- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 12
Drehtouring
Drehtüren erfreuen sich in letzter Zeit immer größerer Beliebtheit. Schon lange findet man sie nicht nur in Hotels der gehobeneren Klasse. Immer mehr Einkaufszentren schmücken sich mit diesem praktischen Zubehör.
Ob die neue, daraus entstandene Freizeitbeschäftigung, wie so viele Sportarten, aus den USA zu uns gekommen ist, weiß ich nicht. Jedoch trifft man immer häufiger auf Zeitgenossen, die sich vor den Drehtüren versammeln. Sie plaudern übers Wetter, sehen sich die neuesten Urlaubsfotos an oder diskutieren die aktuelle politische Lage.
Mitgebrachte Klappstühle und –tische werden ausgepackt, sowie Kaffe und Kuchen. Es gibt keinerlei Beschränkung bei dieser neuen Sportart, alles ist erlaubt. Einzig und allein eine Regel muss beachtet werden: Alle Unternehmungen müssen direkt vor der Drehtür stattfinden, sodass es unmöglich ist diese zu betreten oder zu verlassen.
Anfangs fand ich es ärgerlich, wie viel Zeit man damit vertrödelt, Runde um Runde, samt vollbepacktem, schlecht lenkbarem Einkaufswagen in einer Drehtür hinter sich zu bringen. Doch beim letzten Mal (ich hatte mich zu Hause mit den Worten verabschiedet: „Ich wünsche euch ein schönes Wochenende, denn ich gehe jetzt einkaufen.“ ) erkannte ich die positive Seite für Drehtürinsassen.
Im letzten Moment huschte eine junge Frau zu mir in die Kabine, bevor sich die Ein- und Ausgänge mit Menschentrauben verschlossen. Nach ein paar Runden hatten wir den richtigen Rhythmus gefunden, wie wir, ohne anzuecken, unsere beiden Einkaufswagen im Gleichklang mit der Tür, im Kreis bewegen konnten. Es dauerte auch nicht lange und wir kamen ins Gespräch.
Für die junge Frau war es das erste Mal und leichte Panik stieg in ihr auf. Aber ich konnte sie beruhigen. „Keine Angst, spätestens zum Geschäftsschluss werden alle Drehtüren kontrolliert. Ich glaube, es gibt sogar einen Paragrafen, dass man Kunden nicht über Nacht hier drin lassen darf.“
Erleichtert atmete die junge Frau auf. Sie erzählte mir von ihren Kindern, ihrem Mann, dem kleinen Häuschen mit Garten. Wir tauschten Kochrezepte aus und bewährte Mittel gegen Kaugummiflecken. Es wäre der Beginn einer wunderbaren Freundschaft geworden. Doch dann befreite uns der Hausmeister auf seinem abendlichen Kontrollgang, noch bevor wir unsere Adressen tauschen konnten. Ich habe die junge Frau leider nie wiedergesehen.