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Ein letztes Werkstück

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08.01.2024
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Ein letztes Werkstück

Ehemals lärmten Punkt sieben Uhr die Maschinen. Bis zu sechs Mann arbeiteten in der Tischlerei.
Der Schlüsselanhänger ist derselbe wie vor 50 Jahren. Eiche, ein Abfallstück, ein vom Boden aufgehobener Abschnitt eines längst vergessenen Projektes.

Bis die letzten Deckenröhren zu flackern aufhören, vergeht eine volle Minute. Manchmal auch mehr. Blind könnte er jeden Flecken der Werkstatt zielsicher erreichen. Seit einiger Zeit bleibt er am Tor stehen und wartet ab.
Abrichte, Dickenhobel, Formatkreissäge, alle Maschinen würden sofort tadellos funktionieren, das weiß er. Er hält sie in Schuss, lässt sie einmal alle vier Wochen zur Probe laufen, nutzt sie jedoch seit Jahren nicht mehr.
Auf der Werkbank steht die Kommode mit den maroden Schüben. Restaurationsarbeiten waren nie seine Sache gewesen, zuletzt aber das einzige, was ihm noch zugetragen wurde. Die Brettchen hat er bereits ausgehobelt, genauso die stattlichen Bohlen in der Ecke. Zu Lehrzeiten war ihm das Hantieren mit Raubank und Schlichthobel zuwider gewesen, heute genießt er es sehr. Früher stahl ihm die aufwendige Handarbeit seine Zeit, jetzt versüßt sie ihm jede Minute. Das Anreißen der Zinken ging ihm immer schon schwer von der Hand. Jetzt nimmt er sich Zeit dafür, früher musste sich jede Minute lohnen. All die Stemmeisen, ein Geschenk zur bestandenen Meisterprüfung, sind kurz geworden. Rasiermesserscharf liegen sie bereit, akkurat von Hand geschliffen. Zehntelmillimeterweise über die Jahre geschrumpft. Zunächst muss er lediglich die Stahlklinge in den Anriss gleiten lassen und mit dem Hammer lotrecht ins Holz treiben. Das geht wie von allein, beinahe wie Atmen. Die Zinken zu übertragen und dann die Schwalben auszuarbeiten ist der heikle Teil. Seine Augen beginnen zu tränen, trotz Brille und zusätzlicher Lampe fallen ihm solch feine Arbeiten zunehmend schwer.
Viel hat er darüber nachgedacht, welche Art Holzverbindung er für sein letztes Werkstück wählen soll. Besonders will er sie ausführen, handwerklich auf höchstem Niveau. Vier Bohlen warten schon geraume Zeit in der Ecke. Eichenholz, allerbeste Qualität.
Es hat Wochen in Anspruch genommen, sie von Hand zu besäumen, abzurichten und auszuhobeln. Dann hat er sie zurückgestellt, versucht, nicht täglich hinzuschauen, sie aus dem Kopf zu bekommen.
Die Schwalben sind jetzt nahezu fertig. Nur mehr die Außenliegenden absetzen, dann der Moment der Wahrheit.
Er hat sich viel Zeit damit gelassen, so sorgfältig gearbeitet, wie es ihm noch möglich ist. Das Ergebnis ist zufriedenstellend. Die Verbindung passt sehr gut, wenn auch nicht perfekt. Jetzt noch die andere Seite, er wird sich erneut bemühen.

Dann ist Essenszeit. Wie an jedem Tag, den er in der Werkstatt zubringt, klopft seine Enkeltochter an das einzige Fenster und stellt dann sein Essen auf der Bank davor ab. Er hört nicht das Klopfen, sieht nicht, wie sie vorübergeht, er weiß, dass sie kommt. Schlag zwölf legt er das Werkzeug beiseite, geht zum Tor und löscht das Licht.
Heute ist ein regnerischer Tag, das Vordach schützt ihn, die Suppe schmeckt wie immer.
In zwei, drei Stunden sollte er mit der Kommode fertig sein, dann wird er endlich damit beginnen. Noch heute.
Wieder in der Werkstatt gibt er dem Licht die Zeit, die es benötigt.
Die zweite Verbindung gleicht der ersten aufs Haar. Sehr gut gearbeitet, perfekt ist ihm nicht mehr möglich. Er ölt den Schub und bringt ihn nach nebenan zum Trocknen. In zwanzig Minuten muss er das überschüssige Öl abnehmen, gedanklich macht er sich eine Notiz. In der Zwischenzeit zieht er die benutzten Eisen auf dem Leder ab und säubert seinen Arbeitsplatz.
Dann legt er die Bohlen aus. Wieder.
Wie oft hat er sie schon betrachtet? Er weiß es nicht mehr.
Nach einer Weile nimmt er ein trockenes Baumwolltuch und geht hinüber. Das vollgesogene Tuch trägt er anschließend nach draußen.
Die gut zwei Meter langen Eichenholzbohlen zu sortieren, kostet ihn viel Kraft, sie von Hand aufzutrennen, erscheint ihm mit einmal aussichtslos.
Das Bandsägeblatt ist brandneu, unbenutzt, obgleich er es vor etlichen Jahren aufgezogen hat. Heute wird er den Dienst der Säge ein letztes Mal in Anspruch nehmen.
Später als gewöhnlich verlässt er die Werkstatt, erschöpft streckt er sich auf dem Kanapee aus.

Am nächsten Morgen fühlt er sich krank. Bis weit in den Vormittag hinein bleibt er im Bett liegen, erst nach dem Mittagstisch findet er sich in der Werkstatt ein.
Selbst nach Minuten will das Flackern nicht aufhören. Er betätigt erneut den Schalter, schließt das Tor ab, geht zurück ins Haus.

Tags darauf schmerzen ihm Arme und Beine mehr als gewöhnlich, gedanklich beschließt er, die Bretter morgen stumpf zu vernageln.
Am folgenden Tag zwingt er sich früh hinaus, mit kraftloser Hand schließt er das Tor auf. Die Röhren blinzeln nur einmal kurz, laden ihn ein, sogleich hereinzukommen.
Mit der Gestellsäge schneidet er die Bretter grob zurecht, schwitzend legt er sie aneinander. Der Deckel ist bald schon fertiggestellt, die drei Längsbretter mit den Querhölzern und der Diagonale rasch vernagelt. Danach machte er sich an einen letzten Korpus. Ein Tischler macht im Grunde wenig anderes. Ein Bett, ein Schrank, eine Truhe oder ein Schub. Alles Kisten. Alle mit besonderen Anforderungen, in unterschiedlichen Ausführungen. Eine letzte hatte er noch zu bauen.

Schlag zwölf behält er den Hammer in der Hand. Der Eintopf auf der Bank kann warten. Die letzte Kiste fordert ihm alles ab. Nicht handwerklich, aber körperlich. Die schweren Bretter zu bewegen, kostet ihn seine letzte Kraftreserve. Noch schwerer wiegt, wie tief ihn der Umgang damit bewegt.
Nach Sonnenuntergang stellt er die Schachtel mit den Nägeln ins Regal. Er fegt die Werkstatt aus, löscht das Licht, schließt hinter sich ab.
Auf der Bank sitzend löffelt er mit zitternder Hand den kalten Eintopf.

 

Moin @Sammis,

danke für Deine Geschichte. Hab sie gerne gelesen.

Der Einstieg und die (zeitliche) Verortung fiel mir ein wenig schwer, da Du (gefühlt) mit den Zeitformen jonglierst und zudem in jedem Satz den Fokus neu justierst (kann es gerade nicht genauer ausdrücken).

Ehemals lärmten Punkt 7 Uhr die Maschinen. Bis zu sechs Mann arbeiteten zugleich in der Tischlerei.
Abrichte, Dickenhobel, Formatkreissäge, alle Maschinen würden sofort tadellos funktionieren, das weiß er. Er hält sie in Schuss, lässt sie einmal alle vier Wochen zur Probe laufen, nutzt sie seit Jahren nicht mehr.
Der Schlüsselanhänger ist derselbe wie vor 5o Jahren. Eiche, ein Abfallstück, ein vom Boden aufgehobener Abschnitt eines längs vergessenen Projektes. Eigenhändig hat er den Schließzylinder in das selbstgeschreinerte Tor eingebaut. Im Frühjahr und Herbst schließt es nicht einwandfrei, bald schon wird er es neu justieren müssen.
Geht vielleicht nur mir so.


Zum anderen benutzt Du einiges an Fachvokabular, was zur Erzählstimme und wahrscheinlich auch zum Charakter passt, mich als absolut handwerklich unbegabten Dude allerdings jedes Mal heraushaut, weil ich mit den Begriffen nichts anfangen kann. :bonk:
Beispiele:

Das Anreißen der Zinken ging ihm immer schon schwer von der Hand.

Zunächst muss er lediglich die Stahlklinge in den Anriss gleiten lassen und mit dem Klüpfel lotrecht ins Holz treiben.

Die Zinken zu übertragen und dann die Schwalben auszuarbeiten ist der heikle Teil.
Die fett geschriebenen Wörter sagen mir nichts, ich lese und denke mir … okay, er schreinert/tischlert da etwas, er scheint sein Handwerk hervorragend zu kennen, ist ja schließlich auch seine Werkstatt.
Gleichwohl hält mich diese „Expertise“ als Leser auf Distanz. Vielleicht wäre da weniger mehr gewesen. Oder wenn man die Holzarbeit anders beschreiben würde, sodass auch unerfahrene Leser:innen besser in den Text eintauchen können?
Aber vielleicht ist das auch alles so von Dir beabsichtigt?

Was mich bis zum Ende hat lesen lassen, war die Erkenntnis im letzten Drittel (auf die Gefahr hin, dass ich falsch liege und mich hier blamiere): Er (Spoiler) fertigt seinen eigenen Sarg an ?
Das fand ich eine sehr gelungene Idee. :thumbsup:

Zwischendurch dachte ich mir, dass Du über die Sensorik des Geruchs in so einer Werkstatt wahrscheinlich auch noch einige Bilder stärken könntest. Wie riecht das Holz, die Maschinen, das Öl und die Suppe? Da könntest Du vielleicht noch etwas mehr Tiefe herausholen.

Kleinigkeiten:

Wieder in der Werkstatt gibt er dem Licht die Zeit, die es benötigt.
Den Satz habe ich nicht verstanden. Wofür gibt er dem Licht Zeit? Wartet er, bis die Sonne richtig steht?

Ehemals lärmten Punkt 7 Uhr die Maschinen.
Die gut 2 Meter langen Eichenholzbohlen zu sortieren kostet ihn viel Kraft, sie von Hand aufzutrennen erscheint ihm mit einmal aussichtslos.
Würde ich ausschreiben.


Wenn Du mit meinen fünf Cent etwas anfangen kannst, freue ich mich.
Beste Grüße
Seth

 
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Hallo @Seth Gecko,

danke dafür, dass du dir die Zeit genommen hast.

Dass ich anfangs mehrfach von Zeit zu Zeit springe, hatte ich so nicht auf dem Schirm. Beziehungsweise sah ich kein wirkliches Problem darin, dem zu folgen. Nach nochmaligem Lesen, mit deiner Info im Hinterkopf, sehe ich selbst, dass das nicht wirklich flutscht. Mal schauen, wie ich das anders gelöst bekomme.

Mit den Fachbegriffen ist das so eine Sache: Zum Einen sind Zinken Zinken und Schwalben Schwalben (das ließe sich, glaube ich, nur umständlich und langatmig für Laien umschreiben), zum Anderen bin ich der Meinung, dass der Leser nicht alles haarklein verstehen muss, manchmal es sogar hilfreich sein kann, ihn mittels Fachvokabular in eine ihm unbekannte Welt hineinzuziehen. Geschichten mit medizinischem Hintergrund kommen mir da in den Sinn. Ein bisschen ausmisten kann ich dennoch: Der spezielle Klüpfel darf auch ein simpler Holzhammer sein.

Mit deiner Idee das letzte Werkstück betreffend liegst du goldrichtig.

Gerüche mit ins Spiel zu bringen ist eine sehr gute Idee! Beispielsweise richt/stinkt Eichenholz bei der Bearbeitung tatsächlich oft nach Katzenpisse.

Die Zeit, die er dem Licht einräumt, bezieht sich auf das Flackern der Neonröhren. Das wiederholt sich ja mehrmals, dachte, das wäre gut erkennbar.

Die Zahlen werde ich ausschreiben.

Nochmals Danke für dein Anmerkungen!

BG,
Sammis

Nachtrag:

Die Werkstatt früher: Ehemals lärmten Punkt 7 Uhr die Maschinen. Bis zu sechs Mann arbeiteten zugleich in der Tischlerei.
ER, ganz allgemein, in der Werkstatt: Abrichte, Dickenhobel, Formatkreissäge, alle Maschinen würden sofort tadellos funktionieren, das weiß er. Er hält sie in Schuss, lässt sie einmal alle vier Wochen zur Probe laufen, nutzt sie seit Jahren nicht mehr.
Hinweiß auf das Alter der Werkstatt, zudem wieder eher vor der Werkstatt, beim Aufschließen: Der Schlüsselanhänger ist derselbe wie vor 5o Jahren. Eiche, ein Abfallstück, ein vom Boden aufgehobener Abschnitt eines längs vergessenen Projektes.
Dann wieder Er, Hinweis darauf, dass er von Anfang an dabei war. Eigenhändig hat er den Schließzylinder in das selbstgeschreinerte Tor eingebaut. Im Frühjahr und Herbst schließt es nicht einwandfrei, bald schon wird er es neu justieren müssen.
Jetzt wieder die Werkstatt: Bis die letzten Deckenröhren zu Flackern aufhören, vergeht eine volle Minute.

Das war in der Tat ein wilder Ritt durch Raum und Zeit, samt wechselnden Aktören.
Hab etwas umgestellt, gekürzt und ergänzt. Hoffe, so ist es durchgängiger. Danke fürs Augenöffnen!

 

Hey @Sammis,

ich gehe davon aus, du hast Erfahrungen mit Tischlerarbeiten? Ansonsten Hut ab, gut recherchiert. Generell kann ich mit vielen Begriffen wenig anfangen, bin auch handwerklich nicht sonderlich begabt, aber dennoch fand ich deinen Text interessant.

Wenn man so ans Altern denkt, da kann man schnell ins Grübeln kommen. Geht mir zumindest so. Wie fit werde ich sein? Vor allem geistig. Wie gut werde ich sehen und hören, mich bewegen können. Werde ich noch schreiben können? Da kommt vor allem das Mentale wieder ins Spiel. Die Lektüre deines Textes ließ mich darüber nachdenken, und das ist ja schon viel wert.

Und zimmert der da seinen eigenen Sarg? Er will mit seinem letzten Werk begraben werden. Das hat schon fast was Romantisches und Melancholisches. Find ich gut. Der Text an sich ist ziemlich deskriptiv. Jetzt nicht gerade eine Anleitung zum Sargbauen, aber doch sehr … mechanisch. Vielleicht wären einige Szenen mit seiner Familie interessant, um das Tischlerische etwas aufzulockern. Da könntest du dann auch mehr Facetten des Protas zeigen, was über „er ist alt und Tischler“ hinausgeht. Generell aber gerne gelesen, weil mich die Fachbegriffe tatsächlich gut reingezogen haben und ich wissen wollte, was er da eigentlich fabriziert. :D

Textzeug:

Der Schlüsselanhänger ist derselbe wie vor 5o Jahren. Eiche, ein Abfallstück, ein vom Boden aufgehobener Abschnitt eines längs vergessenen Projektes.
Ist das ein o? Besser aber fünfzig
längst

Zu Lehrzeiten war ihm das Hantieren mit Raubank und Schlichthobel zuwider gewesen, heute genießt er es sehr. Früher stahl ihm die aufwendige Handarbeit seine Zeit, jetzt versüßt sie ihm jede Minute.
Mit solchen Formulierungen muss man vorsichtig umgehen, die wirken schnell kitschig oder so „drangetackert“. Du sagst dem Leser das so, es ist aber immer besser, der Leser zieht selbst die Rückschlüsse, indem du ihn die Begeisterung des Protas für die Handarbeiten zeigst. Vielleicht lächelt er mal, während er sanft über das Holz streicht und erinnert sich an früher, so was.

Schlag zwölf legt er das Werkzeug beiseite, geht er zum Tor und löschte das Licht.
Kein zweites er
löscht: Hier springst du in der Zeit. Das kommt öfter vor.

Heute ist ein regnerischer Tag, das Vordach schütze ihn, die Suppe schmeckte wie immer.
schützt, aber die Zeitform springt hier wieder, siehe schmeckte, was ja schmeckt sein müsste, um zum Rest des Textes zu passen. Ich weiß, das flutscht ganz schnell mal durch, aber am besten du liest deinen Text vorher nochmal durch und achtest dabei nur auf die Zeitformen. Ansonsten wird der Leser aus dem Lesefluss gerissen.

Die gut zwei Meter langen Eichenholzbohlen zu sortieren Komma kostet ihn viel Kraft, sie von Hand aufzutrennen Komma erscheint ihm mit einmal aussichtslos.

So viel von mir, ich hoffe, du konntest was mit meinem Kommentar anfangen.

Liebe Grüße
gibberish

 

Hallo @gibberish,

danke für deinen hilfreichen Kommentar und die aufmuternden Worte!

Zunächst zum Textzeug:

Die Null in 50 ist ein O. War ein Fehlgriff, ein zu kurzer Finger, fand ich dann rein optisch sexy und habs einfach gelassen.:p

Das Drangetackerte lässt sich sicher schöner lösen, da stimme ich dir zu. Wollte den Text jedoch kurz halten, mal schauen, ob mir da noch was einfällt, ohne das es aus dem gewählten Erzährytmus fällt.

Zu löschte, schütze, schmekte: Hab das Ganze zuerst in dieser Zeit geschrieben und mich dann umentschieden ...
...mehr Konzentratiion, Junge!

Zum Altern und Tischlern: Ja, ich übe diese Tätigkeit schon sehr lange aus. Und Alter oder sogar der Tod sind für mich Themen, die zwangsläufig näher rücken. Hoffe dennoch, meine letzte Kiste noch etwas aufschieben zu können.

Meinen Prota plus Umfeld näher zu beschreiben wäre sicher nicht verkehrt. Nur wie gesagt ...
Ein Bisschen mehr Leben dürfte ihm und dem Text dennoch nicht schaden, setzt ich mich nochmal dran.

Danke fürs aufmersame Lesen inkl. O

BG,
Sammis

 

Hi @Sammis,
habe die Geschichte sehr gerne gelesen. Interessante Idee, authentische Wortwahl und schöne Struktur.

Das Bandsägeblatt ist brandneu, unbenutzt, obgleich er es vor etlichen Jahren aufgezogen hat. Heute wird er den Dienst der Säge ein letztes Mal in Anspruch nehmen.
An der Stelle würde ich persönlich eher die Zähne des Blattes als unbenutzt beschreiben, technisch gesehen wurde das Blatt ja zur Probe benutzt... aber ist auch haarspalterisch...
Die gut zwei Meter langen Eichenholzbohlen zu sortieren, kostet ihn viel Kraft, sie von Hand aufzutrennen, erscheint ihm mit einmal aussichtslos.
mit einem Mal statt mit einmal, oder?
Ein Tischler macht im Grunde wenig anderes. Ein Bett, ein Schrank, eine Truhe oder ein Schub. Alles Kisten.
Die Passage finde ich besonders gelungen, sie vereinfacht den Menschen auf eine sehr simple, aber elegante Weise.

Abgesehen von diesen Kleinigkeiten und bereits Erwähntem ist der Text alles in allem mMn bestens gelungen, technisch wie inhaltlich!
Danke für's Teilen!
VG, Q

 

Hallo @thesaintq,

vielen Dank für deinen Kommentar. Freut mich, dass dir die Geschichte gefällt.

Ich spalte ein wenig mit: Eine Bandsäge hat kein Sägeblatt. Wie der Name nahelegt, handelt es sich um ein Stahlband, auf dem Zähne aufgereit sind. Und physikalisch gesehen, nutzen sich diese ja sogar schon des Luftwiderstands wegen ab. Bekommen wir das Haarfragment noch kleiner? Spaß bei Seite, ich verstehe, worauf du hinaus möchtest.

Ein Mal oder einmal: Ein Mal bezeichnet ein einziges Mal. Einmal ist eine Zeitangabe.
Ich ging ein Mal ins Kino. Ich ging einmal ins Kino. Verbesser mich bitte jemand, wenn ich falsch liege.

BG,
Sammis

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Sammis

Das ist gut. Es ist schön geschrieben. Eine Weile befürchtete ich, das Ganze könnte ins Leere laufen. Ich dachte, es sei vielleicht nur ein Schwelgen in Erinnerungen, das schliesslich ohne Clou ausläuft. Aber man kann sich denken, was diese letzte Kiste sein könnte, womit die Geschichte und der schwächer werdende Mann - wie soll ich sagen? - etwas rührendes oder berührendes kriegt. Seine Ruhe und Sorgfalt hat etwas Ehrfurchtgebietendes.

Bis zu sechs Mann arbeiteten zugleich in der Tischlerei.

Bis zu sechs Mann arbeiteten in der Tischlerei.

Die Schwalben sind jetzt nahezu fertig.

Gibt einiges in der Geschichte, das mir unbekannt ist. Schwalben? Raubank und Schlichthobel? Denke ich nach, kann ich mir gar zu den Schwalben mehr vorstellen als nur die bekannten Vögel. Aber während dem Lesen unterbreche ich lieber nicht. Beim ersten Lesen bleiben solche Stellen somit vage. Schreibe ich, ist die Lage eine andere. Dann neige ich dazu, zu erklären, was wenig bekannte Begriffe bezeichnen. Aber das wirkt manchmal steif. Ich bin also im Zwiespalt ob der Sache.

Mit den Fachbegriffen ist das so eine Sache: Zum Einen sind Zinken Zinken und Schwalben Schwalben (das ließe sich, glaube ich, nur umständlich und langatmig für Laien umschreiben), zum Anderen bin ich der Meinung, dass der Leser nicht alles haarklein verstehen muss, manchmal es sogar hilfreich sein kann, ihn mittels Fachvokabular in eine ihm unbekannte Welt hineinzuziehen. Geschichten mit medizinischem Hintergrund kommen mir da in den Sinn.

Mir kommt das Technik-Gebrabbel aus Kriminal- und Gangstergeschichten in den Sinn. Wenn ein Abschnitt mit den Namen von Pistolen und Revolvern gespickt wird wie ein Baten mit Nelken, dann wissen die meisten Leser auch nicht, was die Beretta 92FS Compact von dem Sondermodel der Glock 40 MOS unterscheidet. Aber hey, das ist dann einfach irgendwie cool, nicht?

Gruss teoma

 

Hallo @teoma,
es freut mich sehr, dass dir meine Geschichte gefällt. Danke für deine lobenden Worte.

Bis zu … …zugleich
Das ist eine Art Dopplung, muss natürlich weg.

Mutmaßlich Unbekanntes erklären oder nicht? Dafür gibt es vermutlich kein allgemein gültiges Rezept. Ein Kriterium ist mMn die Textgesamtlänge. Bei kürzeren Texten dürfen sie kaum Platz einnehmen, müssen flüssig mitrutschen. Ist das nicht möglich, tendiere ich zum Verzicht.
Oft genügt ein ja wenig Halbwissen, um zu verstehen, dass es einen Unterschied macht, ob eine Glock oder Walther gezückt wird.

BG,
Sammis

 

Weiß gar nicht, ob es den „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“ noch gibt (da hab ich vor einem gefühlten halben Leben) mein erstes „Geld für Lesung“ bar auf die Kralle bekommen. 50 DM für eine halbe Stunde „Krawall“ (die Geschichten aus Beerde [oder gebräuchlicher: BRD] erzählen davon. Aber Deine wehmütige Geschichte hätte da Chancen, angenommen zu werden und ich find da „eigentlich“ nix zu mosern (die „5o“ kann schon mal passieren, aber jeder weiß ja, was gemeint ist).

Es ist ein seltsames Gefühl, „Abschied“ zu nehmen, was ausgerechnet einer sagt, der im Dauerclinch nicht nur mit seinen Vorgesetzten in einem katholischen (!) Krankenhaus lag (vor allem als Mitarbeitervertreter) und hernach als "Presbyter" über die Finanzen eines Konkurrenzunternehmens im gleichen Stadtteil "Bescheid" wusste) und hernach „abgefunden“ wurde, was – natürlich – im Bekanntenkreis Begehrlichkeiten weckte …

Keine Bange, ich werd nicht sentimental … und such mal eben die Schnitzel (chinesisch) laus - wobei das eine oder andere sich schon erledigt haben kann

Der Schlüsselanhänger ist derselbe wie vor 5o Jahren.
Nja, hastu selber schon gemerkt, aber was befeuert diese Substantivierung
Bis die letzten Deckenröhren zu Flackern aufhören, vergeht eine volle Minute.

Und hier
Restaurationsarbeiten waren nie seine Sache gewesen, zuletzt aber das Einzige, was ihm noch zugetragen wurde.
Warum die Substantivierung, wenn es sich als Attribut wahlweise und auch gleichermaßen zu den Arbeiten und seiner Sache anbiedert?

In zwei, drei Stunden sollte er mit der Kommode fertig sein, dann würde er endlich damit beginnen.
Warum Konj. II? Zweifelt er an seiner näheren Zukunft? Oder soll dem Abschied Würde verliehen werden? Ein schlichtes "wird" genügt doch in seiner Zweiwertigkeit. Dann beginnt es endlich oder eben nicht.

Hier ist ein t

In der Zwischenzeit zieht er die benutzen Eisen auf dem Leder ab und säubert seinen Arbeitsplatz.
nachzutragen

Alles Kisten. Alle mit besonderen Anforderungen, in unterschiedlichen Ausführungen. Eine Letzte hatte er noch zu bauen.
Auch hier empfehl ich Minuskel, weil „eine letzte“ Kiste wohl gemeint ist …

Gern gelesen vom

Friedel

 

@Friedrichard

Wieder ein Genus von dir zu lesen. Mit Unterhaltungswert auf Fehler hinzuweisen erachte ich als Kunst. (Diesmal) alles verstanden, angenommen und abgeändert. Selbst das O musste nun weichen.
Besten Dank dafür!

 

Hallo Sammis,

eine sehr ruhig und sachlich, im positiven Sinne schlicht erzählte Geschichte. Der Alte ist in seiner behebigen Zielstrebigkeit gut dargestellt, könnte aber etwas mehr mit der Umwelt interagieren, damit er nicht hauptsächlich über die handwerklichen Tätigkeiten definiert wird. Er kann den Staub riechen, Husten, Niesen, schwitzen, seine alten Knochen spüren.

Eiche, ein Abfallstück, ein vom Boden aufgehobener Abschnitt eines längst vergessenen Projektes.
Ein gelungenes Vergänglichkeitsbild.

Auf der Werkbank steht die Kommode mit den maroden Schüben. Restaurationsarbeiten waren nie seine Sache gewesen, zuletzt aber das einzige, was ihm noch zugetragen wurde. Die Brettchen hat er bereits ausgehobelt, genauso die stattlichen Bohlen in der Ecke
Welche Brettchen? Die Bodenbretter? Was haben die Bohlen mit der Kommode zu tun? Stattliche Bohlen verbinde ich nicht gerade mit einer Kommode. Wurden sie ausgehobelt oder abgehobelt?
Das geht wie von allein, beinahe wie Atmen. Die Zinken zu übertragen und dann die Schwalben auszuarbeiten ist der heikle Teil.
Hier würde ich 'Schwalbenschwänze' schreiben, schließlich heißt es 'Schwalbenschwanzverbindung'. (Schenkt dem armen Mann doch eine computergesteuerte Fräse!) :lol::idee:
Nur mehr die Außenliegenden absetzen, dann der Moment der Wahrheit.
'Nur noch' ist geläufiger.
In zwei, drei Stunden sollte er mit der Kommode fertig sein, dann wird er endlich damit beginnen. Noch heute.
Schön, dieser Aufbau einer Erwartungshaltung.
Wieder in der Werkstatt gibt er dem Licht die Zeit, die es benötigt.
Prima, das unterstreicht die Gelassenheit der Situation, das Hinnehmen des Gegebenen.
Die letzte Kiste fordert ihm alles ab. Nicht handwerklich, aber körperlich.
Psychisch muss sie ihm nicht alles abverlangen, aber ganz unbeteiligt wird die Situation ihn doch nicht lassen, vielleicht da noch eine kleine Ergänzung.
Habs gerne gelesen, auch weil ein bekanntes Thema (das Themenangebot ist nun mal endlich) in einem nicht verbrauchten Setting dargestellt wird, in passender Wortwahl.

Beste Grüße,

Woltochinon


:lol:

 

@Woltochinon

Es freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat. Mehr Sinne mit an Bord zu nehmen, täte dem Ganzen sicher gut. Sitze derzeit an einer längeren Fassung der Geschichte, beginnend mit dem 15 Lebensjahr des Mannes. Somit denke ich, dass ich es fürs erste bei der eher sachlichen Abhandlung belassen werde.

Die Brettchen benötigt er für den Schub der Kommode.
Die stattliche Bohlen schleichen sich hier erstmals als Hinweis auf sein letztes Werkstück ein.
Aushobeln bedeutet: Auf Dicke hobeln. Das Thema Fachchargon wurde weiter oben bereits angesprochen.

Hier würde ich 'Schwalbenschwänze' schreiben, schließlich heißt es ‚Schwalbenschwanzverbindung'.
Wäre, zumindest für meine Ohren, nicht gebräuchlich. Abgesehen davon harmoniert mMn Zinken/Schwalben besser als Zinken/Schwalbenschwänze.

'Nur noch' ist geläufiger. Absolut. Höre ich häufiger, verwende ich gern. Ein eine Marotte. Passt das nicht wunderbar zu dem Mann, zur Geschichte?

Die letzte Kiste fordert ihm alles ab. Nicht handwerklich, aber körperlich.
Psychisch muss sie ihm nicht alles abverlangen, aber ganz unbeteiligt wird die Situation ihn doch nicht lassen, vielleicht da noch eine kleine Ergänzung.

Damit hast du wirklich einen Schwachpunkt aufgezeigt. Dass ihn die schwere Arbeit physisch belastet ist die eine Sache, dass ich das Psychische hier außer Acht lasse geht gar nicht. Da muss ich dringend etwas ergänzen.

Danke für deine Zeit und die hilfreichen Hinweise!

Beste Grüße,
Sammis

 

@Woltochinon

Psychisch muss sie ihm nicht alles abverlangen, aber ganz unbeteiligt wird die Situation ihn doch nicht lassen, vielleicht da noch eine kleine Ergänzung.

Habe hier nun noch etwas ergänzt, zwei Zeilen, die den vernachlässigten Aspekt mehr beleuchten, was die zitternde Hand ganz am Ende nicht mehr allein auf das rein Körperliche hindeuten lässt.

BG,
Sammis

 

Hallo Sammis,

schöne Geschichte. Ruhig erzählt mit jede Menge Fachbegriffen, die ich nicht verstanden habe, aber das macht nichts. Manche sagen gerne, dass zu detaillierte Beschreibung den Fluss der Geschichte hindert, aber für mich war es genau richtig so.

Gegen Ende habe ich dann darüber nachgedacht, was er alte Mann denn da zimmert und es war nicht schwer, auf den Sarg zu kommen, sein letztes Werkstück.

Ist aber definitiv ein gelungenes Ende, gefällt mir gut.

Wenn ich etwas zu meckern habe, dann, dass ich mir etwas mehr Atmosphäre wünsche, daran solltest du noch ein wenig arbeiten. Sehen, fühlen, riechen und die Geschichte gewinnt.

lg, Freegrazer

 

Hallo Sammis,

danke für die Rückmeldung. Eine gute Ergänzung hast du dir da ausgedacht: Die seelische Bewegung steht im Kontrast zu der körperlichen Bewegungsunfähigkeit.

Wäre, zumindest für meine Ohren, nicht gebräuchlich. Abgesehen davon harmoniert mMn Zinken/Schwalben besser als Zinken/Schwalbenschwänze.

Zinken/Schwalben ist natürlich griffiger als Zinken/Schwalbenschwänze. Ein Hobbytischler-Freund von mir kennt auch die 'Schwalben', nicht nur von Fußball. In der Alltagssprache wird schließlich vieles verkürzt, zumal es noch komplizierter ist und es ganz genau genommen 'Schwalbenschwanzzinken' heißen müsste ('Zinken' ist schließlich ein Oberbegriff). Aber dann doch lieber den Blinker betätigen, nicht den Fahrtrichtungsanzeiger ...

Viel Erfolg,

Woltochinon

 

Hallo @Freegrazer,

es freut mich, dass dir meine Geschichte gefallen hat.
Vielen Dank für deine Worte!

Weitere Sinne mit reinzupacken, ja, daran mangelt es.
Ich erwähnte weiter oben bereits die nach Katzenpisse stinkende Eiche und auch die Unmengen an Staub und Hobelspäne, die in solch einer Werkstatt anfallen, schreien förmlich nach sinnlichen Umschreibungen. Alle Versuche, die ich hierzu bisher unternahm scheiterten in meinen Ohren jedoch an der Tatsache, dass der Mann seit mehreren Jahrzehnten an einem Ort der selben Tätigkeit nachgeht. Er streicht nicht mehr übers Holz und freut sich der einzigartigen Maserung wegen. Er riecht den spezifischen Duft unterschiedliche Hölzer nicht mehr. Und Staub hat ihn so lange begleitet und überzogen, dass er ihn überhaupt nicht mehr wahrnimmt. All das könnte für mich nur dann funktionieren, wenn er, warum auch immer, nach längerer Pause zum Tischlern zurückkehren würde.
Aber ich bleibe dran, vielleicht will mir noch etwas einfallen.

BG,
Sammis

 

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