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Serie Exodus: Tulugaq

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Seniors
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10.02.2000
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Exodus: Tulugaq

Erster Akt

Smilla zieht die Thermojacke aus. Das verschafft ihr aber keine Abkühlung, also folgt die Fleeceweste gleich danach. Beides wirft sie auf die Rettungskiste in der Messe. Genervt wischt sie den Schweiß von Stirn und Nacken und schaut voller Mitleid zu Tulugaq, der mit hechelnder Zunge auf dem Boden liegt.
»Wir müssen hier weg«, erklärt sie ihm und geht durch das Schott aufs Hinterdeck der Baffin Dawn. Tulugaq bleibt liegen und Smilla zählt die Treibstoffkanister. In allen Farben und gerade noch erträglichen Zuständen hat sie jeden leeren Kanister aufgesammelt, den sie finden konnte, und mit Treibstoff aus den Tanklagern der Versorgungsstation Arctic Bay befüllt. Zwei Reihen, doppelt gestapelt. Die Hälfte auf dem Vordeck, die andere Hälfte auf dem Hinterdeck. Achtzig Kanister mit jeweils zehn Gallonen … eine ordentliche Menge. Dazu die noch vollen Tanks im Schiffsbauch … insgesamt knapp sechstausend Gallonen.
Smilla kontrolliert Leinen und Knoten, die über den Kanistern ausgebreiteten Fischernetze, deren Befestigung an den Decksösen. Zieht hier, ruckelt dort. Bis sie zufrieden ist und wieder in die Messe geht.
»Genug Treibstoff und alles gut gesichert, Tulugaq. Wir können los!«
Der grauweiße Husky der Canadian Coast Guard verdreht müde die blauen Augen. Smilla kniet sich vor dessen großen Kopf, krault den Nacken und füllt Wasser in die Trinkschale.
»Du kannst hier liegenbleiben. Wenn wir fahren und der Wind uns abkühlt, kommst du zu mir ins Steuerhaus.«

Smilla erwartet keine Antwort, kommt aus den Knien, geht aufs Vordeck und löst das Tau von der Ankerboje. Dann steigt sie über die Außentreppe zum Steuerhaus der Baffin Dawn. Die Borduhr zeigt zehn Uhr am Abend, zwei Stunden vor Sonnentiefststand. Es muss Mai sein, vielleicht Juni. Smilla hat aufgehört, die Tage zu zählen oder in einen Kalender zu schauen. Für einen Moment erwartet sie eine Begrüßung beim Öffnen des Steuerhauses, ein Hallo, das eine oder andere lächelnde Gesicht. Einen ganz normalen Dienstbeginn. Alles ist ruhig. Nur das leichte Gluckern der sanften Dünung vor der Steuerbordwand ist als Geräusch in dieser Welt. Schnell startet Smilla beide Motoren. Es rumpelt im Schiffsbauch, der Boden vibriert. Ein Frösteln läuft ihren Rücken hinab. Seit Monaten existiert sie zusammen mit Tulugaq in einem Universum aus Einsamkeit. Sie spürt Angst, zieht den Fahrtenregler auf viertel Kraft achteraus, aktiviert die seitlichen Steuermotoren und dreht die Baffin Dawn in Richtung Südsüdost.

Langsam schwenkt der Bug seitwärts, weg von der tiefstehenden Sonne. Die Schatten auf dem Vordeck werden länger, das warme Licht fällt tief ins Steuerhaus. Smilla aktiviert die Radaranlage, schaltet Kurz- und Langwellengeräte ein. Hört auf das Rauschen. Nichts. Die Kompassrose nähert sich den 160 Grad, erreicht sie und Smilla gibt viertel Kraft voraus, legt den Hebel der Steuerautomatik um. Zwei Seemeilen bis zum Kap. Das Wetterradar hat keine einzige Wolke auf der Anzeige. Sie verlässt das Steuerhaus, geht über den Umlauf zum Antennenmast und hält das Fernglas vor die Augen, blickt auf die zerstörten, teilweise abgebrannten Häuser. Arctic Bay, eine Inuit-Siedlung. Vor dem Gebäude der Royal Canadian Mounted Police qualmt ein brennender Haufen Menschen. Inuit, Polizisten. Frauen, Kinder und Alte. Alle gestorben an den beiden Viren, die seit zwei Jahren die Zivilisation heimsuchen. Smilla hat sie mit dem Schneeräumgerät des Dorfvorstehers zusammengetragen, dann auf einen Haufen geschoben und angezündet. Menschen brennen nur mit viel Benzin, denkt sie und weiß, dass sie niemals zuvor an solch einen Tag geglaubt oder sein Kommen vermutet hat. Etwas Hartes stupst sie in den Hintern. Es ist Tulugaq. Er stellt sich mit den Vorderpfoten auf die Reling und folgt Smillas Blick Richtung Arctic Bay.
»Soll ich dir sagen, was wir jetzt tun, Tulugaq?«
Ein freudiges Jaulen ist die Antwort, auf und abnickende Kopfbewegungen. Als verstünde der Polizeihund Smillas Frage.
»Wenn wir die Bucht verlassen haben, drehen wir auf West für etwa zehn Seemeilen, dann folgen wir einem nordöstlichen Kurs, aus dem Sund hinaus, bis kurz vor Devon Island und dann geht es westlich Richtung Resolute Bay. Dort werden wir noch einmal tanken.« Smillas Hand legt sich auf Tulugaqs Kopf. Sie meint, für einen Augenblick den süßlich-schwartigen Geruch von Menschenfleisch in der Nase zu haben, spürt Tränen kommen, atmet tief ein und geht Richtung Steuerhaus. »Und dann haben wir noch 1.500 Seemeilen vor uns, bis wir in der Nähe von Inuvik sind. Von dort empfange ich ein Funksignal. Menschen die nicht krank sind, sagt dieses Signal. Menschen mit Lebensmitteln, einem Krankenhaus, meine Brüder und Schwestern.« Sie bleibt stehen und dreht sich zu Tulugaq. »Und bestimmt gibt es dort eine Menge Huskys.« Smilla lächelt und öffnet das Schott.

Zweiter Akt

Die Baffin Dawn gleitet anstandslos durch das graue Wasser des Sunds. Kaum Widerstand durch Dünung oder größere Wellen. Smilla kontrolliert die Kompassrose. Dreißig Grad, zwanzig Knoten Fahrt. Sie hat ausgerechnet, dass diese Geschwindigkeit einen vertretbaren Verbrauch bei maximalem Vorwärtskommen ermöglicht. Ein wenig stolz sitzt sie auf dem erhöhten Sitz des Kommandanten, sieht verstohlen nach rechts. Dort war ihr Platz bis vor … sie weiß es nicht mehr. Superintendent 9ter Grad, Smilla Quatictut, nautische Offizierin auf der Baffin Dawn. Eine der wenigen Inuit im Dienste der Küstenwache. Ein Seufzer entfährt ihr. Der Husky zu ihren Füßen steht auf, sieht sich um, läuft durch das Steuerhaus. Smilla fällt siedend heiß ein, dass sie beide etwas essen müssen. Schnell kontrolliert sie Radar, Echolot und blickt in Fahrtrichtung. Alles in Ordnung, keine Untiefen, keine Hindernisse. Die Sonne hat ihren Tiefststand erreicht und steht in der Ferne über Devon Island, einen Fingerbreit über den dunklen Hügelkuppen. Eine orange glimmende Scheibe. Smilla steht auf, geht zum Navigationstisch und zieht aus der Schublade eine Dose Hundefutter mitsamt einer Büchse Corned Beef. Sie öffnet beide, kratzt alles Hundefutter bis auf den letzten Rest in eine Schale. Tulugaq wartet schwanzwedelnd neben ihr, schlüpft ihr durch, ist gleichzeitig vorne und hinten. Er jault. Dann endlich steht sein Mahl vor ihm und Smilla sieht ihm zu, während sie sich mit dem Messer Stück für Stück das Corned Beef in den Mund schiebt. Langsam nimmt sie Platz, den Rücken an den Kartentisch gelehnt, hört dem schmatzenden Hundemaul zu und lächelt.

»Sag mal, Tulugaq, hat dir schon mal jemand gesagt, was dein Name für eine Bedeutung für uns Inuit hat?«
Sie spürt das Vibrieren der beiden Motoren und weiß, dass alles in Ordnung ist. Die Filter sind gesäubert, alle Kraftstoffleitungen kontrolliert, der Generator läuft einwandfrei. Der Husky schleckt die Schale leer, schiebt sie dabei über den Boden und stellt sich dann vor Smilla, die Schnauze fast in der Corned Beef-Dose.
»Du hast noch Hunger, was?«
Ein Winseln ist die Antwort. Also schneidet sie die Hälfte des Corned Beef in kleine Häppchen, schabt sie in die Schale und schon ist Tulugaq dabei, sie zu leeren.
»Du bist ganz schön verfressen«, stellt Smilla fest. »Wir müssen aufpassen, dass dir nichts passiert. Weit und breit werden wir keinen Tierarzt mehr finden.«
Sie steckt den Rest des Beef in den Mund und stellt die Dose über sich auf den Kartentisch. Der Husky sieht sie an, aber nicht mehr fordernd. Langsam legt er den Kopf auf ihre Oberschenkel und macht es sich auf Smilla bequem. Sie genießt das Gewicht des Hundekörpers, seine Wärme, das tiefe Vertrauen. Smilla muss weinen. Leise. Da draußen ist nichts mehr, kommt ihr in den Sinn. Irgendwo in der südlichen Labrador-See gibt es eine dieser Inselgruppen, auf die nur Auserwählte dürfen. Eine Annäherung ist verboten. Smilla ist keine Auserwählte. Sie hat es geschafft, nicht infiziert zu werden, hat es geschafft, den furchtbaren Stürmen zu entkommen, hat ihr Dorf Tuqtulaq hinter sich gelassen, das vom steigenden Meeresspiegel geholt wurde. Nun ist sie mit einem Polizeihund auf einem Schiff der Küstenwache unterwegs, einem Funksignal folgend. Sie muss grinsen, prustet die Luft aus. Tränen und grinsen …

»Weißt du, mein Freund, ich glaube, der Rabe Tulugaq, der uns Inuit das Licht der Tage brachte, ist alt oder gestorben oder hat es sich doch anders überlegt und der Dunkelheit wieder erlaubt, dem Leben alles Licht zu nehmen. Vielleicht heißt du deshalb so. Vielleicht bist du der Rabe, auf dem Weg zurück, nimmst jede Lebertran-Laterne aus jedem Haus, bis alles schwarz ist und wir dich nicht mehr sehen. Nicht mal uns selbst …«
Sie sieht auf ihre Uhr. Noch eine Stunde bis zur nächsten Kurskorrektur. Der Husky hat die Augen geschlossen, atmet ruhig und gleichmäßig. Er ist der Rabe, denkt sie, und ich muss ihn an einen fernen Ort bringen, damit er die Menschen vergisst. Mich und alle anderen.

Tulugaq schläft und Smilla steht draußen auf dem Umlauf. Es geht nach Westen. Die Schatten des Antennenmastes und der Radarkuppel bilden dunkle Flächen auf dem Vordeck. Langsam steigt die Sonne höher, wechselt ihre Farbe von Orange zu tiefem Gelb. Ich schätze, es ist doch Mitte Juni, denkt Smilla und streicht mit dem Blick über die sanfte Dünung. Sie erinnert sich an tanzende und spielende Orcas um das Kanu ihres Großvaters Anouk, der Smilla auftrug, als Dank für das famose Schauspiel ein paar der gefangenen Fische ins Wasser zu werfen. Besonders ein Tag steht ihr deutlich vor Augen. Als Großvater Anouk laut schnarchend die Angel zwischen den Beinen hielt, das Kanu sanft auf den Wellen plätscherte und sich aus der dunkelgrünen Tiefe ein mächtiger weiß-schwarzer Kopf emporhob, das Wasser wölbte und mit einem Knurren seine weißen, furchterregenden Zahnreihen zeigte. Er stupste das Kanu sanft, knurrte erneut. Smilla blickte in die kleinen Augen und sah ein Lächeln. Fast so etwas wie ein Hallo, lange nicht gesehen. Wie geht es dir? Sie griff in Anouks Eimer, zog Fisch um Fisch heraus und legte sie dem freundlichen Wesen auf seine dicke, rosafarbene Zunge. Einen nach dem anderen, bis Anouks Fang sich komplett im Maul des Riesen befand.

»Leer«, sagte sie und hob den Eimer hoch. Fast war es, als legte der Orca den Kopf auf die Seite und über die leuchtenden Augen erklärte, wie zufrieden er ist und sich nur bedanken kann für all die leckeren Fische. Smilla streckte die Hand aus. Der Orca schluckte die Happen hinunter, kam langsam näher und berührte die kleine Hand. Smilla erstarrte vor Ehrfurcht und wusch diese Hand eine Woche lang nicht mehr. Viele Jahre später, schon in der Polizeiausbildung, erinnerte sie sich an jede Sekunde dieses Moments. Erst jetzt fand sie die Worte dafür. Es war, als berührten die Planeten ihre Sonne, um ihr für Licht und Wärme zu danken. Ein kurzer Moment von Verstehen.

Dritter Akt

Die Orcas waren verschwunden. Zuerst die Fische, dann die Orcas und der ganze Rest. Smilla sucht die Wasseroberfläche vergebens nach einem Lebenszeichen ab. Keine Möwen, keine Albatrosse, die Tiefen sind leer, viel zu warm und fast ohne Sauerstoff. Ein Blick auf die Uhr. Noch drei Stunden bis zum Tanklager auf Resolute Bay. Sie geht ins Steuerhaus, kontrolliert die Treibstoffanzeige und rechnet den Verbrauch hoch. Selbst ohne Zwischenstopp kann der Vorrat ausreichen, allerdings nur, wenn sich Wind und Wetter so halten, was nicht garantiert ist in diesen Zeiten. Eine Pause auf Resolute Bay schadet nicht, findet Smilla. Vor allem Tulugaq wird sich über Auslauf und eine Naturtoilette freuen. Auf dem Achterdeck hat sie dem Husky eine Art Notdurftplatz hergerichtet und gut erzogen, wie ein Polizeihund nun mal ist, hält er sich daran.

Smilla bereitet sich einen Schwarztee zu, kocht das Wasser, schaut immer wieder nach allen Seiten, aber die See ist ruhig, der Himmel klar. Alles ist so friedlich wie ich es von früher kenne, denkt sie, tunkt den Teebeutel selbstvergessen aus und ein. Goldgelbe Schlieren lösen sich aus ihm, verteilen sich im Becher. Tulugaq jault neben ihr, kläfft so gut er kann, was einem Husky durchaus schwerfällt. Dann geht er schnurstracks zum Schott. Smilla lässt den Beutel los und sieht ihn an.
»Was ist los? Hast du etwas gewittert?«
Ihre Stirn kräuselt sich. Smilla spürt eine Unsicherheit. Etwas gewittert? Was denn? Hier draußen? Dann fällt ihr ein, dass er auch etwas gehört haben könnte, steht auf und öffnet das Schott. Tulugaq rennt hinaus, nimmt ein paar Stufen auf einmal und steht auf dem Vordeck, sieht nach oben. Er schlägt zweifelsfrei an … aber was könnte da sein? Sie zieht die Optik unter der Fleeceweste hervor und sucht den Horizont ab. Da ist einfach nichts. Nicht mal der Hauch einer Bewegung. Im klaren Morgenlicht zeigt sich backbordseitig die Silhouette von Prince Leopold-Island, dahinter Somerset Island und auf Steuerbordseite die seit langem eisfreien Fjorde von Devon Island. Tulugaq jault noch zwei Mal. Smilla sucht den Himmel ab. Nichts. Sie erinnert sich an die vielen Kondensstreifen, die vor Jahren noch den Himmel über dem Polarkreis durchzogen. Der Husky ist wieder still, traut seinen Ohren nicht, blickt noch einmal nach oben, dann kehrt er zurück ins Steuerhaus. Smilla steckt die Optik ein und folgt ihm. Als sie das Schott schließt, bemerkt sie die rote Warn-LED des Dopplerradars, sprintet vor die beiden Schirme und staunt.

»Was ist das, Tulugaq?«
Ohne auf eine Antwort zu hoffen, aktiviert Smilla Bug- und Seiten-Sonar. Der Entfernungsrechner des Dopplers hat drei Objekte in einhundert Kilometern Abstand ausgemacht. Eines davon mit einem enormen Reflex. Es muss sehr groß sein, sicher mehr als zweihundert Meter. Von allen drei Objekten bekommt sie Sonarreflexe. Ebenso wie sie, steuern diese Objekte Resolute Bay an. Smilla geht an den Steuerstand. Bei zwanzig Knoten sind es noch mehr als viereinhalb Stunden zum Ziel; das Tanklager von Resolute Bay. Was läge näher als zu vermuten, diese Objekte verfolgen ein identisches Vorhaben?
»Soll ich mich jetzt freuen, oder nicht?«
Ohne auf Smillas Frage zu reagieren, läuft Tulugaq aufgeregt durch das Steuerhaus. Umrundet mehrmals Kartentisch und Antriebskontrolle. Als würde er nach etwas suchen.
»Wenn du misstrauisch bist, werde ich es auch sein, mein Freund. Jetzt bin ich fünfzig und habe schon allerhand erlebt …«

Sie zieht eine maßstabsvergrößerte Folie aus der Lade unterm Kartentisch, legt sie auf das Plexiglas und schaltet das Durchlicht an. Cornwallis Island, im Süden Resolute Bay mit der vorgelagerten Insel Griffith Island. In der Siedlung wohnten einst an die 250 Inuit. Es gab eine Schule, eine Kirche, ein Krankenhaus und eine Station der Royal Canadian Mounted Police; und da war noch Onkel Nanook Qausuittuqs kleiner Krämerladen, der einmal im Monat Waren per Flugzeug bekam, die nordwestlich der Siedlung auf dem Flughafen landeten. Niemand mehr war am Leben dort. Einige der Bewohner waren vor drei Jahren zur Vuntut Gwitch‘In First Nation nach Alaska geflüchtet, aber auch dort hatten sich schnell alle Strukturen aufgelöst.

Smillas Zeigefinger fährt eine Linie vom kleinen östlichen Fjord zur von Nord nach Süd verlaufenden Hauptmoräne der Insel. Bis auf diese Erhebung hatten eiszeitliche Gletscher alles abgetragen, was an Hügeln vorhanden war. Mit dem Zirkel maß sie die Entfernung.
»35 Kilometer, Tulugaq … das schaffen wir über Nacht. Wir ankern im östlichen Fjord, gehen dort an Land und suchen uns einen Punkt auf der Anhöhe, von dem aus wir alles beobachten können, was in Resolute Bay und der Bucht vor sich geht. Nicht wahr?«
Zwei blaue Augen fixieren sie. Smilla nimmt das als Einverständnis. Sie korrigiert den Kurs auf 310 Grad, erhöht um zehn Knoten und berechnet die Ankunftszeit erneut.
»In genau zwei Stunden sind wir da. So lange ruhen wir uns aus.«
Mit wenigen Schritten ist sie am Kommandantenplatz, setzt sich und beobachtet die Reflexe. Zwei kleine, ein großer. Das Sonar zeichnet eine Menge Schraubengeräusche auf. Mehr als drei Schrauben. Dann ein Piepen. Die zwei kleinen Reflexe verschwinden vom Schirm. Smilla erstarrt, beugt sich zum Spektrometer des Sonars. Unverändert.
»Scheiße!«, entfährt es ihr. Das Blut weicht aus ihrem Oberkörper. Ihr Hals pulsiert heftig. »Das sind zwei U-Boote, Tulugaq!«

Vierter Akt

Smilla zieht das Beiboot auf den steinigen Strand, rammt einen Treibanker in den Grund, schlingt einen doppelten Mastknoten in den Karabiner und prüft ihn zwei Mal. Sie ist zufrieden, nimmt den Rucksack auf, kontrolliert Schuhwerk, die Tarnuniform, Kompass, Nachtsichtgerät und pfeift nach Tulugaq, der wie wild die flache, ehemalige Mündung der Gletscherzunge auf und ab rennt. Smilla grinst. Ein Leben an Bord ist für einen Husky denkbar ungeeignet. Die Baffin Dawn liegt völlig regungslos und dunkel an der südseitigen Einbuchtung des Barlow Inlet, geschützt von einem steilen Hang.
»Na komm, alter Junge. Wir haben 35 Kilometer vor uns. Mal sehen, wie gut du zu Fuß bist. Ich bin es, denn schließlich bin ich eine Inuit.«
Smilla lacht und macht sich auf den Weg. Tulugaq rennt voraus, wartet, macht kehrt, kreuzt hin und her, bleibt immer in Bewegung. Smilla denkt an das Hundefutter im Rucksack. Und dass sie nicht endlos viel davon zur Verfügung hat. Selbst wenn sie immer wieder Stützpunkte anlaufen, irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, an dem sich nichts mehr zu essen auftreiben lässt. Daran will sie lieber nicht denken. Schritt für Schritt folgt sie dem Lauf des Barlow Creek, schwenkt nach drei Kilometern links in eine enge Klamm die aus der Senke führt, hinauf auf eine Grundmoräne mit Nord-Süd-Ausrichtung. Nichts als Schotter knirscht unter den Sohlen. Hoffentlich kommt es zu keiner Verletzung bei ihr oder dem Hund. Ihr graut davor. Eine Welt ohne Ärzte, ohne Medizin, lediglich mit einer Krankenstation auf dem Schiff und den üblichen Medikamenten … ein Unfall ist Smillas Alptraum. Für diesen Fall besitzt sie eine Waffe, aber …

… Tulugaq knurrt und schlägt neben einem Stein an. Smilla geht darauf zu, pfeift den Husky zurück und umrundet den Findling. Ein großes Skelett. Ausgebleicht, von Wind und Wetter stark in Mitleidenschaft gezogen.
»Ein Eisbär, Dummerchen. Schon lange nicht mehr auf der Jagd. Mindestens seit zehn Jahren tot. Du warst noch nicht auf der Welt, als die Eisbären verschwanden.«
Smilla bricht eine der Rippen ab und wirft sie Tulugaq vor die Pfoten. Er springt zurück und kläfft in diesem jaulenden Husky-Ton.
»Weiter geht’s!«
Tulugaq sieht sich noch einige Minuten um. Offenbar hat der mächtige Schädel mit dem großen Gebiss seinen Eindruck hinterlassen. Smilla schüttelt den Kopf und denkt wieder an ihren Großvater, der einmal die Geschichte vom Inuit erzählte, der auf Eisbärenjagd war, im tiefen Schnee, umweht von Wind und Wetter; nicht bemerkte, wie er im Kreis lief, weil der Eisbär es wollte. Und als er schließlich erschöpft war und sich dem Tod anbot, stand der Eisbär vor ihm, nur wenige Meter entfernt, wartete geduldig auf den Tod des Jägers, um ihn zu fressen.

»74 Grad und 45 Minuten. Immer auf diesem Breitengrad exakt nach Westen, Tulugaq.«
Der Husky streift um ihre Beine. Smilla bleibt stehen. Er muss eine Unmenge mehr an Energie verbrauchen als sie selbst. An einem flachen Findling stoppt sie, zieht den Rucksack ab und eine Dose Hundefutter daraus hervor. Tulugaq starrt die Dose an. Wie hypnotisiert. Schnell öffnet sie das Weißblech und kratzt den Inhalt heraus, auf den Granit. Im Nu ist alles weg und es gibt eine zweite Dose. In eine kleine Mulde gießt Smilla Wasser. Vier Mal muss sie das wiederholen, dann ist Tulugaq offenbar zufrieden und legt sich zu ihren Füßen auf den Granitschotter. Selbst verspürt sie keinen Hunger, trinkt die Flasche jedoch leer und steckt allen Abfall in den Rucksack zurück. Nichts soll einen Hinweis auf die beiden geben. Die zwei U-Boote kommen ihr in den Sinn. U-Boote bedeuten Militär, und Militär ist ihr unheimlich. Das große Radarobjekt kann nur eine dieser Inseln sein, ahnt sie. Warum so weit im Norden? Hier gibt es nichts. Nicht mal das Meer bietet noch Essen. Mit Karte, Kompass und Uhr kontrolliert Smilla die Position. Mit einem Ruck drückt sie sich hoch. Tulugaq reagiert.
»Wir gehen weiter, mein Freund.«

Es ist Mitternacht und eine weitere Pause ist fällig. Die leicht gewölbten Granitflächen schillern im Orange der Sonne. Das Thermometer zeigt knapp zehn Grad. Smilla sitzt vor einem kantigen Felsen, geformt wie ein steinzeitliches Feuersteinmesser der Ahnen. Neben sich entdeckt sie einen Quarz. Sein Funkeln leuchtet ihr entgegen, halb verdeckt vom Schotter. Sie gräbt ihn aus, scharrt das unregelmäßig geformte Gebilde frei. Er ist faustgroß. Smilla wischt ihn sauber, spuckt ein paar Mal drauf und reibt die Kanten über die Uniform. Dann hält sie ihn gegen die Scheibe der Sonne und sieht einen Regenbogen um sich herum. Unvermittelt weint sie und weiß nicht einmal, warum. Sie hat keinen Mann verloren, weil es nie einen gab, und ebenso keine Kinder. Smillas Leben war ein einsamer Pfad und doch voller Freunde und Lachen. Die Polizei war ihr Zuhause.
»Das ist ein Wunder«, sagt sie und hält Tulugaq den Quarz vor die feuchte Nase. Aber nach kurzem Schnuppern interessiert er sich nicht mehr dafür. »Wenn du wirklich der Rabe Tulugaq wärst, wüsstest du, was es mit diesem Geschenk der Natur auf sich hat.« Smilla wirft den Quarz weg und kratzt sich am Kinn. »Ich glaube, am Ende bist du nur ein Husky.« Mit den Ärmeln wischt sie die Tränen weg, zieht die Handschuhe an und steht auf.
»Noch fünf Kilometer, mein unbedarfter Freund, dann wissen wir mehr.«

Fünfter Akt

Es lohnt sich, einen Polizeihund neben sich zu haben, und nicht irgendeinen Husky, der durch die Gegend tobt. Tulugaq kennt die Befehle. Still heißt still. Flach auf den Boden gepresst, liegt er neben ihr, die Vorderpfoten ausgestreckt, den Kopf dazwischen auf den platt geschliffenen Granitsteinen. Smilla äugt über die Kante und blickt durch die Optik. Sie hat sich nicht die oberste der Moränenwellen ausgesucht, sondern die nächsttiefere. So ist sie vor Sicht von hinten geschützt. Was Smilla sieht, raubt ihr den Atem. Resolute Bay existiert nicht mehr. Ebenso wenig das Tanklager auf der rechten Buchtseite. Alles ist mehr oder weniger eine außergewöhnlich große Baustelle. Und sie dient nur einem Zweck: dem Bau von Werften und Booten. Mit dem Vermessungssystem der Optik hat sie sich einen Überblick über die Ausmaße der Bucht verschafft. Vier Kilometer Breite am Ausgang, sechs Kilometer Länge bis zu einem großen, quer verlaufenden Kai. In der Bucht liegt ein Schwimmdock, das problemlos eine dieser Inseln in sich aufnehmen kann; von denen zwei Stück einen Kilometer vor der Bucht ankern. Noch nie hat Smilla eines dieser Gebilde aus der Nähe gesehen. Gebaut wie ein Plus-Symbol mit angewinkelten Kanten, sind die beiden Linien des Plus genau vierhundert Meter lang und dort, wo sie sich überschneiden, gibt es ein ansteigendes Mittelteil. Schnellboote fahren von den Inseln an den Kai und wieder zurück. Smilla schätzt, dass einige tausend Menschen dort unten arbeiten. Das Erstaunlichste jedoch sind die U-Boote. Vier Stück an der Zahl, zumindest aufgetaucht und festgemacht an einer ostseitig betonierten Reede. Sie will Tulugaq davon berichten, verkneift es sich aber, um nicht sein ruhiges Verharren zu stören. Vielleicht ist er auch so ruhig, weil er Angst hat vor dem, was dort unten ist, denkt sie.

Smilla blickt nach rechts, zum ehemaligen Tanklager. Der dahinter liegende Resolute Lake ist über einen offensichtlich neu gebauten, sehr breiten Kanal, mit der Bucht verbunden. In den See hineingebaut sind lange Werfthallen, in denen Segmente zu neuen U-Booten zusammengeschweißt werden. Menschen wuseln dort. Das Flackern der Schweißgeräte verleiht der Polardämmerung eine gespenstische Atmosphäre.
»Und ich dachte, die Menschheit ist am Ende«, flüstert sie gedankenlos in den Schotter, hält aber sofort inne. Der Husky bleibt jedoch ruhig. Still ist still. Befehl ist Befehl. Smilla ist sich nicht im Klaren darüber, was sie tun soll. Es gibt definitiv kein Tanklager mehr. Sie ist nun so weit gereist, von der Labrador-See durch die Nordwest-Passage nach Arctic Bay, immer die Nachricht auf Langwelle in den Ohren, die von einer Inuit-Siedlung in Alaska erzählt, wo es genug Lebensmittel gibt, medizinische Versorgung und Freunde. Und das alles auf Inuktitut, das fast nur Inuit verstehen. Und nun? Jetzt hatte sie Treibstoff verbraucht, um schneller auf Cornwallis Island zu sein, der ihr nun für den Rest der Strecke fehlte. Wie dumm sie doch war! Smilla schloss die Augen, legte die Optik neben sich und drückte die Nase gegen den Granitschotter. Der Geruch ihrer Heimat. Ein unverkennbarer Duft nach Mineralien und einem fast ewigen Leben, geboren aus dem heißen Inneren von Mutter Erde.
»Wir gehen, Tulugaq. Leise!«
Der Husky legt den Kopf schräg und robbt langsam zurück. In den kleinen Einschnitt vor der nächsthöheren Moränenwelle. Smilla folgt ihm. Dann geht es hangabwärts und niemand kann sie mehr von Resolute Bay aus erkennen.
»Wir gehen zurück. Die Menschen dort unten bauen etwas auf, das sie nicht mit uns teilen werden, mein Freund. Wir sind nicht auserwählt. Obwohl uns ja kein Virus gefunden hat, aber …« Sie mustert den eleganten Körper des Huskys. »… aber wir sind wohl einfach zu alt und nur Polizisten. Wir können keine Werften bauen, keine U-Boote, keine dieser Inseln …«
Tulugaq läuft voraus. Er kennt den Weg. Er ist ein Husky.

Smilla rechnet und rechnet. Es ist töricht von einer ewig ruhigen See auszugehen. Bis nach Alaska werden weder der Treibstoff noch das Wasser reichen. Vielleicht schon, aber es bleibt ein unkalkulierbares Risiko.
»Tulugaq, was denkst du? Ist es besser, wenn wir noch eine andere Station anlaufen? Immer mit dem Risiko, dass ich mich doch noch mit einem dieser Viren anstecke?«
Er antwortet nicht, trabt zielsicher Richtung Barlow Inlet.
»Man kann nicht immer Glück haben, weißt du das eigentlich?«
Sie lächelt und zieht eine Augenbraue nach oben. Dann trifft sie eine Entscheidung, umrundet einen Findling, Tulugaq zehn Meter voraus.
»Wir laufen Cambridge Bay an. Was meinst du? Dort werden wir bestimmt Treibstoff, Nahrung und Wasser finden. Am besten lassen wir die Baffin Dawn an der Außenreede liegen und fahren mit dem Beiboot in die Bucht. Erst mal vorsichtig sondieren …«
Tulugaq jault kurz.
»Na gut, dann ist das beschlossene Sache.«
Smilla denkt über den Weg nach Cambridge Bay nach. Um nicht in den Bereich der Inseln und U-Boote zu gelangen, plant sie einen Umweg ein. Direkt südlich nach Somerset Island und unter der Küste durch den Peel Sund immer nach Süden. Sie schätzt, dass es auf diesem Weg um die 700 Seemeilen sind. Cambridge Bay war der größte Hafen, die größte Stadt in diesem Teil der Nordwest-Territorien, inklusive einer Reparaturwerft für Schiffe der Küstenwache. Wenn es dort keinen Treibstoff gibt, dann nirgendwo.

Tulugaq bleibt wie angewurzelt stehen. Smilla läuft fast auf ihn drauf. Der Findling mit dem Eisbärskelett liegt vor ihnen und sie seufzt.
»Er kann dir nichts tun. Du musst keine Angst haben, Dummerchen.«
Die Sonne steht schon wieder tief und wechselt die Farbe. Im Süden sieht Smilla Cirruswolken. Sicher noch dreißig oder vierzig Kilometer entfernt, aber dass sie im Süden stehen, beunruhigt sie. Dann hört sie ein leises Fauchen. Tulugaq steht nach wie vor wie festgeschraubt, einer Statue ähnlich, die Rute erhoben, beide Ohren drehen sich in alle Richtungen.
»Such!«, befiehlt sie ihm und er läuft kreuz und quer, dann legt er sich auf eine Richtung fest. Sie führt direkt zum Barlow Inlet.
»Das Schiff!?«
Smilla beginnt zu rennen, Tulugaq im selben Tempo voraus. Er darf nicht den Kontakt verlieren. So hat er es gelernt. Immer wieder sieht er sich in der Bewegung um. Smilla weiß gar nicht, wann sie das letzte Mal gerannt ist. Die Klamm hinunter, immer vorsichtig, auf jeden Schritt achtend, manchmal die Hände zum balancieren ausgebreitet. Als sie endlich aus der Klamm heraus ist und den schmalen Fjord vor sich hat, traut sie ihren Augen nicht. Die Baffin Dawn ist verschwunden. Weg. Hat sich in Luft aufgelöst. Gesunken? Nein! Viel zu flach. Der Antennenmast müsste aus dem Wasser ragen. Jemand hat sie geklaut! Ein Sirren kommt von vorne, nähert sich schnell. In Smillas Kopf entsteht im selben Moment das Bild einer Wespe und Tulugaq wird von einer kraftvollen Faust aus dem Laufe gerissen, vier oder fünf Meter zurückgeschleudert, ein gurgelndes Jaulen in der Kehle. Dann liegt er zwei Meter vor ihr auf dem Granitschotter und blutet aus. Sie begreift sofort, dass er tot ist. Wieder das Sirren und Smilla weiß, dass nun ihr Ende kommt. Etwas durchschlägt mit Wucht ihre Brust, tritt am Rücken aus. Sie knickt ein und ist schon tot, als sie den Boden berührt. Es dauert, dann nähern sich Stiefel.

 

Wow, die Geschichte hat eine enorme Wucht. Und du hast es geschafft, dass mir Smilla und ihr Hund ans Herz gewachsen sind und ich mit ihnen gefiebert habe. Dann kommt das Ende hart.

Ich habe im Moment keine Zeit für Textarbeit, wollte dir aber schon mal ein kurzes Lob hierlassen.

LG, Gerald

 

Aloha @C. Gerald Gerdsen,

hab Dank fürs Lesen und Kommentieren. Schön, dass du mit Smilla und Tulugaq mitgefiebert hast. Nein, das Ende haben sie nicht verdient. Aber so werden die Zeiten wohl sein, bald ...

Bis bald und Grüße
Morphin

 

(Technische Probleme - wird ja nicht nur hier blitzen, donnern und sinfluten und die obere Leiste ist sehr blass und bietet momentan keine Hilfe, dass ich Zitate aus dem Text in Gänsefüßchen "..." setz. Hoffe, die fallen nicht aus.


"Dreißig Grad, zwanzig Knoten Fahrt. Sie hat ausgerechnet, dass diese Geschwindigkeit einen vertretbaren Verbrauch bei maximalem Vorwärtskommen ermöglicht.
...
»Ich glaube, am Ende bist du nur ein Husky.«"


Mein J, musstu auch mal Luft schnappen oder einfach nur Freund- und Bekanntschaften pflegen – und einen Husky (oder beliebig anderes Wolfsderivat und auch nur, weil einer erwähnt wird, sei es erwähnt – ich bevorzuge immer noch Pärchenbildung bei meinen vierbeinigen Freunden - war aber schon bei den Wellensittichen so, und - dat muss ja ma' gesacht werd'n - obwohl ich keiner geregelte Arbeit mehr nachgehen muss (sehn wir mal ab für die Steuerverklärungen im Verwandtschaftskreis, natürlich nur da, kenn ja sonst niemand - aber
acht Seiten Manuskript – sofern mich mein System nicht betrügt – wollten ja nicht nur ersessen und erarbeitet werden,

lieber Morphin,

aber das vorweg, „Weltuntergang“ (i. S. eines kulturellen Schwundes bis Verschwindens) ist kein europäisches Alleinvertretungsrecht. Wer „Der mit dem Wolf tanzt“ gesehen hat, mag das glauben oder hoffen, als die männlichen Haupt-Darsteller in der Prärie Konservendosen finden. Aber: Die Anasazi - zB - im Süden und die Mississppi-Missouri-Kultur (Hügel künden noch von ihr und Höhlenmalereien von den Anasazi, deren Baustil – Pueblos – heute noch gepflegt wird) sind vergangen und das Pferd wurde mit seiner Wiedereinführung der Grund, dass Bauern wie etwa die „Sioux“ wieder eine ältere Lebensweise des Jägers- und Sammlers übernahmen und es auch ohne Buffalo Bill und Konsorten geschafft hätten, den Bison auszurotten. Pale Faces waren da nur noch Brandbeschleuniger.

Das Pferd haben sie ja schon einiges früher … Na, ich will mich nicht aufregen, aber die Pest bescherte dem Römischen Reich schon einiges an Unbill. Und steigende Gewässer (Missippi-Missouri ist ja schon genannt) sind auch nix Neues. Die Sintflut hat es ja sogar bis ins Alte Testament geschafft und ist sehr wahrscheinlich mit dem verschütt gegangenen Atlantis zu verbinden.

(Und nu' wirklich nur’n paar Flüskes)

"In allen Farben und gerade noch erträglichen Zuständen hat sie jeden leeren Kanister aufgesammelt, den sie finden konnteKOMMA und mit Treibstoff aus den Tanklagern der Versorgungsstation Arctic Bay befüllt."

(Relativsatz zu Ende – lernt man eigentlich noch auf der harten Schulbank …
Das Komma kannstu gleich hier entnehmen)

"»Du kannst hier liegenbleiben. Wenn wir fahren, und der Wind uns abkühlt, kommst du zu mir ins Steuerhaus.«"

(bloße Aufzählung, die nicht durch ein Komma getrennt werden müssen, sondern durchs „und“ zusammengefügt werden.)

"Schnell startet Smilla die beiden Motoren. "

(Nichts falsch, aber warum Schulgrammatik, wenn es einfacher geht „Schnell startet Smilla beide Motoren.“¿ )

"Sie spürt Angst, schiebt den Fahrtregler auf viertel Kraft achteraus, aktiviert die seitlichen Steuermotoren und dreht die Baffin Dawn in Richtung Südsüdost."

(Bin mir nicht ganz sicher, aber überwiegend (als Landratte, die mal zur See fahren wollte, dann aber um die Marine herumkam und trotzdem seine Marine-Parka noch hat und auch noch reinpasst), meine ich, Fahrtregler als Produktbezeichnung zu kennen, den Gattungsnamen aber den Plural darin zu entdecken „Fahrtenregler“)

"»Wenn wir die Bucht verlassen haben, drehen wir auf West, für etwa zehn Seemeilen, dann folgen wir einem nordöstlichen Kurs, aus dem Sund hinaus, bis kurz vor Devon Island und dann geht es westlich Richtung Resolute Bay."

KOMMA nach West weg!

"Irgendwo in der südlichen Labrador-See soll es eine dieser Inselgruppen geben, auf die nur Auserwählte dürfen."

Mit dem Konj. irrealis/potentialis bistu nicht der einzige, der schwimmt.
Also frisch ans Werk,

"Fast war es, als lege der Orca den Kopf auf die Seite und erklärte über die leuchtenden Augen, dass das doch nichts mache, und er schließlich sehr zufrieden sei und sich bedanke für all die leckeren Fische."

wobei ich einschränkend sagen muss, dass schon die Augensprache eines Hundes schwieriger zu verstehen ist, als Ohr, Fell, Schwanz und Geräusch – umso mehr als eines wahrscheinlich intelligenteren Tieres, das mit seinen Artgenossen über weite Strecken kommunizieren muss (kann mich erinnern, dass vor Jahr und Tag eine CD mit „Wal“musik“ oder ähnlicher Firmierung rauskam)

Aber zurück in die Konjunktiefen: „lege“, „mache“, „sei“, „bedanke“

Was läge näher, als zu vermuten, diese Objekte verfolgen ein identisches Vorhaben
erstes KOMMA weg!

"Als sei er nach etwas auf der Suche."

Besser insgesamt Kon. II, also machte, wäre, bedankte; wenn Probleme mit Verwechselung mit dem Prät. vermutet werden, bieten sich ausnahmsweise "würde"-Konstruktionen an

"Sie hat keinen Mann verloren, weil es nie einen gab, und ebenso keine Kinder."

Ja, so ist das im Deutschen allgemein. Haben Sie Kinder?, beantworte ich immer wahrheitsgemäß mit „nein“ – es sei denn, ich rechnete einen Enkel hinzu.
Konkret unterstellt einerseits und andererseits behauptet der Satz also was anderes, als er meint.

Hoffe, es geht so und dass der teschnische Mangel sich ausmangeln lässt.

Bis bald und - eh ichs vergess -

gern gelesen vom

Friedel

 

Guten Abend @Friedrichard,

besten Dank fürs Lesen und Kommentieren. Wie immer - für mich - herausfordernde Flusken. Nicht umsonst rieten mir die Lehrer, mein Quartier unter der Brücke zu suchen und nicht mitten in der Gesellschaft.

Das mit der Kommunikation mit Tieren, fiel mir auf, als jemand seinen Papagei loswerden wollte und meine Eltern ihn in mein Zimmer stellten (war ich sechs). Es dauerte nicht lange und wir waren ein Pärchen. Klingt komisch, aber war so. Als ich viele Jahre später auf den Bauernhof auswanderte und ich ihn nicht mitnehmen durfte, starb er. Aber auf dem Hof ging die Kommunikation weiter, mit Schweinen, Schafen, Rindern, Hunden und was sonst so kreuchte und fleuchte. Ich kapierte früh, dass ich lediglich deren Sprache lernen musste - oder versuchen zu verstehen. Und dass sie mein Verhalten ihnen gegenüber genau interpretieren konnten. Es wuchs da was in mir, das ich durchaus mit Respekt und auch Demut bezeichnen möchte.

Ja, na, will nicht off topic werden. Freut mich, wenn du den Text gern gelesen hast im gewittrigen NRW.

Griasle
Morphin

 

Hallo @Morphin ,

Das mit der Kommunikation mit Tieren, fiel mir auf, als jemand seinen Papagei loswerden wollte und meine Eltern ihn in mein Zimmer stellten (war ich sechs). Es dauerte nicht lange und wir waren ein Pärchen. Klingt komisch, aber war so. Als ich viele Jahre später auf den Bauernhof auswanderte und ich ihn nicht mitnehmen durfte, starb er. Aber auf dem Hof ging die Kommunikation weiter, mit Schweinen, Schafen, Rindern, Hunden und was sonst so kreuchte und fleuchte. Ich kapierte früh, dass ich lediglich deren Sprache lernen musste - oder versuchen zu verstehen. Und dass sie mein Verhalten ihnen gegenüber genau interpretieren konnten. Es wuchs da was in mir, das ich durchaus mit Respekt und auch Demut bezeichnen möchte.

Das klingt für mich sehr nachvollziehbar und ich sehe das nicht als esoterischen "Quatsch" an6, sondern als eine gegenseitige, empathische Kommunikation, die sich in Jahrmillionen von Coevolution entwickelt hat.

Liebe Grüße, Gerald

 

Hallo Morphin,

Smilla und Tulagaq sind auf einer Schiffsreise in sichere Gefilde. Das klngt wie eine Geschichte, wo man nicht merkt, welche Arbeit dahinter steckt. Ich habe keine Ahnung von Schiffssteuerung, aber es klingt authentisch. Die Beschreibungen fließen natürlich ineinander.

Mir gefällt die Idee, das Märchen vom Raben einzuflechten. Auch wenn es den Tod des Hundes damit fast zu einem positiven Ende macht, da er den Raben darstellt, der das Licht gestohlen hat ...

Smilla fällt siedend heiß ein, dass sie beide etwas essen müssen.
Ich hatte erst schon Angst, es wäre was Schlimmes ... "siedend heiß" würde ich in der Kategorie verwenden: Wir sind in Urlaub gefahren und uns fällt ein, dass der Herd noch eingeschaltet ist. Für "vergessen, was zu essen" würde sich das besser als humorvolle Übertreibung machen. In einer Kategorie mit den Katastrophen: Die Fernbedienung liegt zu weit weg und die Toastscheiben passen nicht aufeinander.

Das Ende lässt mich etwas leer zurück. Nicht nur, dass die beiden ihr Ziel nicht erreicht haben, sie haben auch nicht wirklich was zu ihrem Ende beigetragen. Ihr Tod kommt mir so sinnlos und unfair vor. Sie haben alles richtig gemacht und es hat trotzdem nicht gereicht, aber so ist es wohl, dass sie die Leidtragenden sind für schlechte Entscheidungen, die von anderen Leuten getroffen wurden. Wie der Eisbär, dessen Skelett wir dort finden wie ein Mahnmal nach all den Jahren.

Viele Grüße
Jellyfish

 

Das mit der Kommunikation mit Tieren, fiel mir auf, als jemand seinen Papagei loswerden wollte und meine Eltern ihn in mein Zimmer stellten (war ich sechs). Es dauerte nicht lange und wir waren ein Pärchen. Klingt komisch, aber war so. Als ich viele Jahre später auf den Bauernhof auswanderte und ich ihn nicht mitnehmen durfte, starb er. Aber auf dem Hof ging die Kommunikation weiter, mit Schweinen, Schafen, Rindern, Hunden und was sonst so kreuchte und fleuchte. Ich kapierte früh, dass ich lediglich deren Sprache lernen musste - oder versuchen zu verstehen. Und dass sie mein Verhalten ihnen gegenüber genau interpretieren konnten. Es wuchs da was in mir, das ich durchaus mit Respekt und auch Demut bezeichnen möchte.
Da fällt mir ein, dass ich beim Versuch zu Habermas' epochaler "Theorie Kommunikativen Handelns" immer noch nur zwo, drei Rumpfzeilen geschrieben hab, weil mir die beiden Bände abhandengekommen waren.

Der befasst sich nämlich vor allem im zwoten Band mit G. H. Mead und dessen Verhaltensforschung am Hund nebst Kommunikation, die ja nicht mit Lauten aufhört, sondern auch Reaktion/Verhalten meint.

Und ist nicht die doppelte Silbe der Kommun "lebensbestimmend" und vor allem "-erhaltend" für den nackten Affen, der übrigens neuerdings seinen armen Vetter Bonobo als Leckererei entdeckt hat?

Vllt. gelingt ja noch mal so was wie das Werkchen zum Marxschen "Kapital" zur Freude von @Manuela K.

Schau'n wir mal ...

Tschüss & ein schönes Wochenende ausm Pott vonnet

Dante Friedchen

 

Salü @Jellyfish,

vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Ihr Tod kommt mir so sinnlos und unfair vor. Sie haben alles richtig gemacht und es hat trotzdem nicht gereicht
In der Tat. Sinnlos und unfair. Gemordet wegen nichts. Aus ihrer Sicht. Aus der Sicht der "anderen" unnütze Esser, vielleicht Überträger der Viren, Belastung, ein Sicherheitsrisiko ... dass wir am Ende noch was über die Stiefel lesen, ist Absicht. Die Brücke zum Roman, in dem ja klar steht: Wer nicht auf den Inseln ist, kann getötet werden; es sei denn, er ist ein nützlicher Händler. Diese Bezüge zu der späteren Handlung baue ich überall ein, ohne zu viel zu verraten, hoffe ich. Aus allen Teilen soll sich nach und nach ein unvollständiges Bild zusammensetzen, dem entscheidende Teile fehlen, das aber in der Lage ist, Grundsätzliches zu vermitteln (und natürlich Neugier wecken soll). Aus dem "siedend heiß" könnte ich ein "schlagartig" machen.

Griasle
Morphin

Tag @Friedrichard,

diametral zu meinen Erfahrungen stand die "Wissensvermittlung" in der Berufsschule. Das Nutztier. So überschrieben. Sagt nix. Hat nix. Will nix. Soll nur liefern. Anmerkungen aus humanistischer Ecke waren nicht erwünscht. Als einziger Nichtlandwirtazubi unter 21 Bauernjünglingen, fühlte man sich etwas außerhalb. Aber egal. Will nicht off topic werden.

Griasle
Morphin

 

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