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Geh beichten, wenn's dich quält

Wortkrieger-Team
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07.09.2014
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Geh beichten, wenn's dich quält

"Michael Groning ist jetzt wieder im Dorf. Der war doch damals bei dir in der Klasse."
Elisabeth ließ die Gabel sinken und starrte ihre Mutter an.
„Michael. Was hat den denn hierher verschlagen?“
„Er hat das Haus von Nellie Orten gekauft. Aber sehen tut man den nur ab und zu am Wochenende. So machen das inzwischen viele. Genießen die Ruhe hier und tragen nichts zum Dorfleben ...“
„Weißt du, was er hier will?“
„Nein, woher? Was wohl aus dem Vater geworden ist. War ja damals ziemlich ungewöhnlich, ganz ohne Frau, nur er und der Junge.“
Nicht nur ungewöhnlich, dachte Elisabeth. In diesem Dorf auch unverzeihlich.


Weihnachten fuhr sie, wie auch in den letzten Jahren, die zweihundert Kilometer zu ihren Eltern. Nachmittags gingen sie zur Messe. Die Kirche war voll, und im Gedränge bemerkte sie Michael erst, als sie direkt vor ihm stand. Er stutzte und nickte ihr zu. Schnell grüßte sie zurück, bevor sie weitergeschoben wurde. Sie hatte die Narben in seinem Gesicht gesehen, Reste der Akne, die er früher gehabt hatte. Aber das Geduckte war weg, er hatte ihr direkt in die Augen geblickt. Und ihr Lächeln nicht erwidert. Während der Messe suchte sie ihn, sah ihn schließlich seitlich in einer Sitzbank. Immer noch wirkte er deplatziert in dieser Gemeinde, obwohl er konzentriert dem Gottesdienst zu folgen schien. Oder vielleicht gerade deshalb, dachte sie, als sie die trägen Mienen um ihn herum registrierte. Während des Singens starrte sie ungeniert zu ihm hin, doch plötzlich hob er den Blick und ließ ihn durch die Reihen wandern. Schnell sah sie wieder nach vorn. Erst beim Hinausgehen wurde ihr klar, dass er in Begleitung war. Die Frau neben ihm war blass und ganz in schwarz.
„Was der hier macht“, murmelte ihre Mutter. „Die waren doch evangelisch.“

Als sie ihn das nächste Mal sah, war es schon Frühjahr. Wenn Thomsens feierten, war fast das ganze Dorf eingeladen, deshalb hatten sie auf der Wiese neben dem Haus ein großes Zelt aufgestellt. Man aß Kartoffelsalat mit Würstchen und später würde Uwe wieder den DJ machen. Hinten an den Biertischen saßen ihre Eltern mit den Nachbarn zusammen. Elisabeth ignorierte das Winken ihrer Mutter und stellte sich zu den paar Schulfreundinnen, die im Dorf geblieben waren. Die hatten sich untereinander mehr zu erzählen als ihr und verschwanden schließlich eine nach der anderen zum Buffet. Bis nur noch Ilka bei ihr stehen blieb, die damals eine Weile neben ihr gesessen hatte.
„Guck mal, der Groning ist auch da,“ sagte sie plötzlich. „Der wohnt jetzt hier nebenan.“
Wieder war eine Frau bei ihm, aber eine andere als damals in der Kirche. Diese hier war pummelig, mit zweifarbiger Frisur, oben blond, drunter dunkel. Die beiden waren umringt von Leuten.
„So kann's gehen,“ sagte Ilka. „Damals haben sie ihn fertiggemacht und heute ist er der aufregendste Mann im Dorf.“
„Frischfleisch. Und bei der Feuerwehr suchen sie immer,“ murmelte Elisabeth.
„Er sieht ziemlich gut aus.“
„Na, die Konkurrenz ist nicht groß.“ Was für ein blöder Spruch. Ilka verzog prompt das Gesicht.
„Komisch ist der immer noch. Jürgen hat ihn neulich am Kanal gesehen. Da hat er am Ufer gehockt und ein Papierschiff aufs Wasser gesetzt. Der hat überhaupt nicht reagiert, als Jürgen ihn angesprochen hat. Jürgen meinte, das war schon richtig unheimlich. Du warst doch damals mit ihm befreundet, oder?“
„Na, befreundet ist zu viel gesagt. Wir hatten denselben Schulweg.“
„Weißt du noch, wie sauer er war, als wir beide auf der Klassenfahrt nebeneinander gesessen haben?“
„Sauer? Wieso sauer?“
„Doch! Er hat doch beinahe geheult und behauptet, dass du ihm versprochen hast, dich neben ihn zu setzen. Keiner wollte neben ihm sitzen. Ich glaube, er hat dann vorne bei der Lehrerin gesessen. Erinnerst du dich gar nicht?“
„Nicht mehr so richtig.“
„Na ja, ich hol mir mal was zu essen.“
„Was macht er denn jetzt hier?“
Ilka zuckte mit den Schultern.
„Vielleicht ist er irgendwo verheiratet und schleppt seine Freundinnen hierher.“
Damit verschwand sie. Michael wurde jetzt von Henning Brundholm angesprochen. Der hatte inzwischen das Fuhrunternehmen seines Vaters übernommen und drei Söhne bekommen. Er hatte ziemlich zugelegt und ein rotes Gesicht. Der erste Mann, der mich geküsst hat, dachte sie und schauderte. Auf dem Schulhof war seine Zunge wie eine Schnecke in ihren Mund gekrochen. Und während sie das mimte, was sich eine Fünfzehnjährige unter Leidenschaft vorstellt, hatte sie aus den Augenwinkeln geguckt, ob die anderen guckten. Bis das Ganze ein halbes Jahr später endete, gehörte sie zu den Coolen. Und Michael sprach nicht mehr mit ihr. Zu Recht. Henning war es gewesen, der angefangen hatte Michael „Krätze“ zu nennen, was sich als unfehlbare Methode erwies, um Michaels rechtes Auge außer Kontrolle geraten zu lassen. Seine Tic-Störung hatte ihn endgültig zum Prellbock für die anderen gemacht. Sie hatte nicht mitgelacht. Sie hatte in ihrem Schulranzen gekramt oder aus dem Fenster gesehen. Und jetzt ließ Michael es zu, dass ausgerechnet Henning ihn zuquatschte.
Sie wandte sich an Agnes Thomsen, die hinter ihr das Buffet bestückte.
„Soll ich mal mit Sekt rumgehen?"
Agnes guckte überrascht.
“Nur, wenn du Lust hast, Elisabeth. Im Haus sind noch mehr Gläser.“
In der Küche öffnete sie ein paar Schränke. In einer Schranktür klebte eine Liste mit Telefonnummern. Sie musste grinsen, genau so eine Liste hing auch bei ihren Eltern. Doch dann blieb ihr Blick an einem kleinen Zettel hängen, der offenbar kürzlich dazu gekommen war. Die Handynummer von Michael Groning. Er musste Thomsens gebeten haben, aufs Haus zu achten. Ohne weiter nachzudenken, notierte sie die Nummer auf einer Serviette.
Ein paar Minuten später lief sie mit dem Tablett herum. Als sie bei der Gruppe um Michael landete, begrüßte Henning sie lautstark, während er und seine Frau ein Glas nahmen. Michael lehnte ab.
„Danke, Elisabeth, aber wir wollen gleich los.“ Er hatte den Arm um die Taille seiner Partnerin gelegt, die ihn überrascht und erfreut ansah. Henning guckte enttäuscht, fing sich aber schnell.
„Ey, Michael, weisst du schon, dass aus unserer Elisabeth 'ne Lehrerin geworden ist? Sie ist die Schlauste von uns.“
„Übertreib mal nicht.“ Schlagfertigkeit war nicht ihre Stärke. Leider kam es noch schlimmer. Henning wackelte vielsagend mit dem Kopf.
„Kannst du sie dir vorstellen, in dem Rock hier an der Tafel? Also, ich denke mal, die Jungs kriegen doch bestimmt 'ne Aufmerksamkeitsstörung.“ Er wandte sich an seine Frau.
„So hieß das doch, was unser Benny angeblich hat, oder?“
Der Mann musste sofort gestoppt werden. Sie drehte sich zu Michael.
„Und, was ist aus dir geworden?“
Michael zögerte. „Ein Nerd ist aus mir geworden.“
Plötzlich ging alles sehr schnell. Jemand rempelte Elisabeth an, sie presste das Tablett an sich, die Gläser kamen ins Rutschen, kippten und der Sekt ergoss sich über ihre Bluse, einige Gläser klirrten zu Boden. Einen Moment stand sie wie erstarrt, dann schallte von allen Seiten Gelächter.
Servietten wurden gereicht und sie stellte das Tablett ab. Ihre ganze Vorderseite war nass und klebrig, sie hätte schreien können. Stattdessen zwang sie sich mitzulachen. Irgendjemand tat den Spruch „Scherben bringen Glück“ und Henning tönte, „Die Bluse musst du jetzt ausziehen, sonst erkältest du dich noch.“
Als sie aufschaute, sah sie, dass Michael sich bereits zum Gehen wandte. Seine Freundin schmiegte sich an ihn. Beinahe wären sie in Elisabeths Mutter gelaufen, die, hochrot im Gesicht, mit Lappen und Kehrblech angeschossen kam.
Nachdem das Chaos beseitigt und Elisabeth mit einem Pullover versorgt worden war, machte sie sich auf den Weg, um den Eimer mit den Scherben zur Mülltonne zu bringen. Draußen ging ein trüber Tag seinem Ende zu. Die Hofbeleuchtung sprang funzelig an. Hinten, neben dem Holzschuppen, schimmerte Licht durch die hohe Buchenhecke. Direkt dahinter lag Michaels Terrasse. Sie stellte den Eimer ab, sah sich schnell um und lief zum Schuppen. Bog ein paar Zweige zur Seite und hielt den Atem an.
Zuerst sah sie nur die Frau. Sie lief durch das Zimmer und räumte etwas hin und her. Immer noch trug sie den Rock, den sie auf der Party getragen hatte, auch die hohen Schuhe, aber sie hatte den Blazer ausgezogen. Das lachsfarbene Top darunter spannte über der Brust und zeichnete die Speckröllchen ab, die auf der Hüfte saßen. Dann bemerkte sie eine Veränderung in der Haltung der Frau. Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare, ihr Körper straffte sich. Michael hatte anscheinend den Raum betreten. Er blieb zunächst unsichtbar, aber sie sprach mit ihm und lachte. Dann trat sie unvermittelt ans Fenster und Elisabeth drückte sich hastig tiefer in den Schatten. Aber die andere beobachtete nur eine schwarze Katze, die zielstrebig an der Terrassentür vorbei lief, ohne ihre beiden Zuschauerinnen eines Blickes zu würdigen. Als die Frau sich zurück ins Zimmer wandte, sah Elisabeth, dass Michael hinten bei der Kommode stand. Er schenkte Wein ein und reichte ihr ein Glas. Sich selbst öffnete er ein Bier. Sie trank und drehte ein wenig ihre Hüften, suchte seine Nähe. Michael lächelte. Sagte etwas und die Frau verschluckte sich übertrieben, stellte schnell den Wein ab und kicherte. Er trank direkt aus der Flasche, ließ sie dabei nicht aus den Augen, sprach wieder ein paar Worte. Darauf wand sie sich noch einmal halbherzig, bevor sie ihr Glas abstellte, ihren Rock öffnete und auf die Füße fallen ließ. Sie stakste einen Schritt zur Seite und Elisabeth starrte auf ihren kräftigen, weißen Hintern. Du liebe Güte, sie trug tatsächlich einen String. Wieder ein kurzer Wortwechsel zwischen den beiden, worauf die Frau sich zögernd umdrehte. Jetzt war er es, der den Blick auf ihr Hinterteil hatte. Er trat einen Schritt zurück und betrachtete sie. Trank und schaute. Bis sie in einer ungeduldigen Bewegung die Arme vor dem Körper verschränkte und über die Schulter irgendetwas zu ihm sagte. Er warf den Kopf zurück und lachte. In diesem Moment hätte Elisabeth viel gegeben, um ihn hören zu können. Sein Lachen. Nicht, dass er damals besonders viel gelacht hätte. Aber es hatte eine Zeit gegeben, wo es ihr gefallen hatte, ihn zum Lachen zu bringen. Doch das war lange vorbei und jetzt war jetzt. Jetzt stellte er sein Bier ab und trat hinter die Frau, schlang seine Arme um sie und presste sich gegen sie. Elisabeth ahnte, was er sie fühlen ließ und schluckte. Die Frau schloss die Augen. Er griff nach ihren Handgelenken, löste ihre verschränkten Arme und streifte ihr das Top über den Kopf. Ließ seine Daumen in ihren BH gleiten und Elisabeth konnte sehen, wie ihr Mund sich öffnete. Dann schob er ihr die Träger herunter und öffnete den Verschluss am Rücken. Ihre Brüste fielen hinaus und er packte sie. Elisabeth fühlte in ihrem Versteck, wie sie feucht wurde. Seine Hände drückten jetzt immer gieriger zu, während er offenbar auf die Frau einredete, sein Mund dicht an ihrem Ohr. Sie antwortete stossweise, ihr Gesicht flammend rot. Bis er sie am Oberarm fasste und zur Kommode dirigierte, wo er sie nach vorne drückte, so dass sie mit Kopf und Armen auf der Kommode lag. Er zog ihr den Slip herunter und sie schob ihn mit dem Fuß beiseite. Dann stellte sie die Beine auseinander und reckte ihr Hinterteil hoch. Elisabeth sah ihn lächeln. Jetzt begann er sich auszuziehen. Während er seine Unterhose abstreifte, sagte er etwas und die Frau, deren Gesicht Elisabeth jetzt nicht mehr sah, ging noch mehr ins Hohlkreuz und blieb geduldig so stehen, bis er sein Hemd aufgeknöpft hatte. Dann packte er sie an den Hüften und drang sofort in sie ein. Elisabeth meinte den Schrei der Frau bis in ihr Versteck zu hören.
Da roch sie plötzlich Alkohol, zerrte ihren Rock runter und fuhr herum.
„Tolle Show!“ Henning stand hinter ihr, wer weiß wie lange schon.
„Was machst du denn hier?“, flüsterte sie entsetzt.
„Ich beobachte zwei beim Vögeln und dich beim ... naja.“ Er grinste. „Wenn ich dir irgendwie behilflich sein kann ...“ Sie stieß ihn weg, schob sich an ihm vorbei und rannte zurück.

Ein paar Wochen später stand sie wieder vor Michaels Haus, diesmal offiziell. In seinem Vorgarten blühten Rosen, dazu allerlei Unkraut. Zwei Tannen, viel zu hoch gewachsen für das kleine Grundstück, beschatteten den Eingang.
Er guckte überrascht, nachdem er geöffnet hatte, grüßte sie und machte keine Anstalten, sie hereinzubitten. Sie stammelte den Grund ihres Besuchs wie eine Ausrede, was auch zutraf. Das Bürgerhaus sollte umgebaut werden, dafür sammelte sie. Eigentlich hatten ihre Eltern diese Aufgabe übernommen, und Elisabeths Angebot zu helfen hatte sie ziemlich gewundert. Es gab eine Liste, in die man sich eintragen konnte.
„Ich soll für euer Bürgerhaus spenden?“, fragte er fast erheitert.
„Du hast hier ein Haus gekauft. Es ist auch dein Dorf.“
Er schüttelte langsam den Kopf. Es entstand eine Stille, in der sie roch, dass in der Küche irgendein Fleisch brutzelte.
„Also dann... “, sagte er.
“Kann ich einen Moment hereinkommen?“
Während er wieder den Kopf schüttelte, lächelte sie einfach weiter. Er sah sie noch einen Moment irritiert an, bevor er die Tür schloss. Ohne weiter nachzudenken, klingelte sie erneut. Als er öffnete, bereute sie es schon. Aber es war zu spät. Sie konnte schlecht behaupten, sie habe sich in der Tür geirrt. Sie versuchte, ihrer Stimme einen festen Klang zu verleihen.
„Bitte, lass mich rein. Ich muss dringend mit dir reden.“
Er wies ihr schweigend den Weg ins Wohnzimmer. Verschwand kurz in der Küche, was ihr die Gelegenheit gab, sich umzusehen. Ziemlich bieder das Ganze. Dann dämmerte ihr, dass er das Haus vielleicht möbliert übernommen hatte. Den Blick zur Kommode vermied sie. Als er wieder den Raum betrat, setzte sie sich hin. Er nahm ihr gegenüber Platz, sein Blick war jetzt immerhin interessiert.
„Echt lange her, seit wir hier zur Schule gegangen sind“, setzte sie an.
„Stimmt.“
Sie suchte nach Worten, lächelte nervös. “Warum bist du hierher gekommen?“
„Das frage ich dich.“
“Ich wollte mich entschuldigen, wegen damals.“ Jetzt war es raus, und sie wagte es, hoch zu schauen.
„Mach dir keine Sorgen“, sagte er knapp. „War's das?“, und erhob sich.
Verwirrt stand sie auf, fühlte sich von ihm zur Tür geleitet, drehte sich plötzlich um.
„Ich weiß, ich habe mich damals blöde benommen. Ich hätte dir helfen müssen.“
Er sah sie nicht an.
„Mach dir keine Gedanken“, sagte er wieder. “Geh beichten, wenn's dich quält.“ Er öffnete die Tür und ließ sie vorbei.
„Eins noch“, hörte sie ihn leise sagen, „wenn du dich mal wieder bei Nachbars Schuppen herumtreibst, lasse ich dich Eintritt zahlen.“ Sie fuhr herum und sah gerade noch, wie die Tür sich schloss.

Es war der Abend nach der sommerlichen Klassenfahrt, und sie hatte schon auf der Rückfahrt an den Rotwein gedacht, der zu Hause auf sie wartete. Im Flur ließ sie ihr Gepäck fallen und riss überall die Fenster auf. Die Sonne hatte die Wohnung kräftig aufgeheizt. Dann hörte sie den Anrufbeantworter ab. Ihre Mutter, die durchklingen ließ, dass sie sich mal wieder blicken lassen könnte. Während sie den Wein öffnete, dachte sie flüchtig an die peinliche Aktion bei Michael. Fiel dann aufs Sofa und zappte sich durch die Programme, bis sie auf einen uralten Bond-Streifen stieß. Der erste Abend seit einer Woche, an dem sie nicht zwischen den Schlaftrakten der verschiedenen Geschlechter Patrouille laufen musste. Sie nippte an ihrem Glas.
Einige Zeit später räkelte sich Ursula Andress auf einem kleinen Boot in den Armen von Sean Connery. Elisabeth schaltete den Fernseher aus, stand auf und wählte Michaels Nummer.
Wenn er überrascht war, ließ er sich das jedenfalls nicht anmerken. Auch sie versuchte ihre Stimme ruhig klingen zu lassen.
“Was nimmst du denn so an Eintritt ?“
Einen Moment lang herrschte Stille, und sie dachte, wenn er jetzt auflegt, fühle ich mich dreckig. Dann hörte sie ihn leise lachen und atmete erleichtert aus. Er antwortete langsam.
„Okay..., das solltest du mir genauer erklären.“
Sie musste plötzlich schlucken.
„Wann?“
„Nächstes Wochenende bin ich im Haus. Komm am Samstag Nachmittag.“
Sie beeilte sich zuzustimmen.
„Also bis dann.“ Er legte auf.

Dass sie ihren Eltern gegenüber jetzt schon Ausreden finden musste wie eine Vierzehnjährige, behagte ihr gar nicht. Dieses Dorf war der allerdämlichste Ort für so etwas. Als sie wieder vor seiner Tür stand, war sie froh, unterwegs niemanden getroffen zu haben.
Er öffnete ihr kauend, und sie fragte, ob sie vielleicht zu früh sei.
„Wir haben keine feste Zeit abgemacht, und ich dachte...“
„Nein, nein, kein Problem, komm rein.“ Er ließ ihr den Vortritt ins Wohnzimmer. „Setz dich. Kaffee?“
„Ja, gern“, sagte sie steif. Er verschwand in der Küche und kam mit zwei Tassen und einer Thermoskanne wieder.
„Milch? Zucker?“
„Milch, bitte.“
Er stellte eine Schale auf den Tisch, in der eine bunte Mischung von kleinen Plastiktöpfchen mit Dosenmilch steckte, offenbar in verschiedenen Cafés gesammelt.
Dann ließ er sich neben ihr auf dem Sofa nieder, winkelte ein Bein an und legte den Arm auf die Lehne. Sie trank einen Schluck. Das Geräusch beim Zurückstellen der Tasse auf den Tisch ließ sie fast zusammenzucken. Sie holte Luft.
„Woher weißt du, dass ich zugesehen habe?“
„Von Henning.“
„Ach! Wieso seid ihr neuerdings so dicke? Ich verstehe immer noch nicht, warum du zurück gekommen bist. Du kannst an die Zeit hier doch keine guten Erinnerungen haben.“
„Du bist nicht gekommen, um dich nochmal zu entschuldigen, oder?“
Sie schwieg. „Lass mir etwas Zeit“, sagte sie schließlich. „Ich mache so was nicht ständig.“
Er nickte, stand auf und stellte sich ans Fenster.
„Im Moment kann man von hier aus jede Menge Rehe beobachten, die kommen erstaunlich nah 'ran. Stehen da und schauen zum Haus. Dass Frauen neuerdings dasselbe tun, wundert mich allerdings schon.“
„Na immerhin fresse ich keine Rosen.“
Er lachte auf und sie sprach erleichtert weiter.
„Das war Zufall. Ich hatte die Scherben raus gebracht, von den Gläsern, die mir runter gefallen sind.“
„Und dann?“ Er setzte sich wieder hin. Sie spürte, wie sie rot anlief, wurde aber zunächst einer Antwort enthoben, weil die Tür sich ein Stück weiter öffnete, aufgeschoben von der schwarzen Katze, die um seine Beine strich und auf seinen Schoß sprang.
„Deine Katze?“
„Nein, dazu bin ich zu selten hier. Die gehört Thomsens.“
Thomsens Katze stieß ihren Kopf energisch gegen seine Hand, bis er endlich fest genug kraulte. Brach plötzlich wie angeschossen zusammen und bot ihren durchgestreckten Bauch an. In ihrem leicht geöffneten Maul, war die Spitze ihrer rosa Zunge zu sehen. Sie schnurrte so laut, dass sie beinahe Obertöne produzierte. Elisabeth starrte auf seine Hand, die im weichen Katzenfell verschwunden war. Er blickte in dem Moment hoch, als Elisabeth gerade am allerneidischsten guckte. Sie kicherte nervös.
„Tja, Katze müsste man sein!“
Er grinste und wandte sich wieder dem Tier zu. Nichts, was ihr einfiel, hätte sie jetzt irgendwie retten können. Also schwieg sie. Bis er die Katze auf den Teppich setzte, die zuerst noch drängend um seine Beine strich, um dann beleidigt davonzulaufen.
„Warum nicht?“, sagte er. „Sei eine Katze. Zeig mir, was du brauchst.“
Sie lächelte nervös. Blickte zu der Tür, hinter der das Tier verschwunden war. Und dann zurück zu ihm. Er legte den Kopf schief.
„Na was denn nun? Katze oder Reh?“
„Katze.“ Sie rutschte näher an ihn heran, hoffte, dass er irgendetwas tun würde, oder wenigstens reden, aber er saß nur da und sah sie an. Also legte sie ihre Hand auf sein Knie, zog sie aber sofort zurück, weil ihr das völlig blöde vorkam. „Katze“, dachte sie verzweifelt und näherte sich noch weiter. Als ihre Lippen fast schon seine Schläfe berührten, kam ihr die Glasscherbe in den Sinn, in die sie damals auf dem Schulweg getreten war. Er hatte sie gestützt und neben dem Schmerz hatte sie seine Kraft gespürt und seinen erdigen Jungsgeruch in der Nase gehabt. So nah waren sie sich nie mehr gekommen. Bis jetzt. Sie griff ungeschickt nach seinem Handgelenk und zog seine Hand hoch an ihre Brust. Als er zugriff, atmete sie stockend ein, fast schon schmerzhaft schoss die Hitze in ihren Unterleib. Sein Mund dicht an ihrem Ohr. „Mach deine Bluse auf.“
Nach dem dritten Knopf klingelte das Telefon in der Küche. Sie erstarrte mitten in der Bewegung, aber er blieb sitzen und schüttelte den Kopf. Während sie ihre Bluse abstreifte, sprang der Anrufbeantworter an. Erst seine Ansage, sie konnte die Worte nicht verstehen. Dann eine weibliche Stimme, sehnsüchtig, fröhlich, unvermittelt schließend. Schließlich Stille.
„Den BH auch noch“, sagte er.
Während sie den Verschluss am Rücken aufhakte, machte sie sich plötzlich Gedanken darüber, ob er wohl bemerken könnte, dass ihre Brüste ein wenig unterschiedlich waren, ob die Frau auf dem Anrufbeantworter schöner war als sie, ob er vielleicht auf sehr große Brüste stand wie von der Frau neulich, dann dachte sie, dass ihre Brüste wahrscheinlich das geringste Problem waren, sondern die Tatsache, dass sie damals Versprechungen gemacht und nicht gehalten hatte, die Gedanken jagten in ihrem Kopf, und als sie den BH neben sich ablegte, war sie so unsicher geworden, dass sie nicht wusste, wo sie hinsehen sollte.
„Schön“, sagte er, machte eine kleine Bewegung auf sie zu, bremste sich dann und räusperte sich.
„Könntest du dir vorstellen, nochmal wieder zu kommen?“
„Was?“
„Ich müsste den Anrufbeantworter abhören. Ich erwarte heute Abend noch Besuch und ich fürchte, dass sie früher losgefahren ist.“
„Das ist jetzt nicht dein Ernst.“ Instinktiv griff sie nach ihrem BH.
„Ja, ist blöd jetzt. Sie wollte erst heute Abend...“
„Das ist allerdings ziemlich blöd.“
Sie kämpfte mit dem Verschluss, aber ihre Finger zitterten zu stark.
„Soll ich dir helfen?“
„Ach, Scheiße, nein, ich lass ihn aus.“
„Du musst dich gar nicht so sehr beeilen. Es dauert bestimmt noch eine halbe Stunde. Ich kann ja mal abhören.“
Hektisch zog sie ihre Bluse über, stürmte in den Flur, schlüpfte in ihre Jacke und stopfte den BH in die Jackentasche.
„Das ist echt das Allerletzte.“
„Ich bin in zwei Wochen wieder hier.“
„Weißt du, wie scheissegal mir das ist?“
„Samstag Nachmittag, selbe Zeit, keine weiteren Besuche. Versprochen.“
„Vergiss es.“
„Wir könnten auch jetzt noch schnell...“
„Du spinnst wohl.“
In der Tür drehte sie sich um.
„Dann schon eher in zwei Wochen.“
Er lachte.
„Also bis dann.“

Sie ging jetzt jeden Morgen joggen. Kniete sich in die Arbeit. Versuchte sogar, einen Kollegen zu reaktivieren, der vor einem halben Jahr deutliches Interesse an ihr gezeigt hatte. Bis er ihr irritiert zu verstehen gab, dass er frisch liiert war mit der Schulsekretärin, was offenbar alle außer ihr wussten. Daraufhin überlegte sie, sich versetzen zu lassen oder eine Therapie zu machen oder ins Kloster zu gehen.

Statt dessen fand sie sich am vereinbarten Wochenende bei ihren Eltern ein. Deutete beim Mittagessen an, dass sie wieder ein wenig Kontakt zu Michael Groning aufgenommen habe. Ihre Mutter reagierte erwartungsgemäß entsetzt.
„Den sieht man doch kaum zweimal mit derselben Frau!“
„Mein Gott, ich will den Kerl nicht heiraten.“
„Elisabeth!“
„Schrei nicht so. Übrigens braucht ihr heute Abend nicht auf mich zu warten.“
Mit einem Knall stellte ihre Mutter die Schüssel mit den Kartoffeln auf den Tisch.
„Meinst du nicht, dass du für so was langsam zu alt bist? Ich finde das nicht sehr erwachsen. Ausgerechnet hier!“
„Das geht dich nichts an.“
Das Gesicht ihrer Mutter, wenn sie im Begriff war, einen Trumpf auszuspielen.
„Agnes Thomsen hat neulich gesagt, die Frauen, die zu dem gehen, sehen alle so notgeil aus.“
Ihr Vater griff mit gequältem Blick nach der Fernbedienung und stellte den Fernseher an. Der Rest des Essens fand unter der Beschallung durch ein Mittagsmagazin statt.
Danach stand Elisabeth schweigend auf und begann abzuräumen. Ihre Mutter holte Luft.
„Was hat er eigentlich mit dem Haus vor? Hat er darüber was gesagt?“
„Nein, wieso?“
„Nichts. Nur so.“
„Was denn nun?“
„Er macht gar nichts darin. Wenn man so ein Haus kauft, dann renoviert man doch erst mal. Man munkelt, dass da sogar noch die Möbel von Nelly Orten drin stehen, die werden ihm wohl kaum gefallen.“
„Vielleicht doch, diese Frau Orten war doch ganz nett.“
Sie erinnerte sich vage an eine freundliche, kleine Frau, die in verschiedenen Haushalten putzte.
Ihre Mutter schüttelte den Kopf.
„Arme Frau. Erst der Mann. Und dann stirbt sie auch noch so früh.“
„Wieso, was war mit dem Mann?“
Überraschend schaltete sich ihr Vater ein.
„Na, die Straße hieß im Volksmund nicht umsonst die „Flachmann-Road““
„Aha?“
„Das hast du damals nicht mitbekommen? Nelly Orten hatte doch diesen Hans geheiratet, der war eine ganze Ecke älter als sie und Trinker. Ein Saukerl. Hat auf dem Bau gearbeitet und auf dem Nachhauseweg hat er sich immer auf den letzten zwei Kilometern einen Flachmann aufgemacht und ihn dann aus dem Fenster geschmissen. Verkehrskontrolle war dann nicht mehr zu erwarten und seine Nelly sollte auch nichts mitbekommen. Aber sobald das einer sieht, weiß es das ganze Dorf.“
Ihre Mutter warf ihr einen vielsagenden Blick zu.
„Arme Frau,“ sagte sie wieder, „Mit Anfang 40 einen Mann pflegen, der sich zu Tode säuft. Kein Wunder, dass sie nie wieder geheiratet hat.“
Sie spießte ein Stück Fleisch auf.
„Frag ihn doch mal, was er mit dem Haus vor hat.“

Diesmal klingelte sie vergeblich. Sie klingelte mehrfach, und immer noch regte sich nichts. Ihre Aufregung wandelte sich schlagartig in Wut. In Windeseile fegte sie ums Haus, um durchs Fenster zu starren. Als sie um die Ecke schoss, prallte sie zurück. Da stand er, in ein Schwätzchen mit Frau Thomsen vertieft, die gerade ein fremdes, perlendes Lachen lachte. Leider bekam Elisabeth ihre Gesichtszüge nicht schnell genug unter Kontrolle, während er ihr zuwinkte.
„Ach, Elisabeth, ich habe die Klingel gar nicht gehört! Ich komme.“ Frau Thomsen warf ihr einen neugierigen Blick zu, und Elisabeth grüßte zähneknirschend. Sie betraten das Haus, und er nahm ihr die Jacke ab, eine Geste, die sie in diesem Moment nicht zu würdigen wusste. Sie beobachtete ihn, während er ihre Jacke aufhing.
„Hast du das absichtlich gemacht?“
„Was?“
„Du weißt genau, was ich meine. Morgen weiß das ganze Dorf, dass ich hier war.“
„Aha, und weiter?“
„Jeder weiß, dass du ständig Frauen hier hast, und jetzt....“ Sie stockte, als sie seinen Gesichtsausdruck sah.
„Jetzt wissen alle, dass du auch so eine bist.“
Er machte einen Schritt zur Garderobe hin und griff nach ihrer Jacke. „Dann verschwinde mal lieber wieder. Ist besser für dich.“
„Ich meinte ja nur...“
„Ich sagte, verschwinde, hau ab, du bist hier verkehrt.“
„Michael, nein, das meinte ich nicht... “
Er drückte ihr die Jacke in den Arm und öffnete die Tür.
„Raus.“

Bloß nicht zu ihren Eltern jetzt. Stattdessen bog sie in die Gegenrichtung ab und lief Frau Thomsen in die Arme, die sich an der Hecke zu schaffen machte. Nicken, zügig weitergehen.
„Grüß deine Mutter von mir“, rief Frau Thomsen ihr nach.
Sie lief zum Wald. Für Ende August war es draußen zu kühl, die Sonne hielt sich nur blass hinter den Wolken. Als die asphaltierte Straße in den Sandweg überging, sank sie mit ihren Absätzen ein, diese Schuhe waren nicht für einen Spaziergang gedacht, sie waren dafür gedacht, ihre Beine hervorzuheben, aber er hatte nicht auf ihre Beine geguckt, er hatte ihr kaum ins Gesicht gesehen, bevor er sie rausschubste. Sie hatte ihm ins Gesicht gesehen. Nicht dran denken. Sie wollte jetzt in diesem Wald sein. Es war der Wald ihrer Kindheit, und sie war seit vielen Jahren nicht mehr hier gewesen. Damals war es viel wärmer gewesen im Wald. Was für ein Unsinn. Heute Abend würde sie zurück in die Stadt fahren. In ihre Wohnung. Sie würde ein Glas Rotwein trinken und fernsehen.
Als sie sie bemerkte, war es zu spät, die Begegnung zu vermeiden. Henning mit Frau und allen drei Söhnen. Lächeln jetzt.
„Hallo zusammen! Das ist ja ein richtiger Familienausflug!“
Henning breitete die Arme aus.
„Muss sein, sonst versauern die mir alle vor der Glotze.“
Seine Frau stieß ihn an.
„Du bist der Erste, der versauert.“
Elisabeth rang sich ein beifälliges Kichern ab.
„Dann viel Spaß noch!“
Henning hob die Hand.
„Ebenfalls!“
Das war überraschend gut gegangen. Im Weggehen hörte sie einen der Söhne.
„Die Frau hat geheult.“

Sie hätte es niemals für möglich gehalten, dass sie sich in diesem Wald verlaufen könnte. Aber irgend etwas war anders, die Wege liefen verkehrt, vielleicht waren die Bäume größer und sahen deshalb fremd aus. Außerdem hatte sich der Himmel immer weiter zugezogen, bis es schließlich angefangen hatte, heftig zu regnen. Sie brauchte jedenfalls über zwei Stunden, um wieder rauszufinden. Und noch zehn Minuten länger, um erneut vor Michaels Haustür zu stehen.
„Du schon wieder.“
„Lass mich rein.“ Ehe er reagieren konnte, hatte sie sich an ihm vorbeigedrückt und sah an sich herunter.
„Ich zieh' besser meine Schuhe aus. Die sind ganz nass.“
„Warum gehst du nicht nach Hause?“
Sie hatte sich auf den Schuhschrank gesetzt und versuchte die Schnallen ihrer Sandalen zu öffnen, aber ihre Finger waren klamm und steif gefroren. Er hockte sich dazu, schob ihre Hand beiseite und löste die Riemen. Als er ihren Knöchel packte, um ihr den Schuh vom Fuß zu ziehen, atmete sie unwillkürlich ein.
„Ich will heute Nacht hier bleiben,“ murmelte sie und er stand wieder auf.
„Was du alles willst.“
„Dich will ich.“
„So wie du aussiehst? Du machst mir ja richtig Angst.“ Er grinste.
„Ich bin lange im Wald rumgelaufen.“
„Bist du deshalb so schmutzig?“
„Ja. Ich bin zweimal ausgerutscht. Kann ich bei dir duschen?“
„Wenn du hier einziehen willst, sage ich nein.“
„Und duschen?“
„Meinetwegen. Treppe hoch, zweite Tür links.“
In der Tür drehte sie sich um.
„Worüber haben wir eigentlich damals geredet?“
„Wann?“
„Damals, auf dem Schulweg. Worüber haben wir geredet?“
„Du hast geredet.“
„Und du?“
„Ich habe zugehört.“
„Du hast mir mal eine Kassette aufgenommen, Mit Sting und Queen und so.“
Er nickte. „Die haben sich verschiedene Leute überspielt. Denen hast du erzählt, du hast sie von deiner Cousine.“ Sie wischte sich einen Tropfen aus dem Auge, der aus ihren Haaren hinunter gelaufen war und fröstelte.
„Ja... Stimmt...“
„Dann geh' mal. Das dauert, bis das Wasser warm wird, das Haus ist alt.“

Ein Badezimmer aus den 70er Jahren, Waschbecken und Dusche in Beige, grüne Fliesen. Es roch schwach nach Schimmel. Eine braune Kulturtasche auf dem Rand des Waschbeckens, ein paar Handtücher über der Heizung, offenbar alle gebraucht. Mit einem trocknete sie sich nach dem Duschen ab, das Badelaken wickelte sie sich um den Körper und klemmte es fest. Dann entdeckte sie den kleinen Schrank unter dem Waschbecken. Als sie ihn öffnete, fiel ihr ein Teil den Inhalts entgegen. Medikamente, Verbandspäckchen, Stützstrümpfe eingerollt, ein Gummiklistier, angebrochene Duschgels, eine Bürste mit grauen Haaren drin. Mit Mühe drückte sie alles wieder rein und den Schrank zu. Richtete sich schnell auf und kämpfte gegen einen Anflug von Übelkeit. Als sie in den Flur trat, hörte sie ihn unten in der Küche. Es roch nach Kaffee und sie widerstand nur mühsam der Versuchung, sofort hinunter zu laufen. Stattdessen öffnete sie eine weitere Zimmertür und stand im Schlafzimmer. Auf dem Ehebett eine goldene Tagesdecke. Darüber ein Holzkreuz. Eine Schrankwand. Über einem Stuhl ein Faltenrock und eine Weste im Trachtenstil. Elisabeth stolperte einen Schritt zurück und zog die Tür zu, die hart ins Schloss fiel.

„Ich habe ins Schlafzimmer geguckt.“ Sie stellte sich auf den Fußabtreter im Türrahmen und rieb ihre Füße aneinander.
„Habe ich gehört.“ Er schenkte Kaffee ein.
„Das ist alles so deprimierend da oben. Wie hältst du das aus?“
„Ich hole mir Frauen hier rein.“
Sie bemühte sich, nicht zu gierig nach der Tasse zu greifen, die er ihr reichte. Der Kaffee war stark und sehr heiß.
„Schläfst du in diesem Doppelbett?“
„Nein, ich schlafe hier unten im Gästezimmer. Interessiert dich das Doppelbett?“ Er lehnte sich neben sie an die Wand und verschränkte die Arme.
„Nein. Da graut es einem. Warum sind da noch die ganzen Sachen von der Frau Orten?“
„Ich bin noch nicht dazu gekommen, mich darum zu kümmern.“
„Das kann ja wohl nicht sein. Wie kannst du hier so leben? Das ist nicht normal.“
„Vielleicht bin ich nicht normal. Trotzdem rennst du mir hier seit Wochen die Bude ein.“
„...Ja.“
„Wenn du nicht gerade Skrupel kriegst.“
„Ich bin halt in diesem blöden Dorf aufgewachsen. Ich....“
„Sie werden alle mit dem Finger auf dich zeigen.“
„Ach, hör auf.“
„Doch, glaub mir, wenn du hier morgen raus gehst, dann steht das ganze Dorf Spalier, direkt vor der Tür. Und du musst da durch. Sie zeigen alle mit dem Finger auf dich und reden über dich. Was du für eine bist. Dass sie das schon immer gewusst haben, was für 'ne Schlampe du bist.“
„Michael...“ Er nahm ihr die Kaffeetasse weg und stellte sie ab, drängte sie zurück, bis sie zwischen ihren Schulterblättern die Kälte des Türrahmens spürte und seinen Atem, dicht an ihrem Ohr.
„Du wirst nackt laufen. Und die Kerle werden dich überall anfassen, deine schönen Titten, deinen Hintern, sie werden dir zwischen die Beine greifen, wie findest du das, Elisabeth?“
Seine Hand zwischen ihren Schenkeln, plötzlich seine Finger in ihr drin, sie schnappte nach Luft.
„Du wirst dich zu Tode schämen, aber es wird dir nichts nützen. Denn du bist so nass, dass du 'ne Spur hinter dir herziehst, wenn du durchs Dorf gehst.“
Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er sie küssen würde. Selbst als sein Mund schon fast an ihrem lag und das krampfhafte Zittern, das ihren ganzen Körper erfasst hatte, ihr beinahe die Kraft zum Stehen nahm, selbst dann wartete sie noch darauf, dass er sie wegschieben würde, aber das tat er nicht, diesmal nicht. Und er küsste sie so, dass sie jede Hoffnung verlor, irgendwann noch mal heil aus dieser Geschichte herauszukommen.
Schließlich wandte er sich ab, sagte, „Komm!“, und sie lief ihm hinterher ins Nachbarzimmer. Auf dem Weg zum Bett zog er sich das T-Shirt über den Kopf. Dann öffnete er seinen Gürtel.
„Wird komisch sein, dich zu vögeln. Du warst mal so was wie 'ne Freundin.“ Sie wusste nichts zu antworten, besonders, als sie ihm jetzt zusah, wie er seine Unterhose abstreifte. Stattdessen wickelte sie sich aus ihrem Handtuch und ertappte sich dabei, wie sie es zusammenfaltete. Er bemerkte es auch und grinste.
„Jetzt erzähl mir nicht, dass du noch Jungfrau bist.“
„Nein.“ Sie ließ das Handtuch fallen und lief entschlossen auf ihn zu.
Die Matratze war alt, die Sprungfedern gaben nach, als er sich auf sie legte. Endlich. Der fremde, peinliche Laut aus ihrem Mund und sein beifälliges Knurren, als er sie mit seinem vollen Gewicht in die Matratze drückte und ihren Körper damit wieder in der Welt verankerte. Während er in sie eindrang, schrie sie leise auf. Er hielt inne, schwer atmend und suchte ihren Blick. Das war der Moment, in dem sie sich ihm völlig überließ, und danach hielt er sich nicht mehr zurück.
Später in der Nacht hörte sie an seinem Atem, dass er schlief. Wenn sie sich vorsichtig bewegte, zog er sie sofort fester an sich. Die Unbewusstheit seiner Geste löste eine Zärtlichkeit in ihr aus, die sie ganz wehrlos machte. Und glücklich.

Am nächsten Morgen wurden sie vom Klingeln des Telefons geweckt. Einen Moment lang hoffte sie, er werde nicht dran gehen, aber er sprang aus dem Bett, griff nach seiner Hose und verließ das Zimmer. Immerhin war er so rücksichtsvoll, die Tür hinter sich zuzuziehen. Sie starrte an die Decke und versuchte zu denken, dass ihr das doch klar gewesen war. Sie versuchte es so intensiv zu denken, dass sie beinahe Kopfschmerzen bekam. Nicht heulen. Ob ihre Sachen schon trocken waren? Sie sollte jetzt aufstehen und gehen. Tatsächlich aber bewegte ihr Körper sich kein Stück. Nach einer Weile kam er wieder.
„Das war Henning.“
„Henning!“ Die Erleichterung war ihrer Stimme so deutlich anzuhören, dass er sie überrascht ansah und grinste.
„Das sind nicht nur Frauen, die mich anrufen, oder was hast du gedacht?“ Ein erregtes Summen tief in ihr drin, als er sich auf die Bettkante setzte. Sie kicherte.
„Und ich hab mich schon gefragt, ob du überhaupt noch einen Platz frei hast in deinem Harem.“ Er lächelte nur verschwommen, und so schob sie schnell die nächsten Worte hinterher. „Was wollte Henning denn?“ Er zögerte einen Moment, bevor er antwortete.
„Er hat mir ein Angebot für das Haus hier gemacht. Schon das dritte. Hofft wahrscheinlich, dass einer seiner Söhne hier mal einzieht.“
„Was? Du hast das Haus doch gerade erst gekauft. Wie kommt er darauf, dass du verkaufen willst?“
„Ich habe das Haus nicht gekauft, Elisabeth. Ich hab's geerbt.“
„Geerbt?“
„Ja, Nelly Orten hat mir das Haus vererbt.“
„Warum das denn?“
Er zuckte mit den Schultern.
„Es gab keine anderen Erben. Ich habe ihr damals ab und zu geholfen im Garten.“
„Und dafür vererbt sie dir ihr ganzes Haus?“
Er schwieg.
„Woher weiß Henning davon?“
„Henning weiß alles, was hier läuft.“
„Und, wirst du verkaufen?“
„Sieht so aus.“
„Bald?“
„Bald. Ich brauche Geld. Ich habe Unterhalt zu zahlen für zwei Kinder.“
„Oh.“
Er schwieg und sah aus dem Fenster. Draußen bellte ein Hund. Und ein Zweiter. Dann hörte man die Herrchen, die auf ihre Hunde einschimpften. Die Stimmen kamen ihr bekannt vor. Schließlich lächelte Michael.
„Weißt du noch, wie du damals in die Scherbe getreten bist? Du hattest dieses blaue Kleid an, das war ziemlich kurz.“
„Meine Mutter war dagegen. Nicht nur weil es kurz war, sondern auch, weil es ziemlich eng war.“
Er lachte.
„Sie hatte recht. Deine Brüste zeichneten sich gut ab.“
„Ich hab das damals gemerkt, dass du geguckt hast.“
„Es hat dir gefallen. Du warst ziemlich aufgedreht an dem Tag. Und du wolltest, dass wir barfuß laufen.“
„Tja, und dann kam die Strafe. Ich hab die Narbe immer noch.“
„Zeig mal.“
Er rutschte ein Stück zurück und schlug die Bettdecke über ihren Beinen auf. Griff nach ihrem Fuß, zog ihn auf seinen Schoß und drehte ihre Fußfläche nach oben. Ihr Herz begann zu klopfen. Er fand die Narbe und strich sachte mit dem Daumen darüber.
„Mensch, was hat das geblutet.“
„Hat ja auch ziemlich weh getan“, murmelte sie atemlos.
„Du hast total gezittert und dich an mich geklammert. Ich habe dem Himmel gedankt für die Scherbe.“
Sie prustete los.
„Nein, hast du nicht.“
Er lächelte.
„Ich hab sogar gedacht, vielleicht redet sie jetzt auch auf dem Schulhof mit mir.“
Sie hörte auf zu lachen und er betrachte nachdenklich den Fuß in seiner Hand.
„Danach haben dich deine Eltern erst mal zur Schule gefahren. Irgendwann hattest du wieder das Kleid an. Bist damit so sexy durch die Klasse gehumpelt. Und Henning sind die Augen übergegangen.“ Wieder sah er aus dem Fenster. Draußen war es ruhig geworden. „Zwei Wochen später habe ich zum ersten Mal mit Nelly geschlafen.“
Sie brauchte ein paar Sekunden um zu reagieren. Dann zog sie vorsichtig ihren Fuß zurück.
„Du hast mit ihr...aber sie war doch viel älter...du warst...“
„Siebzehn.“
„Und sie um die vierzig?“
„Auch nicht normal, was? Am Ende war Nelly die Einzige, die ich vermisst habe, als wir hier weggegangen sind.“
„Wie kam das denn, dass du mit ihr geschlafen hast?“
„Du bist echt neugierig, Elisabeth. Hast du kein eigenes Leben?“
Instinktiv versuchte sie, die Bettdecke zu ihrem Kinn hochzuziehen, aber er hinderte sie daran und sah sie an. Sie bemühte sich zu lächeln.
„Doch habe ich. Da wo ich wohne, kann ich vom Schreibtisch aus über die ganze Stadt sehen. Die meisten meiner Schüler mag ich gern. Ich singe im Chor. Ich habe eine schöne Wohnung und ein paar Freunde.“
Sie schwieg und er wartete. So lange bis sie leise sagte: „Manchmal habe ich das Gefühl, als sei ich überhaupt nie hier weggezogen.“
Darauf nickte er langsam. Öffnete die Nachttischschublade, holte ein zerknittertes Foto raus und reichte es ihr. Nelly, ein paar Jahre älter, als sie jetzt waren. Sie saß auf einer Bank und lächelte schüchtern in die Kamera.
„Angefangen hat es mit Nelly irgendwann im Sommer. Ich war gerade fertig geworden im Garten, hatte den Rasenmäher zurück in den Schuppen geschoben und ging ins Haus, um mich zu verabschieden. Meistens drückte sie mir dann ein paar Mark in die Hand. Aber an dem Tag war sie nicht in der Küche und ich rief nach oben, dass ich jetzt abhaue. Sie rief runter, ob ich nochmal kommen könnte. Ihr Mann war im Bad gestürzt. Das war ein paar Wochen, bevor er ins Krankenhaus kam. Er war zwischen Toilette und Badewanne eingeklemmt. Zu zweit haben wir es dann geschafft, ihn rauszuziehen. Er verkrallte sich dabei in ihr T-Shirt und zog es runter, so dass ich ihre halbe Brust vor der Nase hatte. Sie trug keinen B.H. Ich war plötzlich erregt und wahnsinnig verlegen, dachte nur, was bin ich für ein Schwein. Es roch nach Urin, er hatte sich eingenässt und sie schwitzte, ich sah, wie ihr ein Tropfen am Dekolleté hinunterlief und zwischen ihren Brüsten verschwand. Sie war nicht sehr groß. Keine Ahnung, wie sie das damals so lange mit ihm geschafft hat. Wir legten ihn aufs Bett und sie schickte mich raus, sie wollte ihn sauber machen. Aber ich ging nicht nach Hause. Ich blieb einfach unten in der Küche sitzen, bis sie kam.“
Sie wartete vergeblich darauf, dass er weitersprach, murmelte schließlich: „Sie hat dich bestimmt auch sehr vermisst.“
„Vielleicht. Vielleicht war sie auch froh. Sie war sehr fromm, ich nehme an, sie hatte schwer damit zu tun, was zwischen uns passierte. Und die Angst, dass das hier im Dorf irgendwie rauskommt, die hat sie bestimmt nicht vermisst. Aber anscheinend habe ich Spuren hinterlassen, sonst hätte sie mir das Haus nicht vererbt.“
„Und was für Spuren hat sie bei dir hinterlassen?“
„Keine Ahnung. Vielleicht den Hang zu unglücklichen Frauen.“
Er zwinkerte ihr zu und sie dachte, dass sie mehr von ihm wollte, viel mehr, dass sie ihn ganz und für immer wollte, bis das der Tod uns scheidet, und dieser Gedanke schnürte ihr die Kehle zu.
„Guck mal“, sagte er und zeigte aus dem Fenster. Sie legte das Foto auf den Nachttisch und rutschte neben ihn. Thomsens Katze winzig klein, oben in der Baumspitze. Elisabeth erschrak.
„Hoffentlich kommt sie da wieder runter.“
Seine Hand, die langsam ihren nackten Rücken hinunterwanderte, sich um ihr Gesäß legte.
„Doch da kommt sie runter. Ich habe sie da schon öfter gesehen.“

 

Hola Chutney,

Deine Geschichte ist leider viel zu lang, als dass ich sie lesen möchte. Bin dann aber doch hängen geblieben, weil mich schon beim Überfliegen die einzelnen Textstücke animierten, auch die Zwischenräume zu studieren. Zuletzt kam es so heraus, dass ich Deine Geschichte zweimal gelesen habe – und zwar mit Genuss!
Du hast einen tollen Schreibstil. Einfach großartig. Ich finde, so rasant hast Du noch nie geschrieben. Das ist absolut professionell.

Chutney, ich bin wirklich beeindruckt von dieser Leistung. Die finde ich ganz große Klasse!

Ich wünsche Dir viele Lober und noch mehr Neider.
José

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo josefelipe,

ja, die Geschichte ist wirklich recht lang und ich bin hochentzückt, dass du sie gleich zweimal gelesen hast! :D

Du hast einen tollen Schreibstil. Einfach großartig. Ich finde, so rasant hast Du noch nie geschrieben. Das ist absolut professionell.

Das hat mich sehr gefreut, Jose, um ehrlich zu sein, ich bin geradezu fassungslos über dein Lob.

Vielen, vielen Dank!

Liebe Grüße, Chutney

Hallo Feuerwanze

Auch dir ganz herzlichen Dank für deine Worte.

Finde ihn allerdings nicht mehr, weil die Geschichte so spannend war.

Das ist ein schönes Kompliment! Vielleicht war er ja bei den Fehlern, die Maria gefunden hat. ;)

Liebe Grüße, Chutney

Hallo Maria,

toll, dass du es bei der Länge des Texts noch geschafft hast auf Details zu achten. Vielen Dank für deine ganze Mühe. Ich habe einiges verbessert.

als sie direkt vor ihm stand. Als er sie sah, stutzte er und nickte ihr zu.
Ich mag diese Wortwiederholung nicht, es ist unschön. Wie wär es mit: Er stutzt und nickt ihre zu. Also abgekürzt halt.

Stimmt, deine Idee habe ich übernommen.

Statt dessen zwang sie sich mitzulachen
Stattdessen gehört zusammen.

Ist geändert, danke!


und jetzt war jetzt. Jetzt stellte er sein Bier ab
Drei Mal jetzt hintereinander? Unschön.

Da hänge ich irgendwie dran, es drückt für mich diesen abrupten Sprung in die Gegenwart aus.


Da roch sie plötzlich Alkohol, zerrte ihren Rock runter und fuhr herum.
Ich check das nicht. Zieht sie ihren Rock hinunter oder tut das der Alkohol?

Sie zerrt ihren Rock runter, den sie vorher hochgeschoben hatte, um sich von draussen ein bisschen an dem Ganzen zu beteiligen. :D Der Geruch nach Alkohol stammt von Henning.

musste wie eine 14 – jährige
Eine 14-Jährige

Oh, da bringst du mich auf was. Vermutlich heißt es sogar. "Vierzehnjährige". Hab es jetzt mal so geändert.

Das Gesicht ihrer Mutter, wenn sie im Begriff, war einen Trumpf auszuspielen.
Ich check den Satz nicht. Der ist so umständlich formuliert und außerdem kommt es mir so vor, als würde etwas fehlen.

Das war ein Kommafehler. Der Satz ist zwar immer noch nicht richtig vollständig, aber vielleicht wird er so klarer. "Das Gesicht ihrer Mutter, wenn sie im Begriff war, einen Trumpf auszuspielen."


Wieso er das macht (ja, okay, ist irgendwie schon klar, aber dennoch), das erklärst du nicht und auch nicht, wieso er so schlecht zu ihr ist und sie immer aus dem Haus wirft und so weiter. Vielleicht um sie vor dem Geschnattere des Dorfes zu schützen, aber so klar ist das auch wieder nicht und etwas mehr Licht in solchen Angelegenheiten hätte der Geschichte doch etwas gut getan.

Das er sich ihr gegenüber so verhält, hat nichts damit zu tun, dass er sie vor dem Geschnattere des Dorfes schützen will, eher mit ihrer gemeinsamen Geschichte, dass sie ihn früher verraten hat und nicht zu ihm gestanden hat. Das verunsichert mich jetzt, dass offenbar nicht so rüber gekommen ist. :hmm:

Bei der Länge hätte ich erwartet, die Protagonistin besser kennen lernen zu können, was irgendwie für mich nicht der Fall war. Sie ist mir trotz allem fremd geblieben. Es war unterhaltsam, aber dennoch fehlte für mich etwas Tiefgang, so dass ich die Dame wirklich kennengelernt hätte.

Ja, ich glaube, ich weiß, was du meinst. Es ist immer so eine Frage, was man erzählt und was man nur andeutet und der Phantasie der Leser überläßt. Nochmal genauer zu begründen, warum sie so ist, wie sie ist, abgesehen davon, dass sie aktuell sexuell frustriert ist, hätte ziemlich lang werden können, genau, wie bei ihm. Ich rette mich dann damit, dass ich denke eine Kurzgeschichte ist sowas, wie die Spitze des Eisbergs.

Bis zu dem Moment, wo sie in sein Haus platzt, da gab es eine Dynamik in der Geschichte, die wirklich gefesselt hat. Nach dem Höhepunkt verlor die Geschichte doch etwas an seiner Stärke. Und dass er dann die alte Dame gevögelt hat und ihr Haus bekommen hat, das war auch irgendwie cool. Da hast du etwas für meinen Geschmack zu viel verschwiegen.

Tja, das Ende, immer eine Herausforderung. Ich fürchte, wenn ich noch mehr in die Geschichte um Nelly und Michael eingestiegen wäre, hätte ich möglicherweise Elisabeth und Michael aus den Augen verloren.

Ansonsten eine solide Arbeit, die mir gefallen hat und ich mag sehr lange Geschichten, die tue ich am liebsten lesen Also weiter so.

Nochmal ein Riesen Dankeschön an dich Maria!

Herzliche Grüße von Chutney

 

Liebe Chutney,

heute bin ich endlich dazu gekommen, deine Geschichte zu lesen. Sie hat mir sehr gut gefallen, ganz besonders die Art deines Erzählens. Dein Text hält mich als Leser ‚bei der Stange’, erzeugt eine Spannung, dass ich unbedingt weiterlesen möchte, fast wie bei einem Krimi. Zeitweise hatte ich deshalb die Idee, dass da noch etwas Spektakuläres geschehen würde oder in der Vergangenheit geschehen war. Doch es gibt kein finsteres Geheimnis in der Vergangenheit und auch eigentlich keinen größeren (äußeren) Konflikt. Dafür den inneren Konflikt in Elisabeth, den du sehr schön herausgearbeitet hast.

Die Person Michael erschließt sich mir nicht wirklich. Ich kann ihn nicht richtig packen. Was denkt er, was empfindet er? Wie sieht er Elisabeth?
Doch letztendlich ist es für deine Geschichte auch nicht so wichtig, denn du stellst Elisabeth in ihren Mittelpunkt. Elisabeth, die einsam ist und Liebe sucht:

Hast du kein eigenes Leben?“
Instinktiv versuchte sie, die Bettdecke zu ihrem Kinn hoch zu ziehen, aber er hinderte sie daran und sah sie an. Sie bemühte sich zu lächeln.
„Doch habe ich. Da wo ich wohne, kann ich vom Schreibtisch aus über die ganze Stadt sehen. Die meisten meiner Schüler mag ich gern. Ich singe im Chor. Ich habe eine schöne Wohnung und ein paar Freunde.“
Sie schwieg und er wartete. So lange bis sie leise sagte: „Manchmal habe ich das Gefühl, als sei ich überhaupt nie hier weggezogen.“

Und um ihre Sehnsucht:

Er zwinkerte ihr zu und sie dachte, dass sie mehr von ihm wollte, viel mehr, dass sie ihn ganz und für immer wollte, bis das der Tod uns scheidet, und dieser Gedanke schnürte ihr die Kehle zu.

Das Ende bleibt offen und ich fürchte, dass es kein wirkliches Happy End gibt, dass Michael Elisabeths Liebe nicht wirklich erwidert und es ihr wie der Katze ergehen wird:

„Hoffentlich kommt sie da wieder runter.“

Ja, das wünsche ich der Elisabeth auch.

Weil du es schaffst, mich als Leser zu fesseln, habe ich im ersten Teil weder auf Rechtschreibung noch Zeichensetzung geachtet. Später dann fielen mir ein paar Sachen auf: Einige Wörter müsstest du mMn zusammenschreiben:

Schnell grüßte sie zurück, bevor sie weiter geschoben wurde.

„Damals haben sie ihn fertig gemacht

… dass er sie weg schieben würde, aber das tat er nicht, diesmal nicht. Und er küsste sie so, dass sie jede Hoffnung verlor, irgendwann noch mal heil aus dieser Geschichte heraus zu kommen.

Und Henning sind die Augen über gegangen.“

Sie wartete vergeblich darauf, dass er weiter sprach, murmelte schließlich:

ihre Beine hervor zu heben, aber er hatte nicht auf ihre Beine geguckt, er hatte ihr kaum ins Gesicht gesehen, bevor er sie raus schubste.

Ehe er reagieren konnte, hatte sie sich an ihm vorbei gedrückt

Und die Angst, dass das hier im Dorf irgendwie raus kommt,

Sie brauchte jedenfalls über zwei Stunden, um wieder raus zu finden.

Komm am Samstag Nachmittag.“

Seine Hand, die langsam ihren nackten Rücken hinunter wanderte,

Instinktiv versuchte sie, die Bettdecke zu ihrem Kinn hoch zu ziehen,

Da das eine Sache ist, die dir wohl häufiger Probleme macht, schau doch mal hier nach:

http://orthografietrainer.net/service/faustregeln_GZ.php


Hier fehlen ein paar Kommas:

„Henning weiß alles (,) was hier läuft.“

Da (,) wo ich wohne, kann ich vom Schreibtisch aus über die ganze Stadt sehen.

So lange (,) bis sie leise sagte:

Und hier bezieht sich ‚zweiter’ mE auf den Hund des Vorsatzes und müsste klein geschrieben werden:

Er schwieg und sah aus dem Fenster. Draußen bellte ein Hund. Und ein Zweiter.

Chutney, deine Geschichte hat mich gut unterhalten und ich habe sie gerne gelesen.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Liebe Barnhelm,

wie schön, dass du meine Geschichte gerne gelesen hast!

Sie hat mir sehr gut gefallen, ganz besonders die Art deines Erzählens. Dein Text hält mich als Leser ‚bei der Stange’, erzeugt eine Spannung, dass ich unbedingt weiterlesen möchte, fast wie bei einem Krimi.

Das ist ein tolles Lob, vielen Dank!

Zeitweise hatte ich deshalb die Idee, dass da noch etwas Spektakuläres geschehen würde oder in der Vergangenheit geschehen war. Doch es gibt kein finsteres Geheimnis in der Vergangenheit und auch eigentlich keinen größeren (äußeren) Konflikt

Das stimmt. Das Geheimnis, welches am Ende gelüftet wird, ist die Frage, wie er zu dem Haus kommt und das ist kein Krimi. Das, was ihn in der Vergangenheit verletzt hat, wird wiederum ziemlich schnell deutlich. Es war für mich fast wie eine Versuchsanordnung. Da ist früher etwas zwischen den Beiden passiert und heute treffen sie wieder aufeinander, beide mit ihren Macken.

Die Person Michael erschließt sich mir nicht wirklich. Ich kann ihn nicht richtig packen. Was denkt er, was empfindet er? Wie sieht er Elisabeth?

Ich habe schon ein recht genaues Bild von Michael, aber das Ganze ist ja aus ihrer Perspektive erzählt und für sie bleibt er auch eher unklar.

Doch letztendlich ist es für deine Geschichte auch nicht so wichtig, denn du stellst Elisabeth in ihren Mittelpunkt. Elisabeth, die einsam ist und Liebe sucht:

Und um ihre Sehnsucht:

Das Ende bleibt offen und ich fürchte, dass es kein wirkliches Happy End gibt, dass Michael Elisabeths Liebe nicht wirklich erwidert und es ihr wie der Katze ergehen wird:

„Hoffentlich kommt sie da wieder runter.“
Ja, das wünsche ich der Elisabeth auch.


Das hast du genau so beschrieben, wie ich meine Geschichte auch verstehe. Und dein wohlwollender Blick auf Elisabeth freut mich auch. :)

Die Fehler, die du gefunden hast, habe ich verbessert und habe auch schon mal in den link reingesehen, den du mir genannt hast, vielen Dank!

Chutney, deine Geschichte hat mich gut unterhalten und ich habe sie gerne gelesen.

Das freut mich wirklich sehr!

Liebe Barnhelm ich wünsche dir noch einen schönen Abend.

Chutney

 

Liebe Chutney,
ich beneide Dich nicht, ich gönne Dir diese Geschichte aus vollem Herzen! Ich mag Deinen Stil ja schon immer, jetzt hast Du aber so viel dazugelernt, dass mir die Spucke weg bleibt.
Es ist alles perfekt, ich sehe die Umgebungen, ich höre die Menschen reden, ich fühle ihre Gefühle, ich hatte die Handlungen so unvermittelt vor mir, als hätte ich sie selber erlebt.
Kein komisches Satzkonstrukt haute mich raus, kein Dialog klang je hölzern.

Ich habe Dir schon immer Talent attestiert, aber jetzt bist Du in der Lage, hast das Rüstzeug, es voll auszuschöpfen.
Ich denke, Du solltest anfangen ein Bucht zu schreiben, da Dir das kurz pointierte eh nicht liegt.

So, genug der Lobhudelei, doch eins noch, die erste Erotikszene war absolut heiß.
Noch zwei winzige Kritikpunkte, die zweite Szene war irgendwie zu langweilig. Rauf aufs Bett, Beine breit und fertig. Dafür hat sie sich so lange anbiedern müssen? Das fand ich etwas enttäuschend.

„Du wirst nackt laufen. Und die Kerle werden dich überall anfassen, deine schönen Titten, deinen Hintern, sie werden dir zwischen die Beine greifen, wie findest du das, Elisabeth?“

Hier schaut wieder ein Zipfel Deines Hangs zu schmutzigen Fantasien hervor. Das war toll.
Ich glaube, ich hätte sie im Bett um den Sex betteln lassen. Das wäre ein bisschen erniedrigend, hätte also gut ins Gesamtbild gepasst. Und hätte die Szene für mich persönlich erotischer gemacht.

Das Ende finde ich in seiner Symbolik ein bisschen zu schwach für diese fulminante Geschichte, voller Details und Charakterstudien.

Lange Rede, kurzer Sinn, ich bin Dein neuer Fan. Kannst mir mal ein Bild mit Autogramm schicken, damit ich es anhimmeln kann?

Liebst, Gretha

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Chutney,

die erste Geschichte, die ich von dir lese und sie gefällt mir! Die Atmosphäre des Ortes, in dem jeder jeden kennt und deine Protagonistin alten Schulfreunden über den Weg läuft, auf die sie eigentlich keine Lust hat oder mit denen man schwer Gesprächsthemen findet, hast du super eingefangen. Ich bin selbst in einem ähnlichen Ort groß geworden und habe viele Dinge nachvollziehen können.

Auch das Tempo deiner Geschichte ist gut. Mir persönlich war Michael irgendwie unheimlich. Und zwar nicht wegen des Papierboots auf dem Fluss, sondern irgendwie umgibt ihn eine seltsame Stimmung. Aber vielleicht empfinde nur ich das so als eine Leserin, die von Horror- und Psychoromanen geprägt ist ;) Die Szenen zwischen den beiden sind lebendig und die Dialoge fließen, da klingt nichts gestelzt.

Was mir allerdings nicht so ganz einleuchten mag, ist ihre plötzliche Besessenheit, was Michael betrifft? Wenn ich es richtig verstehe, war er früher der Nerd in der Schule. Sie war eigentlich mit ihm befreundet, hat ihn aber vor den "coolen" Kids verleumdet. Nun hat sie Schuldgefühle, als sie ihn wiedersieht, oder hatte sie die ganze Zeit. Daher ist ihr Verhalten für mich bis dahin nachvollziehbar, als sie sich bei ihm entschuldigen geht. Aber das, was danach kommt, finde ich irgendwie seltsam. Ich bin mir sicher, das ist deine Intention gewesen und das ist gut gelungen. Sie wirkt auf mich, wie eine einsame Frau, die sich an etwas Altes klammert, das plötzlich reizvoll für sie wird und das sie unbedingt haben will. Mir ist sie ein wenig zu sehr: "Nimm mich, jetzt sofort", was an sich kein Thema wäre, ginge es ihr nur um Sex. Ich habe aber das Gefühl, da schlummert irgendetwas anderes in ihr, das mir devot und verzweifelt erscheint.

Du siehst schon, da gehen mir einige Gedanken durch den Kopf. Wirklich gut geschrieben!

Viele Grüße
RinaWu

 

Hallo Chutney,

Ja, ich war auch ein bisschen erschrocken über die Länge deiner Geschichte. Ich habe sie nicht in einem Rutsch gelesen, nicht lesen können, weil es nebenher noch was anderes zu tun gibt. Aber die Neugier hat mich immer wieder an den Rechner gelockt. Und das spricht doch sehr für dich als Autorin.

Also, ich finde die Geschichte ganz toll, gut erzählt, man ist mittendrin. Ich habe aber dennoch Kleinigkeiten gefunden. Vielleicht denkst du noch mal drüber nach. Ist aber, wie gesagt, meine Empfindung und Meinung.

„Nein, woher? Was wohl aus dem Vater geworden ist. War ja damals ziemlich ungewöhnlich, ganz ohne Frau, nur er und der Junge.“
Nicht nur ungewöhnlich, dachte Elisabeth. In diesem Dorf auch unverzeihlich.

Das ist bestimmt nicht nur in diesem Dorf so. Das ist in einem Dorf so. In manchen Gegenden eben nur schlimmer.

Schnell grüßte sie zurück, bevor sie weiter geschoben wurde.

Wurde sie vorher getragen? :D Wird zusammengeschrieben: weitergeschoben

„Was der hier macht“, murmelte ihre Mutter. „Die waren doch evangelisch.“

Ich weiß, du meinst, was er in der Kirche zu suchen hat. Der Satz klingt aber nicht eindeutig, weil ja die Frage in der Luft schwebt, was er überhaupt im Dorf macht. Und da ist die Bemerkung, dass sie doch evangelisch waren, etwas komisch. Ich würde hier evtl. Die Frage der Mutter präzisieren, was der da in der Messe macht, wenn sie evangelisch waren.

Als sie ihn das nächste Mal sah, war es schon Frühjahr.

Hier weiß man nicht genau: Ist sie noch im Dorf, oder schon wieder? Sie war doch eigentlich erst nur Weihnachten bei ihrer Mutter.

Die hatten sich untereinander mehr zu erzählen als ihr und verschwanden schließlich eine nach der anderen.

Also, wenn sie sich untereinander zu erzählen hatten und dann plötzlich eine nach der anderen davongingen, da funktioniert das logisch nicht. Warum wollen sie denn mit Elisabeth nichts zu tun haben? Und wenn das so ist, dann muss das doch schon immer so gewesen sein. Warum stellt Elisabeth sich dann zu den Mädchen? Oder Frauen, die sie jetzt sind.

„So kann's gehen,“ sagte Ilka. „Damals haben sie ihn fertig gemacht und heute ist er der aufregendste Mann im Dorf.“
„Frischfleisch. Und bei der Feuerwehr suchen sie immer,“ murmelte Elisabeth.
„Er sieht ziemlich gut aus.“
„Na, die Konkurrenz ist nicht groß.“ Was für ein blöder Spruch. Ilka verzog prompt das Gesicht.
„Komisch ist der immer noch. Jürgen hat ihn neulich am Kanal gesehen. Da hat er am Ufer gehockt und ein Papierschiff aufs Wasser gesetzt. Der hat überhaupt nicht reagiert, als Jürgen ihn angesprochen hat. Jürgen meinte, das war schon richtig unheimlich.

Das passt nicht zueinander. Wenn er heute der aufregendste Mann im Dorf ist, dann ist das doch die Meinung der Mehrheit. Wieso war es dann unheimlich bei der Begegnung am Kanal?

„Ich beobachte zwei beim Vögeln und dich beim...naja.“

beim ... naja.

Das Interesse das Elisabeth entwickelt hat, nachdem sie ihn und die fremde Frau beim Sex beobachtet hatte, ist dann schlüssig und die Geschichte läuft dann. Auch finde ich es gut, dass er sich nicht sofort auf sie einlässt. Ja, und das Ende kann man sich dann auch selber weiterspinnen. Finde ich gut.

Schöne Geschichte, sehr gerne gelesen.

Schönen Gruß
khnebel

 

Liebe Gretha,

wie schön, von dir zu hören! Ich hatte gehofft, dass dir der Text gefällt!

Es ist alles perfekt, ich sehe die Umgebungen, ich höre die Menschen reden, ich fühle ihre Gefühle, ich hatte die Handlungen so unvermittelt vor mir, als hätte ich sie selber erlebt.
Kein komisches Satzkonstrukt haute mich raus, kein Dialog klang je hölzern.

Das geht runter wie Öl, vielen Dank dafür!

So, genug der Lobhudelei, doch eins noch, die erste Erotikszene war absolut heiß.
Noch zwei winzige Kritikpunkte, die zweite Szene war irgendwie zu langweilig. Rauf aufs Bett, Beine breit und fertig. Dafür hat sie sich so lange anbiedern müssen? Das fand ich etwas enttäuschend.

Ich glaube, ich hätte sie im Bett um den Sex betteln lassen. Das wäre ein bisschen erniedrigend, hätte also gut ins Gesamtbild gepasst. Und hätte die Szene für mich persönlich erotischer gemacht.

Vielleicht sollte ich dir meine 27 anderen Entwürfe zukommen lassen, ich glaube, da war auch für dich was dabei ;) Aber vielleicht ist die Szene wirklich etwas kurz, ich verstehe schon, was du meinst. Man muss aber die Szene in der Küche schon noch dazu rechnen. :hmm:

Das Ende finde ich in seiner Symbolik ein bisschen zu schwach für diese fulminante Geschichte, voller Details und Charakterstudien.

Tja, das Ende. Bestimmt wäre es irgendwie noch stärker gegangen, nur weiß ich nicht wie. Mir gefällt die Symbolik mit der Katze ganz gut.

Lange Rede, kurzer Sinn, ich bin Dein neuer Fan. Kannst mir mal ein Bild mit Autogramm schicken, damit ich es anhimmeln kann?

Du bist echt süß Gretha, ich danke dir sehr!

Liebe Grüße von Chutney

Liebe RinaWu,

die erste Geschichte, die ich von dir lese und sie gefällt mir!

Das freut mich sehr, Rina.

Mir persönlich war Michael irgendwie unheimlich.

Interessant. Barnhelm hatte auch schon an einen Krimi gedacht.

Was mir allerdings nicht so ganz einleuchten mag, ist ihre plötzliche Besessenheit, was Michael betrifft? Wenn ich es richtig verstehe, war er früher der Nerd in der Schule. Sie war eigentlich mit ihm befreundet, hat ihn aber vor den "coolen" Kids verleumdet. Nun hat sie Schuldgefühle, als sie ihn wiedersieht, oder hatte sie die ganze Zeit. Daher ist ihr Verhalten für mich bis dahin nachvollziehbar, als sie sich bei ihm entschuldigen geht.

Eigentlich ist die Entschuldigung genauso ein Vorwand, wie die Spende fürs Bürgerhaus. Die Szene, die sie durchs Fenster gesehen hat, hat sie sehr erregt und sie hat sich erinnert, wie gerne sie damals mit ihm zusammen war. Ich glaube, wenn sie ihn nicht so attraktiv finden würde, würde sie nicht hingehen, trotz ihrer Schuldgefühle.

Sie wirkt auf mich, wie eine einsame Frau, die sich an etwas Altes klammert, das plötzlich reizvoll für sie wird und das sie unbedingt haben will.

Ich habe aber das Gefühl, da schlummert irgendetwas anderes in ihr, das mir devot und verzweifelt erscheint.

Da ist bestimmt was dran.

Du siehst schon, da gehen mir einige Gedanken durch den Kopf. Wirklich gut geschrieben!

Liebe Rina, vielen Dank für deine Gedanken, ich habe mich sehr gefreut!

Chutney


Lieber khnebel,

auch dir ganz herzlichen Dank, dass du reingeschaut hast und bei der Länge des Textes noch einzelne Kritikpunkte rausgefischt hast.

Aber die Neugier hat mich immer wieder an den Rechner gelockt. Und das spricht doch sehr für dich als Autorin.

Oh, das freut mich!

„Nein, woher? Was wohl aus dem Vater geworden ist. War ja damals ziemlich ungewöhnlich, ganz ohne Frau, nur er und der Junge.“
Nicht nur ungewöhnlich, dachte Elisabeth. In diesem Dorf auch unverzeihlich.
Das ist bestimmt nicht nur in diesem Dorf so. Das ist in einem Dorf so. In manchen Gegenden eben nur schlimmer.

Das stimmt. Ich glaube aber, dass es als persönlicher Gedanke von Elisabeth so stehen bleiben kann. Sie hat ein gespaltenes Verhältnis zu diesem Dorf.

Wurde sie vorher getragen? Wird zusammengeschrieben: weitergeschoben

Ist korrigiert! Danke.

„Was der hier macht“, murmelte ihre Mutter. „Die waren doch evangelisch.“
Ich weiß, du meinst, was er in der Kirche zu suchen hat. Der Satz klingt aber nicht eindeutig, weil ja die Frage in der Luft schwebt, was er überhaupt im Dorf macht. Und da ist die Bemerkung, dass sie doch evangelisch waren, etwas komisch. Ich würde hier evtl. Die Frage der Mutter präzisieren, was der da in der Messe macht, wenn sie evangelisch waren.

Da muss ich noch mal überlegen. Eigentlich mag ich ja knackige Sätze. Ich dachte, dass sich der erste Satz durch den zweiten erklärt. Aber stimmt, das könnte irritieren.

Als sie ihn das nächste Mal sah, war es schon Frühjahr.
Hier weiß man nicht genau: Ist sie noch im Dorf, oder schon wieder? Sie war doch eigentlich erst nur Weihnachten bei ihrer Mutter.

Vielleicht "Als sie ihn das nächste Mal sah, war es schon Frühjahr und sie wieder zu Besuch bei ihren Eltern." Da überlege ich auch noch mal.

Die hatten sich untereinander mehr zu erzählen als ihr und verschwanden schließlich eine nach der anderen.
Also, wenn sie sich untereinander zu erzählen hatten und dann plötzlich eine nach der anderen davongingen, da funktioniert das logisch nicht. Warum wollen sie denn mit Elisabeth nichts zu tun haben? Und wenn das so ist, dann muss das doch schon immer so gewesen sein. Warum stellt Elisabeth sich dann zu den Mädchen? Oder Frauen, die sie jetzt sind.

Naja, sie wohnt nicht mehr da. Da sind nicht mehr so viele Gemeinsamkeiten. Das stellt man dann manchmal erst in so einer Situation fest. Aber es ist nicht direkt feindselig gemeint. Vielleicht sollte ich schreiben "verschwanden schließlich eine nach der anderen zum Buffet". Da überlege ich auch noch.

Das passt nicht zueinander. Wenn er heute der aufregendste Mann im Dorf ist, dann ist das doch die Meinung der Mehrheit. Wieso war es dann unheimlich bei der Begegnung am Kanal?

Als er in den Raum kommt, sind alle neugierig auf ihn, deshalb ist er im Moment aufregend. Aber die Vorbehalte liegen trotzdem darunter und man beobachtet ihn auch mit Mißtrauen. Ich finde eigentlich nicht, dass sich das widerspricht. :hmm:

beim ... naja.

Ist geändert, vielen Dank!

Das Interesse das Elisabeth entwickelt hat, nachdem sie ihn und die fremde Frau beim Sex beobachtet hatte, ist dann schlüssig und die Geschichte läuft dann. Auch finde ich es gut, dass er sich nicht sofort auf sie einlässt. Ja, und das Ende kann man sich dann auch selber weiterspinnen. Finde ich gut.

Schöne Geschichte, sehr gerne gelesen.


Das freut mich riesig und ich wünsche dir noch einen schönen Abend!

Liebe Grüße von Chutney

 

Eine schöne Geschichte, die trotz wenig Handlung einen Sog entwickelt, dem man sich nicht entziehen kann. Sie ist auch teuflisch gut angelegt: Ein Dorf, ein Mann, eine Frau und Kindheitserinnerungen. Ja, was Spannung angeht, ist alles da. Auch das Dorf und der Mann werden gut sichtbar. Aber die Frau, die eigentliche Protagonistin, bleibt blass. Oder vielmehr: Die Beweggründe für ihre Handlungen bleiben im Dunkeln.

Obwohl die Geschichte wirklich lang genug ist und auch das Innenleben der Prot zum Wort kommt, wird nicht klar, warum sie diesen Mann, der sie mehrmals brüsk abweist, unbedingt (sexuell) haben will. Vielleicht gerade wegen seiner abweisenden Haltung? Oder meint sie, wegen der Vergangenheit etwas gut machen zu müssen? Ich jedenfalls werde aus ihr nicht schlau.

Ansonsten ist das eine wirklich gute Geschichte, die ich gern gelesen habe.

 

Guten Morgen Dion!

Obwohl die Geschichte wirklich lang genug ist und auch das Innenleben der Prot zum Wort kommt, wird nicht klar, warum sie diesen Mann, der sie mehrmals brüsk abweist, unbedingt (sexuell) haben will. Vielleicht gerade wegen seiner abweisenden Haltung? Oder meint sie, wegen der Vergangenheit etwas gut machen zu müssen? Ich jedenfalls werde aus ihr nicht schlau.

Diese Frage kam schon ein paar Mal so ähnlich und bisher habe ich mich um die Antwort eher herumgedrückt. Ich finde so Leerstellen im Text, wo sich nicht alle Motive der Handelnden leicht erschließen, durchaus interessant. Von den Rückmeldungen her habe ich auch den Eindruck, dass ihr Verhalten für manche schlüssig ist und für manche ein Fragezeichen. Bei ihm so ähnlich. Ich habe die Figuren zwar geschaffen, aber manchmal haben sie mich auch überrascht, das kennt vermutlich jeder der schreibt.

Es hat mich gereizt, zu beschreiben, wie eine Frau, die trotz mancher innerer Rebellion, sehr angepasst und kontrolliert ist, diese Kontrolle verliert. Sie will damit nichts gut machen aus der Vergangenheit, obwohl es sicherlich den Aspekt gibt, dass sie ein paar Dinge von ihm leichter akzeptiert, weil sie da Schuldgefühle hat.

Aber vor allem hat sie einen Riesenhunger, wie Barnhelm es schreibt nach Liebe und wie Maria es schreibt nach Sex. Und der wird in der Szene, wo sie die Beiden beobachtet, geweckt und läßt sich nicht mehr bändigen.

Michael steht draussen, er verhält sich nicht konform, er lebt seine Sexualität aus, und er war mal in sie verliebt. Er hat sicher auch seine Probleme, die sie nicht kennt, aber er hat viel von dem, was ihr fehlt.

Das waren so ein paar Gedanken und ich merke, wenn ich da jetzt noch tiefer einsteige, wird das nochmal so lang wie die Geschichte und der Sonntag ist futsch! Ich hoffe trotzdem ein bisschen mehr Klarheit für dich geschaffen zuhaben und bedanke mich für deine Frage und deine lobenden Worte!

Eine schöne Geschichte, die trotz wenig Handlung einen Sog entwickelt, dem man sich nicht entziehen kann.

Super, das hatte ich gehofft! :)

Liebe Grüße von

Chutney

 
Zuletzt bearbeitet:

Chutney schrieb:
Ich habe die Figuren zwar geschaffen, aber manchmal haben sie mich auch überrascht, das kennt vermutlich jeder der schreibt.

Hm. Also ich kenne das nicht, Chutney, obwohl ich selber schreibe. Ich hab zwar schon viele Schreibende sagen hören, dass ihre Figuren ein Eigenleben entwickeln, aber wirklich ernstnehmen kann ich das nicht. Für mich klingt das nämlich nach so einem etwas eitlen Mystifizieren des Schreibhandwerks, bzw. nach einem Mystifizieren der eigenen Kreativität. Ich weiß nicht, für mich hat das ein bisschen was Attitüdenhaftes, was irgendwie Selbstgefälliges, wenn man dem Prozess des Geschichtenausdenkens so einen quasi irrationalen Anstrich gibt.
Und gleichzeitig finde ich es auch unredlich, weil man sich damit als Autor sozusagen aus der Verantwortung für seine Figuren stiehlt. :D

Aber auf welche Weise auch immer deine Figuren entstanden sind, ob schlicht in deinem Kopf oder durch so eine Art magische Protagonistengenesis, es sind tolle Figuren in einer wirklich guten Geschichte.

Allerdings sprengt sie für mich beinahe den Rahmen einer Kurzgeschichte. Aber nicht ihres Umfangs wegen, sondern vielmehr ist es deine etwas ausufernde Erzählweise, die mich die Geschichte beinahe wie den Ausschnitt eines Romans empfinden lässt, eines Romans, in dem du das Bild - um nicht zu sagen das Monumentalgemälde - eines ein-paar-Dutzend-Seelen-Kaffs zeichnest und dafür ein entsprechend umfangreiches Figurenensemble entwirfst.
Also spannend sind das Setting und das Thema allemal. Dieser Mikrokosmos einer dörflichen Gemeinschaft, in der jeder jeden kennt, bietet ja wirklich jede Menge an Konfliktstoff. Und tatsächlich hast du dir auch einiges einfallen lassen: Diese Elisabeth, von der man als Leser nicht recht weiß, warum sie dem Michael derart (beinahe sich selbst erniedrigend, um nicht zu sagen hündisch) hinterherläuft, ob da nur ihre Einsamkeit dran schuld ist oder doch irgendein dunkles Geheimnis aus ihrer beider Jugend. Dann Michael, das ehemalige Mobbingopfer, als Halbwüchsiger nur scheinbar ein trauriger Underdog, in Wahrheit aber der Liebhaber einer erwachsenen Frau, die ihm letztlich seine Zuwendung mit dem vererbten Haus vergilt. Und der später dann ins Dorf zurückkehrt, um seinen Außenseiterstatus selbstgefällig zu zelebrieren, so ein Art späte Rache für die früher erlittenen Demütigungen zu nehmen, usw.
Das alles hast du wirklich sehr bild- und glaubhaft beschrieben, für mein Gefühl allerdings sind einzelne Szenen einfach zu sehr auserzählt, du gehst mir manchmal einfach zu sehr ins Detail, auf eine Art, die eher einem 800-Seiten-Roman angemessen wäre, als einer Kurzgeschichte. Für mein Gefühl könntest du da ruhig noch einmal radikal mit dem Rotstift drübergehen, und ich rede jetzt gar nicht mal von bestimmten Szenen, die du rausschmeißen solltest, sondern vor allem von Formulierungen, die mir stellenweise schlicht zu wortreich sind.

Ich verweise hier einfach wieder einmal auf den großen William Goldman. Der nämlich gab einen ganz simplen Ratschlag, wie man einen guten Text schreibt:
Schreibe den besten Text, den du zuwege bringst, und kürze ihn um das schlechteste Drittel. Kürze das Übrige wiederum um ein Drittel. Übrig bleibt ein guter Text.

Also so sehr mir die Lektüre gefallen hat, Chutney, irgendwie blieb mir am Ende das Gefühl, etwas Fragmentarisches gelesen zu haben, nur einen Teil von etwas viel, viel Größerem.
Mach einfach einen 800-Seiten-Roman daraus.
Ich werde ihn garantiert lesen.


offshore

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber ernst offshore

Ich hab zwar schon viele Schreibende sagen hören, dass ihre Figuren ein Eigenleben entwickeln, aber wirklich ernstnehmen kann ich das nicht. Für mich klingt das nämlich nach so einem etwas eitlen Mystifizieren des Schreibhandwerks, bzw. nach einem Mystifizieren der eigenen Kreativität. Ich weiß nicht, für mich hat das ein bisschen was Attitüdenhaftes, was irgendwie Selbstgefälliges, wenn man dem Prozess des Geschichtenausdenkens so einen quasi irrationalen Anstrich gibt.

Tut mir leid, Dir tatsächlich mal widersprechen zu müssen. Meine Protas haben oft ein Eigenleben. Immer dann, wenn ich gar nicht genau weiß, was ich schreiben will. Ich habe so ne Ahnung über die Grundaussage des Textes und dann schreibe ich einfach. Die Personen machen, wenn ich Glück habe, tatsächlich was sie wollen. Ich tippe nur so wild herum und sie entstehen. So ein bisschen, als wäre ich nur ein Kanal. (Himmel, hört sich das esoterisch an) Die Geschichten sind manchmal einfach nur Mist. Manchmal ein guter Rohling und gelegentlich ist es einfach eine tolle Geschichte, die sehr viel mit mir zu tun hat, durch die ich viel lerne und die seltsamerweise meist besser ankommen, wie so ne extrem durchdachte Story.
Ich bin manchmal einfach nur erstaunt, was passiert ist, denn ich hatte vorher keine Ahnung.

Vielleicht gibt es einfach verschiedene Arten zu schreiben?
Keine Ahnung.

 

Hallo Ernst, hallo Gretha!

Puh, „attitüdenhaft“, „eitel“ und „selbstgefällig“, ich war erst mal geschockt und dann ganz erleichtert, dass Gretha mir beigesprungen ist. Danke Gretha!

Dion hatte mich nach Elisabeths Motiven gefragt, und ich wollte mit diesem Satz ausdrücken, dass ich sie zwar überwiegend kenne, aber dass immer ein Rest bleibt. Das was ich schreibe, kommt mir vorher in den Sinn, nicht unbedingt gespeist aus einer höheren Macht, sondern aus meinem eigenen Unbewussten, vermischt mit einem Plan, den ich in diesem Moment im Kopf habe. So drängen sich Ideen halt manchmal einfach in meinen Kopf, ausgelöst durch etwas Äußeres, oder weil ich entspannt unter der Dusche stehe, oder am Notebook sitze. Das hat für mich nichts Mystisches. Danach wird sortiert, da kommt dann etwas mehr das Analytische ins Spiel.
Und in dem Moment, wo ich entscheide, diesen Satz so zu schreiben, übernehme ich auch die Verantwortung dafür, versprochen!


Und nun zu deiner Kritik an der Geschichte, Ernst. Ja, ich habe auch ein paar Mal gedacht, man könnte glatt einen Roman draus machen, aber mich schreckt die Menge an Arbeit. Ich mag Kurzgeschichten auch, weil sie überschaubar sind, und habe Angst, mich zu übernehmen.

Dein anderer Vorschlag, sie zu kürzen, macht mich ein bisschen ratlos. William Goldman hat sicher vollkommen recht, aber ich schreibe schon so ewig an dieser Geschichte und habe bereits Hunderte von Seiten weggeschmissen, dass es sich inzwischen wahrscheinlich nur noch um ein Zehntel von einem Zehntel handelt.
Ich will dich nicht zu einem weiteren Kommentar nötigen, aber es würde mir vielleicht helfen, wenn du mir ein oder zwei Formulierungen oder Szenen nennen könntest, die du zu langatmig oder überflüssig findest.

Es klingt auf jeden Fall durch, dass dir das Ganze dennoch gefallen hat. Und dass du tatsächlich bereit wärst, einen 800-Seiten-Roman von mir zu lesen, hat mir sehr geschmeichelt. :D

Ganz herzlichen Dank, Ernst, und auch an dich, Gretha. Ich wünsche Euch einen guten Start in die Woche!

Herzliche Grüße von Chutney

 

Hallo Chutney,

zunächst ein paar Kleinigkeiten:

Und ihr Lächeln nicht erwidert.(LEERZEICHEN)Während der Messe

Als sie ihn das nächste Mal sah, war es schon Frühjahr. Wenn Thomsens feierten, war fast das ganze Dorf eingeladen, deshalb
Das ganze Dorf war eingeladen. Warum Elisabeth denn auch? Ich dachte, sie wohnt nicht mehr im Dorf. Was wird denn gefeiert?
Nach weiterem Lesen verstehe ich: Thomsen ist ihre eigene Familie. Das hat mich anfangs irritiert.
Nach noch weiterem Lesen bin ich wieder irritiert. („Nein, dazu bin ich zu selten hier. Die gehört Thomsens.“ Thomsens Katze ...) Wer ist denn nun Thomsen?

„Frischfleisch. Und bei der Feuerwehr suchen sie immer,“ murmelte Elisabeth.
Was suchen sie den bei der Feuerwehr immer? Frischfleisch? :hmm:

Michael zögerte.
„Ein Nerd ist aus mir geworden.“
Hier ist kein Zeilenwechsel nötig.

Ein paar Wochen später stand sie wieder vor Michaels Haus
Wie oft ist Elisabeth denn bei ihren Eltern? Ich dachte, sie wäre nur ab und zu mal zu Besuch dort …
Was für ein Einlass war es denn diesmal? Oder einfach nur so?

„Ich soll für euer Bürgerhaus spenden?“, fragte er fast erheitert.
Wieso „euer“ Bürgerhaus? Ich dachte, sie wohnt nicht mehr im Dorf, oder doch?
Später lese ich, dass sie in der Stadt wohnt. Alles klar. Also spricht nur Michael von „euer“ aus Gewohnheit oder so …

„Also dann(LEERFELD)...“, sagte er.
Das kommt später nochmals. (Leerfeld, wenn das Wort vollständig ist, kein Leerfeld, wenn es nur ein Wortfragment ist)

„Bitte, lass mich rein. Ich muss dringend mit dir reden.(KEIN LEERFELD) “

Mach dir keine Sorgen“, sagte er knapp. „War's das?“, und erhob sich. (ZEILENWECHSEL)Verwirrt stand sie auf, fühlte sich von ihm zur Tür geleitet, drehte sich plötzlich um.
Das kommt öfter vor. Bei Sprecher- und Fokuswechsel ist ein Zeilenwechsel Usus.

“Was nimmst du denn so an Eintritt(KEIN LEERFELD) ?“

„Na immerhin fresse ich keine Rosen.“ (ZEILENWECHSEL) Er lachte auf und sie sprach erleichtert weiter.(ZEILENWECHSEL) „Das war Zufall. Ich hatte die Scherben raus gebracht, von den Gläsern, die mir runter gefallen sind.“

Daraufhin überlegte sie, sich versetzen zu lassen oder eine Therapie zu machen oder ins Kloster zu gehen.
Sehr schön!

Stattdessen
Vorher hast du das getrennt geschrieben, hier jetzt zusammen …

Das war überraschend gut gegangen. Im Weggehen hörte sie einen der Söhne.
„Die Frau hat geheult.“
Sehr schön!

„Ich will heute Nacht hier bleiben.(KOMMA/KEIN PUNKT)“ murmelte sie und er stand wieder auf.

„Du hast mir mal eine Kassette aufgenommen, Mit Sting und Queen und so“.(PUNKT vor Gänsefüßchen)

Die Geschichte war relativ lang, dennoch packend. Ich war immer gespannt, was denn da früher so Besonderes passiert sein mag, wo es ja so oft (drei Mal?) angesprochen wurde. Hatte da aber was Anderes oder etwas Mehr erwartet. Aber so passt es auch
Manchmal war ich etwas irritiert (siehe oben), aber vielleicht lag das auch daran, dass ich beim Lesen mehrmals unterbrochen worden bin. :hmm:

Gerne gelesen. :read:

Liebe Grüße,
GoMusic

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Chutney

Deinen Text habe ich sehr gerne gelesen. Manchmal war er mir etwas zu genau und vollständig, z.B.
als die Prot ihre Ausrede erklärt oder sagt, dass das peinliche Ereignis, an das sie sich errinnert, vor genau acht Wochen stattgefunden hat. Aber dort, wo es darauf ankommt, bist du nicht vollständig, und das finde ich äussert gelungen. Ja, auch ich werde nicht ganz schlau aus Michael und Elisabeth, und das ist gut so. Was du erzählst, scheint mir grundsätzlich möglich zu sein, und das gibt mir die Basis, darüber nachzudenken, weshalb genau die Figuren tun, was sie tun, und sagen, was sie sagen. Ich blieb während der ganzen Lektüre neugierig. Kompliment! Etwas Mühe hatte ich mit dem Ende vor dem Ende. Da wird eine Art Geheimnis - woher hat Michael das Haus - gelüftet und ein neuer Aspekt angesprochen, und ich vermochte das nicht in Beziehung zum Rest setzen, d.h. mir ist nicht klar, inwiefern diese Information das Verhältnis von Elisabeth und Michael verändern sollte. Rein formal - so mein Leseerlebnis - ist das als eine Art Pointe platziert, aber inhaltlich vermag diese Passage den Anspruch nicht zu erfüllen. Womit wir wieder zur Stärke deines Textes zurückkommen, denn er braucht gar keine Pointe. Also, das hat mir echt gefallen.
Zwei Highlights:

Und während sie mimte, was sich eine Fünfzehnjährige unter Leidenschaft vorstellt, hatte sie aus den Augenwinkeln geguckt, ob die anderen gucken.

Sehr schön!

Den Blick zur Kommode vermied sie.

Super! Das sagt so viel aus, ohne dass du irgendwas erklären musst.

Und ein paar winzige Details:

Ein Michael Groning ist wieder im Dorf

Wieso "Ein"? Sie kennt ihn doch.

Michael lehnte jedoch ab.

Das "jedoch" ist entbehrlich.

Henning weiss alles [Komma] was hier läuft
Ich blieb einfach unten in der Küche sitzen [Komma] bis er kam.

Ich freue mich auf deinen nächsten Text,
Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Das hat mich schon ganz gut unterhalten. Der Text hatte für mich streckenweise etwas von einem Ausdruckstanz. Wobei die Figur der Elisabeth mehr Raum erhält, der Charakter des Michaels eher als Dreh- und Angelpunkt für sie fungiert, kalt, distanziert. Elisabeth fühlt sich mit neuen Empfindungen zu Michael hingezogen, nur um sogleich wieder verstossen zu werden. Dabei ist dir die Wirkung wichtiger als die Ursache, eben, wie bei einem Tanz, ich sehe die Protagonistin sich verbiegen, um den Punkt der Begierde herumstreichen, Zuneigung und Ablehung wechseln sich im Sekundentakt. Allein die Geschichte hinter der Fassade wird nicht näher vertieft, (ich glaube Maria hat etwas ähliches angesprochen,) allerdings hast du am Anfang die Bühne mit der moralisierenden Gemeinde schon gut gezeichnet, man spürt das Spannungsfeld von Tradition und moralisierendem Getue gegenüber Abweichlern, wie es sich in den engen Gassen zwischen den alten Häusern ausbreitet, seine Allwissenheit über jeden (ehemaligen) Bewohner gnadenlos ausspielt. Einen Moment dachte ich sogar, du willst mit Michael eine Adaption auf Dürrenmatts "Besuch der alten Dame" aufleben, bleibst aber dann doch stark bei deiner Protagonistin und machst ihren Versuch des Sprengen alter Fesseln um Hauptthema.

Es war mir eine Art Achterbahnfahrt der Gefühle, mal eine überraschende Wendung, mal gings hoch, mal wieder runter und dann läuft die Bahn am Ende aus. Bügel hoch, bitte Aussteigen. Mit etwas wackeligen Knien und einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen. Wer da die Wagen gebaut hat und was die Bahn für eine Farbe hat, egal, Hauptsache, die Fahrt hat Spass gemacht. Ich hoffe das war deine Intention, Gefühle produzieren ohne gross in die Tiefe zu gehen und den Hintergrund zu beleuchten, der Weg war eindeutig das Ziel.

„Ich will heute Nacht hier bleiben.“ murmelte sie und er stand wieder auf.
„Was du alles willst.“
„Dich will ich.“
„So wie du aussiehst? Du machst mir ja richtig Angst.“ Er grinste.
„Ich bin lange im Wald rumgelaufen.“
„Bist du deshalb so schmutzig?“
„Ja. Ich bin zweimal ausgerutscht. Kann ich bei dir duschen?“
„Wenn du hier einziehen willst, sage ich nein.“
„Und duschen?“
„Meinetwegen. Treppe hoch, zweite Tür links.“
In der Tür drehte sie sich um.
„Worüber haben wir eigentlich damals geredet?“
„Wann?“
„Damals, auf dem Schulweg. Worüber haben wir geredet?“
„Du hast geredet.“
„Und du?“
„Ich habe zugehört.“
„Du hast mir mal eine Kassette aufgenommen, Mit Sting und Queen und so“.
Er nickte. „Die haben sich verschiedene Leute überspielt. Denen hast du erzählt, du hast sie von deiner Cousine.“ Sie wischte sich einen Tropfen aus dem Auge, der aus ihren Haaren hinunter gelaufen war und fröstelte.
„Ja... Stimmt...“
„Dann geh' mal. Das dauert, bis das Wasser warm wird, das Haus ist alt.“
Mein Highlight, weil für mich die intimste Stelle, keine Ahnung ob das stimmt, aber ich empfinde es einfach so.


Zusätzlich zu den bereits genannten Typos, noch der hier:

Nacht[t]ischschublade

Hast mich gut unterhalten, Chutney.
Liebe Grüsse,
dot

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber GoMusic!

vielen Dank, dass du dich meiner Geschichte gewidmet hast, ich habe die Fehler korrigiert und werde weiter am Thema "Leerfelder" und "Zeilenumbrüche" arbeiten. :D

Das kommt später nochmals. (Leerfeld, wenn das Wort vollständig ist, kein Leerfeld, wenn es nur ein Wortfragment ist)

Interessant, die Regel kannte ich noch gar nicht.

Das ganze Dorf war eingeladen. Warum Elisabeth denn auch? Ich dachte, sie wohnt nicht mehr im Dorf. Was wird denn gefeiert?
Nach weiterem Lesen verstehe ich: Thomsen ist ihre eigene Familie. Das hat mich anfangs irritiert.
Nach noch weiterem Lesen bin ich wieder irritiert. („Nein, dazu bin ich zu selten hier. Die gehört Thomsens.“ Thomsens Katze ...) Wer ist denn nun Thomsen?

Elisabeth gehört mit zum Dorf, wie alle, die weggezogen, aber bei ihren Eltern zu Besuch sind. Was Thomsens feiern, ob es ein Geburtstag oder ein Frühlingsfest ist, das fand ich jetzt nicht so entscheidend für die Geschichte. Mir ist nicht ganz klar, wie du darauf kommst, dass Thomsens ihre eigene Familie sind. Das sind einfach Leute aus dem Dorf. Und Michaels Haus ist nebenan. :hmm:

Ein paar Wochen später stand sie wieder vor Michaels Haus
Wie oft ist Elisabeth denn bei ihren Eltern? Ich dachte, sie wäre nur ab und zu mal zu Besuch dort …
Was für ein Einlass war es denn diesmal? Oder einfach nur so?

Ich stelle mir vor, dass sie alle paar Wochen zu Besuch ist. Sie hat zwar ein paar Freunde, aber die haben auch Familie und am Wochenende fühlt sie sich allein und fährt öfter zu ihren Eltern, als gut für sie ist.

„Ich soll für euer Bürgerhaus spenden?“, fragte er fast erheitert.
Wieso „euer“ Bürgerhaus? Ich dachte, sie wohnt nicht mehr im Dorf, oder doch?
Später lese ich, dass sie in der Stadt wohnt. Alles klar. Also spricht nur Michael von „euer“ aus Gewohnheit oder so …

Genau, ich denke, er rechnet sie einfach noch zum Dorf, zumal sie ja in diesem Moment eine Aufgabe für das Dorf übernimmt. Auch hier wollte ich nicht noch mehr ins Detail gehen, es soll ein Bürgerhaus gebaut werden und dafür werden Spenden gebraucht.

Ich war immer gespannt, was denn da früher so Besonderes passiert sein mag, wo es ja so oft (drei Mal?) angesprochen wurde. Hatte da aber was Anderes oder etwas Mehr erwartet. Aber so passt es auch

Ja, so eine kleine Enttäuschung kam jetzt schon öfter. Ich fand die Art, wie sie damals mit ihm umgegangen ist, vor dem Hintergrund, was er in der Klasse erlebt hat, schon besonders genug. Mir ist gar nicht so klar, wo ich noch so viel mehr in Aussicht gestellt habe. Außer vielleicht durch die Frage, warum er überhaupt zurück gekommen ist. Aber ich bin froh, dass es für dich auch so passt.


Nochmals herzlichen Dank an dich und dein genaues Auge, GoMusic! :)

Liebe Grüße von Chutney

Lieber Peeperkorn,

auch dir herzlichen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Deinen Text habe ich sehr gerne gelesen.

Das freut mich wirklich sehr!

Aber dort, wo es darauf ankommt, bist du nicht vollständig, und das finde ich äussert gelungen. Ja, auch ich werde nicht ganz schlau aus Michael und Elisabeth, und das ist gut so. Was du erzählst, scheint mir grundsätzlich möglich zu sein, und das gibt mir die Basis, darüber nachzudenken, weshalb genau die Figuren tun, was sie tun, und sagen, was sie sagen. Ich blieb während der ganzen Lektüre neugierig. Kompliment!

Ich bin froh, dass du das so siehst. Es bleibt ein bisschen die Unsicherheit, ob es ein Makel oder eine Stärke ist, Dinge weg zu lassen.
Die Stellen, die du zu genau fandest, schaue ich mir nochmal an.

Etwas Mühe hatte ich mit dem Ende vor dem Ende. Da wird eine Art Geheimnis - woher hat Michael das Haus - gelüftet und ein neuer Aspekt angesprochen, und ich vermochte das nicht in Beziehung zum Rest setzen, d.h. mir ist nicht klar, inwiefern diese Information das Verhältnis von Elisabeth und Michael verändern sollte. Rein formal - so mein Leseerlebnis - ist das als eine Art Pointe platziert, aber inhaltlich vermag diese Passage den Anspruch nicht zu erfüllen.

Ja, ich glaube, ich verstehe, was du meinst. Vielleicht verändert dieser Aspekt auch nur dadurch die Beziehung, dass er ihr überhaupt davon erzählt, was in dem Moment nochmal eine andere Ebene der Nähe schafft.

Über deine Highlights habe ich mich gefreut und die Kritikpunkte danach fand ich nachvollziehbar und werde mich drum kümmern, genau wie um die Fehler.

Ganz vielen Dank, Peeperkorn, und liebe Grüße von Chutney :)

Lieber Dotslash,

Der Text hatte für mich streckenweise etwas von einem Ausdruckstanz. Wobei die Figur der Elisabeth mehr Raum erhält, der Charakter des Michaels eher als Dreh- und Angelpunkt für sie fungiert, kalt, distanziert. Elisabeth fühlt sich mit neuen Empfindungen zu Michael hingezogen, nur um sogleich wieder verstossen zu werden. Dabei ist dir die Wirkung wichtiger als die Ursache, eben, wie bei einem Tanz, ich sehe die Protagonistin sich verbiegen, um den Punkt der Begierde herumstreichen, Zuneigung und Ablehung wechseln sich im Sekundentakt.

Das ist ein wunderschönes Bild mit dem Tanz, ich bin sehr beeindruckt und erfreut.

Es war mir eine Art Achterbahnfahrt der Gefühle, mal eine überraschende Wendung, mal gings hoch, mal wieder runter und dann läuft die Bahn am Ende aus. Bügel hoch, bitte Aussteigen. Mit etwas wackeligen Knien und einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen. Wer da die Wagen gebaut hat und was die Bahn für eine Farbe hat, egal, Hauptsache, die Fahrt hat Spass gemacht. Ich hoffe das war deine Intention, Gefühle produzieren ohne gross in die Tiefe zu gehen und den Hintergrund zu beleuchten, der Weg war eindeutig das Ziel.

Hach, ich merke, dass ich dich am Liebsten die ganze Zeit nur zitieren und "Hurra!!!" schreien möchte! :)

Und die Stelle, die du zitierst, ist für mich ebenfalls sehr intim, auch versöhnlich.

Die "Nachttischschublade" wird verbessert und ich danke dir sehr für deine wunderbaren, poetischen Worte, dot!

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo Chutney,

ich bin noch neu hier und habe deine Geschichte als Erste vollständig gelesen, weil sie mich vom ersten Satz an gefesselt hat.
Die Geschichte liest sich sehr flüssig und ich war bis zum Ende mit Spannung dabei.
Das Ende hatte ich mir dramatischer ausgemalt, aber das zeigt nur, dass deine Geschichte meine Fantasie wirklich angeregt hat.

„Nein, woher? Was wohl aus dem Vater geworden ist. War ja damals ziemlich ungewöhnlich, ganz ohne Frau, nur er und der Junge.“
Interessant wäre gewesen, welche Beziehung Michael zu seinem Vater hatte und wie ihn diese geprägt hat. Dies hätte vielleicht etwas mehr Klarheit darüber gebracht, warum er in der Schulzeit einen so seltsamen Eindruck auf die Gleichaltrigen gemacht hat.

Ich schließe mich der Meinung an, dass dieser Text eher einem Romanausschnitt gleicht als einer Kurzgeschichte. Du könntest daraus wirklich einen super Roman machen - fänd ich total gut!

Ich werde mir mal deine anderen Beiträge anschauen.

Liebe Grüße,

MiaWallace

 

Liebe MiaWallace,
ist doch immer eine schöne Überraschung, wenn jemand einen Text noch mal hervor holt. Herzlich Willkommen hier bei den Wortkriegern, Mia, und vielen Dank für deinen Kommentar!

ich bin noch neu hier und habe deine Geschichte als Erste vollständig gelesen, weil sie mich vom ersten Satz an gefesselt hat. Die Geschichte liest sich sehr flüssig und ich war bis zum Ende mit Spannung dabei.

Das freut mich sehr!

Interessant wäre gewesen, welche Beziehung Michael zu seinem Vater hatte und wie ihn diese geprägt hat. Dies hätte vielleicht etwas mehr Klarheit darüber gebracht, warum er in der Schulzeit einen so seltsamen Eindruck auf die Gleichaltrigen gemacht hat.

Ich hatte mir über Michaels und auch Elisabeths Vorgeschichte so einige Gedanken gemacht, nur um immer wieder zu dem Schluss zu kommen, dass das Ganze dann so ausufert, dass ich wirklich auf was Längeres zusteuere. Und das kann ich mir momentan nicht vorstellen.

Ich werde mir mal deine anderen Beiträge anschauen.

Und ich schaue mir jetzt mal deinen Einstand ein!

Viel Spaß hier im Forum wünscht

Chutney

 

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