Was ist neu

Joel

Mitglied
Beitritt
10.08.2016
Beiträge
1

Joel

12. August 2015


Joel
Über die Vorzüge eines Nomadenlebens

Der Tag fing recht entspannt an, Joel kaufte Croissants und wir frühstückten. Dann zerbrach ein Marmeladenglas. Er fing an zu arbeiten. Ich überlegte erst hin und her, dann zeichnete ich wieder die Tänzerin und machte daraus einen Animationsfilm. Ich wollte gar nicht aufhören zu arbeiten. Joel kam jede halbe Stunde in mein Zimmer und versicherte, es dauere nicht mehr lange, und wir können bald nach Paris aufbrechen. Ich hatte nichts dagegen. Er legte alles fest, dann und dann zum Markt, dann essen, dann zum Eiffelturm, dann zu einem Musik- und Tanz-Openair. Ich fand mich damit ab, war schon recht zufrieden mit dem Ergebnis meines Tages.
Joel wollte unbedingt sein volles Programm durchziehen. Wir gingen zum Markt, es war recht entspannt. Ich wollte unterwegs etwas essen, doch er bestand darauf zum Supermarkt zu gehen und einzukaufen. Wir aßen zuhause Tortellini mit Pesto. Während sie kochten, arbeitete er wieder. Als wir fertig gegessen hatten, brachen wir auf.
In der Metro saß eine schwarze Frau uns gegenüber, sie redete mit sich selber und fragte nach Geld. Wir schwiegen. Ich war bereits müde von der Hitze und der Vorstellung den restlichen Tag in der Stadt zu verbringen.
Wir stiegen aus bei Notre Dame de Paris. Die Metrolinie, in die wir umsteigen sollten, fuhr wegen der Bauarbeiten nicht. Es sollte stattdessen einen Bus geben. Das Seineufer war voller Touristen. Joel schwankte zwischen fahren und gehen, er war voller Ungeduld wegen dieser Unannehmlichkeit. Ich schlug vor zu gehen. Wir gingen mal auf der oberen Promenade mal direkt beim Fluß. Jedes mal wenn der Weg sich verzweigte, zweifelte Joel ob wir weiter unten bleiben sollten und den einbetonierten Fluß genießen, oder ob wir raufgehen sollten und den Bus nehmen. Ich schlug etwas vor, weil es mir relativ egal war in dem Moment, und ich diese ständigen Zweifel nicht wirklich ertrug. Irgendwann kamen wir dann zum Louvre. Joel meinte wir sollten die Seite wechseln, denn dort würde eine Metro fahren. Wir gingen auf die andere Seite und standen vor dem Louvre. Statt in die Metro zu gehen, gingen wir in den Tuileries Garden. Joel schwärmte hin und wieder wie glücklich er sei wieder in Paris zu sein und durch die schönen Plätze zu bummeln. Ich fand es nett, wollte aber wissen wie lange wir so vorhatten zu schlendern. Er meinte ich soll einfach geniessen. Doch ich konnte mich nicht wirklich auf etwas einlassen, denn der Plan wurde gleich wieder geändert. Ich wurde müde von seinen ausschweifenden Erklärungen, die sich gerne selber reden hörten. Ich sah ein Cafe und schlug vor einen Eiskaffee zu trinken. Er war unschlüssig. Ich wollte nicht drängeln und wir gingen weiter. Irgendwann kamen wir vom Place de la Concorde wieder an die Seine, um den Ersatzbus zum Eiffelturm zu suchen. Dort wollte er etwas trinken. Ich fragte nach Eiskaffee, doch sie hatten keinen. Er bestellte sich trotzdem das was er gerade haben wollte und ich habe mich mit einem Kaffee begnügen müssen.
Ich wollte nicht mehr reden und nicht mehr gehen. Saß geistesabwesend da. Joel meinte ich sei nicht besonders gesprächig. In meinem Inneren explodierte ich und sagte gedämpft dass ich diese Touristentour langweilig finde. Dass ich den Eiffelturm bereits gesehen habe und nicht unbedingt dort hin muss. Das Ganze dauere jetzt schon viel zu lange. Die Wahrheit war: Joel ging mir auf die Nerven.
Er erklärte dass er es auch nicht gewusst habe, es sei so weil die Metro nicht funktioniert habe. Er kann gar nichts dafür und ich soll geniessen, es gibt Kinder in Afrika die vor Hunger sterben und das was ich habe ist wohl nicht wirklich ein Problem, er liebe Diversität, touristische Plätze gehören dazu. Ich sagte nichts mehr und wartete bis sein Redeschwall aufhörte. Er fragte dann wohin ich denn gehen will. Ich sagte ich möchte einfach durch die Straßen schlendern, und wenn es mir irgendwo gefällt, dort bleiben und zeichnen. Ich brauche kein Ziel, keine Sehenswürdigkeiten, ein schöner ruhiger normaler Stadtteil genügte. Er meinte wir könnten zum Palais de Tokyo gehen, dort gäbe es ein Cafe und Skater die herumfahren und das Palais du Trocadéro mit einer schönen Aussicht auf den Turm. Ich sagte ok, gehen wir dorthin. Wir gingen dann weiter. Nach einigen vergeblichen Versuchen den Ersatzbus zu finden wechselten wir wieder auf die andere Seine Seite, um einen normalen Bus Richtung Palais de Tokyo zu nehmen. Er schwankte an jeder Haltestelle ob wir aussteigen sollten oder doch noch nicht, wir fuhren am Palais de Tokyo vorbei, dann stieg er plötzlich aus ohne Bescheid zu sagen, und ich hinterher. Wir waren bei Trocadéro, dem Ort mit der Aussicht. Wir stiegen auf, dann bemerkten wir, dass auf unserer Seite die Aussichtsplattform von einer voll verbaut war. Er war bestürzt. Anstatt wieder abzusteigen und auf die andere Seite zu wechseln, stiegen wir weiter auf um resigniert festzustellen dass wir auf die Aussicht verzichten mussten. Ich setzte mich auf eine Bank. Er meinte wir sollten weitergehen, den Bus nehmen und zum Openair fahren. Ich sagte ich habe keine Lust mehr. Er fragte worauf ich Lust hätte. Ich sagte ich möchte heimfahren. Er sagte ich soll mich entscheiden, denn wir sind schon gar nicht zum Eiffelturm, er weiß gar nicht was ich will. Ich sagte ich weiß es auch nicht. Er fing an mir eine Moralpredigt zu halten, er gäbe sich so viel Mühe, nähme sich Zeit für mich, schaue extra im Internet nach, das Festival sei einmalig, so etwas muss man gesehen haben. Ich sagte, er soll sich nicht so sehr um mich kümmern und wenn er gerne zum Festival möchte, soll er hinfahren, ich möchte nicht. Wir könnten uns hinterher treffen und zusammen heimfahren. Er sagte ich sei zu kompliziert. Dann brach er Hals über Kopf auf, ohne einen Treffpunkt ausgemacht zu haben.
Ich fühlte mich etwas zerschlagen aber auch erleichtert. Nach einiger Zeit hatte ich meine Lebenslust wieder und ging zum Selfiemachen unter den Turm. Kaum eine Viertelsstunde später rief Joel an. Er mag nicht alleine aufs Fest, er möchte heimfahren. Ob ich mitkommen will. Ich sagte zu. Wir trafen uns beim Eingang Ost. Ich grüßte und fragte wie es ihm ginge. Es sagte nicht so gut, und fing an zu flehnen. Er gäbe sich so viel Mühe, möchte nur glücklich sein und andere glücklich machen. Und alles läuft schief. Er sei so allein und deprimiert, dass er manchmal nicht weiß wofür das Ganze. Ich hörte ihm zu und ließ ihn reden. Er machte einen Seitenschwenker auf mich, er kenne mich nicht, er weiß nicht ob ich nicht ihm Böses will, er habe mir seine Geheimnisse über die Denkmuster verraten, seine Seele offenbart und habe Angst dass ich ihn betrüge. Ich sagte ich will ihm nichts Böses. Irgendwann hörte er auf und wir suchten eine Bushaltestelle. Er erklärte wir könnten jetzt heimfahren oder denselben Bus weiter Richtung Osten nehmen, dort aussteigen, es sei dort sehr schön und gar nicht mehr weit von der Künstlergegend mit dem Openair. Ich war schon wieder etwas besänftigt und sagte zu.
Wir stiegen im östlichen Zentrum aus, im jüdischen Viertel. Ich hatte langsam Hunger. Das sagte ich ihm gleich. Er meinte er kenne ein gutes Lokal. Man kann dort etwas mitnehmen oder vor Ort etwas essen. Es war ein Falafelimbiss. Die Falafel waren gut, dort sitzen war nicht möglich. Wir suchten einen kleinen Park auf und aßen die Falafel. Das war einer der wenigen schönen Augenblicke. Wir stritten uns nicht. Doch bald tauchte eine uniformierte Tante auf und kündigte an, der Park würde schliessen. Falafelreste hinunterwürgend, gingen wir wieder auf die Wandertour. Ich sagte ich kann nicht mehr gehen. Brauche eine Pause. Und etwas zu trinken, ein Bier zum Beispiel. Mir war langsam nach Alkohol zumute.
Er überlegte und verwarf in Windeseile drei verschiedene Möglichkeiten und wir gingen in eine undefinierte Richtung, eine Bar nach der anderen hinter uns lassend. Er meinte das Gayviertel sei in der Nähe, total nett, dort gibt es auch sehr nette Bars. Ich blieb bei der nächsten Bar stehen und sagte, wir trinken hier was. Er war unzufrieden mit der Wahl, setzte sich aber trotzdem. Das kleine Bier kostete 4,20 Euro, das große 7,70 Euro. Ich dachte, es ist ihm bestimmt zuviel. Mir war es auch langsam. Wir beschlossen eine andere Bar zu suchen. Wieder wählte ich, denn der Monseigneur wirkte bei schnell zu treffenden Entscheidungen sehr verloren. Er trat auf der Stelle, verdrehte die Augen und kratzte sich am Nacken. Und murmelte etwas von der nächsten Möglichkeit, gleich um die Ecke. Bei dem Tisch den ich wählte, meine er hämisch: und auf diese Säule willst du schauen? Ich sagte, mir ist es egal, Hauptsache sitzen, was Kühles trinken und eine Weile nichts bewegen. Unser Gespräch stotterte um die gleichen Themen herum. Was sind die Vorzüge von Großstadt und des Nomadenlebens, die er so gerne mag. Und wie verloren er sich in seinem Leben fühle. Und dass er trotzdem soviele Alternativen wie möglich und immer um sich haben möchte, er brauche die Diversität. Neue Leute kennenlernen, Reisen etc. Ich pflichtete müde bei. Wir waren fertig und gingen los.
Diesmal wirklich Richtung Metro und nach Hause. Bei dem nächsten Metroeingang murmelte Joel wieder fragend etwas und ich nickte nur, mir war alles recht. Wir gingen weiter. Er wollte mir noch das Centre de Pompidou zeigen, welches wir im Laufe des Tages bereits mehrmals von der Ferne gesehen hatten. Dann sollten wir noch eine Ehrenrunde herum drehen damit ich das Gebäude richtig wahrnahm. Zu aller letzt machte er mich auf die Souveniers-Verkäufer aufmerksam, das sei wie schon vorher angekündigt der beste Platz, um das Paris-Magnet für meine Mutter zu kaufen, weil ich es einmal erwähnte. Ich explodierte. Ich habe selber Augen und kann entscheiden was und wo ich kaufe oder nicht kaufe. Ich brauche im Moment wirklich keine Souveniers mehr, auch das Museum nicht von aussen zu sehen, ich möchte nur noch nach Hause. Worauf er bemerkte er habe mich vorher gefragt. Ich sagte ich habe nichts mehr verstanden, ich würde nicht mehr zuhören weil ich einfach nicht mehr kann. Er fing an mich zu belehren wie unhöflich das von meiner Seite sei ihn anzuschreien. Wir stiegen in die Metro. Er entschuldigte sich für die Baustelle. Ich sagte nichts. Während der Fahrt schwiegen wir und schauten uns nicht an. Als wir ausgestiegen sind, zeigte er mir einen Zettel an einem Pfeiler und meinte: Straßenkunst, und im gleichen Atemzug: aber es interessiert dich wohl gar nicht. Ich sagte er soll aufhören mich zu belehren. Er explodierte mit einer neuen Predigt. Er brauche sich nicht anschreien zu lassen, er ist kein Hotel, wenn mir der Service nicht passt, soll ich weiterziehen bzw. zurück nach Linz gehen. Ich schwieg, er meinte man kann ruhig sagen er soll aufhören zu reden aber nicht gleich schreien, das geht nicht das lasse er nicht zu und so weiter und so fort. Ich sagte ganz ruhig er soll aufhören zu reden. Das war wohl zu viel. Er kriegte sich nicht mehr ein. Wir kamen an, er redete und redete. Ich suchte im Internet nach einem Hostel. Er kam, blieb stehen, redete, ging, kam wieder, ging wieder. Dann sagte er ich soll am nächsten morgen verschwinden. Ich nickte. Das Hostel war gebucht.
Irgendwann ging er arbeiten, denn am nächsten Morgen hatte er eine Deadline. Er kämpfte sichtlich mit sich selber, denn ich hörte Schritte im Flur, er ging an mir vorbei in sein Zimmer, und wieder ins Arbeitszimmer. Ich ging ins Bett und machte das Licht aus. Plötzlich kam er rein und fing an mich zu wecken. Ich reagierte nicht. Er wurde lauter und aufdringlicher, faßte mich an der Schulter, schüttelte. Ich blieb reglos. Er nahm meinen Arm, hob ihn an, ließ ihn wieder fallen. Ich reagierte nicht. Dann wollte er mich anheben. Ich schrie los, was falle ihm ein? Er soll mich nicht anfassen! Er sagte er hätte Angst ich sei krank und bewußtlos. Ich erwiderte: lass mich in Ruhe, ich bin ein sehr gesunder Mensch. Er wollte nicht gehen bevor ich ihm versichert habe, dass ich mit ihm am nächsten morgen reden würde. Ich sagte etwas, er meinte das wollte er hören und ging.
Ich konnte nicht mehr schlafen. Seine Worte, seine Mimik, Gestik verfolgten mich. Ich hatte langsam Angst vor seiner Manie. Aber auch um meine eigenen Belastungsgrenzen. Soll ich meinen Koffer packen und gehen? Jetzt? Ist es weniger gefährlich eine Nacht in den Straßen von Paris zu verbringen als hier, unter einer permanenten Bedrohnung eines manisch-verbalen Überfalls? Was ist wenn der Typ gewalttätig wird? Ich stand auf und versuchte zu lesen. Das ging nicht, ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich saß einfach da und starrte aus dem Fenster. Ich hörte Schritte im Flur, in der Küche, Wasserkochergeräusche. Ich legte mich erneut hin. Irgendwann, trotz Hitze und lauter Straßengeräusche, schlief ich ein.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo maschamayr,
du hast ja erst eine Kritik bekommen, deshalb ziehe ich deine Geschichte mal wieder etwas weiter nach oben. Das passiert halt bei so vielen Neuveröffentlichungen wie in den letzten Tagen.
Ich beginne mit den üblichen Stolperfallen.

Dann zerbrach ein Marmeladenglas.
Toll! Das interessiert aber den Leser nicht. Auch im weiteren Verlauf verwendest du an mehreren Stellen unnötige Details, die du, so scheint es mir teilweise, nur eingebaut hast, um deiner Geschichte mehr Futter zu geben. Hierzu rate ich dir: Streichen. Ist für den Leser angenehmer und trägt auch ein bisschen dazu bei, dass ich man als Leser nicht das oben genannte Gefühl bekommt.

Er legte alles fest, dann und dann zum Markt, dann essen, dann zum Eiffelturm, dann zu einem Musik- und Tanz-Openair. Ich fand mich damit ab, war schon recht zufrieden mit dem Ergebnis meines Tages.
Hm... :shy: Ich weiß zwar, was du mit dieser Auflistung bewirken willst, aber in diesem Abschnitt ist für mich zu viel Auflistung. Da würde ich unbedingt etwas umformulieren (Stichwort: dann).

Wir gingen zum Markt...
Sind sie da nicht einen Abschnitt davor schon hingegangen?

Ich war bereits müde von der Hitze und der Vorstellung den restlichen Tag in der Stadt zu verbringen.
Komma fehlt

In der Metro saß eine schwarze Frau uns gegenüber...
Moment! Wollten sie nicht gerade noch nach Paris aufbrechen? Und jetzt sitzen sie auf einmal in der Metro?

Wie schon maria.meerhaba angedeutet hat, auch für mich fehlt da etwas. Ich glaube, dass du das Zeug zum Schreiben hast, es dir aber gehörig an der Form und dem Feinschiff fehlt. Das ist für mich eine Auflistung der unterschiedlichen Ereignisse, keine abgeschlossene Geschichte. Ich weiß, wie schwierig es ist, etwas Abgeschlossenes zu schreiben. Vielleicht kannst du dir unsere Anmerkungen bei deiner Überarbeitung miteinbeziehen. Du musst die Angelegenheiten in einen näheren Zusammenhang bringen (Stichwort: Marmeladenglas). Deine Geschichte braucht mehr Kraft, mehr Überzeugung, dass man als Leser das Gefühl bekommt: Ja, da entwickelt sich etwas. Ich freue mich auf deine Überarbeitung!

Ferner noch ein herzliches Willkommen bei den Wortkriegern!
Liebe Grüße,
SCFuchs

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom