Übernahme irgendwelcher hirnverbrannter Werbesprüche oder Songzeilen, weil man es nicht besser weiß, und sich nicht kümmern mag.

@Quinn:

Da hat sich Sprache ganz anders entwickelt.
Nee, linguistisch gesehen entwickelt sich Sprache immer gleich, nämlich durch Kontakt - Handel, Krieg, Völkerwanderung, bla - zu anderen Sprachen; und durch Neuschöpfungen aus veränderten Lebensumständen. Was sich anders entwickelt hat, sind aber die Kommunikationsformen: dadurch, daß man heute mit gesprochener Fremdsprache in Kontakt kommen kann (Internet, TV), ohne dem Sprecher persönlich begegnen zu müssen, läuft der Austausch schneller als noch vor ca. 120 Jahren. Aber er ist einseitig. Und das ist evt. auch der Grund dafür, daß heute dabei mehr Fehler gemacht zu werden scheinen - die Korrektur geht verloren, die man bei direktem Kontakt zum Sprecher hätte.

 

Also ernsthaft, was hat Luther denn jetzt damit zu tun, dass Leute Denglisch Scheiße finden? Ein Wort wie "Handy" klingt einfach scheiße, weil es eine Lautfolge hat, die in jedem deutschen Satz fremd und albern klingen muss. Mit dem babyhaften "ä-y" da ("catchy" ist genau so mist). Vielleicht ändert sich das irgendwann, so wie wir die griechischen Lehnwörter auf "phon" heute als wohlklingend verstehen (Telephon, Xylophon, Grammophon"), aber im Moment ...wäh.

Irgendwie, Quinn, habe ich das Gefühl, du willst dich mit mir streiten – egal, was ich sage, du bist immer dagegen. Aber leider bin ich nicht mehr so streitlustig wie ehedem, lasse lieber Leute ins Leere laufen als sich mit ihnen zu schlagen – du weißt schon, was die Wörter debattieren und diskutieren bedeuten, nicht wahr?

Also das mit dem Handy ist für mich ganz einfach: In Deutschland hat sich dieses Wort durchgesetzt - es gibt nicht einmal ein Ersatzwort oder eine deutsche Umschreibung. Es ist egal, woher dieses Wort kam, es ist da und es wird benutzt. Punkt.

Italiener sagen zum Handy telefonino, was so viel heißt wie kleines Telefon. Auch nicht optimal, aber so ist nun mal, irgendjemand erfindet ein Wort, setzt es in die Welt, wo es von anderen aufgegriffen und benutzt wird – da kann man absolut nichts machen.

Obwohl ein deutscher Ingenieur den Computer erfand, wird die Computerwelt vom Englischen beherrscht. Am Anfang, in den 60er oder sogar noch in den 70er Jahren, hat Siemens, damals ein IBM-Konkurrent, versucht, alle Begriffe einzudeutschen. Zu diesem Zweck wurde ein Lexikon der Datenverarbeitung herausgebracht (ich glaube, so an die 500 Seiten stark), in dem es kaum englische Begriffe gab, und es hat doch nichts genutzt, nicht einmal bei Siemens selbst. Du kannst Leuten nicht vorschreiben, welche Wörter sie gefälligst zu benutzen haben - siehe Frankreich.


Da bringst du Beispiele von vor 500 Jahren. Da hat sich Sprache ganz anders entwickelt. Da haben irgendwelche französische Soldaten eine Provinz gebrandschatzt und die armen Leutchen haben ein paar französische Wörter aufgeschnappt und verballhornt.
Dem ist auch heute so und in 500 Jahren wird irgendein Quinn wieder sagen: „Da bringst du Beispiele von vor 500 Jahren. Da hat sich Sprache ganz anders entwickelt. …“ :D

 

Wofür brauchen wir Wörter wie: Event, Sequel, Primetime, Product-Placement, Voting, Suspense, Screening, Ranking, Anti-Aging, Wellness, Nordic-Walking, Jogging, Trecking, und und und ...
Das würde ich mir gerne mal erklären lassen. Vor allem, was das mit moderner Sprachentwicklung zu tun hat.
Ganz einfach: Event bedeutet viel mehr als Ereignis und Hauptsendezeit statt primetime ist zu umständlich - finde für deine Beispiele deutsche Entsprechungen und du wirst selbst sehen, warum sie nicht gern benutzt werden.

 

Also das mit dem Handy ist für mich ganz einfach: In Deutschland hat sich dieses Wort durchgesetzt - es gibt nicht einmal ein Ersatzwort oder eine deutsche Umschreibung.
:dagegen:
Mobiltelefon.
Na schön. Das ist halb griechisch, halb lateinisch.

 

:dagegen:
Mobiltelefon.
Na schön. Das ist halb griechisch, halb lateinisch.
Und dieses Wort kommt von wem? Richtig: Aus Amerika importiert und ein wenig eingedeutscht.

Dagegen ist Handy ein original deutsches Wort. Scheiße zwar, aber deutsch - niemand sonst benutzt es, oder?

 

Da "mobil" und "Telefon" bereits zuvor lange in Deuschland gebräuchlich waren, ließe sich darüber trefflich streiten - zumindest, s. wikipedia, über den Wortbestandteil "Telefon".

Aus dem Jahr 1932 stammt die erste und überraschend exakte Beschreibung des Mobiltelefons in der Literatur. Sie findet sich in Erich Kästners Kinderbuch Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee:

„Ein Herr, der vor ihnen auf dem Trottoir langfuhr, trat plötzlich aufs Pflaster, zog einen Telefonhörer aus der Manteltasche, sprach eine Nummer hinein und rief: ‚Gertrud, hör mal, ich komme heute eine Stunde später zum Mittagessen. Ich will vorher noch ins Laboratorium. Wiedersehen, Schatz!‘ Dann steckte er sein Taschentelefon wieder weg, trat aufs laufende Band, las in einem Buch und fuhr seiner Wege.“

– Erich Kästner


Von "Taschentelefon" = in der Tasche mitnehmbar zu "mobil" ist es da nur noch ein kleiner Schritt. Gut möglich also, dass die Amerikaner ein deutsches Wort übernommen haben, das aus irgendwelchen Gründen die Remigration nicht geschafft hat.

 
Zuletzt bearbeitet:

Ganz einfach: Event bedeutet viel mehr als Ereignis und Hauptsendezeit statt primetime ist zu umständlich - finde für deine Beispiele deutsche Entsprechungen und du wirst selbst sehen, warum sie nicht gern benutzt werden.

So ein Unsinn, Dion. *kopfschüttel*
Das englische Wort "event" hat viele Bedeutungen. Unter anderen: Vorfall, Ereignis, Begebenheit, Veranstaltung, auf jeden Fall (in any event). Sagt aber gar nichts über die Bedeutung oder Größe des Ereignisses aus. Würde es solches bedeuten, dann könnte das nächste Modekotzwort: Megaevent ja entfallen.

Hier noch einige von mir oberhalb aufgeführte Beispiele:

Event: Veranstaltung
Sequel: Fortsetzung
Primetime: Hautabendprogramm
Voting: Abstimmung
Suspense: Spannung
Screening: Test- oder Auswahlverfahren
Monitoring: Überwachung
Ranking: Rang
Wellness: Wohlgefühl (Wohlfühlprodukt)
Nordic-Walking: nordisch gehen
Jogging: Laufen
Trecking: Wandern

Was ist denn daran so kompliziert auszusprechen, dass ich zu einem englischen Ausdruck greifen muss? Ich kapiere diese Entwicklung nicht.
Aber jetzt ziehe ich mich lieber aus dieser Diskussion zurück, sonst kommt noch jemand und beschuldigt mich der Deutschtümelei. Und das wäre wohl der "worst case." ;)

Manuela :)

 

Als Informatikerin finde ich die wohldosierte Anwendung englischer Wörter auch in normalen deutschen Gesprächen eigentlich fast schon elementar. Zu einigen Wörtern gibts garkeine sinnvolle deutsche Entsprechung, zum Beispiel Mainboard/Motherboard - im Deutschen heißt das "Hauptplatine", weiß kein Schwein, was damit gemeint ist ("in meinem Computer sind Platinen drin? Ist das nicht gefährlich?"). Oder, aus der Welt der Prozessplanung, "Use Case", wer spricht denn da bitte von einem "Anwendungsfall", das hat auch noch viel mehr Silben?

Grundsätzlich sehe ich die Verwendung englischer Begriffe als einen Versuch, häufig benutzte Wörter kürzer zu machen (die englischen Begriffe sind nun mal kürzer als die deutschen, vergleiche prime-time -> haupt-sen-de-zeit, Graka -> Grafikkarte, Mobo -> Motherboard, Prozi -> Central Processing Unit/Prozessor...). Klar kann man es dabei übertreiben, Werbefuzzies machen das gelegentlich, aber die benutzen solche Wörter ja auch den ganzen Tag und haben von daher das Gehör dafür verloren, wie das auf andere Leute wirkt, die das nicht tun. Dafür gibts genug Beispiele - soft-skills -> zwi-schen-mensch-li-che-fä-hig-kei-ten, oder aus der Online-Spiele-Welt wipe -> voll-stän-di-ge-aus-lö-schung...

Die falsche Verwendung von Wörtern, weil irgendjemand sie nicht verstanden hat, finde ich auch extrem grausam. An "Sinn machen" habe ich mich mittlerweile (notgedrungen) gewöhnt, aber es gibt in meiner Umgebung haufenweise Leute, die einfach "nen" als Universalartikel benutzen (ich geh auf nen Konzert, ich hab nen Freundin), da gruselts mich jedes Mal wieder. Und gerade das angemeckerte "realisieren" stammt ja nun wirklich nicht aus dem Englischen, wo es etwas völlig anderes bedeutet als im Deutschen.

Grundsätzlich kommt dieser Trend (wieder was Englisches, sollte ich sagen "diese Mode"? Aber das wäre französisch...), denke ich, einfach daraus, dass einzelne Berufsgruppen untereinander einfach, weil die Begriffe kürzer und prägnanter sind, der einfacheren Kommunikation halber englische Begriffe benutzen und das dann nach außen suppt. Wenn ich mich mit Kommilitonen über unser Studium unterhalte, sehe ich an den panischen Blicken der Erstsemester immer, was das für ein schreckliches Fachchinesisch sein muss. Und ein Jahr später reden die selber so. Das Fachchinesisch (-englisch) wird dann (in der Werbung zum Beispiel) nach außen transportiert bzw. in der IT-Branche (ich mag nicht "Gewerbe" dazu sagen, das klingt so 1990) von Leuten aufgeschnappt, die so klingen wollten, als hätten sie Ahnung - wiederum teilweise grob sinnentstellend (Moment, ich kompilier mal meine Shell... oh, das möchte ich sehen!) .

Wenn Leute solche Dinge falsch anwenden, weise ich sie immer darauf hin (Sokrates hätte das auch getan), ansonsten kann ich mich immer prima darüber amüsieren, wenn irgendwelche Leute versuchen, so zu klingen, als hätten sie Ahnung, aber in Wirklichkeit ist da nur heiße Luft :D

 

Diese Mode-Sportarten sind ein tolles Beispiel. "Nordic Walking" bringt die deutsche Sprache zu dem Dialog.
"Was machst du?"
"Ich gehe nordic walken."

Und alles nur, weil man es den Betreibern von Nordic-Walking-Stöcken überlassen hat, die Übersetzung auszusuchen. Und sie haben sich für die Variante entschieden, die am wenigsten die Frage: "Und? Ist das ein Sport?" aufkommen lässt.

Darum geht es doch. Es ist ein Unterschied, ob eine Studetendenclique von ihrem Professor "Zeitgeist" aufschnappt und in die Welt hinausträgt. Oder ob eine unterbezahlte Einzelperson vor der Frage steht, wie er "Iron Man Triathlon" übersetzen soll und sich dann entscheidet: "Gar Nicht!"
Deshalb haben wir nicht den Dreikampf (obwohl wir den Acht- und den Zehnkampf haben) und wir haben "Iron Man" und nicht den "Mann aus Stahl".
Das Übersetzen zu der Zeit damals hätte Probleme bedeutet. Natürlich. Hätte man den Dreikampf auch als einen Kampf zwischen dreien mißverstehen könnte? War der Mann aus Stahl nicht von den Nazis besetzt? Als hart wie Kruppstahl? Also ging man den einfachsten Weg: "Iron Man Triathlon!"


Es war ein Glücksfall für die deutsche Sprache, dass Luther ein gutes Sprachgefühl hatte, so Leuten kann man ja die Gestaltungsmacht überlassen, aber doch nicht Leuten, die aus Faulheit oder Lobby-Interessen handeln.

Als Autoren sollten wir uns um eine bildhafte Sprache bemühen, dass in den Worten noch der Vorgang zu erkennen ist. Ein Einfall ist bildlicher als eine Idee. Weil man den bildlichen Vorgang darin noch erkennen kann. Augengläser kann man sehen, eine Brille sprachlich nicht.

Irgendwann in der Schulbildung setzt sich der Gedanke fest, dass man zu einer höheren Bildungsschicht gehört, wenn man "honorieren" statt "belohnen" sagt. Die Sprache leidet darunter, sie verliert an Bildlichkeit. Es ist kein Wunder, dass man die Berufssparten mit der unbildlichsten, mit der abstraktesten Sprache am schwersten versteht: Juristen, Mediziner und Geisteswissenschaftler.

 

Es war ein Glücksfall für die deutsche Sprache, dass Luther ein gutes Sprachgefühl hatte, so Leuten kann man ja die Gestaltungsmacht überlassen, aber doch nicht Leuten, die aus Faulheit oder Lobby-Interessen handeln.
Was wäre die Alternative? Eine Schiedskommission, die darüber entscheidet, wer berechtigt ist, neue Wörter zu erfinden? Oder welche der neuen Wörtern öffentlich benutzt werden dürfen und welche nicht?

Ich finde, dass derzeitige Vorgehen der Dudenredaktion, neue Wörter ins Wörterbuch der deutschen Sprache erst aufzunehmen, wenn sie sich durchgesetzt haben, richtig ist – alles andere klänge nach Diktatur.


Es ist kein Wunder, dass man die Berufssparten mit der unbildlichsten, mit der abstraktesten Sprache am schwersten versteht: Juristen, Mediziner und Geisteswissenschaftler.
Ja, das stimmt. Allerdings muss man beachten, dass bei Juristen es sehr oft auf die Verwendung bestimmter Wörter ankommt. Ähnlich sieht es bei den Medizinern aus, die auch nicht frei sind, bei deren Auswahl.

 

Was mir dazu noch einfällt: Wörter kommen und Wörter gehen. Aber die Grammatik bleibt.

Ein paar Beispiele:

Das ist total cool, wie easy das ist.
Ich fühl mich so lol, wtf is hier los?
Das ist abgespaced!
Wir werden keinen alten Content abfarmen, sondern raiden nur neue Innies. Wir suchen begeisterte Member, die Skills im Brain haben. Wenn du spammst, kicken wir dich!

 

Was wäre die Alternative? Eine Schiedskommission, die darüber entscheidet, wer berechtigt ist, neue Wörter zu erfinden? Oder welche der neuen Wörtern öffentlich benutzt werden dürfen und welche nicht?
Ja, und die nennen wir dann SS. Sprachschutz.

Also ehrlich, Dion. Es ist an jedem einzelnen Sprecher der Sprache, sie zu gestalten. Nur: Man kann doch nicht die Hände über den Kopf zusammenschlagen und sich dem Sprachmüll ergeben. Es muss doch erstmal erlaubt sein, den Fernseher anzubrüllen und zu sagen: So ein Wort wie Frühstückscerealien gibt es nicht, du blöde Kuh.

Die Gestalter der Sprache arbeiten heute bei den Medien, das sind Journalisten aller Coleur, Übersetzer, Werbeleute und Kulturschaffende. Bei denen ein Bewusstsein für Sprache zu schaffen, wäre eine wichtige Aufgabe des Bildungssystems.

Es ist auch die Aufgabe - und deshalb hast du es ja angeblich hier gepostet - von Autoren, Bewußtsein für Sprache zu schaffen. Dafür müssten allerdings einige das erstmal selbst entwickeln. Und da können wir ja hier auf kg.de schon anfangen. Wenn es dieses Forum nicht schafft, bei Lesern, Autoren und Kritikern, den Sinn für Sprache zu schärfen, was ist es dann noch? Da kommt man über ein recht niedriges Niveau nie hinaus, wenn man nicht lernt auf Sprache zu hören und die Bilder hinter Begriffen zu sehen. Wenn wir englische Wörter importieren, töten wir die Bilder in der Sprache. Sie verliert ihre Nachvollziehbarkeit. Das gilt sogar für die ältesten Lehnwörter. Was ein "Keller" ist, muss ich lernen. Was ein Untergeschoss ist, kann ich mir zusammenreimen. Und was "parterre" ist, wissen die Götter. Eine Idee ist nicht so bildlich wie ein Einfall und dass eine "City" nun ausgerechnet eine Innenstadt ist oder eine Stadtmitte - tjo.

Und der Einwand: "Aber die deutschen Entsprechungen wären doch viel länger!" - Ja, dann erfinden wir halt neue. Natürlich ist das anstrengender, aber will man wirklich einen Satz wie "Ich geh dann mal in die City nordic walken zum public viewen" aussprechen oder hören?
Diese Wörter müssen ja irgendwie entstanden sein. Da muss entweder ein Veranstalter mal "Public Viewing" auf eine Tafel geschmiert haben oder ein Journalist das eben so zum Druck gegeben haben. Da wird Sprache gemacht, das ist kein abstraktes System, in dem keiner durchblickt, sondern das sind konkrete Momente und Entscheidungen. Jemand steht vor der Aufgabe, ein Wort für eine neue Sache zu finden (oder für eine vermeintliche neue) und dann entscheidet er sich - und die anderen entscheiden oder entscheiden sich eben nicht, das Wort aufzunehmen und weiterzutragen.
Und wenn derjenige, der da "public viewing" hinkleistert, ein Bewußtsein für die deutsche Sprache hätte, wär viel gewonnen.
Die Leute, die Sprache machen, tun das ja oft aus ganz egoistischen Gründen - wie bei den Nordic-Walking-Stöcken, die sonst keiner kaufen würde. Sich dieser Propaganda einfach zu ergeben, halte ich - und da sind wir schön bei dem Nazi-Vergleich - für dämlich.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom