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Die Analen meiner Jugend

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06.12.2001
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Die Analen meiner Jugend

Ich war drei Jahre alt und krank. Ich hatte Verstopfung und war seit ungefähr sieben Tagen nicht auf dem Klo gewesen. Es machte mir nichts aus, mein Bauch war zwar hart, aber ich realisierte die Gefahr nicht. Ich war ein Kind. Wovor ich mehr Angst hatte als vor meinem Gesundheitszustand, war ein Einlauf. Das haßte ich auf den Tod. Ich haßte es auch als meine Mutter mich dazu zwang. Ich haßte es , weil mir meine Mutter ihren Willen aufzwang und ich mich beugen mußte. Das Gefühl etwas im Hintern stecken zu haben machte mich echt „lätschig“ , ich hoffte immer, daß es schnell vorbeiginge, daß die Seifenlauge endlich drin war und ich mich beim Scheißen von ihr entledigen konnte.
Das war aber nur die Hälfte meines Problems. Die Andere bestand darin, daß ich zum Arzt mußte. Vor dem Arzt hatte ich noch mehr Angst als vor dem Einlauf, denn dieser verordnete immer Spritzen. Dazu muß ich anmerken, daß ich im Ausland aufgewachsen bin und die Nadeln dort waren im Vergleich zu einem Kinderpopo sehr dick .
Es fühlte sich an als würde man gebranntmarkt. Ich kann mich noch genau an den Raum erinnern, wo ich den beiden Krankenschwestern, sie sahen aus wie Schwimmerinnen aus der DDR (nur noch etwas dicker) , versprach, ich würde mit einer Maschinenpistole wiederkommen, um sie umzubringen , wenn ich erwachsen bin.
In der Mitte des Raumes stand ein Tisch aus Metall auf dem alles mögliche herumlag, was mir Angst einjagte. Der Raum war länglich und hatte gegenüber der Tür zwei Milchglasfenster, die nur wenig Licht hereinließen. Er wurde von Neonlicht erleuchtet, welches den Eindruck eines Horrorkabinetts verstärkte. Die dunkelgrünen Wände und die sperrige Liege links an der Wand taten ihr Übriges.
Wegen all diesen Tatsachen hatte ich irrsinnige Angst vor dem Arzt, aber ich mußte hin und nun war ich da. Er fragte, wo mir der Bauch weh täte und ich zeigte es ihm. Meinen Mutter mischte sich ein und meinte ich hätte ihr aber was anderes erzählt. Ich sagte ,sie würde lügen , denn ich hätte ihr das Gleiche erzählt. Sie verstummte. Als wir draußen waren, drohte mir meine Mutter mit Prügel, denn ich hätte sie vor dem Arzt bloßgestellt. Dabei hatte ich mir über die Verwendung des Wortes „lügen“ keine Gedanken gemacht. Damals konnte ich das aber nicht richtig erklären und bekam ersteinmal mit einem Wollhandschuh, in dem eine Hand steckte einen Schlag ins Gesicht. Zuhause ging es dann mit dem Gürtel weiter. Ich versprach meiner Mutter ich würde mir das merken und es ihr eines Tages heimzahlen. Ich muß auch sagen unsere Beziehung ist heutzutage nicht die Beste. Wir sind nicht auf dem gleichen Level. Vielleicht werde ich es ihr tatsächlich im Alter heimzahlen und sie ins Heim stecken. Vielleicht werde ich die beiden Krankenschwestern mit der Spritze aufsuchen und sie erschießen,vielleicht..., vielleicht...,vielleicht...

[Beitrag editiert von: francofranch am 10.01.2002 um 12:47]

 

Nun, wer mit drei Jahren schon den Aufstand probt und sich solche Gedanken macht, der wird - vielleicht - keine 10 Jahre alt werden...

Was willst du uns mit dieser Geschichte sagen? Steckt dahinter - vielleicht - ein tieferer Sinn? So nach dem Motto: Wage es nicht, sich mit einem Dreijährigen anzulegen!

Außerdem widerspricht sich der Kleene... erst gelobt er hoch und heilig, die Krankenschwestern zu erschießen, und am Ende zögert er doch. Naja, ein Anflug von Vernunft?

Sodele

Poncher

 

@Poncher:

Was will ich damit sagen?
-Vielleicht...,daß ein Dreijähriger auch schon ein Mensch ist und Respekt verdient. Ich glaube, daß Erwachsene Kinder im allgemeinen unterschätzen und das Potential, das in den Kindern steckt nicht realisieren. Sie tuen Kinder oft nur ab, obwohl diese noch nicht die Chance hatten zu zeigen was in ihnen steckt. Das umfaßt natürlich nicht nur Gutes, sondern auch Böses.

Wieso zögert der Kleine am Ende?
-Weil er von den Erinnerungen an seine Kindheit erzählt.Jetzt ist er groß.
Bist du etwa Feuerwehrman, Rennfahrer oder Astronaut von Beruf? ;)

Gruss Franco

[Beitrag editiert von: francofranch am 10.01.2002 um 15:32]

 

Grosser Respekt

Das wahrscheinlich mit Abstand beste was Ich je von Ihnen lesen durfte.
Nun sehe Ich in einer Zusammenarbeit keine Probleme mehr.

Weiter so

wie wärs denn mal mit einer Geschichte über die Jugend und dumme Frauen.


Hochachtungsvoll

Moriaty Langustus

 

Hi Franco

Na, dass ist doch mal eine Geschichte. Besonders begeistert hat mich das Wort "lätschig". Muss ich mir merken. Im weiteren schließ ich mich zunächst Poncher an. Der Kleine ist etwas zu jung, finde ich. Er hätte ruhig etwas älter sein können. Im Alter von 3 Jahren ist es meiner Meinung nach fast unmöglich Geschehnisse so, wie du sie beschreibst, zu reflektieren, auch wenn sie noch so einprägend sein mögen.

Zitat:
____________________________________________________________

In der Mitte des Raumes stand ein Tisch aus Metall auf dem alles mögliche herumlag, was mir Angst einjagte. Der Raum war länglich und hatte gegenüber der Tür zwei Milchglasfenster, die nur wenig Licht hereinließen. Er wurde von Neonlicht erleuchtet, welches den Eindruck eines Horrorkabinetts verstärkte. Die dunkelgrünen Wände und die sperrige Liege links an der Wand taten ihr Übriges.
____________________________________________________________

Schön umschrieben find ich, aber wie gesagt, meiner Meinung nach, für einen 3jährigen zu komplex.

Aber ich will hier nicht zuviel rummeckern, schließlich hatte ich nicht so ein -sagen wir- einstechendes Erlebnis wie der arme Junge. *Mitleid*

Das Ende erschreckt mich etwas. Da scheinen sich ja richtig heftige Agressionen aufgebaut haben, die der Kleene abbauen will. Gibt es eine Fortsetzung?

[Beitrag editiert von: Gina am 13.01.2002 um 23:27]

 

*****************
Lieber Franco!
*****************

Du hattest auch so eine "nette" Kindheit?!
Langsam outen sich ja immer mehr hier..... ;)

Die geschilderte Situation läßt mich schließen, daß Du ganz allgemein nicht als vollwertiger Mensch anerkannt wurdest - sei dahingestellt, was sonst noch so mit Dir gemacht wurde.

Zitat:
"Er fragte, wo mir der Bauch weh täte und ich zeigte es ihm. Meine Mutter mischte sich ein und meinte ich hätte ihr aber was anderes erzählt."

Hier zeigt Deine Mutter ganz deutlich, wie ernst sie Dich nimmt. Ich fühle mit Dir.

Die körperliche Mißhandlung dabei ist natürlich auch eine Sache für sich. Unter dem Deckmantel der "Fürsorge" - dafür muß man dankbar sein *grr*. Sie hat es wahrscheinlich "NUR gut GEMEINT".....richtig?

Ich finde Deine Geschichte auch stilistisch gut verarbeitet, gut lesbar geschrieben und zum Mitfühlen anregend.

* :thumbsup: * :thumbsup: * :thumbsup: * :thumbsup:

Alles liebe
Susi
*Wer Unglück gekostet hat, weiß, wie es anderen schmeckt.* dtsch.Sprichwort


******************
Lieber Poncher!
******************

Vielleicht kann ich doch ein bisschen Dein Verständnis wecken? Ohne, daß Du mir böse bist? ;)

Menschen, die als Kind mißhandelt wurden - in welcher Form auch immer - durften sich damals nicht wehren;
mußten die Wahrheit verschweigen;
wußten innerlich genau, es wird ihnen Unrecht getan, doch wurde ihnen von außen gesagt, dies sei nicht so - und einem Erwachsenen hat man zu glauben;
man frißt die ganze Scheiße; bekommt noch die Schuld dafür zugeschoben;
egal, was mit dir passiert, du mußt es fressen;

Irgendwann, vorausgesetzt man hat sein innerstes Ich dabei nicht ganz verloren und besteht nur mehr aus einer Hülle/Mauer, muß die Scheiße wieder raus.

Es ist gut, wenn jemand darüber schreibt, was ihm widerfahren ist.

Erstens, weil derjenige sich dabei selbst intensiv damit auseinandersetzt und das ist wichtig, um die Folgen, die man heute spürt, aufheben oder mildern zu können.

Zweitens, ist es ebenso wichtig, von anderen Menschen Mitgefühl zu bekommen. Das hat man nämlich in der Kindheit nie bekommen.
In der Psychologie nennt man das "Wissende Zeugen" - jemand, der einem bestätigt, daß es Unrecht war und der mit einem mitfühlen KANN.

Mit dem Hirn hat man es schnell begriffen. Aber die Gefühle brauchen länger, bis die Wunden heilen.


Alles liebe
Susi
*Ein gutes Wort kostet nicht mehr als ein böses.*

 

Liebe Gina!

Ich bin Zeuge: Man kann sich an sowas sehr weit zurückerinnern. Waren ja einschneidende Erlebnisse. ;)

Alles liebe
Susi
*Die Wahrheit kriecht in keine Mäuselöcher.*

 

Ich spreche doch niemanden das Recht ab, eine Art Befreiung im Schreiben zu suchen...

Du kannst langsam aufhören, mich ständig belehren zu wollen, Häferl. Da habe ich keinen Bock drauf. Als erstes habe ich nun mal die Geschichte. Und nicht immer ist auf den ersten Blick erkennbar, daß da jemand sein Leben verarbeitet.

Weiß nicht, komm mir immer wie der Arsch vor, weil ich als erstes versuche, die Geschichte zu verstehen... und nicht den/die Autor/in, die dahinter steckt.

Bei Häferl weiß ich ja jetzt, wie ich an die Geschichten herangehen muß... auch bei einem anderen... und bei Francofranch ebenfalls. Es sei denn, es sei denn... ach was solls.

Gute Nacht! :(

Dieser Beitrag wurde ein wenig wütend verfasst und wird von mir nicht editiert werden!

 

Äh, oje, ich unsensibler Mensch habe nicht einmal bemerkt, dass Francofrench in der Story misshandelt worden ist.

Ich hielt es eher für eine Geschichte, in der das Kind dieses Erlebnis überspitzt dargestellt hatte, weil es eben als kleineres Kind nicht ganz begriff, warum es gut war, mit den Schmerzen zum Arzt zu gehen. Hätte die Mutter gesagt: "Ja, liebes Kind, Du willst nicht zum Arzt, also lassen wir es", wäre dem Kleinen vielleicht Schlimmeres zugestossen, dh. Darmbruch oder so etwas.

Als ich damals als 6jährige von meiner Oma in dieses steril aussehende Haus gezerrt wurde, in dem sich eine Arztpraxis befand, war ich auch enorm wütend und hätte meine Oma am liebsten auf der Stelle ermordet. Ich bekam dort auch eine Spritze und hasse sie seitdem (die Spritzen, nicht die Oma, obwohl ich ihr diese eine Situation auch damals, als Kind, nie ganz verziehen hatte). Aber meine Oma hatte mich nie misshandelt oder überhaupt schlecht behandelt, es war einfach nur eine Aversion gegen Ärzte und die ist doch reichlich oft vorhanden. Wer liebt denn schon den Arztbesuch?

Und als Kind kann man sich oft nicht erklären, warum es notwendig ist, einen Arzt aufzusuchen. Ich schätze, dass man daher so eine grosse Angst hat und sich so gebärdet. Dass die Mutter hier in der Story das Kind geschlagen hat, finde ich auch nicht gut, aber ich kenne viele Leute, die ihre Kinder manchmal so züchtigen und auch wenn ich das nicht gutfinde, denke ich nicht, dass das dann automatisch als Misshandlung zu verstehen ist. Man lernt aus der Story nicht, ob die Mutter immer so aggressiv war oder nur in dieser Situation so reagiert hatte, "der Leute wegen" und "da sie blossgestellt wurde" usw.

Aus Franco's Reaktion mit diesem augenzwinkernden Kommentar an Poncherli: "Wieso zögert der Kleine am Ende? Weil er von den Erinnerungen an seine Kindheit erzählt.Jetzt ist er groß. Bist du etwa Feuerwehrman, Rennfahrer oder Astronaut von Beruf?" (klingt lustig und überspitzt) ziehe ich zudem den Schluss, dass dies keine Story über einen Jungen ist, der in der Kindkeit misshandelt wurde. Na, ich kann natürlich Unrecht haben...

[Beitrag editiert von: Roswitha am 14.01.2002 um 02:17]

 

Liebe Roswitha,
lieber Poncher!

Was mein Mitleid mit Schreibern von solchen Geschichten betrifft, so denke ich mir:

Besser einmal zu viel,
als einmal zu wenig. ;)

Alles liebe
Susi

PS.: Mit einem Kind zum Arzt zu gehen, finde ich auch nicht verwerflich, aber einen Einlauf selbst zu geben doch.

[Beitrag editiert von: Häferl am 14.01.2002 um 02:37]

 

@All:

Bruhigt euch alle mal. Um eine Geschichte gut zu schreiben kann man einige Erfahrungen aus seinem Leben beimischen. Ob das jetzt wirklich so passiert oder nicht lasse ich dahingestellt. Allerdings muß ich sagen, daß ich aus meiner Kindheit keine bleibenden Schäden (geistig oder körperlich) davongetragen habe.
Also, nehmts gelassen.

Gruss Franco

P.S.: Eigentlich wollte ich die Geschichte entfernen, weil ich sie schlecht finde.

 

@ Häferli,

was ist so schlimm an dem Einlauf? Ich gebe meinen Pferden ja auch Wurmkuren... :cool: Na, wie Du siehst habe ich keine Ahnung von Einläufen, sollte also wahrscheinlich lieber den Schnabel halten... :D

 

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