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Guten Appetit

Monster-WG
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10.09.2014
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Guten Appetit

Menschenpulks sind mir ein Gräuel – aber ein Reporter kann es sich nicht aussuchen.
Ein Kollege recherchiert in Minenfeldern, ein anderer in irgendwelchen Favelas. So betrachtet ist mein heutiger Auftrag ein Klacks. Ich mische mich unter die schiebenden und drängenden Massen.
Meine Nase hat schneller als meine Augen den Gegenstand meiner Reportage wahrgenommen:
Fleisch in jeder vorstellbaren Art, in unvorstellbaren Mengen.
In Butterschmalz schön langsam bratende Frikadellen, innen herrlich saftig und außen kross, glänzender Leberkäs mit hypnotischer Wirkung, Krustenbraten wie aus dem Bilderbuch.
Und Grills, groß wie Tanzflächen, vollgepackt mit den verführerischsten Würsten. Die echten Thüringer über Holzkohleglut, fränkische Bratwürste, armenisches Schaschlik, daneben die Barbecue-Deftigkeiten mit Hähnchenkeulen, glasierten Spare Ribs und doppelten Hamburgern.
Ich muss mich konzentrieren. Hier schlägt kein Pfau ein Wunderrad, das ich in allen Einzelheiten mit Muße beschreiben soll – hier wogen gierige Kohorten, die sich gebärden, als sei es die letzte Mahlzeit vor dem Jüngsten Gericht.
Dampfende Riesenkessel mit Siedefleisch, Blauen Zipfeln, Weißwürsten und Krakauern. Die Menge quirlt, nimmt und nimmt. Königsberger Klopse in einer unnachahmlichen Sauce, Kesselgulasch nach Art der Pußtahirten und Curryfrikassee verströmen betörenden Duft. Gleich daneben mit Eiern gefüllter Hackbraten, Berge von Schweinemett und leuchtendrotes Tatar mit allem Zubehör. Gartenzwerge in roten Stiefelchen häufen gehackte Zwiebeln und Gürkchen auf die Fleischberge, der größte von ihnen bedient die Pfeffermühle. Ich bin leicht narkotisiert.
„Welch ein Platz für alle, die diese köstlichen Sachen zu schätzen wissen!“, will ich schreiben, aber sogleich zweifle ich, ob ‚schätzen’ das richtige Wort ist.
‚Raffen’ wäre treffender. Ich empfinde keine Genussatmosphäre, sondern eine ungute Anspannung, eine Nervosität – zum Greifen deutlich ist die Angst, nicht die allerschönsten Bissen abzubekommen. Ein Wahnsinn, ein Widersinn in dieser unermesslichen Fülle, bei diesen überbordenden Angeboten.

Rosige Eisbeine und zarte Rippchen, verlockend angerichtet mit glänzenden Blut- und Leberwürsten auf dem besten Sauerkraut aller Zeiten (mit Gänsegrieben und herben Äpfeln).
Meine Selbstbeherrschung bricht zusammen, obwohl ich zuvor an der Tankstelle eine Currywurst gegessen habe, um den befürchteten Anfechtungen nicht zu erliegen. Meine Sinne werden attackiert, ein leichter Schwindel macht mich benommen. Ich stecke die Kamera ins Etui und nehme statt der Rippchen etwas von den Salaten. Alle zwölf Sorten werde ich nicht schaffen, aber was ich probiere, ist erste Qualität. Der Fleischsalat nach Hausrezept ist unschlagbar delikat, der Geflügelsalat mit Früchten sensationell; auch der Schweizer Wurstsalat mit echtem Emmentaler und der Eiersalat mit Kassler und hausgemachter Mayonnaise sind Meisterklasse. Ich verstehe jeden, der das rechte Maß nicht findet.

Jetzt stehe ich bei den Drehspießen mit Spanferkeln, prallen Hähnchen und Schweinshaxen im appetitlichsten Goldbraun – in der Höhle sehe ich Feuer lodern, alle tragen Lendenschurz und Keule, passend zum grimmig-gierigen Gesichtsausdruck; in den Pupillen der Widerschein der Flammen. Ja, Leute, ich verstehe euch.
Nebenan wird geräuchert. Eine kolossale Aufschnittmaschine sorgt laufend für Nachschub, um die großen Schinkenplatten wieder und wieder aufzufüllen. Prager Schinken und Coburger, Holsteiner, westfälischer und spanischer - Schinken über Schinken. Und erst die Wurstparade! Mehr als hundertdreißig Sorten – einladend präsentiert mit langen Fleischgabeln. Doch zur Hausmacher Leberwurst sollte man einen Löffel nehmen – einfach unwiderstehlich!
Riesiger Andrang überall. Alles glänzt, nicht nur die verschwenderisch aufgetürmten Fleischwaren - auch der Schweiß auf der Stirn, die fettigen Lippen und Finger. Zufriedene und glückliche Gesichter würde ich erwarten, sehe aber Mienen, in denen Anspannung liegt. Mit Raubvogelblick tastet jeder das Gelände ab. Wo lohnt es sich, zuzugreifen, vielleicht auch ein zweites Mal; wo sollte man die Offerte ignorieren, der beschränkten Aufnahmefähigkeit wegen?
Die ist ein großes Ärgernis, denn die Augen verschlingen das Mehrfache.

Unmengen könnte man essen und müsste dennoch nicht mehr bezahlen. Kein Wunder, dass sich viele beim herzhaften Zugreifen übernehmen.
Einmal im Leben muss man hier gewesen sein. Dagegen hätte das Schlaraffenland mit den armseligen gebratenen Tauben keine Chance!

All you can eat. Gigantisch.
Die Jungen kommen bei der dritten Portion schon ans Prusten, Kegelvereine kapitulieren, Männer wie Eichen winken ab. Nichts geht mehr. Diese unabwendbare Einsicht verhagelt die Stimmung.
Schnaufende alte Herren, verschwitzt, mit hochrotem Kopf, legen das Besteck nieder und versuchen mit letzter Energie, die Serviette mit dem aufgedruckten Schweinskopf zum Munde zu führen, um überschüssiges Fett abzutupfen.
Schwer atmend verharren sie, sammeln sich irgendwann wieder, versuchen auf die Beine zu kommen, die nach stundenlanger Anfahrt und dieser Tortur eingeschlafen oder schon thrombotisch sind.
Sie peilen den Ausgang an, ächzen vorbei an den nicht enden wollenden Versuchungen. Sie überwinden sich, noch ein letztes Häppchen im Vorbeigehen zu sich zu nehmen - eine winzige Portion vom saftigen Roastbeef, eine ganz kleine, man möchte ja nur probieren. Das köstliche Sauerfleisch vielleicht noch, eine Gänseleberpraline, einen Hauch Bündnerfleisch. Eine letzte Riesenscheibe Mortadella mit den herrlichen Pistazien muss noch hinein und dann sind sie schon in der Nähe der Waschräume.
Viele drehen sich noch einmal um, sind versucht, noch irgendwo zuzugreifen, vielleicht haben sie etwas übersehen – nein, sie packen es nicht mehr, beim besten Willen nicht. Aber der Geist des Raffens verfolgt sie immer noch. Irgendetwas müssen sie noch mitgehen lassen – eine vergessene Gabel, einen Salzstreuer, ein Pressglas fürs nächste Gartenfest.
Ihre Gereiztheit verspüre ich, ihre Unzufriedenheit. Die Gier ließ sich nicht völlig stillen.

Hunger kann den Menschen quälen und zu Tode drangsalieren. Aber es geht auch umgekehrt, hier im Lande des Überflusses.
Die Opfer beklagen ein massives Betongefühl in ihrem Innern. Beton, der in ihnen quillt. Er presst die Lungenflügel zusammen, drückt gegen das Herz. Atemlosigkeit, Erstickungsanfälle, Panik und Todesangst sind die Folgen. Ich kann ihnen nicht helfen, fände noch nicht einmal ein paar tröstende Worte.
Die geschundenen Organe schmerzen grässlich, wie bei schlimmsten Koliken. Die Betroffenen überkommt das dringende Bedürfnis, ihr Inneres nach außen zu stülpen, um so dieser Pein zu entkommen. Doch alles bleibt drinnen: ein oder zwei Leberknödel in einer umwerfenden Metzelsuppe, Lammspießchen, göttliche Zungenwurst, ein gemischter Barbecueteller, der exzellente Wildschweinschinken, etwas Geflügelleberpastete, ein kleines Schnitzel mit Rahmpilzen.

Ich vernehme ein schreckliches Rasseln. Die Unglücklichen bekommen keine Luft mehr, Klagelaute aller Art belasten die Atmosphäre. Schwüre, nie wieder so viel zu essen, Beschuldigungen der Maßlosigkeit und Vorwürfe der krankhaften Verfressenheit vermischen sich mit furchtbaren Geräuschen, die aus den Toilettenräumen dringen. Grauenhaft.
Längst habe ich die Kamera unter meinem Parka verborgen. Nie würde ich Menschen in höchster Not fotografieren.

Viele der Unglücklichen lehnen sich in Endzeitstimmung gegen die Wände, rutschen langsam herunter, von Krämpfen durchwalkt. Die schärfsten Schnäpse der Welt können hier keine Wunder mehr vollbringen. Der Kollaps ist unvermeidlich. Sie schaffen den Weg zum eigenen Auto oder zum Bus nicht mehr. Sie straucheln mit hervorgetretenen Augäpfeln und aufgerissenen Mündern – diesmal, um nach Luft zu schnappen. Ein letztes Aufbäumen, dann kippen sie in die Büsche hinter dem Schlemmerparadies. Die Erde ist weich und locker, vor ihnen verendete Wurstfreunde haben sie im Todeskampf aufgewühlt. Ich trete pietätvoll zur Seite.
Die Seelen entfleuchen in den Bratwursthimmel.

In der Dämmerung nähert sich ein gebückter Herr, unauffällig gekleidet. Er sammelt die Brillen der höheren Preisklasse ein. Keine Ahnung, auf welchem Flohmarkt er die verscherbelt oder ob er Lieferant ist für den Fachverband transsylvanischer Optiker.

 

Hallo Josefelipe,

warst du nicht neulich in der Schweiz, und da hat dir das Essen nicht geschmeckt. Wolltest du dich jetzt dafür schadlos halten?:D Eines ist klar, du kennst dich aus mit Völlerei im Gourmet-Europa.
Der Text erinnert mich an den Film " Das große Fressen". Kann es sein, dass es um Gesellschaftskritik gehen soll? Also für Satire ist es mir etwas zu zahm, für eine Moralpredigt zu verführerisch, für einen Bericht über die Grüne Woche zu opulent.

Hat Spaß gemacht (und hungrig. Man muss ja nur rechtzeitig aufhören).

Gruß wieselmaus

 

Hallo josefelipe,

das ist der José, den ich mag! Hatte ich neulich in einem anderen Thread noch darüber geschrieben, dass mir Dein Stil für manche Sujets wunderbar passend, für andere aber weit weniger adäquat erscheint? Hier ist aus meiner Sicht wieder mal alles im Gleichgewicht (auch wenn die Handlung eher Übergewicht suggeriert): eine üppige Sprache für ein üppiges Thema. Mit einer äußerst eigenwilligen Pointe, denn diese Überleitung von einer Leistungsschau des Fleischereifachverbands (oder was immer Du als Inspiration erlitten hast) zur nächsten Optikermesse in Transsylvanien hätte ich im Leben nicht kommen sehen.

Allein die Aufzählung so vieler verschiedener Speisen ist eine Leistung. Wie viele Stunden hast Du dafür Rezeptfolianten gewälzt? Obwohl ich dem Fleischkonsum weitgehend abgeschworen habe, lief mir hier zunächst das Wasser im Munde zusammen und später der sicher von Dir intendierte kalte Schauer über den Rücken.

Ein paar kleinere Ungereimtheiten meine ich erblickt zu haben, aber die sammle ich ein andermal auf, da ich heute leicht angeheitert heimgekommen bin (wenngleich nicht annähernd so berauscht wie Dein namenloses Geschichtenpersonal) und sicherlich mit getrübtem Auge einiges übersehen oder missdeuten würde. Du hörst noch von mir.

Grüße vom Holg ...

 
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Hola Wieselmaus,

merci für Deinen Kommentar. Der war ja fast noch schneller eingestellt als die Geschichte selbst:).
Bei eiligen Handlungen kommt schon mal etwas durcheinander. Beispiel:

... warst du nicht neulich in der Schweiz, und da hat dir das Essen nicht geschmeckt.
Ich verwahre mich in aller Form gegen diese verdrehte Darstellung, Frau Wieselmaus!
Nicht neulich, sondern letzten Sommer war das, außerdem habe ich nicht wie ein grober Klotz behauptet, mir habe das Essen nicht geschmeckt (auch eingedenk meiner leiblichen Unversehrtheit, denn Schweizer Kellner sind schnell gewalttätig), sondern ich habe gesagt:
... dessen Küche nicht restlos überzeugte, ...
Das ist ein ziemlicher Unterschied, meine Dame! Zumal folgt:
... aber sein Küchenchef Peeperkorn ist in kurzer Zeit in die Meisterklasse vorgerückt. Jetzt speise ich in seinem Restaurant!
Okay – das war das. Weiter im Komm:
Kann es sein, dass es um Gesellschaftskritik gehen soll?
Ganz schön spitzfindig. Streite ich’s ab oder bestätige ich? Ich sag’s mal so: Mir geht die ganze beschissene neumodische Fresserei gründlich auf den Sack. Ich gehöre nicht zu den Anhängern von Slow Food, wenn jedoch auch wirklich gute Restaurants meinen, einen Gast verlieren zu können, wenn sie keinen Hamburger anbieten – egal wir raffiniert und teuer, dann graben sie am eigenen Fundament. Dazu die XL-Masche, bis hin zu XXXL! Ich hoffe, Du kennst Adam Richman nicht (Ich meine denjenigen, der frisst wie ein Schwein).
Tja, und ‚all inclusive’ / ‚all you can hineinstopfen’? Heißen diese Hohlköpfe alle Obelix?
Na ja, das ist jedenfalls mein Thema.

Bei Deiner Feststellung bin ich allerdings von den Socken:

Also für Satire ist es mir etwas zu zahm, ...
Zu zahm? Hast Du das Ende gelesen? Da verrecken einige Herrschaften! Meinst Du, es wäre besser, wenn die zwei Tode stürben?

Und das verstehe ich überhaupt nicht:

... für einen Bericht über die Grüne Woche zu opulent.
War davon die Rede? Meinerseits glaube ich das nicht.

Der Text erinnert mich an den Film " Das große Fressen".
Den hab ich auch gesehen. Mein Thema ist aber nicht die Völlerei der Begüterten, sondern die zunehmende Hirnlosigkeit der breiten Masse. Viel und billig. Noch mehr und am liebsten umsonst. Da kommt das Grauen über mich.

Das Beste zuletzt:

Hat Spaß gemacht ...
Mir auch. Danke schön.
Viele Grüße in den Schwarzwald!

José.
Ach, halt! Wenn ich Dich schon mal an der Strippe habe:
Ich habe „Schweizer Schokolade“ gelesen. Du hast einen überzeugenden Schreibstil. Das liest sich richtig gut. Auch die vielen Kleinigkeiten haben mir gefallen – da ich Jahrgang 1942 bin, muss ich Deinen Text doppelt loben: Ja, so war’s.
Jetzt kommt die Retoure: Hat Spaß gemacht!

 
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Hola José

Dachte ich doch, eine Geschichte mit diesem Titel, am Sonntagmorgen, kurz vor dem Mittagessen, sei das ideale amuse bouche. Doch jetzt, erschlagen von Bratwürsten und Frikadellen, wird das Essen um eine Stunde verschoben und ich schreibe dir lieber einen Kommentar. :)

Ja, ich habe das auch eher in Richtung "Das grosse Fressen" gelesen. Billigware und Massenproduktion fand ich weniger thematisch. Aber auch so ein grosses Vergnügen. Sehr plastisch, sehr bildhaft, tolle Sprache.

Tja, die Aufzählung ist ja Programm und es ist schwierig das zu kritisieren. Dennoch die ehrliche Rückmeldung, dass ich gegen Ende begonnen habe zu überfliegen, wenn es um die Fleischwaren ging. Dafür hätte ich mir mehr Szenen von der Sorte gewünscht:

Die Jungen kommen bei der dritten Portion schon ans Prusten, Kegelvereine kapitulieren, Männer wie Eichen winken ab. Nichts geht mehr. Diese unabwendbare Einsicht verhagelt die Stimmung.
Schnaufende alte Herren, verschwitzt, mit hochrotem Kopf, legen das Besteck nieder und versuchen mit letzter Energie, die Serviette mit dem aufgedruckten Schweinskopf zum Munde zu führen, um überschüssiges Fett abzutupfen.

Wunderbar grauenhaft!

Demgegenüber bleibst du am Anfang relativ abstrakt, wenn es um das Einverleiben der von dir beschriebenen Speisen geht:

Raffen’ wäre treffender. Ich empfinde keine Genussatmosphäre, sondern eine ungute Anspannung, eine Nervosität – zum Greifen deutlich ist die Angst, nicht die allerschönsten Bissen abzubekommen.

Dann, wie soll ich's sagen, so mittelabstrakt:

Riesiger Andrang überall. Alles glänzt, nicht nur die verschwenderisch aufgetürmten Fleischwaren - auch der Schweiß auf der Stirn, die fettigen Lippen und Finger. Zufriedene und glückliche Gesichter würde ich erwarten, sehe aber Mienen, in denen Anspannung liegt. Mit Raubvogelblick tastet jeder das Gelände ab.

Und erste gegen Ende dann die sehr schöne, oben zitierte Passage. Vielleicht überlegst du dir, ob du da noch was umstellen, den Überfluss, das Schmatzen und Verschlingen schon früher in konkreten Bildern und Szenen beschreiben willst.

Und dann ist mir die Funktion des Erzählers als Journalist nicht ganz klar geworden. Den schiebst du noch dazwischen, du könntest das ja alles direkt erzählen. Oder wolltest du plausibel machen, dass jemand mit kritischer Distanz sich überhaupt in diesem Pulk aufhält und das alles sehen kann? Dann könntest du vielleicht noch den Journalisten als Journalisten mit zwei, drei Sätzen charakterisieren. Wie lautet sein Auftrag? Wann beginnt er zu merken, dass er daran scheitert? Was wird er jetzt tun? So, wie er jetzt agiert, wird er einfach unter diesen Fleischbergen begraben.

Aber das sind nur so ein paar Gedanken, zu einem wirklich gelungenen Text, der mir den Sonntagmorgen, nein nicht versüsst, aber verschönert hat.

Lieber Gruss

Peeperkorn

 

Hallo José,

nach dem Mittagessen scheint mir der richtige Zeitpunkt zu sein, um mir Deine Geschichte nochmals vorzunehmen. Ohne Gefahr, vor Hunger den Völlerern im Text nachzueifern, kann ich die Handlung mit der gleichen gesunden Distanz wie Dein Erzähler verfolgen.

Leider fällt mir inhaltlich nicht viel Neues gegenüber meinem nächtlichen Erstkommentar ein. Gestern meinte ich noch einen leicht arrhythmischen Verlauf der Spannungskurve wahrgenommen zu haben, aber diese Diagnose konnte ich beim zweiten Blick nicht bestätigen.

Des Weiteren möchte ich anmerken, dass mir neben dem "großen Fressen" (das ich nur vom Titel her kenne) auch noch "Die heiße Schlacht am kalten Buffet" und "Aber bitte mit Sahne" durch den Kopf gegangen sind; den Herren Mey und Jürgens sei hiermit ebenfalls Ehre gezollt.

Und Peeperkorns Hinweis auf die seltsam unausgefüllte Rolle des Journalisten scheint mir bedenkenswert.

Der Rest ist kleinlicher Textkram:

Meine Nase hat schneller als meine Augen den Gegenstand meiner Reportage wahrgenommen:
Fleisch in jeder vorstellbaren Art, in unvorstellbaren Mengen.
Den Zeilenumbruch finde ich unnötig, da der Satz noch nicht mal beendet ist. Und ist die Wiederholung Absicht?

glänzender Leberkäs’ mit hypnotischer Wirkung
Ich würde den Apostroph weglassen. Das ist keine Verkürzung, sondern eine eigene Wortvariante.

Kesselgulasch nach Art der Pußtahirten
Duden.de kennt nur "Puszta". (Aber was weiß schon der Duden ...)

Prager Schinken und Coburger, Holsteiner, westfälischer und spanischer - Schinken über Schinken.
(...)
Alles glänzt, nicht nur die verschwenderisch aufgetürmten Fleischwaren - auch der Schweiß auf der Stirn, die fettigen Lippen und Finger.
Da hast Du jeweils einen Binde- statt Gedankenstrich. (Rasch, bevor svg es sieht!)

Wo lohnt es sich, zuzugreifen, vielleicht auch ein zweites Mal; wo sollte man die Offerte ignorieren, der beschränkten Aufnahmefähigkeit wegenvielleicht ein Fragezeichen?
Die ist ein großes Ärgernis, denn die Augen verschlingen das Mehrfache dessen.
"Dessen" hat syntaktisch einen unklaren Bezug, könnte auch auf das "Ärgernis" verweisen, was ja sinnlos wäre. Für einen Bezug auf die "Aufnahmefähigkeit" müsste es m.E. "deren" oder "derselben" heißen, aber das klingt nicht schön. Du könntest das Wort auch einfach weglassen.

Schwer atmend verharren sie, sammeln sich irgendwann wieder, versuchen auf die Beine zu kommen, die nach dieser Tortur und stundenlanger Anfahrt eingeschlafen oder schon thrombotisch sind.
Das wirkt, als sei die Anfahrt nach der Tortur erfolgt. Warum nicht in chronologischer Reihenfolge: nach stundenlanger Anfahrt und der darauffolgenden Tortur?

Nie würde ich Menschen in höchster Not fotografierten.
Der einzige reinrassige Schreibfehler, den ich finden konnte. Wer hätte gedacht, dass in dieser Fressorgie ausgerechnet ein T(ee) zu viel sein würde?

Alles Nickeligkeiten auf hohem Niveau. Wieder einmal gern gelesen!

Grüße vom Holg ...

 
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Moin Jose,

der allgemeinen Lobeshymnen will ich dann mal auch meine Strophe hinzufügen. Schön geschrieben, sehr plastisch-geschmacklich umgesetzt und was ich besonders lobend hervorheben will: es ist dir tatsächlich gelungen, genau die (wahrscheinlich von dir intendierte) Wirkung auf mich zu erzielen. Zunächst ist mir angesichts der oppulenten Beschreibungen doch wirklich das Wasser im Mund zusammengelaufen, als ich mir all die Gaumenschmankerl bildlich vorgestellt habe. Dieser Effekt änderte sich gegen Ende der Geschichte dann aber krass ins Gegenteil und mir wurde fast schon übel - besonders bei den sehr griffigen Beschreibungen der Maßlosigkeit, unkontrollierten Fressgier, Völlerei, den bildlichen Vorstellungen von geschwollenen Bäuchen, fettigen und wulstigen Lippen, kauenden Mündern, schmatzenden Schlemmerorgien ... sehr gut.
Ich persönlich fand deine Geschichte jetzt zwar (noch) nicht so degoutant wie "Das große Fressen", aber viel hat da nicht mehr gefehlt.
Insgesamt eine schön schräge Story mit dem genau richtig gerüttelten Maß an Geschmacklosigkeit, Übertreibung, dekandenter Verschwendung und entarteter Maßlosigkeit.

Irgendwie hatte ich auch eine Film-Assoziation vor Augen: Nämlich John Doe aus David Finchers Meisterwerk "Sieben", als er die Todsünde "Maßlosigkeit" anhand seines zwangsgemäßteten Mordopfers dargestellt hat.

Sehr satte Grüße vom Eisenmann;)

 
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Hallo Josefelipe,

ich muss mich unbedingt noch mal melden, weil ich mich über mich selbst gewundert habe, dass mir dein Text nicht satirisch genug war. Der Schluss war zweifellos grotesk, auch schön eklig, und das mit dem Brillensammler weckte schlimme Assoziationen mit Zahngoldsammeln in Krematorien. Aber Letzteres war wohl kaum in deinem Fokus. Ich glaube, mir war schon zu einem Zeitpunkt schlecht, als deine Protagonisten noch die letzten Happen geschnappt haben. Da reichte es mir schon, und ich habe das große Sterben nur noch aus der Ferne wahrnehmen wollen.
Was die Grüne Woche angeht, so ist mir in den Sinn gekommen, dass die Tendenz zu Fressschnäppchenjagen schon eine längere Tradition hat. Ich habe in jungen Jahren ( 1964, um genau zu sein;) am Schweizer Stand der Grünen Woche in Berlin Weine aus dem Wallis (Fendant und Dole) präsentiert. Auch damals wurde abgeräumt, was immer abzuräumen war. Die Tendenz "alles, aber günstig ", ist ja gerade das Credo unserer Überkonsumgesellschaft. Sollte der Brillensammler als Kontrast dazu dienen?

Richtig gerührt war ich über dein Lob für meine "Schweizer Schokolade". Bisher habe ich neben deinem nur einen Kommentar erhalten, und zwar einen ziemlichen Verriss. Da fühlte ich mich etwas aus dem Forum geschmissen, da ich mehr oder weniger unverständliches Zeug geschrieben habe. Also, da ist
doch ein klares "Ja, so war's" Balsam auf meine wunde Seele. Herzlichen Dank!

Schönen Sonntag noch und viel Grüße aus dem Schwarzwald (nicht aus der Schweiz!)

wieselmaus

 

Hallo josé,

na, das ist doch Satire vom Feinsten. Und ich habe eine Idee für die Justiz: Wenn ein Veganer eine empfindliche Strafe erhalten soll, dann muss er diese Geschichte lesen :D.
Sie ist enorm bildhaft geschrieben, man riecht und schmeckt all das Glänzende, Triefende, Siedende ... Aber am Ende fühlt man selber das Spannen der Bauchdecke, die flacher werdende Atmung und den Druck am Herzen.

Es ist nicht nur die Verschwendung beim Essen, es ist überhaupt der Wahnsinn, wie wir mit unseren Ressourcen umgehen, wie auf Teufel komm raus Raubbau getrieben wird – alles nach dem Motto: Nach mir (oder uns) die Sintflut. Hauptsache, es wird gut verdient dabei.

Du hast viele gute Seitenhiebe drin.

Ein Kollege recherchiert in Minenfeldern, ein anderer in irgendwelchen Favelas.

Das ist so eine Stelle. Von irgendwelchen Favelas. Das ist so wie nebenbei hingeworfen, ohne sich groß Gedanken darüber zu machen. Aber du zeichnest hier einen so scharfen Kontrast – auf der einen Seite fressen sie Dreck, auf der anderen Seite werfen sie ihr Leben weg für ihren „Wohlstand“.

Längst habe ich die Kamera unter meinem Parka verborgen. Nie würde ich Menschen in höchster Not fotografierten.

Das ist so stark! Klasse!

Sehr, sehr gerne gelesen!

Schönen Gruß
khnebel

 

Lieber Josefelipe,

igitt wie eklig! Eklig, aber gut geschrieben, wahrscheinlich für Fleischesser noch ein bisschen netter, weil die Beschreibungen für diese sicher zunächst appetitanregend sind, bevor das Zuviel jede Vorstellung von Genüssen ins Gegenteil verkehrt. Besonders gut finde ich diesen Satz:

Ihre Gereiztheit verspüre ich, ihre Unzufriedenheit. Die Gier ließ sich nicht völlig stillen.
Denn das gilt wohl für jede, nicht nur die fleischliche, Gier: Sie ist letztlich nicht stillbar. Schöne Geschichte, schön böse - gern gelesen (trotz der Fleischberge)!

Grüße,

Eva

 
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Hola Holg!

Danke sehr für #3 und #6. (Ich hatte noch nicht einmal mit einem Komm von Dir gerechnet, weiß ich doch um Dein veganes Umfeld:).) Und ich finde das lustig:

Obwohl ich dem Fleischkonsum weitgehend abgeschworen habe, lief mir hier zunächst das Wasser im Munde zusammen und später der sicher von Dir intendierte kalte Schauer über den Rücken.
Dir lief (wenn auch verhalten) das Wasser im Munde zusammen? Da besteht doch die Gefahr eines Rückfalls!?
Ich schließe daraus, dass Du noch nicht komplett überzeugt bist vom neuen Speisezettel. Denn sonst wäre Dir gleich anfangs der kalte Schauer über den Rücken gelaufen.

... , da ich heute leicht angeheitert heimgekommen bin ...
Ich glaube, hier liegt ein Fall von Koketterie vor. Der # 3 jedenfalls konnte ich das nicht anmerken. Oder Du scheinst einen ordentlichen Stiefel zu vertragen (Bei Gewohnheitstrinkern ist das übrigens nichts Besonderes:hmm:).

Der Zeitpunkt, #6 zu schreiben, ist genial gewählt:

... nach dem Mittagessen scheint mir der richtige Zeitpunkt zu sein, um mir Deine Geschichte nochmals vorzunehmen. Ohne Gefahr, vor Hunger den Völlerern im Text nachzueifern, kann ich die Handlung mit der gleichen gesunden Distanz wie Dein Erzähler verfolgen.
Ich vermute, Du hast mehrgängig gespeist. Das hätte der Reporter auch tun sollen, denn eine läppische Currywurst hält nicht lang vor. Sonst wäre er sicherlich standhaft geblieben.

Und @Peeperkorns Hinweis auf die seltsam unausgefüllte Rolle des Journalisten scheint mir bedenkenswert.
Ja, dazu muss ich unserem Kollegen noch etwas schreiben. Eigentlich soll der Reporter nur eine Nebenrolle spielen. In diesem Beruf darf er nicht viel mitleiden – sonst geht er kaputt. Immerhin tritt er pietätvoll zur Seite.
Mir geht’s mehr um das Geschäft mit dem manipulierbaren Menschen (Die Folgen soll sich der Leser denken, aber viele wissen es schon). Vielleicht hätte ich das geschickter darstellen sollen. Aber auf keinen Fall wollte ich herummoralisieren. Desweiteren:
Fleisch in jeder vorstellbaren Art, in unvorstellbaren Mengen.
Das ist gewollt. Find ich spaßig, dass zwei entgegengesetzte Begriffe das gleiche meinen: Maßlosigkeit.
Leberkäs’ Ich würde den Apostroph weglassen.
Hast recht, ist geändert.

Pußtahirten Duden.de kennt nur "Puszta". (Aber was weiß schon der Duden ...)
Puszta – Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Puszta
Im Cache
Die Puszta, eingedeutscht auch Pußta geschrieben, ...

Ich hatte zuerst Gulyás und Puszta geschrieben, wollte aber nicht den Viertel-Ungarn raushängen lassen.
Da hast Du jeweils einen Binde- statt Gedankenstrich.
Ich kann es (technisch) nicht ändern, der Gedankenstrich rutscht manchmal zum Unterstrich ab und ist nicht mehr zu gebrauchen. Bleibt hartnäckig, und ich hab Angst vor svg.
Trotzdem muss ich diese Technik loben und preisen.

... wegenvielleicht ein Fragezeichen?
Die ist ein großes Ärgernis, denn die Augen verschlingen das Mehrfache dessen.
Hast schon wieder recht; ist repariert.

Warum nicht in chronologischer Reihenfolge: nach stundenlanger Anfahrt und der darauffolgenden Tortur?
Ist ja auch logisch. Danke.

Wer hätte gedacht, dass in dieser Fressorgie ausgerechnet ein T(ee) zu viel sein würde?
Na, ich bestimmt nicht. Ist mir auch beim hundertundersten Mal Kontroletti-Lesens nicht aufgefallen. Aber ich behaupte dreist, ich hätte es eigens für Dich stehen lassen.

Lieber unglaublicher Holg, herzlichen Dank für die investierte Zeit und die guten Tipps! In so einer netten Atmosphäre geht es mir richtig gut.

José

 

Hola Peeperkorn,

es tut mir leid, dass meine Geschichte Dein sonntägliches Prozedere durcheinander bringt.
Vielleicht wäre als Appetitanreger schon ein Viertel des Textes ausreichend gewesen:

Dachte ich doch, eine Geschichte mit diesem Titel, am Sonntagmorgen, kurz vor dem Mittagessen, sei das ideale amuse bouche. Doch jetzt, erschlagen von Bratwürsten und Frikadellen, wird das Essen um eine Stunde verschoben und ich schreibe dir lieber einen Kommentar
Für den danke ich Dir.
Zu Deinen Anmerkungen:

... dass ich gegen Ende begonnen habe zu überfliegen, wenn es um die Fleischwaren ging.
Ja, ich hatte auch den Verdacht, das könne etwas zu viel werden. Hab’s zwar auf verschiedene Abschnitte verteilt, dennoch ist es für manchen Leser irgendwann uninteressant.
Es wäre kein Problem, da etwas herauszunehmen, doch die anderen Kommentatoren hat es wohl nicht so arg gestört. Ich wollte die Wucht darstellen, die auf den Verbraucher einwirkt. Er wird einfach erschlagen – und verliert oft die Kontrolle über sich.
Vielleicht überlegst du dir, ob du da noch was umstellen, den Überfluss, das Schmatzen und Verschlingen schon früher in konkreten Bildern und Szenen beschreiben willst.
Das Wollen, etwas zu verbessern, ist auf jeden Fall vorhanden. Ich habe mich lange mit diesem Text beschäftigt, um eben runterzukommen von einer Endlos-Liste aller Fressalien. Ich hatte den Vorsatz, erst die ganzen Verführungen aufzuzählen und ein Fressparadies zu beschreiben, aber das war zu eintönig. Es mussten Unterbrechungen her, und langsam musste die Hoch- und Leckerstimmung kippen ins totale Desaster. Ob oder inwieweit das gelungen ist, entscheidet der Leser – in unserem Fall Du.
Und dann ist mir die Funktion des Erzählers als Journalist nicht ganz klar geworden. Den schiebst du noch dazwischen, ...
Der J. war anfangs nicht da. Den brauchte ich ebenfalls, um die Monotonie aufzubrechen.

... du könntest das ja alles direkt erzählen.
Genauso war der erste Entwurf, aber wie schon gesagt, musste etwas mehr Leben hinein.

Oder wolltest du plausibel machen, dass jemand mit kritischer Distanz sich überhaupt in diesem Pulk aufhält und das alles sehen kann?
Ja – oder wie hätte ich das sonst angehen müssen? Ob ein abgebrühter Reporter mit kritischer Distanz ausgestattet ist, steht für mich in den Sternen. Ich glaube nicht, denn dazu müsste er den jeweiligen Gegenstand seiner Reportage werten. Als alter Routinier wird er sich diesen Arbeitsgang ersparen - und ein gewisses Abstumpfen hilft, die Nerven zu schonen.

Wann beginnt er zu merken, dass er daran scheitert?
Ich finde nicht, dass er scheitert. Er muss ja nur, als Profi emotional unbeteiligt, seinen Job machen. Ein Problem zu lösen hat er nicht, das haben die anderen. Und eine Aufgabe zu erfüllen hat er auch nicht; es genügt, wenn er seine subjektiven Eindrücke als objektiv verkauft und mit ein paar aussagekräftigen Fotos unterlegt.

Was wird er jetzt tun?
Das weiß ich nicht. Der macht morgen eine andere Reportage und freut sich aufs Wochenende. Dass so einer noch die Welt verbessern will, kann ich mir nicht denken – dazu hat er zu viel gesehen.
Ich will eine kleine Geschichte erzählen von der Verführbarkeit des Individuums, das sich oft sehr klug wähnt, leider der Steinzeit entstammt (oder noch früher:)).
So, wie er jetzt agiert, wird er einfach unter diesen Fleischbergen begraben.
Nix! Nix derogleichen! Es stehet geschrieben:
Ich trete pietätvoll zur Seite.
Weder Fleischberge noch umstürzende Vielfraße werden ihn unter sich begraben. Er hat ein ausgeprägtes Gespür für Gefahr, hat schon bei den Roten Khmer Reportagen verfasst, war im Hauptquartier der ETA, in Biafra, in Gott weiß wo – der passt schon auf!

Aber das sind nur so ein paar Gedanken, zu einem wirklich gelungenen Text, ...
Ja! Genau das wollte ich hören! Aber: Mühe gegeben hab ich mir schon. Dass das oft nicht ausreicht, wissen wir alle. Wenn dann doch eine gute Resonanz aufkommt, freuen wir uns immer wieder. Lieber Peeperkorn, schönen Dank, dass Du einen Teil Deines Sonntags mir geschenkt hast – das freut mich wirklich.

Alles Gute!

José

 
Zuletzt bearbeitet:

Tja, dann will ich den Lobeshymnen mal ein kleines Korrektiv entgegensetzen.

Peeperkorn schrieb:
... die Aufzählung ist ja Programm und es ist schwierig, das zu kritisieren.
… schrieb Peeperkorn, aber genau das will ich tun, José, nämlich kritisieren. Die Aufzählung oder das Programm, willst du wissen?
Egal.
Irgendwie mochte ich diesen Text einfach nicht, obwohl ich ja ansonsten durchaus empfänglich bin für deinen opulenten (sättigenden?) Stil. Nach wie vor grandios z.B. finde ich Myrabelle oder Marianna’s Taifun-Sauce, auch wenn gerade dort die Aufzählung ein wesentliches Stilmittel war:

Zitat aus Marianna’s Taifun-Sauce
Karamellisierte Zwiebeln, geräucherter Knoblauch, Rosinen, Pimentos, Ingwer, Arganöl, Tamarinden, Chipotle, tausend Gewürze, Granatapfelkerne, Mango, Pflaumenessig, Chilischoten, Trockenfrüchte, Tomaten, Melasse …
(Einfach toll!)

Was also stört mich an dieser Geschichte hier? Vielleicht, dass die durchaus eloquente und sprachgewaltige Aufzählung mir beinahe wie reiner Selbstzweck erscheint, ja, auch dass mir die Geschichte drum herum fehlt, dass der Text beinahe wirkt wie die Reportage eines literarisch ambitionierten Gourmet-Magazin-Redakteurs, der sein einschlägiges Wissen vor der Leserschaft (selbstgefällig?) zelebriert. Ja, verdammt, beinahe bin ich versucht, die Geschichte als schlicht langweilig zu bezeichnen.

Und selbst die allemal erkennbaren satirischen, die gesellschaftskritischen Nuancen des Textes machen den für mich nicht zu einer tauglichen Kurzgeschichte.
Aber vielleicht habe ich mich auch einfach an deinem blümeranten (© josefelipe) Stil schon ein bisschen sattgelesen.
Auf jeden Fall warte ich gespannt auf deine nächste Story. Für mein Gefühl nämlich kann die nur besser werden.


offshore

 

Hallo José,

Da hast Du jeweils einen Binde- statt Gedankenstrich.
Ich kann es (technisch) nicht ändern, der Gedankenstrich rutscht manchmal zum Unterstrich ab und ist nicht mehr zu gebrauchen. Bleibt hartnäckig, und ich hab Angst vor svg.

Im Zweifelsfall sollte Copy & Paste von einem intakten Zeichen immer funktionieren. Falls das doch nicht klappt und Du dem gerechten Zorn des svg entgehen willst, können wir das gerne per PN weiter besprechen; je nachdem, in welcher technischen Umgebung Du Deinen Text bearbeitest.

Grüße vom Holg ...

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola Eiserner,

vielen Dank für die von mir erhofften Worte. Du kennst ja dieses gute Gefühl auch, wenn es warm runterrieselt vom Kopf in die Herz- und Seelengegend.
Gern würde ich mich revanchieren, nur komme ich mit Deinen tags nicht klar.
Schreiben kannst Du allemal, das muss ich Dir nicht überflüssigerweise bestätigen, nur eben diese verdammten tags! Vielleicht machst Du doch mal einen Seitensprung und packst mich?

Ich persönlich fand deine Geschichte jetzt zwar (noch) nicht so degoutant wie "Das große Fressen", aber viel hat da nicht mehr gefehlt.
Na ja – die Erotik fehlt. Schön dekadent, versteht sich, wie sie sich gegenseitig Austern und Frankfurter Kranz einmassieren in alle Öffnungen und die dann mit sehr reifem Camembert versiegeln. (Aber ehrlich: Der Film hat mir nicht gefallen. Ich fand ihn blöd und ärgerlich, und ich weiß auch noch, wie stinksauer ich aus dem ’Lichtspieltheater’ gerauscht bin.)

Insgesamt eine schön schräge Story mit dem genau richtig gerüttelten Maß an Geschmacklosigkeit, Übertreibung, dekandenter Verschwendung und entarteter Maßlosigkeit.
Oh, Herr Eisenmann – das ist für mich ein Riesenkompliment! Da bild’ ich mir was drauf ein. Kriege Flügel für das nächste schräge Machwerk.
Irgendwie hatte ich auch eine Film-Assoziation vor Augen:
... als er die Todsünde "Maßlosigkeit" anhand seines zwangsgemäßteten Mordopfers dargestellt hat.
Ui, wie gitt. Das zwangsgemästete Opfer hatte sich sein Leben und dessen Ende sicherlich anders vorgestellt. Furchtbar – aber noch nicht furchtbar genug, denn meine Maßlosen mästen sich selbst! Ich glaube, das ist der Gipfel.

Eisenmann, es hat mich wieder einmal gefreut. Danke und schöne Tage!

José

 

Hola Khnebel,

danke bestens für Deinen scharfsinnigen Kommentar:

Du hast viele gute Seitenhiebe drin.

Und Du hast das gecheckt! Ja, dieses Thema geht mir schon unter die Haut.
Ist aber nur ein negativer Ausriss aus dem Gesamtbild. Und das ist in meiner Einschätzung nicht schlecht. Die Leute (die mit Hirn) beginnen, sich Gedanken über ihre Essgewohnheiten zu machen, verringern ihren Fleischverzehr, nehmen auch mal die Lesebrille und studieren die Inhaltsstoffe.
Das muss man in Deutschland so machen, weil hier eine Milliardenlobby alle gesetzlichen Regelungen beeinflusst. Wir kriegen einfach keine Ampel-Kennzeichnung auf die Beine – im Gegensatz zu anderen Ländern. Wäre ja auch zu einfach, das Wichtigste auf einen Blick zu erkennen.

Aber am Ende fühlt man selber das Spannen der Bauchdecke, die flacher werdende Atmung und den Druck am Herzen.
Khnebel, ich hoffe, dass Du Dich bald nach der Lektüre wieder besser gefühlt hast, sonst müsste ich mir Vorwürfe machen wegen virtueller Körperverletzung.

na, das ist doch Satire vom Feinsten.
Weil Du sagst, was Du denkst, nehme ich das voll an. Vielen Dank.

Noch ’n bisschen off-topic: Dass Du in Kitas liest, finde ich große Klasse. Das imponiert mir sehr. Neben aller Pädagogik und den wichtigen Impulsen zur Entwicklung der Gefühlswelt finde ich besonders den Kontakt zum Buch sehr wichtig. Das scheint mir das richtige Alter zu sein, noch bevor gewhatsäppt wird auf Teufel komm raus.

Und Mittweida! Als Chemnitzer kenn’ ich das selbstverständlich, auch weil ich vor hundert Jahren dort mal eine Liebschaft hatte. Oder ist das schon zweihundert Jahre her?

Khnebel, nochmals danke und alles Gute!

José

 

Hallo José,

ich mochte deinen Text, in deinen Formulierungen kann man richtig schwelgen. Unpassenderweise fällt mir der Ausdruck "leichte Kost" ein, weil du den Leser nicht allzusehr quälst. Im Gegenteil. Zu Beginn war ich, obwohl keine große Fleischesserin, ziemlich neidisch, mir lief das Wasser im Mund zusammen. Das hatte sich dann am Ende gelegt, mein Fleischappetit war mir komplett vergangen und einer gewissen Schadenfreude den gierigen Essern gegenüber gewichen. Selbst schuld. :p

Ich war heimlich ein bisschen erleichtert, dass du uns die anderen Folgen des massiven Fleischkonsums erspart hast. (Tierhaltung, Klima, etc.)

Ich empfinde keine Genussatmosphäre, sondern eine ungute Anspannung, eine Nervosität – zum Greifen deutlich ist die Angst, nicht die allerschönsten Bissen abzubekommen. Ein Wahnsinn, ein Widersinn in dieser unermesslichen Fülle, bei diesen überbordenden Angeboten.

Wenn ich jemandem erklären wollte, was Gier ist, würde ich deine Geschichte nehmen.

Viele drehen sich noch einmal um, sind versucht, noch irgendwo zuzugreifen, vielleicht haben sie etwas übersehen – nein, sie packen es nicht mehr, beim besten Willen nicht. Aber der Geist des Raffens verfolgt sie immer noch. Irgendetwas müssen sie noch mitgehen lassen – eine vergessene Gabel, einen Salzstreuer, ein Pressglas fürs nächste Gartenfest.
Ihre Gereiztheit verspüre ich, ihre Unzufriedenheit. Die Gier ließ sich nicht völlig stillen.

Wunderbar!

Die Erde ist weich und locker, vor ihnen verendete Wurstfreunde haben sie im Todeskampf aufgewühlt. Ich trete pietätvoll zur Seite.
Die Seelen entfleuchen in den Bratwursthimmel.

So schön böse.:D

Ja, mir kommen beim Lesen auch Gedanken, dass unsere ganze Wohlstandsgesellschaft....etc., ...aber ich gehe mit einem guten Gefühl da raus, die Geschichte ist einfach so wunderbar saftig!

Liebe Grüße von Chutney

 
Zuletzt bearbeitet:

Da komme ich nach langer Abwesenheit zurück und beschließe, mich direkt auf einen Text eines meiner allerliebsten Autoren zu stürzen und - finde einen für mich recht schwierigen Text vor.

Üppige Beschreibungen allerfeinster Ware und Gerichte. Da läuft mir das Wasser im Mund zusammen. José wie man ihn kennt.

Dennoch habe ich mich dabei ertappt, irgendwann anzufangen, quer zu lesen. Gut hätte ich gefunden, du hättest mehr vom essen an sich geschrieben, weniger von dem, was man alles essen könnte. Dazu, und das war mein wirkliches Problem, lieber Freund, vermisste ich eine echte Handlung. Ich wünschte mir, essen, nicht nur zu sehen.

Daher ein passabler Text, der in meinen Augen aber deutlich hinter deinen Spitzengeschichten zurück steht.

Trotzdem: Nice to be back. Freue mich auf "mehr" von José, Barnhelm & Co. :thumbsup: Ich bleibe neugierig!

Gruß, Freegrazer

 
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Hola Ernesto,

ich habe Deinen Kommentar leicht amüsiert gelesen und mich gefragt, welche Laus Dir über die Leber gelaufen sein könnte.

Tja, dann will ich den Lobeshymnen mal ein kleines Korrektiv entgegensetzen.
Dein ‚Korrektiv’ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Du die Vorkommentatoren korrigieren möchtest, weil sie nicht Deiner Meinung sind?
Der eosinglänzende Brummer ernst lässt sich auf einem Stückchen Quiche nieder und belehrt sieben Fliegen, dass dieses Speck-Käse-Sahne-Gebäck nichts tauge.

Aber vielleicht habe ich mich auch einfach an deinem blümeranten (© josefelipe) Stil schon ein bisschen sattgelesen.
Gut möglich. War aber nicht zwingend.
Wenn ich Dich erinnern darf: Dieser mir immer noch fremde ‚Josefelipe-Stil’ ist Deine Erfindung. Der ist durch Deine Launigkeit von hohen Lobestönen abgestiegen ins Blümerante. Ich google. ‚Blümerant’: durchgehend negativ besetzt. Schade.

Ich sehe nur zwei Möglichkeiten:
Entweder stelle ich nichts mehr ein – oder Du verzichtest darauf, das zu lesen.
Übergeh’s doch einfach, das kann doch nicht so schwer sein.
Ist das ein Vorschlag?

Und selbst die allemal erkennbaren satirischen, die gesellschaftskritischen Nuancen des Textes machen den für mich nicht zu einer tauglichen Kurzgeschichte.
Wenn Du meinst ...
Demnach liegen die anderen alle falsch.
Jedenfalls hast Du es mir einmal so richtig gegeben. Vielleicht ist es nur eine verunglückte Antwort auf mein Unverständnis zu Deiner ‚Jimmy’- Geschichte.
Ich find’s bissel unpassend; Dein Kommentar hat nichts zu tun mit Textarbeit, Du bist nur am Stänkern. Aber verlass Dich drauf – das wird keine private Feindschaft! Da pass ich schon auf. Wir hatten ja schon ganz nette Zeiten im Forum.

... auch wenn gerade dort die Aufzählung ein wesentliches Stilmittel war: Zitat aus Marianna’s Taifun-Sauce
Karamellisierte Zwiebeln, geräucherter Knoblauch, Rosinen, Pimentos, Ingwer, Arganöl, Tamarinden, Chipotle, tausend Gewürze, Granatapfelkerne, Mango, Pflaumenessig, Chilischoten, Trockenfrüchte, Tomaten, Melasse …
(Einfach toll!)
Ich weiß nicht, was daran toll sein soll. Beliebiges Zeugs kann jeder Anfänger aufzählen.
... dass der Text beinahe wirkt wie die Reportage eines literarisch ambitionierten Gourmet-Magazin-Redakteurs, der sein einschlägiges Wissen vor der Leserschaft (selbstgefällig?) zelebriert.
Aha! Verstehe. Aber ich finde, hier hast Du ein paar bar zu viel in Deiner Giftspritze:
Weil ich aus dieser Branche komme, liegt es ja nahe, dass ich mit meinem Wissen angeben möchte. Lieber offshore – hier ist nicht ein Fizzelchen gastronomischen Wissens enthalten. Es ist lediglich eine Aufzählung wie die obige (von Dir gelobte) – statt würzender Zutaten eben Fleischernes.
Jede angelernte Fleisch- und Wurstverkäuferin kann Dir diese Sachen aufzählen, das ist so simpel wie Kaffeekochen. Im Gegensatz zu Dir, der Du gerne anspruchsvolle Begriffe in Deine Texte mischst, bin ich bedacht, so wenig wie möglich Fremdworte oder Fachausdrücke zu verwenden.
Und Deine Bemerkung Gourmet-Magazin-Redakteur trifft es nicht.
Was soll denn hier in irgendeiner Weise mit Gourmet (ein Kotzwort!) zu tun haben?

Was also stört mich an dieser Geschichte hier? Vielleicht, dass die durchaus eloquente und sprachgewaltige Aufzählung mir beinahe wie reiner Selbstzweck erscheint, ...
Was für ein Blödsinn! Lies mal Deine ‚Jimmy’-Geschichte, Deine Leseanweisung #15, Deine privaten Einsprengsel (Was interessiert den Leser, was Du geträumt hast?) – und dann weißt Du, wie das mit dem Selbstzweck geht. Aber ich habe nicht vor, meinen Text so variantenreich zu verteidigen wie Du es mit Deinem tust.
Auf jeden Fall hat Deine #15 den Interpretationsspielraum bei der Beurteilung Deiner KG aufgebläht wie Deinen wunderbaren Maulwurf.
Ja, verdammt, beinahe bin ich versucht, die Geschichte als schlicht langweilig zu bezeichnen.
Na und? Wen juckt es? Die Welt wird sich weiterdrehen. Ob der offshore versucht ist oder nicht, interessiert kein Schwein.
Von anderer Seite höre ich anderes. Ich weiß jedenfalls, dass ich alles reingebuttert habe, was mir zur Verfügung stand. Klar – das kann trotzdem Scheiße sein, aber die meisten Kommentare haben diese Befürchtung zerstreut. Und es waren gute Leute, die mir schrieben.
Auf jeden Fall warte ich gespannt auf deine nächste Story. Für mein Gefühl nämlich kann die nur besser werden.
Wenn Dich Dein Gefühl nur nicht trügt! Vielleicht wird die noch beschissener, je nach dem, wie Du drauf bist.

Ernesto, altes Haus – lass uns abwinken bei den Unzulänglichkeiten dieser Welt. Ich bin noch älter als Du und frage mich so manches Mal, wie ich das alles ertrage.
Vielleicht trinken wir mal einen zusammen?

José

 
Zuletzt bearbeitet:

josefelipe schrieb:
Ich sehe nur zwei Möglichkeiten:
Entweder stelle ich nichts mehr ein – oder Du verzichtest darauf, das zu lesen.
Übergeh’s doch einfach, das kann doch nicht so schwer sein.

Dein Kommentar hat nichts zu tun mit Textarbeit

Du bist nur am Stänkern.

Demnach liegen die anderen alle falsch.
Jedenfalls hast Du es mir einmal so richtig gegeben. Vielleicht ist es nur eine verunglückte Antwort auf mein Unverständnis zu Deiner ‚Jimmy’- Geschichte.

Was für ein Blödsinn!

Lies mal Deine ‚Jimmy’-Geschichte

Na und? Wen juckt es? Die Welt wird sich weiterdrehen. Ob der offshore versucht ist oder nicht, interessiert kein Schwein.

Okay, josefelipe, belassen wir’s dabei.

 

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