Fräulein T. hat einen schlechten Tag
Das Fräulein T. hat einen schlechten Tag
Es begann schon bei dem Klingeln des Weckers.
Das Fräulein T. schlug ihre Augen auf und starrte das lärmende Ding finster an.
“Kannst du nicht einmal die Klappe halten oder wann anders klingeln? Meinetwegen auch gar nicht!” brüllte sie leicht lallend. Die Müdigkeit lag noch schwer auf ihrer Zunge.
Mit einem Schwung riss sie die Bettdecke von ihrem Körper und schwang die Beine aus dem Bett. Doch das fiepen und krähen des Weckers wollte nicht enden.
Sie ergriff den jammernden Wecker und schleuderte ihn an die Wand.
Ein lautes Scheppern, ein Schmerzensschrei und der Wecker lag zertrümmert auf dem Boden.
Ohne das sterbende Ding weiter zu beachten, ging sie in das Badezimmer.
Eine warme Dusche würde ihr bestimmt helfen.
Doch die Dusche konnte es sich nicht verkneifen, ihr einen Streich zu spielen.
Als gerade ein entspanntes, warmes Gefühl durch den Körper von Fräulein T. strömte, sprang die Dusche von warm auf kalt um.
Schreiend sprang sie aus der Dusche. Diese kicherte leise.
Wütend drehte sie sich um und rutschte über die feuchten Fliesen. Panisch griff sie nach dem Duschvorhang.
Dieser jubilierte und riss aus der Verankerung. Sie landete schmerzhaft auf ihrem Gesäß.
“Seid ihr verrückt? Ihr bring mich ja um!” schrie sie den Vorhang und die Dusche an.
Mit schmerzendem Steiß stand sie auf und sah in den Spiegel.
Doch der weigerte sich, sie in diesem Zustand zu spiegeln. Sie schickte ihm einen bösen Blick und grapschte unwirsch nach der schlafenden Zahnbürste.
Die schüttelte aber nur zweimal den Kopf und meinte das sie heute keine Lust hätte zu vibrieren.
Mürrisch schmierte sie die weichen Borsten über ihre verklebten Zähne. Doch ohne das leise summen im Mund wollten sie nicht richtig sauber werden.
Niedergeschlagen, von dem abweisenden Verhalten des Badezimmers, schlurfte sie zurück in das Schlafzimmer.
Sie sah betreten zu ihrem Kleiderschrank, der nur kauend und schmatzend meinte das neue Waschmittel sei sehr gut.
“Meine Wäsche! Die war gebügelt! Spuck sie sofort aus!” bellte sie entsetzt und der Schrank schleuderte ihr eine zerknitterte Bluse und eine Jeans ohne Knopf entgegen.
Sie zwängte sich und die knubbeligen Kleider und ging müder als zuvor in die Küche.
Sie betrachtete die Kaffeemaschine, die in einer engen Umarmung mit einem Kalkklotz lag. Resignierend schaute sie zu dem Laib Brot, der sich ebenfalls um neue Freundschaften bemühte.
Sie wagte erst gar nicht den grinsenden Kühlschrank zu öffnen.
Wie spät war es eigentlich. Sie blickte zu ihrer Küchenuhr hoch.
Der große Zeiger lehnte lässig an der Elf und quatschte mit dem kleinen Zeiger, der hochinteressiert auf der zwölf sass.
“Ey!!! Wie spät ist es den jetzt?” rief sie bissig. Die beiden sahen zu ihr hin und zuckten nur mit den Schultern. Unbeirrt setzten sie ihr Gespräch fort.
Sie stampfte in den Flur und sah auf ihre Schuhe. Doch die meisten der Paare hatten sich so Verstritten, das sie nicht einen Schritt miteinander gehen wollten.
Das einzige Paar das sich bereiterklärte mit zu gehen, war eines an dem sich bereits die Sohlen lösten.
Stöhnend schlupfte sie hinein und griff nach ihrer Jacke.
Die wollte heute einen neuen Look ausprobieren und ließ den Reisverschluss von unten her offen.
“Und ich muss mir jetzt eine Nierenentzündung holen?” fragte sie genervt. Die Jacke meinte jedoch es sei viel hübscher so.
Giftig riss sie ihre Handtasche vom Haken und rannte auf die Straße.
Schnellen Schrittes ging sie zum Zug.
Dort angekommen, meinte ihre Handtasche sich dem Freitod zu ergeben und sprang auf die Schienen. Der Zug hielt kreischend vor lachen vor ihr.
Sie zeigte dem Schaffner das Unglück.
Der hatte ein weiches Herz und ließ sie umsonst mitfahren.
Beleidigt über das nette Verhalten, des Schaffners, blieb der Zug mitten auf der Strecke stehen. Die Stimme des Zugführers bat die Fahrgäste auszusteigen.
Sie sprang wie alle andern aus der Tür und landete unsanft auf dem Boden.
Ihre Schuhe beschwerten sich lautstark über den Hundehaufen in dem sie gelandet waren. Knurrend vor Wut rieb sie die Schuhe auf einem Grasstück sauber.
Nach einer halben Stunde Fußmarsch war sie endlich auf der Arbeit.
Sie klemmte sie hinter ihren Schreibtisch und sah an einem Stapel Papiere hoch. Er klemmte sicher zwischen der Decke und ihrem Tisch.
“Na, auch schon da?” fragte ihr Chef. Sie versuchte sich zu erklären.
“Fräulein T., manchmal mache ich mir Sorgen um sie!” sagte er zu ihr und verschwand in seinem Büro.
Sie nahm sich mühsam einen Zettel aus dem Stapel, der anscheinend eine eigene Wolkendecke besass.
Fräulein T. versuchte sich auf die Worte zu konzentrieren, doch ein leises Kichern lenkte sie ab. Dann läutete erschreckend laut das Telefon. Sie nahm den Hörer an ihr Ohr und wurde direkt von einem sehr wütenden Kunden angeschrieen.
Das Telefon stand den ganzen Tag nicht still und der Wolkenkratzer auf ihrem Tisch wurde nicht kleiner. Das Telefon lachte nun ganz offen.
“Du stellst mir heute wohl all die schlechten Menschen durch!” giftete sie. Das Telefon nickte und schüttelte sich vor Lachen.
Frustriert beobachtete sie die Uhr, die sich gar nicht einfallen lies, die Zeit fortschreiten zu lassen.
Doch irgendwann war es dann doch soweit und sie konnte sich erschöpft nach Hause schleppen.
Sie ging durch ihre Tür und wollte sie schließen. Diese fand es aber amüsanter, immer wieder auf zu schwingen. Wutentbrannt trat sie gegen das Holz der Tür, drückte sie laut krachend zu und steckte den Schlüssel in das Schloss.
Der Schlüssel war höchst beleidigt, dass sie seiner Freundin so wehgetan hat und brach einfach ab.
Fräulein T. kritisierte den Rest Schlüssel in ihrer Hand: “Dann bleib doch ewig mit ihr vereint!”
Sie stiefelte in das Wohnzimmer und sah wie das Sofa sich vor unterdrücktem Lachen aufblähte und der Fernseher zitternd einem Kicheranfall ergab.
“Was ist denn so Lustig?”
Der Fernseher kippte vor Lachen vom Regal und dem Sofa sprangen die Federn unter einem schallenden Lachen aus der Polsterung. Das war zu viel für sie.
Sie wollte nur noch Ruhe. Sie ging in das Schlafzimmer und sah hilfesuchend zu ihrem Bett.
“Und was willst du jetzt machen? Zusammenbrechen?” fragte sie ängstlich, doch das Bett breitete die Decke liebevoll aus.
Lächelnd ließ sie sich fallen ... und das Bett verschlang sie ganz.