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Die Hallig

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17.06.2008
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Die Hallig

Einsamkeit.
Mit jedem Luftzug, den mir der Wind jodgeschwängerte Seeluft in die Lungen trieb, atmete ich sie ein. Mit jedem Fertiggericht, das ich mir auf dem Gaskocher in der kalten Küche meines Gasthauses zubereitete, nahm ich sie zu mir.
Einsamkeit.
Ich stand an der Westküste und beobachtete, wie Welle für Welle an den Steinwällen der Küste zerschellte. Ein leichter Nieselregen durchnässte mich nach und nach, aber nach zwei Monaten auf der kleinsten Hallig der Nordsee war ich Regen mehr als gewohnt. Ja, ich spürte ihn kaum. Am Horizont brachte eine Fähre die letzten Touristen des Tages nach Föhr oder nach Amrum.
Während ich der Spätnachmittagssonne zusah, wie sie sich langsam der Wasseroberfläche näherte, um geräuschlos und mit einem kilometerlangen Schweif darin zu versinken, griff ich nach meinem Fernglas, das an einem reichlich abgenutzten Lederband um meinen Hals baumelte, und bei jeder Bewegung an meine Regenjacke schlug. An diesem Tag war ich nicht groß weitergekommen in meinem Bemühen, das Brutverhalten der Austernfischer zu entschlüsseln.
Aber ich musste rechtzeitig im Haus sein. Diese Nacht würden sie wieder kommen.
Also startete ich einen letzten Versuch, durch den Sehkraftverstärker brütende Austernfischer auf der einmaligen Salzwiesenvegetation der Hallig auszumachen. Aber ich hatte kein Glück. Es musste bis zum nächsten Tag warten.
Am Horizont berührte die Sonne schon das Wasser.
Auf Hallig Habel finden verschiedene Vogelarten die idealen Brutbedingungen und macht diese Perle der Nordsee zu einem der strengsten Naturschutzgebiete des Landes.
Nur dem glücklichen Umstand, dass der Vogelwart der Hallig Habel ein sehr guter Freund meines Professors ist, hatte ich die Tatsache zu verdanken, hier zu sein. Denn in seinem Bemühen, eine Vertretung für ein Vierteljahr zu bekommen, hat sich die normalerweise einzige Person, die dieses Eiland betreten darf, Hilfe suchend an eben meinen Professor gewandt. Mehrere Freiwillige meldeten sich für diese Aufgabe, und nach diversen Lehrgängen über das richtige Verhalten im Naturschutzgebiet konnte ich meine Koffer packen und an die Nordseeküste reisen. Diese Chance, auf einer Hallig in der Nordsee meine Doktorarbeit zu schreiben, wollte ich mir nicht entgehen lassen.
Während meine Kommilitonen ihre Ausarbeitungen über die Verbesserung von Antibiotika oder Ähnlichem verfassten, würde ich eben über das Brutverhalten des Austernfischers oder der Küstenseeschwalbe schreiben.
Jetzt musste ich mich aber wirklich beeilen, die Sonne war schon zur Hälfte im Meer versunken.
Kein Risiko eingehen.
Die Küstenlinie der Hallig besteht aus einem befestigten Kiesufer, und nur Dank diesem kann sie sich noch über dem Meeresspiegel halten, zumindest Teile von ihr. Tatsächlich ist sie in den letzten zweihundert Jahren, bevor die Küste in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts befestigt wurde, von rund einhundert auf siebzehn Hektar, der Fläche von knapp 20 Fußballfeldern, geschrumpft. Das einzige Haus steht auf einer Erhebung, einer so genannten Warft, um es vor Sturmfluten zu schützen.
Eben diese schritt ich hinauf, und, auf der Kuppe angekommen, drehte ich mich einmal im Kreise und nahm die Schönheit der Szenerie in mich auf. Dies hatte sich mittlerweile zu einem festen Ritual entwickelt. Im Norden und im Osten konnte ich die Windkraftanlagen an der Küste des Festlandes von Nordfriesland erkennen. Im Süden offenes Meer, dort befand sich jedoch knapp außerhalb meines Sichtradius die Hamburger Hallig.
Im Westen schließlich, dort wo die Sonne gerade ihren Kampf gegen den grauen Horizont verlor, die in Flammen stehende Nordsee.
Ich öffnete die schwere Haustür, etwas außer Atem aufgrund meines Marsches die steile Warft hinauf. Als ich die Tür hinter mir ins Schloss drückte, empfing mich das Haus mit einer Wärme, die ich den vielen zur Südseite zeigenden Fenstern zu verdanken hatte. Trotz des regnerischen Tages hatte der Raum angenehm aufgeheizt.
Einsamkeit.
Langsam beruhigte sich mein Atem, und so konnte ich nach und nach die mittlerweile vertrauten Geräusche des Hauses und der Hallig vernehmen. Das Wimmern des Windes, der um die Ecken meiner Unterkunft pfiff und an den hölzernen Fensterläden klapperte, als würde er Einlass begehren. Die Schreie verschiedener Vogelarten. Den prasselnden Regen, der unablässig auf das Reetdach niederging und dort ein Knistern und Knacken erzeugte, das ich als den Inbegriff der Gemütlichkeit definierte.
Milliarden Staubflocken tanzten in der Luft eine immerwährende Polka, sichtbar gemacht durch die letzten sterbenden Strahlen, die die Sonne als endgültigen Abschiedsgruß für diesen Abend durch die Fenster sandte.
Da das Haus über keinerlei Strom verfügt, entzündete ich die kleine Gaslampe, die ich immer neben der Haustür abstellte, wenn ich hinausging. Meine einzige Verbindung zur Außenwelt bestand in meinem kleinen batteriebetriebenem Radio. Der Empfang war jedoch die meiste Zeit derart verwaschen und von atmosphärischen Störungen durchzogen, dass man der Meinung sein konnte, verschlüsselte Nachrichten von Lebewesen ferner Planeten zu hören. Manchmal fragte ich mich, ob es die Welt draußen überhaupt noch in der Form gab, wie ich sie kannte. So wie ich das sah, hätte die Erdkugel tatsächlich von sabbernden Tentakelträgern aus dem siebten Orionnebel angegriffen worden sein können, ohne dass ich davon auch nur eine Spur mitbekommen hätte.
Auch Telefon gab es nicht. Mein Handy verweilte nun schon seit zwei Monaten mit leerem Akku nutzlos in meinem Reisegepäck. Ich hatte es vergeblich von jedem Punkt der Insel ausprobiert, wenigstens nur einen Balken Empfang auf das Display zu zaubern.
Es gab ein Funkgerät, mit dem ich mich bei Krankheit oder einer sonstigen Notsituation Verbindung mit dem Festland hätte aufnehmen können. Das Funkgerät war jedoch zerbrochen und lag in seinen Einzelteilen neben der Station. Ich hatte versucht, es zu reparieren, aber es gibt einen Grund, warum ich Biologie studiere und nicht Elektronik.
Nachdem ich mich meiner Regenjacke entledigt hatte, machte ich mich an das gewohnte Abendprogramm, welches ich seit zwei Wochen durchführte. Im Uhrzeigersinn ging ich durch das Erdgeschoss und überprüfte alle Fenster, ob sie richtig verschlossen waren. Danach wiederholte ich die Prozedur im oberen Stockwerk, in dem sich auch meine Schlafstätte befand.
Nicht gänzlich beruhigt beendete ich meinen Kontrollgang und bereitete mir auf meinem kleinen Gaskocher Ravioli zu, während ich in einem Fachbuch über Ornithologie blätterte.
In einem Monat würde ich wieder auf das Festland zurückkehren – wenn ich denn so lange durchhielt. Dann hätte ich ein Vierteljahr auf Hallig Habel verbracht. Wieder und wieder überlegte ich, nebenbei Ravioli direkt aus der Dose fischend, wer diese Gestalten waren, die ich nachts sah. Und vor allem fragte ich mich, ob sie gefährlich waren.

Zum ersten Mal habe ich sie vor zwei Wochen gesehen. An jenem Abend brauchte ich nach verschiedenen Ereignissen einen klaren Kopf, und so entschied ich mich dafür, noch mal die Warft hinunter und an die Küste zum improvisierten Bootsanleger zu laufen. Ich wollte mir den Seewind um die Ohren wehen lassen, auf dass die Fülle an Gedanken, die sich zwischen den Hörmuscheln herumtrieb, hinaus geblasen und durch eine angenehme Mattigkeit ersetzt würden. Bevor ich mich auf den schmalen Steg setzte und mir die Lichter der Westküste Föhrs entgegenblitzen, wusch ich mir in einer Pfütze die Hände. Und so saß ich gedankenverlorenen auf dem kalten Holz mit der abblätternden grünen Farbe und beobachtete das aufkommende Wasser, welches die Ebbe ablöste, selbst beobachtet vom kalten Auge des Mondes.
Und noch von vielen Augen mehr, wie mir nach einiger Zeit bewusst wurde, als mich eine Art Grunzen aus meinen düsteren Gedanken riss und in die Wirklichkeit zurückkehren ließ. Der Mond schien von einem wolkenlosen sternenklaren Nachthimmel herab, und beleuchtete so die Szenerie.
Trotzdem musste ich die Augen zusammenkneifen, um genauer sehen zu können, was das Geräusch ausgestoßen hatte. Dann sah ich den Ursprung: Eine Gestalt stand reglos bis etwa zu den Fußknöcheln im Wasser, vielleicht dreißig Meter von mir entfernt. Sie schien völlig nackt zu sein, bekleidet nur mit quer über dem Körper verteiltem Schlick, der verkrustet aussah und abbröckelte. Ich konnte es nicht mit Gewissheit sagen, aber ich vermutete, einen nackten Mann vor mir zu sehen. Es sah so aus, als würde er mich anschauen, den Kopf leicht zur Seite geneigt, als sähe er etwas Interessantes. Die frische Brise der Nordsee, zwar weniger schneidend als an vielen anderen Abenden, ließ längliche, verklebt wirkende Haarsträhnen um das Gesicht der Person wehen. Ansonsten bewegte sich der Mann keinen Millimeter. Es war unheimlich, doch trotzdem fasste ich mir ein Herz, stand auf und winkte. Keine Reaktion.
„Hallo!“, rief ich.
Doch ich erhielt keine Antwort. Ohne jegliche Bewegung stand die Person in der Nordsee, im langsam steigenden Wasser und erinnerte in ihrer Reglosigkeit an eine Vogelscheuche. Dann nahm ich aus dem Augenwinkel eine weitere Gestalt wahr. Diesmal war ich mir sicher, dass es sich um eine Frau handeln musste, ebenso nackt und stoisch wie das andere Exemplar. Auch sie schien mich ins Auge gefasst zu haben. Der Mond spiegelte sich in ihren Augen wider, was ihr etwas Katzenähnliches verlieh. Etwas weiter hinter ihr sah ich eine weitere Gestalt, rechts von ihr noch eine. Ich blickte mich um und stellte fest, dass ungefähr zwanzig dieser reglosen Stoiker im Watt standen und mich anstarrten. Irritiert stand ich auf und spürte Eiswürfel meine Wirbelsäule entlang rutschen. Ich hatte von nächtlichen Wattwanderungen gehört, wie sie beispielsweise zwischen Amrum und Föhr veranstaltet werden, aber dies hier war definitiv keine.
Zuerst einmal ist es aufgrund des weiträumigen Naturschutzgebietes verboten, sich als Unberechtigter in der Nähe der Hallig aufzuhalten. Außerdem liegt Habel weitab der Touristeninseln, und da für eine Wattwanderung ja nur begrenzt Zeit zur Verfügung steht, bevor die Flut wieder das Szepter übernimmt, ist es unwahrscheinlich, dass Habel ein Zielort für einen solchen Ausflug sein soll, selbst wenn der Aufenthalt hier erlaubt wäre. Und natürlich gehört auch eine gewisse Bewegung zu einer solchen Wanderung. Eine solche war hier aber nicht im Ansatz auszumachen. Völlig reglos standen die Gestalten im Schlick, nur ihre fast ausnahmslos langen Haare umwehten ihre Gesichter. Ich hatte das Gefühl, als wären alle Augen auf mich gerichtet und ihre Blicke waren fast körperlich spürbar, glitschig und schleimig, und ich verspürte das dringende Bedürfnis mich zu duschen.
Ich drehte mich um und rannte ins Haus.
Jener Abend war der erste, an dem ich sämtliche Fenster überprüfte. Die folgenden Nächte lunste ich immer wieder mal aus der Scheibe meines Schlafzimmers durch den Schlitz der Fensterläden und sah die Gestalten bewegungslos im Watt stehen. Doch damit nicht genug, jede Nacht schienen sie dem Haus ein Stück näher zu kommen. Ich sah sie nie in Bewegung, niemals kommen oder gehen, immer nur stehend. Und doch waren sie da. Und sie kamen immer näher. Hegte ich zuerst die Hoffnung, die Küstenlinie würde eine Grenze für sie darstellen, so sah ich mich vor ein paar Nächten enttäuscht, denn sie standen um die Warft herum und hielten ihr Gesicht zum Haus aufgerichtet. Dann hatte ich gehofft, sie würden die Warft nicht betreten, könnten die Erhebung nicht erklimmen, doch auch hier hatte ich mich getäuscht. Gestern Nacht standen sie auf ungefähr der Hälfte und der Mond beschien ihre vom Schlamm verschmierten Körper und die Nordseeböen ließen ihre Haare flattern.
Ich habe weder eine Ahnung, wer diese Menschen sind, noch was sie von mir wollen. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, habe ich mich nach meinem ersten zaghaften Annäherungsversuch auch nur noch einmal bemüht, Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Dies geschah letzte Woche, als ich nach vier Flaschen Flensburger nachts die Fenster meines Schlafraumes aufriss und damit einem fürchterlich kalten Westwind Eintritt gewährte. Sie standen wieder in keiner sichtbaren Anordnung und schauten auf das Haus hoch.
„Verdammt was wollt ihr von mir?“, rief ich in die Kälte. Und dann nochmal, fast flehentlich: „Was wollt ihr von mir?“ Ich schäme mich nicht, zuzugeben, dass meine Stimme ängstlich klang.
Aber ich erhielt keine Antwort, noch nicht mal eine Bewegung konnte ich ausmachen. Damit stellte ich meine Bemühungen um Kontaktaufnahme ein.
Ich hoffte einfach jeden Abend wieder, dass sie verschwinden und nicht mehr auftauchen würden, denn mittlerweile hatte ich wirklich Angst.

Die letzte Ravioli wehrte sich tapfer, doch nach ein paar unerbittlichen Versuchen schaffte ich es, sie aus der Dose zu pulen. Meine Hände zitterten. Es war dunkel draußen, stockfinster. Ich griff die Gaslampe und überprüfte noch mal die Fenster, die Haustüren sowie die Tür zum Keller, wo ich meine Vorräte lagerte. Hier verstaute ich die Essensvorräte sowie auch Kaminholz oder Gaspatronen. Jedoch vermied ich es, dort runter zu gehen, wenn es nicht unbedingt sein musste. Jedes Mal wurde ich an Dinge erinnert, denen ich mich früh genug stellen musste.
Also ging ich hoch und versuchte zu schlafen. Meist gelang es mir trotz der Umstände recht gut, ins Land der Träume abzudriften, auch wenn ich oft genug mitten in der Nacht aufwachte, einen Schrei auf den Lippen und Schuld im Sinn. An jenem Abend jedoch konnte ich nicht ins Traumland hinüber gleiten, und nach einiger Zeit stand ich auf und schaute wieder durch den Schlitz der Fensterläden. Meine sowieso auf Sparflamme köchelnde Hoffnung, ich würde keine der Freaks draußen zu sehen bekommen, zerplatzte in einer Blase aus Enttäuschung und Angst.
Sie hatten das Haus erreicht. Sie hatten verdammt noch mal das Haus umstellt. Ich konnte ihre Gesichter nicht erkennen, aber an der Stellung ihrer Köpfe sah ich, dass sie nach oben, in Richtung meines Schlafzimmers, schauten. Ich fühlte mich, als sei ich in einen Bottich mit Eiswasser gesprungen, mein Herz pumpte Panik durch jede Ader und ließ sie zirkulieren.
Auf dem Nachttisch stand die Gaslampe und schweren Herzens löschte ich sie, denn ich fürchtete, die Gestalten durch die Helligkeit anzulocken, sie noch näher an das Haus zu führen.
Ich setzte mich aufs Bett, bewaffnet mit einem fleckigen Hammer und betete, dass die Schweinehunde nicht ins Haus kämen. Ich bat die Sonne, einen Zahn zuzulegen und bald aufzugehen, doch weigerte meine Rettung sich, auch nur eine Minute früher als geplant über den Horizont zu spähen.
Es war vollkommen still im Haus, selbst der Regen gönnte sich eine Pause und ließ dem Hausdach eine Atempause von seinem Dauerfeuer.
In diese Stille hinein hörte sich das Zersplittern eines Fensters in der Eingangshalle wie ein losgebrochenes Inferno an. Zwischen den Glasscherben, die sich auf dem Eichenparkett verteilten, hörte ich etwas Schweres über den Boden rollen. Ein spitzer Schrei entfuhr mir, und ich sprang auf die Füße. Es war weit davon entfernt, warm in meinem Zimmer zu sein, aber mir stand ein Schweißfilm auf dem Gesicht. Mein Schlafshirt klebte unangenehm an meinem Körper. Demgegenüber war mein Mund knochentrocken. Die Dunkelheit lag wie eine Decke auf mir und ich achtete darauf, mir nicht die nackten Füße zu stoßen, als ich langsam zur Zimmertür lief, den Hammer wie eine böse Drohung vor mich haltend. Von der Tür aus konnte ich in die Eingangshalle hinuntersehen, wo der Mond durch die kaputte Scheibe mit dem klappernden Fensterladen morste. Auf dem Boden sah ich etwas Rundes liegen.
Vorsichtig nahm ich Stufe für Stufe ins Erdgeschoss. Meine Augen gewöhnten sich langsam an die Lichtverhältnisse. Ich konnte nirgendwo in der geräumigen Halle eine der Gestalten erkennen. Immer wieder blieb mein Blick an dem Gegenstand auf dem Boden heften. Es war ein Stein von der Größe eines Tennisballs. Es war kalt in der Halle, der Wind saugte das bisschen warme Luft unbarmherzig aus dem Raum und trug es in Richtung Nordsee. Meine Fußsohlen fühlten sich an wie schockgefrostet, während ich am Rest des Körpers immer stärker schwitzte. Ich hatte den Treppenabsatz erreicht und immer noch war kein ungebetener Gast zu sehen. Während ich die Glassplitter umging, bahnte ich mir einen Weg zu dem Stein und hob ihn auf. Ein Stück Papier war mit einem mitgenommenen Seil an ihm befestigt. Mit zittrigen Fingern entfaltete ich es und hielt es ins Mondlicht, um es lesen zu können. Ein Satz stand dort. Vier Worte, die die Zimmertemperatur nochmals um mehrere Grad absinken ließen.

Sie gehört zu uns​

Meine Lunge schien ihren Dienst zu versagen, ich fühlte mich, als hätte sich eine Würgeschlange um meinen Brustkorb gelegt und würde ihn langsam, ganz langsam, immer weiter einschnüren. Wie aus weiter Ferne hörte ich mich keuchen, und bevor ich mich erholen konnte, zerbarst ein weiteres Fenster. Wieder rollte ein Stein über den Fußboden. Dann wurde ein weiteres Fenster eingeschmissen, und noch eins. Dann gab es keine Scheiben mehr im Erdgeschoss, die noch zu Bruch hätten gehen können. Nachdem sich meine Atmung wieder normalisiert hatte, machte ich mich daran, die Steine aufzulesen. An jedem einzelnen war ein Zettel befestigt. Auf jedem war dieselbe kurze Nachricht in einer unbeholfenen Handschrift zu lesen. Ich lief rückwärts, bis ich mit den Fersen am Treppenabsatz hängen blieb und hart auf meinem Hintern aufschlug.
Wie konnten sie das wissen? Wie konnte irgendjemand davon wissen?

Sie gehört zu uns​

Tränen liefen mir über das Gesicht, und sie stammten nur zum Teil vom Wind, der ohne Rücksicht auf Verluste die Eingangshalle als neuen Spielplatz ausgemacht hatte und mein Gesicht als Angriffsfläche benutzte. Die Fensterläden klapperten in einem wilden Rhythmus an die Hauswand. Nach einer unbestimmten Zeitspanne schaute ich mich um, und sah an jedem Fenster eine der Kreaturen. So nah bin ich ihnen noch nie gekommen, und trotz der eher schlechten Sichtverhältnisse konnte ich sehen, dass sich Algen und kleine Meeresbewohner in ihren Haaren verfangen hatten. Auch schienen sich alle in verschiedenen Stadien der Verwesung zu befinden und ich konnte den durchdringenden Geruch von Schlick wahrnehmen. Sämtliche Augen der bläulich angelaufenen Gesichter waren auf mich gerichtet. Verklebte Haare, aus denen Wasser tropfte, hingen an aufgedunsenen Stirnen und Wangen. Ich versuchte, den Ausdruck in ihren Augen zu deuten. Wissend. Sie schauten mich allesamt mit einem wissenden Ausdruck auf ihren verwesten Gesichtern an. Das passte zur Nachricht.

Sie gehört zu uns​

Wie konnten sie von Jenny wissen? Unmöglich. Und doch standen sie hier aufgereiht an den Fenstern, aufgedunsen und ohne Zweifel tot und schickten mir Botschaften.
Dann traf ich eine Entscheidung. Nachdem ich all meinen Mut zusammengenommen hatte, erhob ich mich auf Beinen aus Götterspeise und stakste zur Kellertür. Neben der Tür griff ich die dort an einem Nagel hängende Taschenlampe, ein treuer und dringend benötigter Freund in der Dunkelheit des Untergeschosses. Ich öffnete die Tür, modrige Luft und ein erbärmlicher Gestank stürmten auf mich ein wie ein Empfangskomitee, auf das ich gerne verzichtet hätte. Vorsichtig stelzte ich die schmale Treppe hinunter, der Milchpfütze aus Licht folgend, die die MagLight für mich zauberte.
Unten angekommen, musste ich mich leicht geduckt bewegen, um mir nicht den Kopf an den Deckenbalken anzuhauen. Meine Füße, in denen ich langsam kein Gefühl mehr hatte, waren wie Eisblöcke auf dem harten Lehmboden. In der der Treppe entferntesten Ecke lag der zusammengerollte Teppich. Langsam schritt ich auf ihn zu, während der Gestank immer stärker wurde. Trotz meiner Bemühungen, flach durch den Mund zu atmen, musste ich immer wieder würgen.
Der Teppich war schwerer als ich ihn in Erinnerung hatte, als er auf meiner Schulter den Weg nach unten genommen hatte. Durch die geringe Deckenhöhe war es eine Plackerei, meine Fracht quer durch den Raum und dann die enge Holztreppe hinauf zu schaffen.
Oben angekommen stellte ich fest, dass die eingeschlagenen Fenster wieder frei waren von den ungebetenen Besuchern. Ich schaute aus einem und sah sie wieder als Schemen reglos in der Nordsee stehen, beschienen vom gelblich leuchtenden Mond. Wartend.
Ich wusste, was ich zu tun hatte.

Sie gehört zu uns​

Der Teppich war mit Paketklebestreifen verschlossen und ich holte mir aus der Küche ein Messer, um diese zu entfernen. Dann rollte ich ihn auf.
Jenny.
Die Kommilitonin, mit der ich auf die Insel gebracht wurde, um mit ihr zusammen die Austernfischer und Küstenseeschwalben zu studieren.
Die Kommilitonin, der ich mit eben dem Hammer, den ich in der Hand hielt, den Schädel eingeschlagen hatte.
Ich hatte ihre Augen geschlossen, bevor ich sie in den Keller gebracht hatte, und auch jetzt sah mich nur das hässliche Loch auf ihrer Stirn vorwurfsvoll an. Das feuchte Klima unten im Keller hatte den Verwesungsprozess wohl beschleunigt. Ich musste schnellstens den Blick von der Toten abwenden, und der Gestank war alles durchdringend, so dass ich mich jetzt wirklich ins Waschbecken der Küche übergeben musste.
Jenny.
Wir hatten uns so gut verstanden. Waren Freunde geworden, hatten miteinander geredet und gelacht und uns gegenseitig bei unseren Studien geholfen und unterstützt. Mut gemacht, aufgemuntert, zugehört, verbessert. Dann die Liebe. Wir haben das Bett miteinander geteilt, Zärtlichkeiten ausgetauscht, uns Halt gegeben. Es war, als wären wir die einzigen Menschen auf diesem Planeten. Es gab nur uns. Nur wir beide, inmitten der Nordsee. Es war die glücklichste Zeit meines Lebens.
Bis alles anfing schief zu laufen. Sie bekam Heimweh, wollte runter von der Hallig, nach Hause ins bergigere Hessen. Wollte nach Hause zu ihrer Familie, zu ihrem Freund. Doch das konnte ich nicht zulassen. Ich konnte die Zweisamkeit mit ihr nicht aufgeben, wollte auch die restlichen Wochen mit ihr zusammen verbringen. Aber sie ließ nicht mit sich reden und machte sich daran, über Funk ein Boot anzufordern, welches sie abholen sollte. Aber bevor sie es benutzen konnte, zerschlug ich es mit dem Hammer.

Ich strich meiner toten Mitstudentin über die Haare, während ich mich an jenen Abend erinnerte. Ein Tennisball schien in meiner Kehle zu stecken und Rotz lief mir aus der Nase.

Als sie sah, was ich mit dem Funkgerät gemacht hatte, rastete sie völlig aus. Sie schlug auf mich ein, beschimpfte mich, zog mir an den Haaren, bespuckte mich sogar. Und das alles mit einer Ausdauer und einem Hass in ihren Augen, der etwas in mir sterben ließ, dass gerade erst geboren worden war. Dann schlug ich mit dem Hammer zu. Ich schwöre, dass ich es nicht wollte, aber ich schlug ihr den Schädel ein und verschaffte ihr eine klaffende Wunde in der Stirn. Augenblicklich hörte sie auf, auf mich einzuschlagen und sank in sich zusammen. Blut lief aus dem Loch. Ich blieb neben ihr stehen, den Hammer in der Hand, und versuchte aus einem Albtraum der besonders schlimmen Art aufzuwachen.
Doch ich wachte nicht auf, denn dafür hätte ich schlafen müssen.

„Oh Jenny“, presste ich jetzt hervor und sammelte Kraft, um die anstehenden Aufgaben zu bewältigen.
Mein Atem ging stoßweise, während ich um den Tennisball herum Worte zu bilden versuchte. Tränen rannen mir übers Gesicht und fielen wie kleine funkelnde Perlen in Jennys schwarze Haare.
Ich packte sie, wie ein Verliebter seine Freundin trägt, den einen Arm in den Kniekehlen, den anderen an ihrem Rücken, und stand auf. Vorsichtig trug ich sie durch die Haustür nach draußen und sofort begann der Wind ungehindert an uns zu reißen und ließ Jennys Haare wie schwarze Seide flattern.
Den Weg die Warft hinunter musste ich vorsichtig beschreiten, der Boden war aufgeweicht vom wieder einsetzenden Nieselregen und daher bestand die Gefahr, dass ich, besonders mit Jenny in den Armen, ausrutschen und der Länge nach hinschlagen konnte. Doch ich meisterte den Gang abwärts ohne Zwischenfälle.
Kurz danach stand ich an der Küste, und eiskaltes Wasser lief mir über die Füße. Der, den ich für den Anführer hielt, stand etwa fünf Meter weit im Meer, ein Anführer einer Armee von Wasserleichen. Ich ging zu ihm, Jenny immer noch in den Armen, wie ein frisch gebackener Ehemann, der seine Angetraute über die Schwelle des Hotelzimmers trägt.
Als ich ihn auf Armeslänge erreicht hatte, Jenny zwischen uns, ging mir das Wasser bis zu den Lenden.
Der Mond ließ mich Einzelheiten im Gesicht meines Gegenübers erkennen. Ohne Zweifel befand er sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Verwesung. Die linke Wange war fast nicht mehr vorhanden, und ich konnte sein Gebiss durch diese Lücke erkennen. Auch sah ich, dass ein Auge fehlte, und ich erkannte darin einen Wattwurm, der sich diesen Ort ausgesucht hatte um seinem Expeditionstrieb nachzugeben. Die Haare des Toten waren versetzt von Algen und kleinen Meerestieren.
Reglos starrte er mich einäugig an, ebenso fühlte ich die Blicke der anderen auf mir ruhen. Ich senkte den Blick und warf einen letzten Blick auf Jenny, auf das Mädchen, dem ich sein Leben genommen hatte.
Dann ließ ich sie langsam in das Wasser gleiten, Abschiedsworte murmelnd und Tränen verschüttend, die mir der Wind auf meinen kalten Wangen trocknete. Langsam ging sie unter, und trotz der geringen Wassertiefe konnte ich sie bald nicht mehr sehen.
Jenny.
Der Anführer blieb stumm, reglos wie immer, beschienen von einem Mond, der gleichgültig und kalt vom Himmel strahlte.
Dann drehte ich mich um und ging ins Haus.


Während ich hier sitze und gelesen habe, was ich vor einer Woche geschrieben habe, ist einiges passiert.
Die nächtlichen Besuche haben nicht aufgehört, ganz im Gegenteil, mittlerweile kommen die Wasserleichen ins Haus. Auch beschränken sich ihre Besuche nicht mehr nur auf die nächtlichen Stunden, auch tagsüber sind sie da und beobachten mich. Jenny ist jetzt bei ihnen. Um genau zu sein steht sie jetzt in diesem Augenblick vor mir und sieht mich an, ihr Loch in der Stirn eine stumme Anschuldigung, eine Anklage.
Aber ich habe eine Entscheidung gefällt. Lest diese Blätter meines Spiralblocks wie ein Geständnis, lest es als Beichte eines Mannes, der für seine Liebe alles tut. Es ist mir egal. Ich liebe Jenny immer noch, und heute Nacht, wenn das Wasser wieder reinkommt und der Spiegel nach und nach steigt, werde ich ihr ins Wasser folgen. Dann können Jenny und ich wieder zusammen sein.

Ich werde ins Wasser gehen und Jenny und ich werden wieder zusammen sein.

 

Hallo Berzerk,

eine wirklich sehr schöne Geschichte hast du da geschrieben. Richtig gut finde ich, wie du schon am Anfang, in den ersten Absätzen, eine beinahe melancholische Stimmung erzeugst und die Atmosphäre der Hallig glaubwürdig rüberbringst. Vielleicht bist du schon einmal dort gewesen, vielleicht auch nicht, aber wichtig ist: Ich nehme dir den Schauplatz ab, und das als Norddeutscher, der selbst schon öfter an der Nordsee und auf der einen oder anderen Insel gewesen ist. Gut auch, dass du die Stimmung bis zum Ende durchhältst. Deinen Stil finde ich eigenständig im positiven Sinn, ich bin zwar manchmal beim Lesen ins Stocken geraten und musste überlegen: Geht das nun so oder nicht? Aber wie heißt es so schön: Im Zweifel für den Angeklagten ;). So hab ich dir denn weiter unten auch nur die Stellen aufgelistet, die mMn nicht gehen. Trotzdem ist die Liste länger geworden, als ich anfangs gedacht hätte. Vielleicht magst du einiges davon übernehmen.

Zwei Anmerkungen zum Inhalt:

Was das Funkgerät betrifft, habe ich mich gefragt: Würde nicht die Person, mit der dein Protagonist Verbindung zum Festland halten soll, veranlassen, dass jemand auf der Hallig nach dem Rechten sieht, wenn der Funkkontakt für längere Zeit abbricht?

Zu den Wasserleichen: Vielleicht wäre es besser, wenn du offen ließest, ob die Wasserleichen real sind oder nur der Fantasie deines Protagonisten entspringen. Natürlich sind sie das Horrorelement in der Geschichte, aber wenn dein Protagonist sie von Anfang an für real hält, rutscht er bzw. die Geschichte leicht ins Unglaubwürdige ab. Wenn du deinen Protagonisten anfangs zweifeln ließest, käme er mMn glaubwürdiger rüber. Dass sie real sind, erfährt der Leser später durch die Steine und die zerbrochenen Fensterscheiben. Ich würde da mehr verwischen, den Protagonisten an seiner Wahrnehmung zweifeln lassen und damit auch den Leser zumindest anfangs im Unklaren lassen.

Textkram:

Aber ich hatte kein Glück.
Das ist jetzt ne Spitzfindigkeit von mir, denn allzu viele „aber“ hast du nicht im Text. Dieses „aber“ könntest du jedoch einsparen.
Die Küstenlinie der Hallig besteht aus einem befestigten Kiesufer, und nur Dank diesem kann sie sich noch über dem Meeresspiegel aufhalten, zumindest Teile von ihr.
Eine Person kann sich irgendwo aufhalten, mal hier und mal dort, aber eine Hallig? „Halten“ wäre hier besser.
Das freut im Frühjahr nicht zuletzt die Ringelgänse, die hier reichlich Nahrung finden und macht diese Perle der Nordsee zu einem der strengsten Naturschutzgebiete des Landes.
Hier fehlt ein Komma. ... finden, und ...
Denn in seinem Bemühen, eine Vertretung für ein Vierteljahr zu bekommen, hat sich die normalerweise einzige Person, die dieses Eiland betreten darf, Hilfe suchend an (eben) meinen Professor gewandt.
Der Satz ist natürlich nicht falsch, liest sich aber aufgebläht. Den Hinweis, dass die Hallig außer vom Vogelwart von niemandem betreten werden darf, lieferst du ja später noch einmal. MMn würde hier reichen:
..., hat er sich Hilfe suchend an meinen Professor gewandt.
„Eben“ scheint ein Lieblingswort von dir zu sein. MMn taucht es in deiner Geschichte zu oft auf.
Während meine Kommilitonen ihre Ausarbeitungen über die Verbesserung von Antibiotika oder Ähnlichem verfassten, würde ich eben über das Brutverhalten des Austernfischers oder der Küstenseeschwalbe schreiben.
Vorschlag: ..., schriebe ich (eben) ...
Das einzige Haus steht auf einer Erhebung, einer so genannten Warft, um es vor Sturmfluten zu schützen.
Finde ich persönlich zu erklärend. Was eine Warft ist, sollte MMn allgemein bekannt sein. Wenn du es so lassen willst, gehört „sogenannten“ zusammen.
Ich hatte es von jedem Punkt der Insel aus probiert, um wenigstens nur einen Balken Empfang auf das Display zu zaubern. Aber vergeblich.
Ich hatte versucht, es zu reparieren, aber es gibt einen Grund warum ich Biologie studiere und nicht Elektronik.
... Grund, warum ...
Nachdem ich mich meiner Regenjacke entledigt hatte, machte ich mich an das gewohnte Abendprogramm, welches ich seit zwei Wochen allabendlich durchführte.
Abendprogramm, allabendlich
Im Uhrzeigersinn ging ich durch das Erdgeschoss und überprüfte alle Fenster ob sie richtig verschlossen waren.
... Fenster, ob ...
An jenem Abend brauchte ich nach verschiedenen Ereignissen einen klaren Kopf, und so entschied ich mich dafür, noch mal die Warft hinunter und an die Küste zum improvisierten Bootsanleger zu laufen. Ich wollte mir den Seewind um die Ohren wehen lassen, auf dass die Fülle an Gedanken, die sich zwischen den Hörmuscheln herumtrieb, hinaus geblasen und durch eine angenehme Mattigkeit ersetzt würden.
„nach verschiedenen Ereignissen“ liest sich so, als ob deinem Protagonisten die Ereignisse bekannt sind, er sie jedoch an dieser Stelle noch nicht erzählen will. Würde ich streichen:
An jenem Abend brauchte ich einen klaren Kopf, und so ...
... die Fülle ... ersetzt würde.
hinausgeblasen
Und so saß ich gedankenverlorenen auf dem kalten Holz mit der abblätternden grünen Farbe und beobachtete das ankommende Wasser, welches die Ebbe ablöste, selber beobachtet vom kalten Auge des Mondes.
Vielleicht besser: ... das auflaufende Wasser ... und ..., selbst beobachtet ...
Der Mond schien von einem wolkenlosen sternenklaren Nachthimmel herab, und beleuchtete so die Szenerie.
Kein Komma.
Dann sah ich den Ursprung: eine Gestalt ...
Groß: Eine
... , aber ich vermutete einen nackten Mann vor mir zu sehen.
... vermutete, einen ...
Die folgenden Nächte lunste ich immer wieder mal aus der Scheibe meines Schlafzimmers durch den Schlitz der Fensterläden und sah die Gestalten bewegungslos im Watt stehen.
Vielleicht von dir so gewollt, aber ab dieser Stelle rutscht der Stil manchmal ins Umgangssprachliche ab, was mMn der Geschichte nicht unbedingt guttut. „Lunste“ kenne ich gar nicht, und genau genommen kann man nicht aus einer Scheibe lunsen, auch nicht schauen, höchstens durch eine Scheibe oder aus einem Fenster. Weiter unten ist eine Scheibe dann kaputt anstatt zerbrochen, und Fenster werden eingeschmissen statt eingeworfen.
Die Kommilitonin, mit der ich auf die Insel gebracht wurde, um mit ihr zusammen die Austernfischer und Küstenseeschwalben zu studieren.
... gebracht worden war, ...

Da sind noch ein paar Kommafehler mehr drin, ich wollte jetzt nicht alle auflisten. Trotz der jetzt sehr lang gewordenen Liste hat mir deine Geschichte insgesamt sehr gut gefallen.

Gruß, Stefan

 

Ich muß leider schreiben, daß meine Begeisterung zu Beginn Deiner Geschichte abnahm, je mehr ich davon las. Spätestens ab der Hälfte läßt Du in der Wahl Deiner Worte schwer nach und selbst der untrügerische Eindruck, den ich gewann, nämlich daß Du ein Kenner der Gegend wärst, wird gemindert.
Die nachlässige, fast gelangweilte Art und Weise, wie Dein Prot. die üblichn "Geisterpiraten" aus "The Fog" ins Spiel bringt liesse sich noch mit seinem Wahnsinn erklären, wie man überhaupt die ganze Geschichte durch diesen erklären könnte (wie oben geschehen). Aber das finde ich zu einfach.
Gut und spannend wäre es gewesen, wenn Du den Wahnsinn, dem der Prot. offenkundig anheim gefallen ist, schrittweise und detaillierter, wenn es sein muß auch in der Rückblende, beschrieben hättest.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Bergzwerg,

die gute Nachricht zuerst: Inhaltlich hat mir deine Geschichte durchgehend gefallen. Schöner, klassischer Grusel, der in seinen besten Momenten die Luft von Carpenters „The Fog“ oder auch Romeros „Night of the Living Dead“ atmet. Unheimlich, dramatisch, mit steil anziehender Spannungskurve … Horrorherz, was willst du mehr?

Nun ja, ein bisschen mehr handwerkliche Perfektion zum Beispiel. Da sind mir so ein paar Sachen aufgefallen, die klappen noch nicht so richtig. Ein Problem zieht sich dabei als roter Faden durch den Text: Gerade am Anfang klingen die Beschreibungen deines Protagonisten ziemlich nach Heinz Sielmann, was einfach keine rechte Stimmung aufkommen lassen will. Als besonders fatal erweist sich dieser Missstand dann, wenn die Luzi ins Rollen kommt und man plötzlich das Gefühl hat, der Erzähler spreche seinen Text ein für eine Dokumentation übers Möwenficken auf Sylt.

Ja, ich merkte ihn kaum.

"spürte". Weniger Umgangssprache, mehr Geschmack.

Das freut im Frühjahr nicht zuletzt die Ringelgänse, die hier reichlich Nahrung finden und macht diese Perle der Nordsee zu einem der strengsten Naturschutzgebiete des Landes.

Ja, genau diese Stellen meine ich.

Nur dem glücklichen Umstand, dass der Vogelwart der Hallig Habel ein sehr guter Freund meines Professors ist, hatte ich die Tatsache zu verdanken, hier zu sein. Denn in seinem Bemühen, eine Vertretung für ein Vierteljahr zu bekommen, hat sich die normalerweise einzige Person, die dieses Eiland betreten darf, Hilfe suchend an eben meinen Professor gewandt. Mehrere Freiwillige meldeten sich für diese Aufgabe, und nach diversen Lehrgängen über das richtige Verhalten im Naturschutzgebiet konnte ich meine Koffer packen und an die Nordseeküste reisen. Diese Chance, auf einer Hallig in der Nordsee meine Doktorarbeit zu schreiben, wollte ich mir nicht entgehen lassen.

Der ganze Teil sollte im Plusquamperfekt stehen.

Der Austernfischer ist’n Vogel … ich hab’ erst gedacht , dein Prot wäre ein Spanner.

kann sie sich noch über dem Meeresspiegel aufhalten

"halten". "aufhalten" klingt hier zu lahm, wenn nicht gar regelrecht falsch. "Er rutschte aus aus und stürzte in die Tiefe, denn er konnte sich nicht länger auf dem Dach aufhalten." Klingt nicht, oder?

die Hamburger Hallig, trotz ihres Namens eine Halbinsel.

Da isch des Heinzle wieder ...

Hauses und der Hallig vernehmen. Das Wimmern des Windes, der um die Ecken des Hauses pfif

WW Hauses

Die Schreie verschiedener Vogelarten, darunter natürlich die Laute des Austernfischers sowie der Küstenseeschwalbe.

BAH! Das meine ich! Da kam gerade richtig Stimmung auf, ich habe den dunklen Kiesstrand und die verschwiegenen Gestalten richtig vor mir gesehen, und dann quatscht da schon wieder der kleine Tierfreund dazwischen! Als würde man das Kettensägenmassaker für einen Kettenöl-Werbespot unterbrechen.

aus probiert

Neue Reschtschreibung? Nee, aber da bluten mir jetzt echt die Augen von.

Das Watt verlor immer mehr seinen Kampf gegen das anströmende Wasser

Beim Sonnenuntergang habe ich die doofe Metapher noch verschämt ignoriert, weil ich sie in dem Zusammenhang selbst schon mal gebracht habe. Aber zweimal in demselben Text geht echt gar nicht.

„Hallo!“, rief ich.
Doch ich erhielt auch keine Antwort.

Wieso "auch"?

Zuerst einmal ist es aufgrund des weiträumigen Naturschutzgebietes verboten, sich als Unberechtigter in der Nähe der Hallig aufzuhalten.

INTERESSANT ...

als ich nach vier Flaschen Flensburger

Yep, das ist der Norden, Alta.

„Verpisst euch ihr Hurensöhne!“

"eusch". Für mehr Authenzität sollte es "eusch" heißen und um den Hinweis ergänzt werden, dass man bei Nichtbeachtung dieser Aufforderung beabsichtige, sich mit den Müttern besagter "Hurensöhne" auf den Akt körperlicher Liebe einzulassen. Nein, im Ernst, diese Bushido-Nummer passt zu gar nichts, was wir bisher über den Prot wissen.

Der Mond ließ mich Einzelheiten im Gesicht meines Gegenübers erkennen. Ohne Zweifel befand er sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Verwesung. Die linke Wange war fast nicht mehr vorhanden, und ich konnte sein Gebiss durch diese Lücke erkennen. Auch sah ich, dass ein Auge fehlte, und ich erkannte darin einen Wattwurm, der sich diesen Ort ausgesucht hatte um seinem Expeditionstrieb nachzugeben. Die Haare des Toten waren versetzt von Algen und kleinen Meerestieren.

Diese detaillierte Beschreibung, der Spaß am Ekel erzeugen, hemmt hier die Dramatik der Situation. EIN Hinweis auf ein kleines Tier im Auge oder so wäre absolut ausreichend.

So, aber wie gesagt: Geschichte fand ich toll.

Grüße
Jan-Christoph

 

Hallo Berzerk,

eine schöne Geschichte, sie hat mich gut unterhalten. Zur Sprache: Du liebst es, das Verb in einem Satz ganz nach hinten zu stellen.

Beispiele:

Also startete ich einen letzten Versuch, durch den Sehkraftverstärker brütende Austernfischer auf der einmaligen Salzwiesenvegetation der Hallig auszumachen.

Oder gleich ein ganzer Absatz:

Nur dem glücklichen Umstand, dass der Vogelwart der Hallig Habel ein sehr guter Freund meines Professors ist, hatte ich die Tatsache zu verdanken, hier zu sein. Denn in seinem Bemühen, eine Vertretung für ein Vierteljahr zu bekommen, hat sich die normalerweise einzige Person, die dieses Eiland betreten darf, Hilfe suchend an eben meinen Professor gewandt. Mehrere Freiwillige meldeten sich für diese Aufgabe, und nach diversen Lehrgängen über das richtige Verhalten im Naturschutzgebiet konnte ich meine Koffer packen und an die Nordseeküste reisen. Diese Chance, auf einer Hallig in der Nordsee meine Doktorarbeit zu schreiben, wollte ich mir nicht entgehen lassen.
Während meine Kommilitonen ihre Ausarbeitungen über die Verbesserung von Antibiotika oder Ähnlichem verfassten, würde ich eben über das Brutverhalten des Austernfischers oder der Küstenseeschwalbe schreiben.
Jetzt musste ich mich aber wirklich beeilen, die Sonne war schon zur Hälfte im Meer versunken.

Das Problem daran ist, dass man erst den ganzen Satz lesen muss, der manchmal auch noch verschachtelt ist, bis man endlich das Verb erreicht und erfährt, was eigentlich passiert.

Versuche mal, dein Prädikat nach vorne zu holen, das vereinfacht das Lesen ungemein.

Schöne Grüße,

yours

 

Hallo Berzerk,
schön, wie Du mir diese idyllische Landschaft in Erinnerung rufst; hier bin ich oft mit Kajak und Zelt unterwegs gewesen. Für mich das Paradies schlechthin (oder guthin?); jedenfalls habe ich hier immer gut geschlafen. Deine Geschichte ist schön entwickelt, ganz nach dem Motto der Kreuzberger Nächte: "Erst fang' wir ganz langasam an, aber dann..."
Eigentlich beschreibst Du die Metamorphose eine Wissenschaftlers, der am Schluß lieber eine Dissertation über Parapsychologie vorlegen sollte. Dieser Wandlungsprozess, und nicht nur dieser, bildet sich, wie schon von anderen kritisiert, auch sprachlich ab:

teilweise verwendest Du eine Sprache wie von Liliencron (Heut' bin ich über Rungholt gefahren, die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren...), dann schwenkst Du spontan zur anglophilen Jetztzeit: "Comeback" des Watts, dann zu Science Fiction: "siebter Orionnebel", um am Ende bei Hitchcocks "Psycho" zu enden: "Die linke Wange war fast nicht mehr vorhanden, und ich konnte sein Gebiss durch diese Lücke erkennen."

Das ist mir zuviel Achterbahnfahrt für die kurze Geschichte. Bleibe mal bei dem Ornithologen, der die Vögel liebt und die Nordseeluft schnuppert, und lasse ihn sich langsam in Richtung Metaphysik verwandeln; das reicht völlig aus und ist mit wenigen Änderungen zu erreichen.

Die kontinuierliche Entwicklung der Spannung gefällt mir. Der Inhalt ist Deiner; mir könnte die Geschichte auch ohne den Mord gut gefallen. Es sind dort so viele Menschen bei Sturmfluten gestorben, die alle nachts zu Besuch kommen können...

Herzlichen Gruß

Setnemides

 

Hallo :)

Zuerst mal vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren!

Auch wenn ich den Bayern nur international die Daumen drücke, finde ich deren aktuelle Philiosophie recht sympathisch: Sie wollen jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser machen.

Genau das habe ich mir fürs Schreiben vorgenommen. Immer ein bisschen besser werden. Eure Kommentare helfen mir sehr dabei. Also vielen Dank!

@ Stefan S.

Richtig gut finde ich, wie du schon am Anfang, in den ersten Absätzen, eine beinahe melancholische Stimmung erzeugst und die Atmosphäre der Hallig glaubwürdig rüberbringst.

Mir war es sehr wichtig, die Stimmung auf der Insel, das rauhe Klima herüberzubringen. Schön dass es geklappt hat.

Was das Funkgerät betrifft, habe ich mich gefragt: Würde nicht die Person, mit der dein Protagonist Verbindung zum Festland halten soll, veranlassen, dass jemand auf der Hallig nach dem Rechten sieht, wenn der Funkkontakt für längere Zeit abbricht?

Ein sehr guter Hinweis. Heute Abend will ich über die Story rübergehen und Fehler korrigieren, da werde ich das mit dem Funkkontakt besser herausarbeiten.

Danke für Deine vielen Vorschläge und Fehlersichtungen. Wie gesagt, werde ich diese heute Abend einarbeiten. Insgesamt freue ich mich, dass ich Dich unterhalten konnte :)

Viele Grüße


@Felix-Florian

Auch Dir ein großes Danke für Deine Kritik.

daß meine Begeisterung zu Beginn Deiner Geschichte abnahm, je mehr ich davon las.

Das hört sich an wie "schwach angefangen um dann stark nachzulassen. Schade, dass ich Dich nicht unterhalten konnte. Vielleicht klappt es das nächste mal. Auch schaue ich, ob ich den Wahnsinn nicht ein wenig schleichender einbauen kann. Danke für die Anregungen.

Viele Grüße


@Proof

Also das hatte ich noch nie! Ich lese eine Kritik zu meiner Geschichte, bekomme völlig berechtigt Schwachstellen aufgezeigt und erwische mich dabei, wie ich grinsend vorm Monitor sitze. So unterhaltsam muss man erstmal eine Kritik schreiben. Heinz Sielmann :lol:

Aber der Reihe nach:

Den Bergzwerg überhöre ich mal und freue mich erstmal über Dein Lob. Schön, dass zumindest Teile in der Geschichte funktioniert haben.

Das mit dem Doku-Ton ist wohl richtig. In der Urversion fürchte ich, war das noch schlimmer, da habe ich schon gekürzt. Mein Bemühen, jemandem, der noch nie an der Nordsee war, diese näherzubringen, ist wohl ein wenig ausgeartet. Das werde ich noch versuchen zu verbessern.

Zitat:
Ja, ich merkte ihn kaum.

"spürte". Weniger Umgangssprache, mehr Geschmack.


Wird geändert

Hauses und der Hallig vernehmen. Das Wimmern des Windes, der um die Ecken des Hauses pfif

WW Hauses


Mein Lieblingsfehler :( Trotz vielfacher Überarbeitung vorm Einstellen wieder durchgerutscht - grml

Die Schreie verschiedener Vogelarten, darunter natürlich die Laute des Austernfischers sowie der Küstenseeschwalbe.

BAH! Das meine ich! Da kam gerade richtig Stimmung auf, ich habe den dunklen Kiesstrand und die verschwiegenen Gestalten richtig vor mir gesehen, und dann quatscht da schon wieder der kleine Tierfreund dazwischen! Als würde man das Kettensägenmassaker für einen Kettenöl-Werbespot unterbrechen.


Ja da hast Du Recht. Wirkt vielleicht ein wenig (?) stimmungstötend. Aber die Metapher mit dem Kettensägen-Massaker hat was :)

aus probiert

Neue Reschtschreibung? Nee, aber da bluten mir jetzt echt die Augen von.


Hmm, ich bin der Meinung (mir aber nicht 100 % sicher) dass sich das "aus" auf den Ort beztieht und das "probiert" alleine steht, und es so korrekt ist. Aber da ich Augenbluten, besonders durch meine Geschichten hervorgerufen, extrem schlimm finde, werde ich einfach eine Leerstelle weghauen. Komisch sieht´s wirklich aus.

„Verpisst euch ihr Hurensöhne!“

"eusch". Für mehr Authenzität sollte es "eusch" heißen und um den Hinweis ergänzt werden, dass man bei Nichtbeachtung dieser Aufforderung beabsichtige, sich mit den Müttern besagter "Hurensöhne" auf den Akt körperlicher Liebe einzulassen. Nein, im Ernst, diese Bushido-Nummer passt zu gar nichts, was wir bisher über den Prot wissen.


Naja, ich dachte nach vier Flens, einer sprichwörtlichen Leiche im Keller und einer Menge Leichen ums Haus verteilt könnte ich den Prot mal ein wenig derber werden lassen. Es wird aber geändert, ist schon ein Stilbruch, das stimmt.

So, aber wie gesagt: Geschichte fand ich toll.

Vielen Dank Proof für die gesamte Kritik! Hat mir wirklich sehr geholfen.

Viele Grüße

@yours truly

Vielen Dank für Deine Kritik. Schön dass die Story Dir gefallen hat!

Danke für den Anstoß mit dem hintangestellten Verb. Das ist das, was ich mit dem Eingangssatz zum Beispiel meinte. Mir ist das bisher noch nie aufgefallen. Habe mal in ältere Geschichten von mir geschaut und dort war das gleiche Bild. Werde nächstes mal verstärkt drauf achten.

Viele Grüße

@Setnemides

Ah, auch ein Nordsee-Fan :) Danke Dir für Deine Kritik!

Das ist mir zuviel Achterbahnfahrt für die kurze Geschichte. Bleibe mal bei dem Ornithologen, der die Vögel liebt und die Nordseeluft schnuppert, und lasse ihn sich langsam in Richtung Metaphysik verwandeln; das reicht völlig aus und ist mit wenigen Änderungen zu erreichen.

Das werde ich mal überdenken, mal schauen, wie ich das überarbeiten kann. Ist wohl wirklich ein bisschen viel Metamorphose des Prot für eine KG.

Viele Grüße


Am Schluss nochmal jeden einzelnen ein großes Danke-Schön für die Zeit und die Mühe die ihr euch genommen bzw. gemacht habt.

Viele Grüße

Berzerk

 

Hallo Berzerk!

Ich mache es kurz und liste ein paar Punkte auf, an denen du, meiner Meinung nach, arbeiten solltest.

Erstmal passt meiner Meinung nach die Gewichtung von Umgebungsbeschreibung und Andeutungen von etwas Gefährlichem im ersten Abschnitt nicht.
- Lange Beschreibung der Umgebung
- "Diese Nacht würden sie wieder kommen."
- Lange Beschreibung der Umgebung
- "Kein Risiko eingehen."
- Lange Beschreibung der Umgebung
U.s.w. Wenn der Protagonist dermaßen verunsichert wäre, würde er nicht so emotionslos alles um ihn herum beschreiben, dermaßen in die Details gehen.

Dann schreibst du im ersten Abschnitt immer von ich, der "einzigen Person, die die Insel betreten darf"; "konnte ich meine Koffer packen und an die Nordseeküste reisen." Du beschreibst offensiv, dass dein Protagonist allein ist!
=> Später kommst du mit Jenny, die angeblich auch da ist bzw. war. Und ich fühle mich veräppelt. (Übrigens, wie wollte er erklären, dass seine Kommilitonin nicht mit abreist?)

Teilweise sind deine Erklärungen auch zu lang, bzw. zu weit hergeholt, z.B. warum die Zombiewasserleichen, was auch immer, wohl keine Wattwanderer sind.

Oh, und haben Häuser auf Halligen wirklich Keller?

Ansonsten finde ich den Plot etwas zu einfach/klassisch. Protagonist tut etwas Schlimmes und wird von geisterhaften Gestalten (was auch immer) dazu getrieben, es einzusehen und in den Selbstmord zu gehen. Das Setting ist nett, aber für die Länge der Geschichte solltest du noch ein paar Ecken und Kanten in den Plot einbauen.

Grüße
Chris

 

Hey,

ich fand den Anfang furchtbar zäh und hab mich da richtiggehend gelangweilt. Dann der Plot ist okay, verlässt aber nicht mehr die berichtende Sprachebene. Wenn da einer in Panik ist und dann diese Panik irgendwie nüchternd referiert ... für mich hat das alles nicht gezogen.
Die Erzählkonstruktion killt die Geschichte; und dann diese Idee mit der toten Freundin, das ist schon gut gemacht, aber fast verschenkt in der Geschichte mit der Erzählkonstruktion.
Es ist ja ein fiktiv-realer Erzählrahmen und da müsste mehr der Geisteszustand des Ich-Erzählers durchschimmern, tut er aber nicht, sondern der schreibt wie ein Autor Es geht ihm nicht darum, sich irgendwie zu rechtfertigen, sondern darum dem Leser eine spannende Geschichte zu zerzählen, mit der toten Freundin als verheimlichte Wendung bis ganz zum Schluss und dem kaputten Radio als Vorgriff usw. ... warum sollte das irgendwer in seiner Situation so aufbauen? Das ist einfach unsinnig.

Stell dir mal vor, das wäre alles wirklich, und er würde da sitzen von diesem Ausgangspounkt an, in seinen letzten Stunden, halb dem Wahnsinn nahe und in der Gewissheit, dass er bald drauf geht. Wie würde er dann erzählen? Und dann haut deine ganze Konstruktion eben nicht mehr hin, weil er das kaum so geordnet an den Mann bringen würde. Ja, vorgestern, war wohl so gegen Nachmittag haben auch Wattzombie alle Fenster eingeschmissen; uh, oh, und genau, vor einer Woche hab ich meiner über alles geliebten Freundin den Schädel mit einem Hammer eingeschlagen. Dammich, warum ich hab das denn nicht gleich geschrieben?

Ich seh da wirklich schwarz; die gewählten Mittel des Erzählens beißen sich komplett mit dem Stoff, der erzählt werden soll. So bleiben die Teile mehr als die Summe. Der Stil ist okay, der Plot ist okay, das Potential der Geschichte ist wirklich groß, das Setting ist stark, der Spannungsaufbau ist (nach der trüben, trüben Einleitung) stark, aber es zündet so gar nix bei mir, eben wegen der Erzählkonstruktion.

Gruß
Quinn

 

Hallo Chris Stone!

Danke Dir für Dein Feedback und Deine Anregungen. Die Untergewichtung von Bedrohung zur Landschaftsbeschreibung ist extra gewählt. Sollte ein wenig die melancholischen Züge durch Bedrohung aufmotzen. Ist vielleicht nicht so gelungen.

Bei Deinen Anmerkungen, dass ich offensiv beschreibe, dass der Prot der einzige Bewohner der Insel ist, muss ich aber widersprechen. Genau aus dem Grunde, weil ich solche "Ätsch Bätsch" - Sachen nicht mag, hatte ich mir Mühe gegeben, eben nicht zu schreiben, dass er alleine ist. Der von Dir zitierte Satz zum Beispiel bezieht sich auf den Vogelwart.

Nur dem glücklichen Umstand, dass der Vogelwart der Hallig Habel ein sehr guter Freund meines Professors ist, hatte ich die Tatsache zu verdanken, hier zu sein. Denn in seinem Bemühen, eine Vertretung für ein Vierteljahr zu bekommen, hat sich die normalerweise einzige Person, die dieses Eiland betreten darf, Hilfe suchend an eben meinen Professor gewandt.

Auch später schreibe ich, dass der Prot die Koffer gepackt hat, aber nicht, dass er allein ist. Aber - und das mag durchaus sein - vielleicht habe ich es einfach nicht subtil genug gemacht.

Das diese Geschichte durch und durch klassisch ist, da hast Du natürlich recht. Irgendwie wollte ich nur einen bekannten wohligen Grusel erzeugen. Das nächste mal traue ich mich vielleicht mehr.

Schade, dass ich ich nicht unterhalten konnte. Umso mehr danke ich Dir nochmal für Deine Anregungen und Deine Zeit und Mühe.

Viele Grüße

Hallo Quinn!

Auch Dir vorab ein großes Danke für Deine Mühe und die gemachten Anregungen. Du sprichst mit der Ich-Form einen wichtigen Punkt an. Die fast komplette Story existiert auch in der dritten Person, weil ich mir lange Zeit nicht sicher war, aus welcher Perspektive ich sie erzählen sollte. Irgendwann habe ich mich dann für die vorliegende Variante entschieden. Einfach aus dem Grunde, weil ich der Meinung war, das alles ein wenig intensiver zu Papier bringen zu können. Wie man´s macht ist es eh verkehrt und so habe ich mich wohl falsch entschieden. Denn Deine Kritikpunkte sind natürlich nicht von der Hand zu weisen. Ich wollte an einem bestimmten Tag ansetzen, und dann teils in Rückblenden eben erzählen was passiert ist. Hat nicht wirklich funktioniert.

Interessant ist aber, wie der Anfang polarisiert. Ich hatte vor, eine melancholische Stimmung hervorzurufen. Aber der Dokufreund ging wohl ein ums andere mal mit mir durch.

Aber was mich aufbaut:

Der Stil ist okay, der Plot ist okay, das Potential der Geschichte ist wirklich groß, das Setting ist stark, der Spannungsaufbau ist (nach der trüben, trüben Einleitung) stark

Das nächste mal verschmelze ich alles zu einem besseren Ganzen.

Auch Dir auf jeden Fall nochmal ein großes Danke für Zeit, Mühe und Anregungen!

Viele Grüße

Berzerk

 

Hallo Berzerk,

Quinn hat eigentlich schon auf den Punkt gebracht, was ich zu dieser Geschichte zu sagen habe. Ich fand zwar viele der Beschreibungen sehr gelungen, und als der erste Tote im Watt auftauchte, habe ich mich auch ziemlich gegruselt, aber der Aufbau der Geschichte funktioniert so einfach nicht. Man fühlt sich wirklich veralbert, wenn das mit der Freundin herauskommt, und ab der Stelle bin ich dann nicht mehr warmgeworden mit der Geschichte.
Man hat wirklich das Gefühl, der Erzähler hätte da mit Absicht was zurückgehalten, um dann "Überraschung!" zu schreien. Natürlich könnte man argumentieren, dass es ein Zeichen für den Geisteszustand des Protagonisten ist, dass der erst mal schön atmosphärisch von seinen Naturbeobachtungen auf der Hallig berichtet, und DANN von den Zombies vor der Haustür und DANN davon, dass er seine Freundin umgebracht hat, aber nee - von einem Ich-Erzähler erwarte ich irgendwie, dass der seine Geschichte von A nach B erzählt und nicht irgendwelche Dinge zurückhält, bis sie überraschend wirken.
Die Version, die in der dritten Person erzählt ist, würde mich mal interessieren, ich kann mir gut vorstellen, dass es da besser funktioniert.

Grüße von Perdita

 

Hallo Perdita!

Zuerst mal vielen Dank für Deine Mühe und die Anmerkungen.

Schade, dass ich Dich nicht bis zum Ende bei der Stange halten konnte.

Gerade, was den Mord anbetrifft, war ich der Meinung, es würde nochmal eine weitere spannende Note in die Geschichte bringen. Es sollte eigentlich einen "Aha-Effekt" auslösen und nicht dazu führen, dass man sich veralbert fühlt. :(

Meine Idee war, einige Hinweise zu legen (wie das Händewaschen in einer Pfütze ), die erstmal für sich gesehen keinen Sinn ergeben um später zu einem sinnvollen Ganzen zu werden. Ich denke auch, dass mir das Auslegen von Andeutungen gar nicht so schlecht gelungen ist. Aber die Erzählform passt wohl nicht dazu. Rückblickend kann ich da nur zustimmen. Mir gefiel nur die Idee der Ich-Form.

Ich bin jetzt auf jeden Fall motiviert, die alternative Version, den "Directors Cut" der Geschichte zu vollenden.

Vielen Dank nochmal und ein schönes Rest-WE wünscht

Berzerk

 

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