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Ein einfallsreiches Geschenk

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18.08.2002
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Ein einfallsreiches Geschenk

Das Telefon klingelt. Einmal. Zweimal. Dr-

"Berliner Kurzgeschichtenagentur, Strundowski, Guten Tag, was kann ich für Sie tun?"

"Guten Tag, hier Ssaßlik, öhm, ich möchte eine Kurzgeschichte beßtellen."

"Leitmotiv... Details..."

"Öhm, nun, also das Übliche, öhmm, was hätten Sie im Angebot?"

"Alles, von Abblitzen lassen über Oma gestorben bis Zugunglück. Markttauglich sind zur Zeit vor allem der Seitensprung und der aus dem Fenster springende Neokommunist, abzuraten ist aus Mangel an Adressaten von Kindergeschichten aller Art."

"Öhm, na gut. Wie teuer wäre der Seitenßprung?"

"Nun hören Sie mal, hehe, wir sind doch keine Kulturbanausen! Jedes Motiv selbstverständlich zum gleichen Preis von 47,9 Cent das Wort."

"Das ist aber teuer, öhm, was mach ich denn nun? Dieses Geßpräch allein wird mich schon ein Vermögen kosten. Vorbei sind leider die Zeiten, wo man sich gütigerweise auf die Verbindungsgebühren beßränkte. Menßenskind, wo sind denn die verdammten Zeiten nur hin, also das gibt's doch nicht!"

"Nun, nun, Herr Schaschlik, beruhigen'S sich mal. Man darf die Vorteile der Wortgebühr nicht vom Tisch weisen. Durch sie ist garantiert, dass jedes Wort seinen Sinn behält, über Jahrhunderte hinweg oder bis seine Mutterfirma pleite geht. Auch sind Verfälschungen praktisch ausgeschlossen. Man stelle sich vor, das Wort 'Terror' würde auf Grund der freien Verwendung in den Medien und in öffentlicher Diskussionen semantisch neutralisiert werden. Das würde den Meldeeifer der Bürger beim kleinsten Hinweis auf mögliche Aktivitäten der alten Ida empfindlich stören.
Wortpatente hätte es schon viel früher geben müssen, finden Sie nicht auch? 'Ich' gehört zu den letzten ungeschützten Worten. Patentieren Sie es sich, und 1-2-3 sind Sie Millionär und die Welt ist vom Egoismus befreit."

"Öhm, aus dieser Perspektive habe ich das noch gar nicht betrachtet..."

"Tja..."

"Was aber die Geßichte betrifft, habe ich mir gerade etwas ausgedacht, öhm... Harald Juhnke geht fremd."

"Ach. Und mit wem?"

"Mit Franz Kafka."

"Lieber Herr, da muss ich Sie enttäuschen, wenn Sie originell sein wollen. Die Idee ist nicht neu. Es gibt schon viele Geschichten, wo Juhnke mit Kafka ins Bett geht."

"Menßenskind, dann ßtrengen Sie sich verdammt nochmal an, etwas Neues reinzubringen, ich bezahle Sie ßließlich!"

"Und der Umfang?"

"Viertausend Wörter. Auf jeden Fall nicht mehr als viertausendeinhundert."

"Macht dann 1916,- Euro, bzw. 1963,90 Euro."

"Ömm! Das ist aber viel."

"Tja, das müssen Sie selbst entscheiden."

"Ich gehe runter auf eintausend Wörter. Wieviel macht das?"

"479,-. Ich habe allerdings Zweifel -"

"Einverßtanden."

"Wie wäre es mit einer zweiwöchigen Ausbesserungsgarantie? Gegen einen geringfügigen -"

"In Ordnung. Wer weiß ja, welchen Unsinn Sie da wieder verzapfen."

"Hehe. Welches Gebiet dürfen wir für Ihre Kurzgeschichte freischalten?"

"Wie bitte?"

"Wo soll man ihre Kurzgeschichten überall lesen können? Seit Kurzgeschichten ausschließlich über e-Books vertrieben werden, gibt es einen national begrenzten Freischalt-Code. Zur Sicherheit unserer Kunden. Sie müssen sich vorstellen: Die Gefahr, die von der allgegenwärtigen Wortmafia ausgeht, würde sonst praktisch unberechenbar."

"Öhm, also, na ja, überall in den Vereinigten Unionen?"

"Gut. Sprache?"

"Engliß und US-Amerikaniß."

"Kein Problem. Pseudonym?"

"Natürlich unter dem Namen meiner Frau, Ssarlotte Ssaßlik. Sie feierte kürzlich goldene Hochzeit und da will ich ihr etwas Einfallsreiches ßenken."

"Na dann: Herzlichen Glückwunsch - nachträglich, meine ich. Aber, wenn ich fragen darf: Sie sagten, 'sie' feierte nur? Sie etwa nicht?"

"Menßenskind, merken Sie denn nicht, ich sitz' hinter ßwedißen Gardinen! Hätte man mir nur vorher gesagt, dass man nicht mehr selbst Geßichten ßreiben darf...!"

"Ach so. So, dann hätten wir alle Daten. Ihre Geschichte wird in etwa fünf Werktagen fertig sein. Wir rufen sie umgehend zurück. Der Betrag beläuft sich auf 619,- Euro, inklusive der rechtsgestützten Unanfechtsbarkeit für Wörter. Bitte bleiben Sie noch in der Leitung, damit wir Ihre Adresse hinterlegen können."

"Öhm, ich hätte da noch -"

"Sie werden verbunden ... Sie werden verbunden ... Sie werden verbunden..."

[highlight]Lizenz: Creative Commons BY-SA 3.0 DE[/highlight]
siehe auch unten, Beitrag floritiv#4​

 

Hallo floh,

Die Idee zu deiner Satire hat mir gut gefallen. Ich würde sie allerdings direkt mit der wörtlichen Rede beginnen und alles bis zum klingelden Telefon davor streichen. Als reine Dialoggeschichte wäre sie für mein Gefühl viel effektiver.
Am Ende wirkt es leider ein bisschen als ob die kein geeigneter Schluss eingefallen wäre. Zwar bezieht es sich auf deinen Titel mit dem "einfallsreichen Geschenk" aber das Leben, des Abiturienten spielt in den Überlegungen ja gar keine Rolle. Wenn ich meinem Sohn eine Kurzgeschichte schenken würde, würde sie doch irgendwie mit seinem Leben in Zusammenhang stehen, gerade wenn sie zum Abi ist. Unangenehme Erinnerungen an schlechte Abizeitungstexte, Gedichte zu runden Geburtstagen oder zu Jubiläumshochzeiten drängen sich da bei mir auf.
Schön fand ich, die Spekulation über mögliche Themen. Den Bereich hättest du für meinen Geschmack gern weiter ausnauen dürfen. Genau an dieser Stlle hättest du dich aber eben entscheiden müssen. Sollen die Themen einen Bezug zur Schulzeit des Beschenkten haben, oder soll die Kurzgeschichte aus einer anderen Motivation bestellt werden. Beides wäre dir von deinem Ausdruckspotential her bestimmt möglich, aber durch diese Unentschlossenheit hast du leider etwas verschenkt.

Aber vielleicht sehen das ja kompetentere Leser als ich auch ganz anders. ;)

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Floh!
Amüsant finde ich die Geschichte zwar, aber, wie Sim schon erwähnt hat, der Schluss ist "unabgeschlossen". Irgendwie hat mich Deine Satire am Anfang ein bisschen an Kishons "Alle Tiere sind schon da" erinnert. :) Na ja, aber es war dann doch anders. :)
Gelungen, ich würde auch alles in direktrer Rede, vielleicht aber anfangen mit dem Telefon, das klingelt. Und dann erst das Gespräch.

Marana

 
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Ein liebes Danke fürs Lesen Euch beiden. Habt recht, die Einführung kommt unter den Rotstift.

Das mit dem Ende ist so eine Sache. Wollte mich nur mal als Satiriker versuchen. So mag selbst ich die Geschichte nicht als tief bezeichnen, genaugenommen ist sie für mich die einfachste von all meinen zehn. Hat den Flair, aus mehreren Motiven einfach zusammengebaut worden zu sein, wie aus dem Legokasten. Wer also das Ende kritisiert, braucht auch vor dem Juhnke/Kafka-Wagnis nicht halt zu machen :D.

Werde mir die Sache nochmal durch den Kopf schwimmen lassen.
War übrigens direkt im Eingabefenster von kg.de entstanden. Die Orthografschaft möge mir Asche aufs Haupt schütten, bei etwaigen RS-Fehlern natürlich nur ;).


FLoH.

PS: Und wissta wat? Bin immer wieder selbst irritiert, meinen Namen in einer Geschichte zu lesen. - Obwohl ich sie selbst geschrieben habe :confused:

 

Hi Floh,

sim hat wie immer schon das Wichtige genannt :kuss: .
Was mich noch stört, ist daß du vom Redeton her die beiden Protagonisten nicht unterschiedlich darstellst (sie benutzen beide hach, tja, hehe usw) Versuche sie anhand der Dialoge unterschiedlich zu zeichnen. Das kriegst du hin.
Ansonsten coole Idee, die noch ein wenig an der Umsetzung hakt.
Was ich nicht so ganz verstanden hab: welchen gesellschaftlichen Mißstand möchtest du karrikatieren?
Ich hab da so eine Ahnung, aber versuch mir das mal anhand deiner Story zu belegen ;)

liebe Grüße, Pandora

 

Ich habe keine Ahnung, warum Pandora glaubt, du müsstest/wolltest eine "gesellschaftlichen Mißstand" karrikieren. Völliger Nonsens! Mit dem Redeton hat sie allerdings recht, der könnte unterscheidlicher sein. Das Ende ist m.E. okay, lass dich nicht zu einer aufgeblasenen Schenkelklopfer-Schlusspointe verleiten. Das offene Ende (und dieses Ende ist definitv nicht offen!) ist ein Kennzeichen der Short-Story in der anglo-amerikanischen Traditon.

 

Ich habe keine Ahnung, warum Pandora glaubt, du müsstest/wolltest eine "gesellschaftlichen Mißstand" karrikieren.

Hm, vielleicht weil wir uns in der Rubrik "Satire" befinden? :confused:

 

Hi Thomas, hi Pandora,

freut mich, dass auch ihr mich mit Foodback gefüttert habt :).

@Pandora: Verstehe Dich ja, was Du mit demselben Sprachstil meinst, aber war's weniger Unvorsicht als Absicht. Ich wollte die beiden Dialogpartner sich einfach gegenseitig nachäffen lassen. Scheint noch etwas an der Technik zu hapern, hm? Vielleicht ist das aber sowieso redundant und kann gestrichen werden, ansonsten: Etwaige Tipps das noch herauszuarbeiten?
apropros gesellschaftlicher Missstand: Darüber lässt sich bekanntlich streiten, aber ich finde, man bekommt immer weniger für'n guten Willen. Ich bin in Computerforen Mitleser und lese da zunehmens über Patente auf Algorithmen = Problemlösungsverfahren. D.h. man lässt sich Ideen vergüten, und das finde ich hirn-riss-ig. Da auch Wörter im Prinzip Ideen sind, könnte man doch... :rolleyes:

Werd' an diese Geschichte noch die Feile setzen, mal sehen.


FLoH.

 
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(Gelöscht - Revidierte Version jetzt im Posting #1)

 

Also die Geschichte ist jedenfalls unterhaltsam! Wirklich lustig finde ich sie nicht, könnte mir durchaus vorstellen, dass sowas wirklich gemacht wird, in der heutigen Gesellschaft... Vielleicht hast du ja eine Marktlücke entdeckt! Nachdem ich mal in irgendeiner Werbung gesehen hab, wie Geburtstagsständchencd's mit einem Geburtstagslied, in dem der Name des bestellers vorkommt verkauft wurden, wundert mich gar nichts mehr! Das besondere an diesen Cd's war, dass sie von irgend einem Prominenten besungen wurden, dieser Typ, der "Hier kommt Kurt" gesunden hat, keine Ahnung, wie der hieß, irgendetwas mit Z oder so...

 

Danke fürs Lesen, popla :)!

Ja klar, wenn sowas gemacht wird, büßt die Geschichte natürlich an satirischer Wirkung ein. So habe ich das noch gar nicht gesehen, aber Indizien liegen auf der Hand: Mein Kopf hat seitje tausende Ideen geformt, und dann erfuhr ich bei der Hälfte, dass sie schon längst verwirklicht worden sind. Sowas ist vielleicht deprimierend... :rolleyes:

Aber das alles soll hier unberührt bleiben. Ich habe eben die Befürchtung, dass irgendwann auch die Schreibkunst dem Produktisierungszwang des Kapis zum Opfer fällt, und das wollte ich nur mal satirisch (:shy: Frage: Ist das überhaupt eine Satire?) aufziehen. Ich bin nun nicht gerade im Humorpott ertrunken, aber für einen ernstlichen Schriftsteller ist es ratsam, sich in mehreren Genres zu versuchen. Findest Du nicht auch?

Weiterhin frohes Schreiben,
FLoH.

 

Hallo FLoH,

die Kommerzialisierung des Literatur- (Kultur-)betriebs ist schon ein guter Stoff für eine Satire. Hätte ruhig bissiger sein können. Patentamt für Wörter - so etwas ähnliches gibt`s, ich glaube es fällt unter Musterschutz.

Tschüß... Woltochinon

 

Lieber FLoH!

Ehrlichgesagt hat mir Deine Geschichte kein Lachen, auch kein Schmunzeln entlockt, was vielleicht ja daran liegt, daß ich den gesellschaftlichen Mißstand nicht sehe, den Du karikieren willst - für mich klang die Geschichte mehr sehr seltsam... ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Susi: mal so als Hinweis: es ist ein weitverbreitetes Gerücht, daß Satiren komisch im Sinne von witzig sein müssen ;)

 

@Susi: Siehst Du ihn nicht im Sinne von "wahrnehmen" oder im Sinne von "nicht der Meinung sein"? Im Falle von Ersterem:

weiter oben, von mir
Ich bin in Computerforen Mitleser und lese da zunehmens über Patente auf Algorithmen = Problemlösungsverfahren. D.h. man lässt sich Ideen vergüten, und das finde ich hirn-riss-ig. Da auch Wörter im Prinzip Ideen sind, könnte man doch...

Leider stelle ich gerade fest, dass mir meine Geschichte selbst nicht mehr so gefällt. Ist wohl auch kein Wunder, kommt eben vom Einfachdrauflos :(.


FLoH.

 

Also, ich korrigiere mal die revidierte Version, die andere hat ja noch mehr Fehler:

Strundowski, Guten Tag, was kann ich für sie tun?"
1. Entweder das Komma nach Strundkowski weg oder guten klein
2. Sie groß
Seitenßprung
Seitensprung. Dieser höchst merkwürdige Fehler findet sich noch einige Male im Text
Vorbei sind leider die Zeiten,
Eine Inversion mag ein gutes Stilmittel sein, hier gereicht es mir allerdings zur Abwendung vom Text
Menßenskind
Was zur Hölle ... ? Also, den musste ich noch mal gesondert aufführen. Was ist denn mit deiner Tastatur losgewesen???
"Lieber Herr, da muss ich sie enttäuschen, wenn Sie originell sein wollen.
Sie groß. Ich würde die beiden Sätze umdrehen.
e-Boox
e-Books
na ja auseinander
Ach so. So
So, so. So war das also. So.
Hallo FloH,
musste ich ja mal machen. Kommentieren, mein ich.
Ich fands gut. Bis auf die Stellen, die ich nicht so gut fand. Die fand ich nicht so gut. Aber die Stellen, die ich gut fand, fand ich hingegen gut.
Das Ende verstehe ich nicht so ganz causa Verständnis. Wieso wird er verbunden und mit wem? Bzw., was viel wichtiger ist, was wollte er noch sagen?
Euer Causatserk

 

Moin Tserk.

Ups, stimmt ja, die Kritik muss ich wohl übersehen haben, tschui. Danke fürs Lesen :).

Dieser höchst merkwürdige Fehler...
... soll das gelispelte "sch" in der Sprache meines Prots widerspiegeln, genau.

Wegen des anderen Zeugs schau ich noch mal drüber.


FLoH.

 

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