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Jonathan Littell: Die Wohlgesinnten
Mahlzeit,
1.392 Seiten! Da komme ich nie durch, war meine Befürchtung ... ging aber dann doch. Okay, es hat Längen zwischendurch, das Lektorat hätte hier auf der einen oder anderen Kürzung bestehen können. Die Wahrheit: Ich konnte es gar nicht mehr weglegen.
Vielleicht ist mein Hintergrund derjenige welcher mich zu diesem Buch getrieben und es an meine Hände und vor meine Augen geklebt hat. Das will ich gar nicht ausschliessen.
Tatsache ist: das Buch ist schonungslos, hart, brutal, roh, hemmungslos, radikal. Die Gewalt ist oft unerträglich, die Gewalt schneidet in die Phantasie des Lesers mit kalter Klinge, lässt ihn das Buch mit Tränen in den Augen weglegen ... es ist unbarmherzig, gnadenlos.
Leg das Buch weg, am Abend, und der Schlaf will einfach nicht kommen, die Bilder, die aus den Worten in deinem Hirn entstehen, fahren Achterbahn, lassen dich wachliegen und denken, denken, denken ... WARUM NUR!? WIE KONNTE DAS GESCHEHEN!? IST DAS AUCH IN MIR!?
Mit dem Lesen des Buches erübrigt sich die Frage, ob es für den Lauf des Universums sinnvoll wäre, wenn es den Menschen nicht gäbe. Es wäre sehr sinnvoll.
Der Inhalt? Der Inhalt beginnt mit dem Banalen und endet im Banalen. Es sind wir, die den Inhalt geschrieben haben. Ob nun Kreuzzüge, Cortez und seine Spanier, die Pilgerväter und die Indianer, Japan und die Mandschurei, die Hereros, Stalin oder die Einsatzgruppen im Ostfeldzug ... das Böse ist perfekter als das Gute. Es ist besser aufgestellt, ein Teamplayer, das Böse schafft sich immer eine breite Basis, um die Schuld zu teilen.
Das Gute ist ein einsamer Held, eine Lichtgestalt, aber alleine, verloren ...
Das Böse waren unsere Opas, mit großen, liebevollen Händen haben sie uns den Kopf gestreichelt und uns Gute-Nacht-Lieder gesungen, ein Küsschen gegeben. Wir haben das Blut an ihren Händen nicht gerochen.
Wer tief genug empfindet, wird feststellen, dass dieses Buch einen Riss hinterlässt, eine Spalte in deinem Raum-Zeit-Kontinuum, die nicht mehr geschlossen werden kann. Ein direkter Blick in die Hölle ist möglich.
Hier der Link zur Hölle: Die Wohlgesinnten
Euer Heiko