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Könige von Antsirabe

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03.10.2020
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Könige von Antsirabe

Als das Flugzeug Richtung Antananarivo abdrehte und zwischen den Wolken die riesige Landmasse erschien, sahen Erich und Joel eine schwelende Wüste, deren spärliche Vegetation gnadenlos im Sonnenlicht verbrannte. Grau-schwarze Rauchfahnen hingen am Himmel, als wäre in die rote Erde des zweitgrößten Inselstaats der Welt ein Granatteppich eingeschlagen. In einem Magazin hatte Erich gelesen, dass neunzig Prozent des Landes abgeholzt und brandgerodet worden waren – von der Holzmafia und den Bauern. Von oben sah es aus, als stürbe Madagaskar einen qualvollen Erstickungstod.
In Antananarivo war es drückend heiß, die Atemluft stickig und die Straßen eng und dreckig. Ihr Taxifahrer sah aus wie ein Durchschnittsmadagasse: Ein Schwarzer mit asiatischen Gesichtszügen, kurzem Haar und gutmütigem Lächeln. Bienvenue à Tana stand auf einem sonnengebleichten Schild. Aus dem Taxi sahen sie die braunen Wasser des Ikopa, dessen Ufer in Plastik, Haushaltsabfällen und pechschwarzem Schlamm ertranken. Durch das Fenster rochen sie Holzkohle, brennendes Gummi und Kloake. Die Sonne glitzerte auf den Wellen, als wollte sie verhindern, dass der mächtige Fluss seine Anmut verlor. Frauen wuschen Kleidung im Brackwasser und weißlicher Schaum trieb davon. Blasen oszillierten in der untergehenden Sonne und Kinder sprangen von einer Brücke.
Für die ersten beiden Nächte hatten sie das Grand Hôtel Mellis & Spa gebucht, ganz in der Nähe der Avenue de L’Independence. Wobei Grand Hotel zu lautmalerisch klang für die 3-Sterne-Unterkunft in dem alten Kolonialgebäude. Vor dem Eingang stiegen sie aus dem Taxi. Während der Fahrer ihr Gepäck aus dem verbeulten Kofferraum hievte, schlich sich ein Junge von hinten an. Blitzschnell polierte er Joel die Turnschuhe und streckte dann lächelnd und kniend seine Hand aus. Widerwillig und überrascht steckte ihm Joel eine Münze zu. Der Junge nickte und setzte sich wieder auf seinen Karton am Straßenrand.
Lachend zeigte der Taxifahrer mit dem Daumen nach oben, schüttelte ihnen die Hände und verabschiedete sich überschwänglich auf Französisch. Erich und Joel zwängten sich durch eine Menschentraube. Im Vorbeigehen lauschten sie fremden Worten in Malagasy, die ganz anders klingen, als die Sprachen des afrikanischen Festlandes. Auf sie wirkte es wie zusammenhangsloses Gemurmel. Sie betraten die gekühlte Empfangshalle und stellten mit Erleichterung fest, dass man dort, wenn auch nur gebrochen, Englisch sprach. Die Angestellten pflegten einen höflich-distanzierten Service und das Zimmer war schnell bezogen. Sie waren zufrieden mit ihrer Hotelwahl.

Schon im Fahrstuhl in den dritten Stock wurde ihnen bewusst, welches Geschäft hier vorherrschte. Körper gegen Geld. Der Mittvierziger im karierten Hemd grinste sie an, lässig gegen den Spiegel gelehnt, ein schwarzes Mädchen im Arm, das betreten oder schüchtern auf den Boden schaute. Ihr schwarzes Haar glänzte im Fahrstuhllicht, als wäre es pomadisiert.
Als die Nacht hereingebrochen war, lagen Tanas Straßen in Finsternis. Nur hie und da erhellten Flammen die Steinwände der Gebäude, weil die Menschen ihren Müll in der Gosse verbrannten. Keine Menschenseele war von dem Balkon auszumachen, wo Erich und Joel auf Plastikstühlen hockten und Three Horses Pilsner tranken und Mélias rauchten. Tana erschien von diesem Balkon betrachtet nicht anders als Madagaskar aus dem Flugzeug: Ausgestorben und schwelend lag die Stadt in der Nachglut des Feuers, das am Tag das Land zerstört hatte, und erduldete stumm die Brände in ihrem nachtschwarzen Herzen.
Am nächsten Tag erkundeten sie die von den violetten Jacarandabäumen gesäumte Avenue de L’Independence und die umliegenden Straßen. Besichtigten den Gare de Soarano, den französisch-italienischen Kolonialstil in der Innenstadt. Seit 1960 war das jetzt die Repoblikan’i Madagasikara.
Sie nahmen ein Taxi zum Tsimbazaza Zoo, bei dem sie sich aber nur kurz aufhielten, weil sie die widrigen Bedingungen, unter denen die Tiere gehalten wurden, nicht lange aushielten. Die Mitarbeiter des Zoos waren ähnlich ausgehungert und erklärten ihnen unaufgefordert irgendwelche Details zu den eingesperrten Geschöpfen, sogar die Geschichte eines dreibeinigen Esels, nur um etwas Geld zu kassieren. Also fuhren sie zum Stadtrand, wo sie freie Sicht auf den Hügel hatten, an dem im Stile Hollywoods die Aufschrift Antananarivo prangte. Das R war wohl heruntergefallen. Aber man hatte sich die Mühe gemacht, es zumindest einigermaßen grade wieder anzubringen. Eine goldene Staubglocke hing über der Stadt, in der sich das Sonnenlicht brach und einen verträumten Glanz auf die Dächer legte.
Beim Herumgehen beobachteten sie in einer schmalen Seitengasse einen Tauschhandel. Ein dürrer Mann mit einem Kind am Arm nahm ein kleines Geldbündel seines Kunden entgegen. Später sahen sie ihn allein an der rissigen Wand lehnen und Zigarette rauchen, während er auf die Rückkehr des Kindes wartete. Hoch oben auf dem Hügel, über dem Schriftzug, thronte der Palast der Königin, die Rova, und ihre funkelnden Fensterchen und gleißenden Türmlein überstrahlten die Geschehnisse mit argloser Prächtigkeit. Erich und Joel machten sich auf den Rückweg ins Stadtzentrum, ohne ein Wort darüber zu verlieren.

Auf den tausend Stufen von Tana wurden sie von einem Mann angesprochen. Sie waren auf dem Weg zum Tourismusbüro, das in der Oberstadt zu finden ist. Mit einem Lachen und ausgebreiteten Armen kam er über die Stufen auf sie zu, als hätte er ihnen schon von weitem angesehen, wohin sie unterwegs waren. Er stellte sich als Florence vor, Tourguide für ganz Madagaskar. Stolz hielt er ihnen seinen Ausweis entgegen, den er an einem blauen Band um den Hals trug. Florences Wanst wippte bei jedem Schritt und er schnaufte wie ein Nilpferd.
„Whea a’yu from?“, fragte er und als sie ihm erklärten, dass sie beide aus Deutschland kommen, lachte er noch mehr und schlug Erich auf die Schulter: „Ah, sehr schön, Deutschland! Gutes Land. Schönes Land!“
Einigermaßen überrascht ob seiner Deutschkenntnisse folgten sie ihm die Stufen hinauf. Florence erzählte ihnen, dank eines schweizerischen Entwicklungsprojekts habe er in Zürich studiert. Tourismus. Lange sei das her, aber eine Sprache verlerne man nicht so schnell, das sei wie Fahrradfahren. „Wie lange haben Sie Zeit?“, fragte er.
„Knapp zwei Wochen. Dreizehn Tage.“
„Gut, gut. Da können wir eine Tour machen. Das passt. Es wird nicht für den Norden reichen, Nosy Be und so, aber hier, nach Antsirabe, Tsingy und auf den Fluss Tsiribihina. Dafür reichen dreizehn Tage!“
Erich und Joel folgten Florence ins Innere des Tourismusbüros, um diverse Formalitäten zu erledigen. Für Diebstähle wurde nicht gehaftet. Auf einem Formular stand irgendwas von den Rechten und Pflichten der Guides. Seitenweise Blabla. Im Nu war alles unterzeichnet und die beiden fühlten sich zufrieden: Nun konnten sie endlich losziehen und Lemuren und Chamäleons und die berühmten Baobaballeen sehen! Noch dazu mit einem deutschsprachigen Guide. Da konnte im Grunde nichts mehr schiefgehen.
„Morgen um neun!“, sagte Florence und zeigte sein breitestes Lächeln. „Ich hole Euch mit meinem Fahrer ab. Schaut, dass Ihr das Geld dabei habt. Wisst Ihr, wo Ihr Geld holen könnt?“
„Wissen wir“, sagte Joel.
„1200 Dollar. 5,5 Millionen Ariary sind das. Für jeden von euch, wie abgemacht. Gleich da drüben gibt’s eine Bank. Ihr müsst das hier machen, außerhalb Tana wird’s schwer.“
„Okay. Dann bis morgen!“
Sie suchten eine Weile, bis sie Bankomaten fanden, die funktionierten und genug Geld ausspuckten. Für Erich reichte es nicht mehr und er musste sich in eine endlos lange Schlange zum Schalter anstellen. Schlussendlich gingen sie zum Hotel zurück, beide ein Geldbündel von der Dicke eines Ziegelsteins im Rucksack. Die höchste madagassische Note mit dem Wert zehntausend entsprach knapp zwei Euro. Sie zeigte einen Kipplader, einen Bagger und einen Kran vor dem Hintergrund eines Palmenwäldchens. Passt ja, dachte Erich und schüttelte irritiert den Kopf.

Florence Fahrer hieß Ritchie und war in seinen Dreißigern, ungefähr zehn Jahre jünger als er. Ritchie sprach nur Malagasy und ein paar Brocken Französisch, aber das spielte keine Rolle, er musste ja nur den Jeep fahren. In seinen abgeranzten Kleidern und mit dem Krokodilsgesicht und Stoppelbart wirkte er wie ein entflohener Häftling. Auf den befestigten Straßen holte er alles aus dem Jeep raus, rammte ein paar Mal beinahe ein Taxi Brousse, überladene MAN- und Mercedesbusse aus den Fünfzigern und Sechzigern. Meist jedoch überholten sie Ochsenkarren, die den Anfängen des vorherigen Jahrhunderts zu entstammen schienen und ließen sie in einer Staubwolke zurück. Abseits der geteerten Wege schaukelte der Jeep wie ein Schiff bei Seegang.
Im Regenwald gelang es Erich, ein Video von einer Lemurenmamma und ihrem Baby zu machen. Auch Joel knipste mit seiner Kamera Dutzende Fotos von Vögeln und der artenreichen Pflanzenwelt. Farbenprächtige Orchideen und Kaffeegewächse, Sukkulenten. Sie waren zufrieden. Florence hatte eingehalten, was er versprach. Nur die Wanderung am späten Abend auf der Suche nach den kleineren, nachtaktiven Lemuren stellte sich als pure Langeweile und schlussendlich als Niete heraus. „Vielleicht sind die Lemuren nach Europa geflüchtet“, witzelte Florence.
Er hatte ein sehr gutes Auge. Manchmal brüllte er Ritchie während der Fahrt an, sodass dieser sofort in die Eisen stieg, und noch bevor der Jeep ausgerollt war, sprang Florence aus dem Fahrzeug. So schnell es sein Nilpferdkörper erlaubte, watschelte er los und zeigte aufgeregt ins Unterholz. „Da, Chamäleon“, sagte er und zeigte auf irgendeine Stelle. Meist dauerte es einen Moment, bis Erich und Joel das Tier im dichten Geäst ausmachen konnten. Noch mehr Fotos.
Je weiter sie ins Land vordrangen, desto spärlicher wurden die Mahlzeiten. Bananen, Ananas, Fladenbrot, zu Trinken nur Wasser, das sie in drei Kästen im Kofferraum mit sich führten. Kehrten sie irgendwo ein, gab es oft nur Suppe. Die Unterkünfte wurden einfacher und heruntergekommener. Erich und Joel begannen sich öfter zu fragen, ob ihre Guides den Preis von 1200 Dollar pro Person wert waren. Außerdem hatte Florence die unangenehme Eigenschaft entwickelt, ständig in dem langsam schmaler werdenden Ziegelstein aus Ariarys rumzublättern, als würde er zählen, wie viel von seinem Schatz noch übrig blieb. Wachsender Unmut begann sich in Erich und Joel breitzumachen. Nur die Flussfahrt auf dem Tsiribihina sollte sie dann doch noch entschädigen.

Am Abend vor der Flussfahrt, in einem Kaff namens Belo sur Tsiribihina, platzte ihnen der Kragen. Sie hatten Florence und Ritchie schon ein paar Nächte lang verdächtigt, irgendwelche schmutzigen Dinge abzuziehen. In Belo sur Tsiribihina wurde es offensichtlich und die beiden Guides operierten nicht mehr im Versteckten. Wahrscheinlich gaben sie sich keine Mühe mehr, weil die Hälfte der Tour sowieso bereits um war.
Erich und Joel saßen im Innenhof eines schäbigen Hotels, rauchten Zigaretten und tranken Toaka Gasy, einen malagassischen Rum, dem nachgesagt wurde, er könne Tote erwecken. Aber in ihnen erweckte er lediglich eine brennende Wut, die sich wie eine Faust im Magen ballte.
Die Holztür zu Florences Zimmer war angelehnt, einem Zimmer, dass er mit ein paar Scheinen aus dem Ziegelstein bezahlt hatte, und sie konnten ein Mädchen sehen, das an einer Dose Smirnoff nippte und in einem Plastikstuhl fläzte. Sie war vielleicht vierzehn oder fünfzehn. Oder doch älter? Florence selbst lag auf dem Bett und nur seine Füße waren zu sehen. Zu ihrem Erstaunen hatte er sich Zimmerservice bestellt, der leckere Duft nach gebratenem Fisch zog um ihre Nasen. Das Radio lief und blubberte endlose malagassische Wortfetzen.
Ritchie kam aus dem Zimmer gegenüber. Schweiß rann über sein Gesicht und die Haare standen ihm wirr vom Kopf. Seine Hemdknöpfe waren offen. Er setzte sich wortlos und grinsend zu ihnen, eine Flasche Bier in der Hand. Dann zündete er sich eine Zigarette an.
Hinter ihm ging die Tür seines Zimmers erneut auf. Ein Mädchen in einem grünen Kleid, dessen Träger zerrissen waren, blickte sich mit ganz großen Augen um. Dann flüchtete es durch den Innenhof, eine Hand vor der Brust und verschwand in die schwüle Nacht.
„Die ficken Kinder“, sagte Joel tonlos. „Die ficken Kinder von unserem Geld.“
„Hast du keine Frau?“, fragte Erich Ritchie in gebrochenem Französisch. Der Toaka Gasy befeuerte seine Abscheu und er beschloss, den Hass nicht länger zu unterdrücken.
„Oui, j’ai beaucoup de femmes“, antwortete Ritchie grinsend und hob seinen Krokodilschädel.
„Wieso tut ihr das?“
Erich zitterte vor Anspannung.
„Weil wir die Könige sind“, sagte Ritchie, schnippte seine Zigarette über den Hof und ging zurück ins Zimmer.

Ritchie parkte am sandigen Ufer des Tsiribihina. Am Fluss war mächtig was los. Fische wurden auf blutbeschmierten Tischen ausgenommen, Familien samt Ziegen und Hühnern in mit allen Farben bemalte Boote gesetzt, eine Armada an Verkäufern schritt auf und ab, während eine Reihe Jeeps über Balken auf eine wacklige Fähre fuhr. Auf nicht viel mehr, als ein paar Baumstämme mit Ladefläche und Motor.
Während Erich und Joel darauf warteten, dass ihre traditionelle, segellose Piroge mit Esswaren, Trinkflaschen und den Zelten beladen wurde, umringte sie ein Dutzend Kinder in dürftigen und dreckigen Kleidern. Die Kinder machten Faxen, sprangen in die Luft, alle viere von sich gestreckt und stiegen übereinander, sie lachten ganz viel, bis Erich bemerkte, dass sie sich im Rückspiegel des Jeeps selbst sehen konnten und sich deshalb so verausgabten.
Florence kam angeschnauft und stützte sich am Wagen ab. „Das Boot ist bereit. Gebt ihnen die leeren Plastikflaschen“, sagte er und zeigte auf die lustige Truppe. „Dann können sie etwas Geld verdienen.“ Joel öffnete den Kofferraum und nahm ein paar leere Flaschen heraus, die er in die ausgestreckten Hände des herumhüpfenden Kinderknäuels gab. Dankbar stoben sie in alle Himmelsrichtungen davon. „Kommt!“, sagte Florence. „Ich stell euch meine Assistants vor, die mit euch über den Tsiribihina fahren.“

Die dreitägige Fahrt auf dem Tsiribihina fühlte sich an wie ein fiebriger Traum. Ben und Joshua, Florences Assistenten, paddelten unermüdlich in der prallen Sonne, während Erich und Joel unter Schirmen hockten und lauwarmen Toaka Gasy aus Bechern schlürften. Wenn die anderen fragten, gaben sie ihnen etwas ab, ansonsten konnten sie sich nur mit Händen und Füßen verständigen. Die beiden redeten ja nur Malagasy. Der Fluss war rege befahren und die Männer schlugen zum Gruß mit den Paddeln gegen den Rumpf ihrer Boote.
Manchmal sahen sie Dörfer an den Ufern, einfachste Stroh- und Holzhütten, teilweise sogar auf Stelzen, nicht selten rannte eine Gruppe Kinder und Jugendlicher hinter der Piroge her und winkte und johlte ihnen zu. Andernorts wurde der Strom so breit, dass sie sich auf einem See glaubten und in der Abenddämmerung vollführten exotische Vögel einen Schattentanz vor der tiefrot wolkenbeflockten Bühne des Horizonts. Oder Bauern zogen mit ihren Rindern durchs seichte Ufer, um ihre Tiere zu tränken. Einmal beobachteten sie, wie zwanzig Mann eine über die Böschung gestürzte Kuh mittels Seilen aus dem Wasser ziehen wollten, um sie vor den lauernden Krokodilen zu retten.
Das Essen für Erich und Joel war von Florence bereitgestellt worden. Nudeln und Reis, frischer Ingwer, Büchsengemüse und sogar ein mehr oder weniger lebendiges Huhn, dass Florences Assistenten töteten und rupften, während ihre Gäste in einem natürlichen Becken am Flussrand badeten. Ben und Joshua kochten wahlweise an Land über dem Feuer oder direkt in der Piroge auf einem Gasbrenner. Sie allerdings mussten angeln, wenn sie selbst was zwischen die Zähne kriegen wollten. Sie wechselten sich beim Kochen und Fischen ab. Als Erich und Joel ihnen etwas von ihrem Essen abgeben wollten, schüttelten beide den Kopf und lachten. Ben zeigte auf sie, rieb mit den Händen über seinen Bauch und hob den Daumen.

Abends erschienen aus der Dunkelheit Frauen und noch mehr Kinder und brachten Hülsenfrüchte. Sie trugen nur Lumpen oder waren nackt. Erich und Joel saßen im Schneidersitz am Lagerfeuer und unterhielten sich mittels Zeichensprache mit den neugierigen Besuchern, während sie auf den bitteren Nüssen herumkauten und immer wieder ausspuckten. In der Nacht schliefen sie in den Zelten, die ihnen von Ben und Joshua gestellt wurden.
In der Mitte des nächsten Tages legten sie am Steg eines Dorfes an. Die ganze Gemeinschaft war zusammengekommen, um die Fremden lachend oder argwöhnisch dabei zu beobachten, wie sie mit ihren nackten Füssen von Schatten zu Schatten sprangen und über den glühend heißen Sand tänzelten. Im Innern einer rußgeschwärzten Bretterbude suchten sie Schutz vor der Sonne. Das halbe Dorf drängte herein. Man hatte hinter dem Verschlag eine Kuh in ein Loch getrieben und sie geschlachtet. Das rohe Fleisch lag auf Tischen oder war an Haken an die Wand gehängt. Hunderte Schmeißfliegen stoben auf, sobald sich jemand bewegte. Später spendierte das Dorfoberhaupt eine Runde selbstgebrannten Toaka Gasy aus Tonkrügen. Ben und Joshua lachten den ganzen Tag.

Am zweiten Abend kam eine Bande junger Männer vorbei, bewaffnet mit ramponierten AKs und abgenutzten Pistolen.
„Pas problème“, sagte Joshua mit blitzenden Augen. „Sécurité.“
Morgens brachen sie noch in der Dunkelheit auf. Die letzte Etappe bis nach Morondava und der Baobaballee war in drei Stunden geschafft. Ben und Joshua landeten die Piroge in seidigem Nebel am flachen, sandigen Ufer. In der Ferne sahen Erich und Joel schon Ritchies frischgewaschenen Jeep in der Sonne glänzen. Bevor sie sich verabschiedeten, wandte Erich sich ein letztes Mal an die neu gewonnen Freunde und sagte: „Florence“. Dann rieb er Daumen und Zeigefinger aneinander und zeigte auf Ben und Joshua. Ben verstand.
„Sept mille“, sagte er und lachte.
Sie gaben ihnen je fünfzigtausend, nahmen ihr Gepäck, schüttelten sich innig und ausgiebig die Hände und schritten dem Jeep entgegen. Zwei-, dreimal drehten sie sich noch um und sahen Ben und Joshua winkend bei der Piroge stehen.
Nach einem Tagesbesuch im Tsingy de Bemaraha („Spitze Steine“, sagte Florence immer wieder lachend, wobei er den sch-Laut wie ein verlängertes S betonte) und der Beobachtung, wie die Sonne vor einem türkis zu orange fliehenden Himmel mit den Silhouetten der Baobabs verschmolz, fuhren sie auf das Hochplateau von Antsirabe hinauf. Die karge und ausgebrannte Steppenlandschaft wurde von imposanten, grünen Reisterrassen abgelöst, die im Licht der Scheinwerfer vorbeirauschten. Wegen der gewundenen Straßen musste Ritchie anhalten, damit Joel in den Graben kotzen konnte. Schließlich erreichten sie Antsirabe am frühen Abend und bezogen ein weiteres Hotelzimmer, diesmal wohnlicher, fast schon europäischer Standard. Sogar mit Balkon und Dusche.

An diesem Abend entluden sich ihr Antagonismus und der angestaute Frust gegenüber den Zuständen dieses Landes und gegenüber ihren Guides in einem an die Ohnmacht grenzenden Saufgelage. Sie sassen auf dem zur Straße gewandten Balkon und die zwei Flaschen Toaka Gasy hatten sich wie nichts weggetrunken, eine dritte stand zwischen Coladosen auf dem wackligen rosa Tischchen. Beide rauchten Kette. Mélias.
„Was meinsch du, haben wir uns zuviel zugemutet?“, fragte Erich.
„Mit was?“
„Na, mit dem Land hier.“
„Nächschtes Mal sollten wir vorher ws buchen, nich einfach mitm Rucksack ins Flugzeug ...“, Joel lachte heiser und Erich stimmte ein. „Um Geld zu sparen!“
Eine Weile lachten sie vor sich hin, bis ihnen die Tränen über die Gesichter liefen.
„Isn ganz schön harter Brocken irgentwie ...“, gluckste Erich.
„Ich fühl mich wie ein Kolonialherrr“, sagte Joel, machte eine unkoordinierte Bewegung an die Brüstung des Balkons, tat so, als würde er sein Reich überblicken. Er rülpste.
Erich prostete ihm zu. „Wir solltn was essen gehen“, schlug er vor. „Schau mal bei Trip...-Advisor.“
Joel stierte mit blutunterlaufenen Augen auf sein Telefon und wischte unbeholfen darauf herum, aber ein paar Minuten später war er tatsächlich fündig geworden.
„Gibt da einen Italiener“, sagte er und streckte Erich das Display unter die Nase. „Gute Bewertungn. Ungefähr schwei Kilometer von hier.“
„Perfekt. Lass uns Rikschas nehmen. Wie hießen die noch?“
„Pousse-Pousse“, sagte Joel und grinste. „Haßt ein‘ Plan. Vernünftig.“
Joel hielt sich an der Balkonbrüstung fest und wartete, bis eine Rikscha vorbeikam. Dann gestikulierte er wild mit den Armen und rief: „Pousse! Pousse!“ Der Mann navigierte sein Gefährt durch das Eisentor auf den Vorhof, direkt unter den Balkon. Es dauerte nicht lange und ein zweiter und dritter gesellte sich zu ihm. Sie blickten hoch und winkten ihnen zu, sie sollen runterkommen. Untereinander redeten sie zunehmend aggressiv klingende Worte in Malagasy. Erich hatte Blut geleckt und stellte sich ebenfalls ans Balkongeländer und winkte noch mehr Rikschas auf den Platz. Bald waren es ein Dutzend oder mehr.
Erich und Joel blickten auf die wartende Menge mit ihren bunten Wagen, die noch von Hand gezogen wurden. Sie zeigten immer wieder mit dem Daumen nach oben und sagten: „Wir kommen gleich. Attend. Attend.“ Sie machten so lange weiter, bis keine Rikscha mehr Platz hatte. Auf dem Vorhof war es so eng, dass es kein vor und zurück mehr gab. Rikschas und Zugmänner schienen hoffnungslos ineinanderverkeilt. Außerhalb des Pulks, vor dem Eisentor, warteten auch schon welche. Einige waren vielleicht nur gekommen, um zu sehen, was es mit diesem Trubel auf sich hatte. Aber die meisten dachten bestimmt, dass sich mit diesen stockbetrunkenen Weißen gut Geld verdienen ließ.
Erich plumpste zurück in seinen Stuhl. „Wir sind die Könige von Antsirabe, Mann“, grölte er und musste sich festhalten, um nicht zu Boden zu krachen.
„Waz meinzt du, wie viele kriegen wir tzusammen?“
„Da geht noch was!“

Auf wackligen Beinen stiegen sie die Treppe hinunter in den Hinterhof. Ein Durchgang verband ihn mit dem Platz vor dem Hotel. Sie konnten die ersten Rikschas sehen. Es würde kein Durchkommen geben. Was hatten sie getan? Nun, da sie vor der Aufgabe standen, eine Rikscha auszuwählen, fühlten sie eine rohe, beinahe greifbare Aggressivität, die von der Menge in den Durchgang schwappte und sich im schmalen Hof staute.
Joel ging voran. Kaum traten sie aus dem Durchgang, ging ein Geschrei los. Man zeigte auf Rikschas, machte lange Gesichter oder lachte und sagte: „Allons-y! Allons-y!“ Bevor sie sich versahen, waren sie mittendrin und der Pulk riss sie dorthin und dahin, zerrte an ihren Jackenärmeln („Antsirabe, die kälteste Stadt in Madagaskar“, hatte Florence erklärt) und an den Hosenbeinen. Man versuchte sie unsanft in Rikschas zu bugsieren, aber das ständige Gezerre und Geschubse verhinderte, dass sie sich irgendwo setzen konnten.
Einer der Rikscha-Männer zog Joel besonders heftig an der Jacke, sodass sie einen Riss bekam. Als wäre das ein Stichwort, flogen die ersten Fäuste. Nicht lange und alles prügelte aufeinander ein. Frustration und Verzweiflung bahnten sich Weg in einer erdbebenartigen Explosion, die auf sämtliche Anwesenden übersprang. Erich stolperte über die Zugstange einer Rikscha und Joel half ihm wieder auf die Füße, bevor sein Kumpel von der Menge unter die Räder kam. Dabei musste er aufpassen, sich nicht selbst hinzulegen. Sein Rücken wurde mit Schlägen traktiert und weiter heftig an der Jacke gezerrt.
Von den Hotelangestellten tauchte niemand auf, um zum Rechten zu sehen. Man ließ die Massenschlägerei einfach geschehen. Torkelnd und mit erhobenen und ausgestreckten Ellenbogen kämpften sich Erich und Joel Richtung Tor, wurden schließlich vom Pulk auf die Straße gespuckt. Über Erichs rechtem Auge klebte Blut. Sie warteten nicht, bis sich die Rikscha-Männer beruhigten, sondern machten, dass sie wegkamen.

Google Maps brachte sie an ihr Ziel, aber nicht ohne taumelnde und torkelnde Umwege durch die dunklen Straßen Antsirabes. Trotzdem fühlten sie sich, als hätten sie die zwei Kilometer innerhalb Minuten zurückgelegt. Sie betraten die Pizzeria, die in modernem italienischem Stil eingerichtet und sehr gut besucht war, ernteten ein paar schiefe Blicke für ihr ramponiertes Äußeres und fanden einen der letzten freien Tische in der hintersten Ecke des Gastraumes.
Zögernd lächelten sie sich an, frönten ihrem besoffenen Stumpfsinn, weil sich das Restadrenalin verflüchtigt hatte und der Alkohol die Oberhand gewann. Danach schlugen sich die selbsternannten Könige von Antsirabe die Bäuche voll, bis sie beinahe platzten, um den erlittenen Schock schnellstmöglich zu verdauen.

 

Hallo @deserted-monkey

Ich kenne es ja, das Warten auf den ersten Kommentar unter einer Geschichte, in die man eine Menge Arbeit gesteckt hat.
Deshalb schreibe ich meinen ersten Eindruck. Die Challenge absorbiert einiges an Zeit. Und Weihnachten naht. Ich werde ganz sicher noch detailliert kommentieren.

In Madagaskar war ich kurz vor der Seuche. Nur ein paar Tage. Liegt etwas abseits meiner Routen. Was ich aber sagen kann ist, dass der Text die Melancholie, etwas zwischen Hoffnung und Abgrund, dieses fast schon geschundenen Landes sehr gut transportiert. Ich war nur in der Hauptstadt, konnte keinen Ausflug machen, kenne die Baobabs aus anderen afrikanischen Ländern, ein mystischer Baum, Heimat von Tieren und Pflanzen, die mit ihm in Symbiose leben.

In diesem Jahr bin ich einmal nach Sansibar geflogen. Neben mir saß ein Mann, etwas älter als ich, der mir mit leuchtenden Augen, ganz so, als suchte er einen Geistesverwandten, von den jungen Mädchen erzählte, mit denen man sich dort vergnügen könne. Ich habe ihn irgendwann einfach ignoriert. Man sieht die alten europäischen Männer oft in afrikanischen Ländern, in Kenia, Tansania, Kamerun. Sie kommen mit Mädchen zum Frühstück, die kaum achtzehn Jahre alt sein können. In Madagaskar habe ich das auch beobachtet. Widerlich, ja, womöglich ein Geschäft, von dem beide Seiten profitieren. Man kann der Armut nicht entkommen in manchen Ländern und hofft auf ein besseres Leben, auch wenn man sich überwinden muss, so stelle ich mir das vor.
Du erwähnst diese Beobachtung mehrfach im Text, aber das reicht nicht aus, meine ich. Bisher liest sich der Text wie ein Reisebeschreibung, sehr authentisch, sehr nahe am Land, aber vielleicht doch etwas fern von dem, was sich zu zeigen lohnte. Zum Beispiel die Männer mit den jungen Mädchen. Die Protagonisten nehmen vieles wahr, trinken und scheinen das, was sie erleben und sehen, wegzulächelnd. Etwas wie innere Konflikte würden den Text mMn weitaus prägnanter machen. Näher an die Figuren, schärfen.

Soweit meine ersten Gedanken. Ich mag den Schreibstil und die Einzelheiten. Handwerklich sehr gut alles.

Viele Grüße
Isegrims

 

Moin @deserted-monkey,

danke für Deine Geschichte. Ich war noch nie in Afrika, kenne mich mit Land und Leuten überhaupt nicht aus, daher sagten mir sehr viele der Begriffe und Namen gar nichts. Aber ich habe das Lesen nicht gestoppt um zu googeln oder sonstwas, wollte die Story so wie sie auf mich wirkt, wirken lassen. Das nur zur Info, aus welcher Position ich den Text aufgenommen habe.

Ich bin ein wenig zwiegespalten. Auf der einen Seite glaube ich, einen Film von dem, was Du zeigen willst, in meinem Kopfkino gesehen zu haben. Auf der anderen Seite war es kein Film, der lange in Erinnerung bleibt.
Die beiden Protagonisten kann ich nicht greifen, sie starten und bleiben beliebig und austauschbar. Es ist, als ziehe das, was (ihnen) passiert, an ihnen vorbei und so sind sie für mich nur farblose Hülsen, sie sind mir egal und so irgendwie auch ihr Tun.
Was mich berührt, sind die Umstände, denen sie begegnen. Aber durch die fehlende Verbindung/Identifikation ist dieses Gefühl auch schnell wieder weg und daher beinahe umgehend vergessen.

Kleinigkeiten:

Als das Flugzeug Richtung Antananarivo abdrehte und zwischen den Wolken die riesige Landmasse erschien, sahen Erich und Joel eine schwelende Wüste, deren spärliche Vegetation gnadenlos im Sonnenlicht verbrannte. Grau-schwarze Rauchfahnen hingen am Himmel, als wäre in die rote Erde des zweitgrößten Inselstaats der Welt ein flächendeckender Granatteppich eingeschlagen. In einem Magazin hatte Erich gelesen, dass neunzig Prozent des Landes abgeholzt und brandgerodet worden waren, von der Holzmafia und den Bauern. Von oben sah es aus, als sterbe Madagaskar einen qualvollen Erstickungstod.
Das fettgedruckte ist mir zu sprunghaft in der Perspektive. Sie schauen aus dem Flugzeug und sehen die Landmasse, sofort können sie spärliche „brennende“ Vegetation ausmachen? Das durchgestrichene könntest Du streichen, denn es wirkt erklärend oder redundant (Teppiche sind meist flächendeckend).

Bienvenue à Tana stand auf einem sonnengebleichten Schild.
Hier ließ mich die Verortung straucheln. Sind sie da schon im Taxi? Wo genau befindet sich das Schild?

Durch das Fenster rochen sie Holzkohle, brennendes Gummi und Kloake. Die Sonne glitzerte über die Wellen, als wolle sie verhindern, dass der mächtige Fluss seine ursprüngliche Anmut verlor. Frauen wuschen Kleidung im Brackwasser und weißlicher Schaum trieb davon. Blasen oszillierten in der untergehenden Sonne und Kinder sprangen von einer Brücke.
Evtl. das „über“ in „auf“ ändern. Die „ursprüngliche Anmut“ liest sich, als wären sie schon einmal dort gewesen, als wüssten sie, dass der Fluss einst anmutig war, vor der Verschmutzung.
Sie fahren mit dem Taxi am Fluss vorbei und können Blasen sehen, die in der Sonne osziliieren? Wie schnell (oder langsam) fähr der Wagen? Vielleicht habe ich aber auch einfach das falsche Bild vor Augen?

Sie betraten die gekühlte Empfangshalle des Hotels und stellten mit Erleichterung fest, dass man dort, wenn auch nur gebrochen, Englisch sprach.
Ist klar, das braucht es nicht.

Der Mittvierziger im karierten Hemd grinste sie an, lässig gegen den Spiegel gelehnt, ein schwarzes Mädchen im Arm, das betreten oder schüchtern auf den Boden schaute.
Ich würde mich für eines von beiden entscheiden.

Keine Menschenseele war von dem Balkon auszumachen, wo Erich und Joel in Plastikstühlen hockten und Three Horses Pilsner tranken und Mélias rauchten.
auf Stühlen?

Ausgestorben und schwelend lag die Stadt in der Nachglut des Feuers, das am Tag das Land zerstört hatte, und erduldete stumm die Brände in ihrem nachtschwarzen Herzen.
Ich glaube das Bild zu erkennen, dass Du hier zeichnen willst, doch irgendetwas an diesem Satz liest sich zu holprig, bzw. artifiziell.

Das R war wohl heruntergefallen. Aber man hatte sich die Mühe gemacht, es zumindest einigermaßen grade wieder anzubringen.
Den zweiten Satz evtl. streichen. Gerade habe ich das Bild des Hollywod-esken Schriftzugs mit fehlendem Buchstaben vor Augen, da stellst Du das „R“ wieder schief auf und das haut raus.

Eine goldene Staubglocke schwebte über der Stadt, in der sich das Sonnenlicht brach und einen verträumten Glanz auf die Dächer legte.
Eine schwebende Glocke? Vielleicht eher „umhüllte die Stadt“ (oder so)?

Beim Rumgehen beobachteten sie in einer schmalen Seitengasse einen Tauschhandel.
Das liest sich zu simpel

Ein dürrer Mann mit einem Buben am Arm nahm ein kleines Geldbündel seines Kunden entgegen.
Der „Bube“ ließ mich straucheln. Tacuht später nochmal auf. Das ist so ein altes, deutsches Wort. Durch die Erwähnung von Euros verorte ich den Text aber in der Gegenwart.

Unter seinem verschwitzten Hemd spannte sich ein beachtlicher Wanst, der bei jedem seiner Schritte auf und ab wippte.
Den Satz kannst Du streichen. Das Bild des Nilpferds ist stark genug.

In seinen abgeranzten Kleidern und mit dem Krokodilsgesicht und Stoppelbart wirkte er wie ein entflohener Häftling.
Lässt mich straucheln. Wie sieht ein Krokodilsgesicht aus?


Am Abend vor der Flussfahrt, in einem Kaff namens Belo sur Tsiribihina, platze ihnen aber erstmal der Kragen.
Evtl ändern in „platzte ihnen zum ersten Mal der Kragen“.

Sie hatten Florence und Ritchie schon ein paar Nächte lang verdächtigt, irgendwelche schmutzigen Dinge abzuziehen.
Irgendwelche? Liest sich, als wäre es (dem Autor) egal. Nichts für ungut.

Ritchie kam aus dem Zimmer gegenüber. Schweiß rann über sein Gesicht und die Haare standen im wirr vom Kopf.
ihm

Seine Hemdknöpfe waren offen und zeigten dichtes Brusthaar.
Braucht es nicht.

Hinter ihm ging die Tür seines Zimmers erneut auf. Ein Mädchen in einem grünen Kleid, dessen Träger zerrissen waren, blickte sich mit ganz großen, runden Augen um.
Alles andere als rund würde mich wundern. ;) „Kulleraugen“ wäre möglich, ist aber auch schon sehr plakativ.

„Ich stell euch meinen Assistants vor, die mit euch über den Tsiribihina fahren.“
Weg mit dem „n“ (oder dem „s“ hinter Assistant ?)

Ben und Joshua, Florences Assistenten, paddelten unermüdlich in der prallen Sonne, während sie unter Schirmen hockten und lauwarmen Toaka Gasy aus Bechern schlürften.
Hier strauchelte ich, im ersten Moment las es sich so, würden die Assistenten paddeln und Rum schlürfen

Das halbe Dorf drängte herein. Man hatte hinter dem Verschlag eine Kuh in ein Loch getrieben und sie geschlachtet. Das rohe Fleisch lag auf Tischen oder war an Hacken an die Wand gehängt.
Haken

Am zweiten Abend kam eine Bande junger Männer vorbei, bewaffnet mit notdürftig zusammengebastelten AKs und Pistolen.
Wie muss ich mir diese notdürftig zusammengebastelten Waffen vorstellen? Da habe ich Eigenkonstruktionen á la Mad Max im Kopf. Oder meinst Du ramponiert, abgenutzt, haben bessere Tage gesehen, etc?

Ben und Joshua landeten die Piroge in seidigem Nebel am flachen, sandigen Ufer.
ankerten?

Bevor sie sich verabschiedeten, wandte Erich sich ein letztes Mal an die neu gewonnen Freunde, und sagte: „Florence“.
Also, dass die vier Freunde geworden sind, kam auf mich nicht so rüber. Oder ist das ironisch gemeint?

Beide rauchten Mélias wie Bekloppte.
Das Ende des Satzes könntest Du streichen, das sticht irgendwie negativ raus.

Nächschtes Mal sollten wir vorher ws buchen, nich einfach mitm Rucksack ins Flugzeug ...“, Joel lachte heiser und Erich stimmte ein. „Um Geld zu sparen!“
Willst Du ihn hier lallen lassen? Oder sind das Tippfehler?


Erich stolperte über die Zugstange einer Rikscha und Joel half im wieder auf die Füße, bevor sein Kumpel von der Menge unter die Räder kam.
ihm


Jau, soweit meine fünf Cent,
gerne gelesen, wenn auch rasch wieder vergessen, da keine Verbindung zu den Figuren entsteht.

Beste Grüße
Seth

 

Hallo deserted-monkey, mir fallen bei dieser Geschichte ein paar problematische Punkte auf.

Erstens funktioniert der Aufbau des Textes nicht. Was erwartet ein Leser von einer Kurzgeschichte? Die meisten Leser wünschen sich, dass es schnell zur Sache geht. Der Konflikt soll schnell zu Tage treten. In Deiner Geschichte gibt es allerdings einen langen Vorlauf, bis der Konflikt (die Kinderprostitution, die Touristen quasi mitfinanzieren) sichtbar wird. Bis dahin ist es im Grunde lediglich ein Reisebericht.

Wäre es ein außergewöhnlicher Reisebericht, ein Text, der etwas Besonderes zu bieten hat, z.B. originelle Beobachtungen, scharfsinnige Reflexionen, eine besonders ausgefeilte Sprache, dann würde sich der Leser noch etwas gedulden, man könnte als Autor Zeit gewinnen. Das ist hier aber nicht der Fall.

Aus diesem Grund solltest Du viel schneller zum Konflikt kommen, am besten innerhalb der ersten Absätze. Dann hat der Leser einen besseren Grund weiter zu lesen.

Zweitens solltest Du an der Sprache feilen. Ich finde das grundsätzlich schon gut, aber es gibt mehrere Stellen, die den Gesamteindruck schwächen. Besonders deutlich wird das dort, wo der Text eine gefällige Tonart annimmt. Ich würde Dir raten, schroffer zu schreiben. Du musst Dich beim Leser nicht anbiedern, indem Du ausschmückst, suggerierst, wertest. Konfrontiere den Leser stattdessen mit den Tatsachen. Ob etwas lecker, widrig, schmutzig (im ethischen Sinne) ist usw. muss nicht unbedingt der Erzähler bewerten.

Gruß Achillus

 

Hallo @Isegrims

Vielen Dank für deinen Kommentar.

Was ich aber sagen kann ist, dass der Text die Melancholie, etwas zwischen Hoffnung und Abgrund, dieses fast schon geschundenen Landes sehr gut transportiert.
sehr authentisch, sehr nahe am Land
Ich mag den Schreibstil und die Einzelheiten. Handwerklich sehr gut alles.
Darüber habe ich mich sehr gefreut. Es war mir wichtig, authentisch und nahe am Land zu schreiben, auch gefällt mir, was Du die 'Melancholie zwischen Hoffnung und Abgrund' nennst, ich denke, das trifft es ziemlich gut. Freut mich, dass der Text grösstenteils so bei Dir angekommen ist, gerade auch, weil Du selbst mal kurz im Land warst und erste Eindrücke vor Ort sammeln konntest.

In Madagaskar habe ich das auch beobachtet. Widerlich, ja, womöglich ein Geschäft, von dem beide Seiten profitieren. Man kann der Armut nicht entkommen in manchen Ländern und hofft auf ein besseres Leben, auch wenn man sich überwinden muss, so stelle ich mir das vor.
Ja, ich habe das auch in diversen Ländern gesehen, u.a. auch in denen, die Du nennst, aber in Madagaskar ist mir das im Besonderen aufgefallen. Leider hat das Land ein massives Problem mit Kinderprostitution, das war mir vorher gar nicht bewusst, zumindest ich hatte immer ein schönes Bild von Madagaskar im Kopf, vor allem wegen der faszinierenden und eigenartigen Tierwelt. Aber vor Ort denke ich, merkt man schnell, dass eben nicht alles Friede-Freude-Eierkuchen ist. Wegen der Kinderprostitution: Es ist halt so, dass zum Teil die Eltern ihre Kinder verkaufen (nicht unbedingt an Touristen, auch an Einheimische, die es sich leisten können, so hart das klingt), um damit zumindest ein wenig Geld zu verdienen, um ihre Familie über die Runden bringen zu können. In den Hotels/Unterkünften sieht man auch immer wieder Warnschilder, dass Sex mit Kindern/Minderjährigen verboten sei, aber ehrlich gesagt hatte ich den Eindruck, dass das stillschweigend geduldet wird. Ich denke, dieses Thema könnte ich noch stärker im Text verankern, Du schreibst ja auch:
Du erwähnst diese Beobachtung mehrfach im Text, aber das reicht nicht aus, meine ich.
Verstehe ich und werde daran arbeiten. Die beiden Protas nehmen auch einfach alles so hin, sie lächeln es weg, wie Du schreibst. Beim Einstellen dieses Textes wollte ich auch erst einen Untertitel setzen, 'Ein Reisebericht', aber konnte mir das dann im letzten Moment verkneifen, weil wir sind ja in einem Kurzgeschichtenforum und nicht in einem für Reiseberichte ... :D Ich habe mir schon diverse Gedanken gemacht wie ich die Geschichte verändern und ausbauen will, damit die beiden Prots greifbarer werden und es da auch Konflikte gibt, wie Du vorschlägst.

Etwas wie innere Konflikte würden den Text mMn weitaus prägnanter machen. Näher an die Figuren, schärfen.
Ja, das ist ein guter Input. Ich habe zu weit weg von den Protas geschrieben. Erst hatte ich auch mit einer Version begonnen, wo quasi das Land selbst der Protagonist ist, habe ich aber nach einer halben Seite verworfen, weil ich nicht mehr weiterkam bzw. mir das nicht mehr gefiel. In der neuen Version wird es mehr Dialog geben, um die Konflikte sichtbar(er) zu machen. Jedenfalls vielen Dank für deinen Input!

Ein schönes Weihnachtsfest und Beste Grüsse,
d-m

 

Hallo @Seth Gecko

Danke für deinen Kommentar und sorry für die etwas lange Wartezeit, war die letzten Tage/Wochen ziemlich absorbiert, nun finde ich endlich wieder etwas Zeit, um hier zu schreiben. Habe mich auf jeden Fall gefreut, von Dir zu lesen! Ich verstehe, dass Du nicht wirklich mit den Charakteren mitfühlen konntest: Ich habe den Fokus zu sehr auf einen Bericht gelegt (wie das auch schon bei meiner älteren Story 'Palmendieb' angekreidet wurde) und die Charaktere aussen vor gelassen... Ich muss jetzt mal schauen, was ich mit dem Text mache. Ob ich da nochmal einsteige und das stärker charaktergetrieben schreibe, mit Konflikten etc. wie das ja hier vorgeschlagen wurde. Wäre sicherlich eine Überlegung wert. Was mich hingegen freut, ist, dass Dich die geschilderten Umstände berührt haben. Das die Zustände in Madagaskar sichtbar gemacht werden, war mir u.a. am Wichtigsten bei diesem Text. Also danke dafür und cool, dass der Text zumindest das liefern konnte! Viele deiner Anmerkungen habe ich direkt umgesetzt, ich gehe nur auf die Stellen ein, die ich (noch) nicht verändert habe.

Hier ließ mich die Verortung straucheln. Sind sie da schon im Taxi? Wo genau befindet sich das Schild?
Direkt zuvor wird der Taxifahrer erwähnt, ich dachte also, es würde klar sein, dass sie sich in diesem Moment im Taxi befinden. Das Schild steht am Ortseingang, vielleicht auch am Flughafen oder irgendwo auf dem Weg in die Stadt, ich denke, das ist nicht so wichtig.

Ich glaube das Bild zu erkennen, dass Du hier zeichnen willst, doch irgendetwas an diesem Satz liest sich zu holprig, bzw. artifiziell.
Ja, haderte auch erst etwas damit, mittlerweile gefällt es mir aber sehr gut und ich lasse es mal so stehen.

Lässt mich straucheln. Wie sieht ein Krokodilsgesicht aus?
Habe mir das so vorgestellt: Lang, schmal, mit verwegenem, hinterhältigem Gesichtausdruck. Dachte mir, darunter kann man sich bestimmt was vorstellen, aber vielleicht täusche ich mich.

ankerten?
Ich glaube, diese Pirogen haben keine Anker, bin mir aber gerade nicht sicher. Hier in diesem Fall ankerten sie die Piroge aber nicht, sondern ruderten sie in seichtes Gewässer, sprangen ab und zogen die Piroge auf das sandige Ufer. Sie landeten sie also. Ich denke, dass kann man so sagen, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren :-)

Willst Du ihn hier lallen lassen? Oder sind das Tippfehler?
Ja genau, die beiden sollten hier lallen. Das sind also in dem Sinne alles Tippfehler, aber bewusst gesetzte ;-) Die lallen da eigentlich den ganzen Dialog über.

Hey, Seth, vielen, vielen Dank für deinen Kommentar. Du hast die meisten meiner Texte kommentiert, glaube ich, very much appreciated! Freue mich auf deine nächste Story. Ich denke, Du hast bei der Challegen einen tollen Text abgeliefert und bist verdient auf das Treppchen gekommen. Weiter so!

Hallo @Achillus

Habe mich sehr gefreut, wieder mal von Dir zu lesen! Besten Dank für deine Zeit und deinen Beitrag. Obwohl kurz, kann ich doch einiges daraus für mich mitnehmen, sowohl für diesen Text auch als für zukünftige. Gehe auf deine Anmerkungen ein:

Der Konflikt soll schnell zu Tage treten.
Aus diesem Grund solltest Du viel schneller zum Konflikt kommen, am besten innerhalb der ersten Absätze. Dann hat der Leser einen besseren Grund weiter zu lesen.
Ja, sehe das Problem, haben auch schon die anderen angesprochen. Da habe ich den Fokus einfach (wieder einmal) falsch gesetzt. Ich habe die Idee, den Konflikt über Dialoge zu transportieren, es würde sich an diversen Stellen im Text gut anbieten, die beiden Prots diskutieren zu lassen: Einer nimmt das vielleicht eher einfach so hin und den anderen beschäftigt das tiefergreifend und auf dieser Basis entstehen dann Gespräche darüber. Momentan nehmen das beide einfach so hin und ich verstehe, dass es somit nicht richtig funktioniert bzw. nicht einsinken kann beim Leser.

Zweitens solltest Du an der Sprache feilen. Ich finde das grundsätzlich schon gut, aber es gibt mehrere Stellen, die den Gesamteindruck schwächen. Besonders deutlich wird das dort, wo der Text eine gefällige Tonart annimmt. Ich würde Dir raten, schroffer zu schreiben. Du musst Dich beim Leser nicht anbiedern, indem Du ausschmückst, suggerierst, wertest. Konfrontiere den Leser stattdessen mit den Tatsachen. Ob etwas lecker, widrig, schmutzig (im ethischen Sinne) ist usw. muss nicht unbedingt der Erzähler bewerten.
Das finde ich einen sehr wertvollen Hinweis. Habe das selbst so gar nicht bemerkt, aber eine gefällige Tonart, ja, das gefällt mir nicht und ich sehe es nun selbst auch. Dass der Erzähler die Geschehnisse nicht werten muss, nicht eine moralische Instanz einnehmen muss, ist auch ein sehr guter Input. Nehme ich mir auf jeden Fall zu Herzen, auch bei weiteren Texten. Schroffer schreiben, das gefällt mir. Werde es unbedingt ausprobieren!

Vielen Dank nochmals für Zeit und Kommentar, Achillus. Hoffentlich bis bald!

Hallo @Katla

Mist! :dozey: Ja, ich hatte den Thread tatsächlich auf dem Radar, als er gerade neu war, wollte dort auch was reinposten, aber hab den dann irgendwann aus den Augen verloren und beim Einstellen nicht mehr daran gedacht ... Ja, dort würde das Textlein besser reinpassen. Danke für den Hinweis :-)

Beste Grüsse an Dich, Achillus und Seth,
d-m

 

Darf einer gleich mit der „Tür ins Haus“ fallen,

lieber deserted-monkey,

mir hat Dein „Reisebericht“ sehr gut gefallen, besser als es - aus der Distanz von nahezu einem halben Jahrhundert - Karl Mai je geschafft hat - wobei ich mich fragte (Konjunktief), warum Du nicht statt der gelegentlichen „Lautmalerei“ „Lautschrift“ anwendest, die jeder, der eine fremde Sprache auch in Schriftform lernt, „mitgeliefert“ bekommt.

Aber das nur am Rande, denn es gilt/gibt noch einiges zu korrigieren, (bei einem Text dieser Länge nix Überraschendes) wie bereits hier

In einem Magazin hatte Erich gelesen, dass neunzig Prozent des Landes abgeholzt und brandgerodet worden waren, von der Holzmafia und den Bauern.
Weg mit dem Komma, für eine (Atem/Erholungs-?)Pause haben wir im Deutschen eine ganze Galerie von Strichen.

Von oben sah es aus, als sterbe Madagaskar einen qualvollen Erstickungstod.
Eine „als ob“ Situation/Behauptung –
besser also als Konj. I Konj. II „stürbe“ (klingt ja auch noch hübscher ...)

Die Sonne glitzerte auf den Wellen, als wolle sie verhindern, dass der mächtige Fluss seine Anmut verlor.
... aber warum hier überhaupt Konjunktiv?, wenns Prät. durchs „als“ schon den Effekt hat
„als wollte sie (oder: die Sonne) verhindern, dass ...“¿

Hier wäre zB Lautschrift sicherer

Wobei Grand Hotel zu lautmalerisch klang für die Dreisterneunterkunft in dem alten Kolonialgebäude.
bevor der erste Kisuaheli „dreister9terkunft“ zu lesen glaubt ...

Warum hier

Im Vorbeigehen lauschten sie fremden Worten in Malagasy, das einen ganz anderen Klang hat, als die Sprachen des afrikanischen Festlandes.
die Substantivierung „Klang haben“ statt des Verbes „klingen“, das zudem und so den (Ge)zeitenwechsel vermeidet

oder vllt. noch besser

„Im Vorbeigehen lauschten sie fremden Worten in Malagasy mit seinem ganz anderen Klang, als ... Sprachen des afrikanischen Festlandes."?

Tana schien von diesem Balkon betrachtet nicht anders als Madagaskar aus dem Flugzeug: Ausgestorben …
„scheinen“ kann nur die Sonne, selbst der Mond hat sein Licht nur geliehen und erst recht Straßenlaternen und (Taschen)Lampen – eben von der Sonne, besser „schien zu sein“ oder „erschien“

Beim Rumgehen beobachteten sie in einer schmalen Seitengasse einen Tauschhandel.
Ah, zum Jahreswechsel ein Fläschgen bekommen.
Wäre ein vollständiges „herumgehen“ statt des „Rumgangs“ literarischer?

Auf den tausend Stufen von Tana wurden sie von einem Mann angesprochen. Sie waren auf dem Weg zum Tourismusbüro, das sich in der Oberstadt befindet.
Warum Befindlichkeiten ansprechen, wenn das schlichte Verb „sein“ substantiviert ganze weltbeherrschenden Philosophien „beherrscht“?

„Whea a’yu from?“, fragte er und als sie ihm erklärten, dass sie beide aus Deutschland kämen, lachte er noch mehr und schlug Erich auf die Schulter:
Warum Konjunktiv II statt des schlichten Indikativs, der eben keinen Zweifel oder Unbestimmtes transportiert wie vor allem der Konjunktiv irrealis.
Wer zweifelt da an der Aussage?

Ihr müsst das hier machen, ausserhalb Tana wird’s schwer.“
Du hast doch nicht die Tastatur gewechselt (Schweizer oder Angloamerikanisch - oder?

Hier kommt der Wiederholungstäter

Florence Fahrer hieß Ritchie und war in seinen Dreissigern, ungefähr zehn Jahre jünger als er.
Oder hastu hier eine andere Maschine genommen?
Auf den befestigten Straßen holte er alles aus dem Jeep raus, …

Nur die Wanderung am späten Abend, auf der Suche nach den kleineren, nachtaktiven Lemuren stellte sich als pure Langweile und schlussendlich als Niete heraus.
Warum das Komma? -
Weg mit ihm – und die Langeweile wird durch ein verschlucktes e auch nicht kurzweiliger

Außerdem hatte Florence die unangenehme Eigenschaft entwickelt, ständig in dem langsam schmaler werdenden Ziegelstein aus Ariarys rum zu blättern, ...
rumzublättern

, als zähle er, wie viel von seinem Schatz noch übrig blieb.
Als-ob-Sitzuation des Konj. II,Konj. Irrealis , „als zählte er“, oder „als würde er zählen“

Am Abend vor der Flussfahrt, in einem Kaff namens Belo sur Tsiribihina, platze ihnen der Kragen. Sie hatten Florence …

Erich und Joel sassen im Innenhof eines schäbigen Hotels, …
ß!,
ist doch vorhanden
Schweiß rann über sein Gesicht …

„Kommt“, sagte Florence.
Rettet das Ausrufezeichen!, ruf ich da.

Wenn die anderen fragten, gaben sie ihnen etwas ab, ansonsten konnten sie sich nur mit Händen und Füssen verständigen.
...
Erich und Joel sassen im Schneidersitz am Lagerfeuer und …

Bevor sie sich verabschiedeten, wandte Erich sich ein letztes Mal an die neu gewonnen Freunde, und sagte:
Komma weg!

„Isn ganz schön harter Brocken irgenntwie ...“, gluckste Erich.

Hier hat nun Dein doppel-s/ß-Verweigerung einen kuriosen, sinnentstellenden Effekt
„Pousse-Pousse“, sagte Joel und grinste. „Hasst ein* Plan. Vernünftig.“
*vielleicht ein „ ein‘ “

Erich und Joel blickten auf die wartende Menge mit ihren bunten Wägen, die noch von Hand gezogen wurden.
Schweizer Deutsch? Wenn Plural des Wagen okay und auf jeden Fall beibehalten
...
ohne Komm...
„Wass meinsst du, wie viele kriegen wir schusammen?“
warum nicht durchgängig schlicht mit z
"Waz meinztu, wie viele kriegen wir tzu... -"
ein „was“ oder „wass“ auch immer ist lautschriftlich identisch … Da wird also kein Ge- oder Verhör etwas verändern und verschriftlicht auch kein sz

Ja, die gesprochene und lautverschriftliche Sprache (ob Dia- oder Soziolekt, Jacke wie Hose) birgt immer Überraschungen und ist doch genauer als die Hochsprache

findet der

Freatle

 

Hey @deserted-monkey

Beim Lesen Deiner Geschichte war ich mit Deinen Protagonisten in Madagaskar. Ich selbst habe zwei Jahre in Bamako (Mali) verbracht und in Deinem Text die Gerüche Afrikas wiedergefunden. Bravo!
Im Gegensatz zu anderen Kommentatoren möchte ich mich nicht in die Köpfe Deiner beiden Betrunkenen hineinversetzen. Es genügt, ihr Verhalten zu beobachten. Aus diesem Grund habe ich Deine Zurückhaltung in Bezug auf die Dialoge besonders geschätzt.

Was kann ich Dir zur Verbesserung vorschlagen, was nicht schon gesagt wurde?

Zum Beispiel die Einleitung. Du könntest den ersten Absatz ganz weglassen und mit „In Tananarivo...“ beginnen.

Oder ... Du könntest die falsche Schamhaftigkeit in Bezug auf die Tiere und die Ausbeutung von Kindern verschwinden lassen, die Du deinen Touristen unterstellst, um der herrschenden Doxa gerecht zu werden. Mach sie von Anfang an zu Badass.

Oder? ... Oder korrigiere Erichs Sprachfehler. Der ist mMn. gekünstelt, unnötig und stört den Lesefluss.

Voilà! Mach mit diesem Kommentar, der nur meine Ansicht wiedergibt, was Du willst.. Ich habe ihn gerne geschrieben, weil dein Text imA. es wert ist.

Liebe Grüße aus Baden
Eraclito

 

Treuester Friedel!,

Danke für deine wiederum intensive Flusensuche, Du hast einiges aufgespürt und ich habe einiges dazugelernt! Ist immer wieder eine Freude, von Dir zu lesen. Ich habe sämtliche von Dir bemäkelten Dinge korrigiert :-)

mir hat Dein „Reisebericht“ sehr gut gefallen, besser als es - aus der Distanz von nahezu einem halben Jahrhundert - Karl Mai je geschafft hat
Grandios.

Du hast doch nicht die Tastatur gewechselt (Schweizer oder Angloamerikanisch - oder?
Ich schreib zwar manchmal an verschiedenen Rechnern, aber die haben alle dasselbe Tastaturlayout: CH! (da ich mich aber mindestens zur Hälfte den Deutschen zugehörig fühle, ist es mir ein Anliegen, das 'ß' in meiner Schreibe korrekt zu verwenden) Ich schiebe die Schuld hier auf mein Schreibprogramm, das aus reiner Willkür entscheidet, ob da jeweils ein 'ß' hingehört oder nicht ... ;-)

Schweizer Deutsch? Wenn Plural des Wagen okay und auf jeden Fall beibehalten
Ja, habe das kurz gegoogelt und offenbar sagt man so u.a. in Oberösterreich, also davon möchte ich mich dann doch distanzieren, haha. Habe es folglich geändert!

Vielen Dank, @Friedrichard!

Hey @Eraclito

Auch Dir vielen Dank für Zeit und Kommentar.

Beim Lesen Deiner Geschichte war ich mit Deinen Protagonisten in Madagaskar. Ich selbst habe zwei Jahre in Bamako (Mali) verbracht und in Deinem Text die Gerüche Afrikas wiedergefunden. Bravo!
Ja, danke Dir für das Lob. Das mit Bamako klingt sehr spannend, vielleicht schreibst Du ja bald eine Geschichte darüber? Ich würde sie auf jeden Fall gerne und mit Spannung lesen! Gerade Mali ist ja ein Land, dass man nicht mal 'einfach so' bereisen kann ...

Im Gegensatz zu anderen Kommentatoren möchte ich mich nicht in die Köpfe Deiner beiden Betrunkenen hineinversetzen. Es genügt, ihr Verhalten zu beobachten. Aus diesem Grund habe ich Deine Zurückhaltung in Bezug auf die Dialoge besonders geschätzt.
Schön, dass man es auch so sehen kann. Ich bin noch am überlegen, ob mehr Dialog sinnvoll wäre ...

Voilà! Mach mit diesem Kommentar, der nur meine Ansicht wiedergibt, was Du willst.. Ich habe ihn gerne geschrieben, weil dein Text imA. es wert ist.
Und ich habe ihn gerne gelesen, Eraclito! Besten Dank nochmal. Über deine Änderungsvorschläge denke ich auf jeden Fall noch nach.

Beste Grüsse an Dich und Friedel!
d-m

 

Aus dem Taxi sahen sie die braunen Wasser des Ikopa, dessen Ufer in Plastik, Haushaltsabfällen und pechschwarzem Schlamm ertranken.

Moin,

das wäre meine attack-sentence. Davor ist so ein wenig Infodump: zweitgrößter Inselstaat, Abrodung etc, das ist ein schwerfälliger Einstieg. Hier würdest du mit direkter Aktion starten.
Auch hier: Die Ufer ertranken im Müll. Also, klar, lese ich Kipling, dann wirkt Indien wie eine exotische-schöne Bilderbuchwelt, und manchmal gibt es eben Tigerangriffe und Verstümmelungen - that's the way it is! Was ich sagen will: Ich würde hier mit diesen Begrifflichkeiten, mit denen du operierst (aus welcher Perspektive du erzählst) etwas umsichtiger bzw vorsichtiger umgehen. Ich bin der letzte woke pc-dude, aber es ist doch schon auffällig, wie oft man Literatur aus der Sicht von weißen Europäern liest, gerade über Afrika, wo man das Gefühl bekommt, Afrika ist ein einziger Müllberg plus ein paar Kannibalen. So ist das jetzt nicht bei dir; aber auch hier lese ich eine kleine Wertung. Dabei musst du gar nicht auf die Details verzichten: man könnte beschreiben, das der Plastikmüll im schwarzen Schlamm wie moderne Museumskunst aussieht, wie eine Installation - nur ein blödes Beispiel, dann hast du die Fakten drin, wertest aber nicht.

Die Sonne glitzerte auf den Wellen, um zu verhindern, dass der mächtige Fluss seine Anmut verlor.
Die Sonne hat also einen eigenen Willen? So liest es sich. Und dann baust du vorher dieses Müll-Szenario aus, es ist verdreckt, stinkt, aber trotzdem ist der Fluss anmutig. Passt das? Da steht Romantisierung neben Wertung, irgendwie. Vielleicht wirkt er nur bei dem Sonnenglitzern anmutig?
Frauen wuschen Kleidung im Brackwasser und weißlicher Schaum trieb davon. Blasen oszillierten in der untergehenden Sonne und Kinder sprangen von einer Brücke.
Hier bist du voll drauf. Da zeigst du alles neutral. That's it.
Wobei Grand Hotel zu lautmalerisch klang für die 3-Sterne-Unterkunft in dem alten Kolonialgebäude.
Mischt sich der Erzähler sehr in den Vordergrund. Ich würde hier plädieren, dem Leser die Wahl zu lassen, oder aber ein kurzer Dialog. "Klingt das nicht n bißchen zu hochgegriffen für den alten Kasten, Grand Hotel?" Gibt auch einen Einblick in das Denk und Wertesystem eines Charakters. Ein anderer würde vielleicht sagen: Boah, ist DAS authentisch!
Körper gegen Geld.
Du zeigst es nachher, was viel intensiver ist. Der Leser muss das denken: Körper gegen Geld.

Am nächsten Tag erkundeten sie die von den violetten Jacarandabäumen gesäumte Avenue de L’Independence und die umliegenden Straßen. Besichtigten den Gare de Soarano, den französisch-italienischen Kolonialstil in der Innenstadt. Seit 1960 war das jetzt die Repoblikan’i Madagasikara.
Klingt nach Infodump. Ich würde hier gerne lesen, wie sie das tatsächlich erkunden: du haust das da so lapidar raus, aber da stecken 2000 Wörter drin! Erlebbar, nahbar machen, die Sinne ansprechen, das Neue herausstellen, deine Stärke ausspielen: DU kennst das, lass den Leser es mit deinen und durch deine Augen sehen.

Sie nahmen ein Taxi zum Tsimbazaza Zoo, bei dem sie sich aber nur kurz aufhielten, weil sie die widrigen Bedingungen, unter denen die Tiere gehalten wurden, nicht lange aushielten.
Hier ebenso. Du erzählst das in einem Satz, aber ein Westeuropäer kann sich das wahrscheinlich nur schlecht vorstellen: wie sieht denn ein vollkommen verwahrloster Zoo eigentlich aus? Wie wirken den eingesperrte, halb verhungerte Tiere?
Florence war fett wie ein Nilpferd und schnaufte auch wie eines.
Puh, fatshame on you. Warum? Was bringt es der Geschichte? Und wer sagt das? Der Erzähler? Warum tut er das? Das wirkt nicht sonderlich sympathisch. Es gibt Geschichten, wo der Protagonist ein Arschloch ist und der Film dann über die Länge beweist, warum er so geworden ist. Das kann man machen. Aber irgendwo blitzt da immer wieder die Möglichkeit auf, dass diese Person eben MEHR ist als einfach ein Arschloch: man würde sagen, es ist Komplexitätr vorhanden. Hier, mit einer solchen Aussage, erreichst du nur, dass du alle Sympathien verspielst.
Auf den tausend Stufen von Tana wurden sie von einem Mann angesprochen. Sie waren auf dem Weg zum Tourismusbüro, das in der Oberstadt zu finden ist.
Das wäre auch ein guter Einstieg. Alles vorher ist dazu da, um den Leser in einen gewissen Mood zu bringen, aber dafür ist es meiner Meinung nach noch zu oberflächlich; und ich weiß, dass du da tiefer reingehen kannst, ich will sagen: du verschenkst hier Potential. So ein cold open wirkt manchmal, und sei es nur im Denkprozess über den eigenen Text, wirklich Wunder.

Am Abend vor der Flussfahrt, in einem Kaff namens Belo sur Tsiribihina, platzte ihnen der Kragen. Sie hatten Florence und Ritchie schon ein paar Nächte lang verdächtigt, irgendwelche schmutzigen Dinge abzuziehen. In Belo sur Tsiribihina wurde es offensichtlich und die beiden Guides operierten nicht mehr im Versteckten. Wahrscheinlich gaben sie sich keine Mühe mehr, weil die Hälfte der Tour sowieso bereits um war.
Was für schmutzige Dinge? Drogen, Frauen, Waffen? Über was reden wir hier? Das wirkt so dahingesagt, dafür ist es aber doch immens wichtig: es läuft auf eine Konfrontation hinaus, da würde ich schon genau wissen wollen, was da Sache ist. Und wie die beiden das auch genau einschätzen, sie sind ja in einem fremden Land, was, wenn man die verhaftet oder die einfach nur auslacht oder sitzen lässt?

„Die ficken Kinder“, sagte Joel tonlos. „Die ficken Kinder von unserem Geld.“
Ich würde das runterschrauben, es wird auch so klar. Das extra so zu erwähnen, das wirkt etwas abgeschmackt, das hast du gar nicht nötig.

„Ich fühl mich wie ein Kolonialherrr“, sagte Joel, machte eine unkoordinierte Bewegung an die Brüstung des Balkons, tat so, als würde er sein Reich überblicken.
Irgendwie ja nicht. Er hat ja ein Gewissen und weiß, dass da einiges nach seinem Empfinden nicht richtig läuft. Ich glaube, eine Entwicklungsmöglichkeit wäre, dass sie sich, je länger sie sich in dem Land aufhalten, dann tatsächlich mehr wie Kolonialherren aufführen. Sie verlieren diese ethische Bodenhaftung, dann müssten sie sich dem Usus dort mehr annähern, am Ende müssten sie konsequenterweise ähnlich agieren, wie ihre Guides, weil sie denken: Moment, wieso, das machen ja alle hier, wieso wir nicht auch? Es interessiert ja hier offensichtlich niemanden. Das wäre dann so der Glutkern deiner Story, wieviel von unserer aufklärerischen Ethik übrig bleibt, wann das anfängt, zu erodieren.

Da steckt viel drin, in dem Text. Ich würde tiefer reingehen, der wirkt noch sehr plan, sehr gerade, ich für meinen Teil würde mir mehr Szenisches wünschen, auch mehr Reibung mit den Guides, wo klar wird, wo diese Irritationslinie verläuft, und am Ende dann der große Bang, im Grunde werden sie bei der Prügelei bestraft, ich würde es auch nicht so hollywood-esque ausgehen lassen, warum sollten die eigentlich nicht halbtot geschlagen werden? Sind so meine Gedanken.

Gruss, Jimmy

 

Hallo Jimmy,

Danke Dir für Zeit und Kommentar. Habe ich sehr gerne gelesen, da steckt einiges drin, danke fürs Teilen deiner Expertise! Wegen deiner Anmerkung zum Einstieg, ja, ich verstehe, dass das etwas schwerfällig daherkommt, aber ich brauchte das irgendwo, weil später im Text auf dieses Bild mit der verbrannten Wüste, der Abrodung etc. referenziert wird ... Und ganz ehrlich: Ich habe das ja selbst gesehen und das Bild hat sich mir einfach eingebrannt, weshalb ich es als einen guten Opener erachtete. Die Beiträge hier belehren mich aber eines Besseren. Also: Finde deine Vorschläge für einen möglichen alternativen Einstieg sehr gut und schaue mir an, wie ich das lösen kann, damit man als Leser da direkter in den Text geworfen wird.

Ich würde hier mit diesen Begrifflichkeiten, mit denen du operierst (aus welcher Perspektive du erzählst) etwas umsichtiger bzw vorsichtiger umgehen. Ich bin der letzte woke pc-dude, aber es ist doch schon auffällig, wie oft man Literatur aus der Sicht von weißen Europäern liest, gerade über Afrika, wo man das Gefühl bekommt, Afrika ist ein einziger Müllberg plus ein paar Kannibalen. So ist das jetzt nicht bei dir; aber auch hier lese ich eine kleine Wertung. Dabei musst du gar nicht auf die Details verzichten: man könnte beschreiben, das der Plastikmüll im schwarzen Schlamm wie moderne Museumskunst aussieht, wie eine Installation - nur ein blödes Beispiel, dann hast du die Fakten drin, wertest aber nicht.
Ja, verstehe ich, vielleicht habe ich das in diesem Text auch etwas übertrieben mit den negativen Bildern. Selbstverständlich besteht Afrika und im Speziellen hier Madagaskar nicht nur aus Müllbergen und Kannibalen! :D Um ein authentisches Bild zu bekommen, sollte man sich auch nicht unbedingt auf die Nachrichten verlassen, da wird ja immer nur das Schlechte gezeigt: Krieg, Armut, Geiselnehmer, Terroristen wasweissich. Also will sagen: Mir ist das schon wichtig, dass nicht alles schwarz zu malen (oh Mann, no pun intended!). Was aber meiner Meinung nach Fakt ist: Ich glaube, es ist egal, in welcher Stadt, in welchem Land, man in Afrika ankommt (ausgenommen noch vielleicht Nordafrika), das ist schon einer der ersten Eindrücke die man so bekommt: Afrikanische Städte sind laut, dreckig, vollgestopft, chaotisch, die Armut ist an jeder Ecke offensichtlich. Ich sehe aber, in dem Text hier gibt es vielleicht zu wenig Gegenbilder, die das etwas aufbrechen. Da sind die Gerüche, die Farben, die Herzlichkeit der Menschen, die extrem vielfältige Natur, Flora wie Fauna etc. Ich sehe schon, muss da noch etwas Gegensteuer geben, denn wie gesagt, was ich keinesfalls tun möchte, ist Madagaskar als Shithole rüberzubringen, dass hat das Land nicht (und eigentlich kein Land der Welt) verdient. Ich verstehe also deinen Input sehr gut und schaue mir an, was ich da tun kann!

Die Sonne hat also einen eigenen Willen? So liest es sich.
Ok, habe das nach Friedels Kommentar irgendwie bisschen komisch angepasst, ist nun korrigiert.

Mischt sich der Erzähler sehr in den Vordergrund. Ich würde hier plädieren, dem Leser die Wahl zu lassen, oder aber ein kurzer Dialog. "Klingt das nicht n bißchen zu hochgegriffen für den alten Kasten, Grand Hotel?" Gibt auch einen Einblick in das Denk und Wertesystem eines Charakters.
Sehr gut. Werde ich so machen. Hatte ja sowieso den Eindruck, die beiden Prots reden viel zu wenig miteinander, Du bestätigst das.

Du zeigst es nachher, was viel intensiver ist. Der Leser muss das denken: Körper gegen Geld.
Verstehe!

Ich würde hier gerne lesen, wie sie das tatsächlich erkunden: du haust das da so lapidar raus, aber da stecken 2000 Wörter drin!
Hier ebenso. Du erzählst das in einem Satz, aber ein Westeuropäer kann sich das wahrscheinlich nur schlecht vorstellen: wie sieht denn ein vollkommen verwahrloster Zoo eigentlich aus? Wie wirken den eingesperrte, halb verhungerte Tiere?
Ja, diese beiden Stellen, das ist so das Ding, da wollte ich mich nicht irgendwo verrennen, weil ich mir dachte, das tut eigentlich gar nichts wirklich zur Geschichte/zu dem Bericht (ja, ich nenne den Text immer noch so), das bläht den nur auf. Aber sehr interessant, dass Du dir da mehr Insights erhofft hast, ich schaue mir das gerne an und versuche nachzuliefern! Nun könnte man natürlich auch sagen, hey, wenn es nix zur Geschichte hinzufügt, wieso ist das überhaupt drin?

Puh, fatshame on you.
Wollte ich nicht, sehe es aber und habe es direkt geändert. Ich glaube, das war auch irgendwie ein Vorgriff sozusagen, zwischen Prots und Guides baut sich ja recht schnell eine Antipathie auf und das hier ist irgendwie so vorneweggenommen. Also das sollte eigentlich schon die Ansicht der Prots wiederspiegeln, aber es ist sicherlich besser, dass Erich oder Joel den Florence 'fett wie ein Nilpferd' während eines Dialogs bezeichnen und das es nicht so wirkt, als sage das der Erzähler. Problem verstanden und zu Herzen genommen.

Was für schmutzige Dinge? Drogen, Frauen, Waffen? Über was reden wir hier?
Geht in dieselbe Richtung, wie das, was Achillus angemerkt hat. Das ist da irgendwo zu lapidar, wahrscheinlich mein Versuch, die Spannung (um was geht es jetzt genau?) noch etwas aufrecht zu halten, verstehe aber, dass das nicht zieht so. Werde ich mir nochmal zur Brust nehmen, die Stelle! Dasselbe hier:
Ich würde das runterschrauben, es wird auch so klar. Das extra so zu erwähnen, das wirkt etwas abgeschmackt, das hast du gar nicht nötig.
Ok!

Ich glaube, eine Entwicklungsmöglichkeit wäre, dass sie sich, je länger sie sich in dem Land aufhalten, dann tatsächlich mehr wie Kolonialherren aufführen.
Das war sogar irgendwo das Ziel, aber das kommt nicht raus. Werde daran arbeiten.

Da steckt viel drin, in dem Text. Ich würde tiefer reingehen, der wirkt noch sehr plan, sehr gerade
Ja, das hat damit zu tun, dass ich den Text ursprünglich zu sehr als Bericht aufgezogen habe. Verstehe sehr gut, dass Du das schreibst. Werde in dem Sinne in mich gehen und überlegen, wie ich dem Text mehr Ecken und Kanten verpassen kann :-)

warum sollten die eigentlich nicht halbtot geschlagen werden?
Die Schnösel hätten es auf jeden Fall verdient! Ich weiss nicht, ob das angekommen ist, aber die beiden sollten schon ein wenig so rüberkommen, als hätten sie sich mit dieser Reise etwas zuviel zugemutet, vielleicht sind es eben so ein wenig gutsituierte Schnösel, die das erste Mal in ein sogenanntes Drittweltland reisen und auch ein wenig schockiert sind, einen Kulturschock haben und deshalb wertet da der Erzähler gewisse Dinge, die Geschehnisse auch etwas stark in eine bestimmte Richtung. Deshalb trinken sie auch recht oft, um das nicht allzu nahe an sich heranzulassen, weil sie eigentlich eine heile Welt gewöhnt sind, wo man alles hat und alles kriegen kann. Naja, zumindest war das so die Idee. Aber ich denke auch hier, das müsste über mehr Dialog geklärt werden.

Danke Dir sehr für deinen Kommentar, @jimmysalaryman! Ich habe mit heftigerer Kritik gerechnet, ganz ehrlich, deshalb freut es mich enorm, dass Du so wohlwollend kritisiert hast. Hat mir wieder einmal viel gebracht, dein Input. Ich habe schon länger keinen Text mehr von Dir kommentiert, habe die neuen aber alle gelesen, schon ein hohes Niveau was Du hier an den Tag legst, sind alles gute bis sehr gute Stories, warte also auf die nächste :-) Will jetzt hier nicht zu arschkriecherisch klingen, wollte es aber gesagt haben! Also auf bald.

Beste Grüsse,
d-m

 

Was aber meiner Meinung nach Fakt ist: Ich glaube, es ist egal, in welcher Stadt, in welchem Land, man in Afrika ankommt (ausgenommen noch vielleicht Nordafrika), das ist schon einer der ersten Eindrücke die man so bekommt: Afrikanische Städte sind laut, dreckig, vollgestopft, chaotisch, die Armut ist an jeder Ecke offensichtlich. Ich sehe aber, in dem Text hier gibt es vielleicht zu wenig Gegenbilder, die das etwas aufbrechen.
Moin, nochens ich: Ich glaube nicht, dass es ein Problem ist, das so zu zeigen, wie es ist. Das ist ja tatsächlich so, ein Fakt, und das sollte man auch nicht verschweigen. Aber es ist ein wenig wie bei den Fotografien, die man oft aus Afrika sieht: die sind ja wie Memes: der Markt mit abgetrennten Hühnerköpfen, Elendsviertel, Babies mit großen traurigen Augen ... das sind so wiederkehrende Elemente, die es immer gibt, oft in s/w, weil "es wirkt besser." Das gibt es alles, und ich denke, es ist vielmehr die Frage, wie das dargestellt und einsortiert wird. Zeigen, klar, aber es nicht werten; lass es doch einfach auf den Leser wirken, der bastelt sich da schon selbst was draus. Und da gibt es natürlich vor allem das Potential, weil du Expertise hast: du warst da, weißt wie es da aussieht, und weißt auch, wie du welche Details in einen Text transportieren kannst. Das kannst ja nur du. Also, das steckt da alles schon drin, in dem Text, es ist bereits angelegt.

Gruss, Jimmy

 

Hallo dm,
Dein Text löst ein Kopfkino bei mir aus. Studentenzeiten im Wohnheim in der Storkower Straße. Meine Freundin hatte einen Freund, der aus Afrika war. Deshalb ging ich öfter mit ihr in diese Wohnung, zwei Treppen über uns, in der nur Ausländer wohnten. Dadurch lernte ich Mami kennen, die Betonung liegt auf dem A. Er kam aus Madagaskar und war ein Studienjahr über uns, Lebensmitteltechnologie. Du sagst in Deinem Bericht: "Er sah so aus wie ein typischer Ureinwohner." Mein Bekannter war sehr klein, stämmig und hatte ein gutmütiges eckiges Gesicht. Sieht so ein typischer Bewohner Madagaskas aus? Er war auch nicht ganz schwarz, wie der Freund von meiner Freundin, sondern brünett. Ich wusste eigentlich gar nicht, dass Madagaskar zu Afrika gehört, und das die Armut dort so groß ist. Ich hatte mir seine Heimat immer als kleines, nettes Land vorgestellt. Das die Kinderprostitution dort so verbreitet ist, höre ich auch das erste Mal. Wer weiß, was mein Kommilitone heute macht. Vielleicht ist er ja dort Landwirtschaftsminister. Höchstwahrscheinlich stammte er aus einer begüterten Familie. Sonst hätte er nicht in der DDR studieren können. Vielen Dank für Deinen realitätsnahen Text.
Gruß Frieda

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Frieda Kreuz

Vielen Dank für's Lesen und deine Zeit, cool, dass Du mir auch bei diesem Text einen Kommentar dagelassen hast. Ist wie immer spannend, da auch von deinen eigenen Erfahrungen zu lesen. Vielleicht als erstes etwas hierzu:

Du sagst in Deinem Bericht: "Er sah so aus wie ein typischer Ureinwohner." Mein Bekannter war sehr klein, stämmig und hatte ein gutmütiges eckiges Gesicht. Sieht so ein typischer Bewohner Madagaskas aus?
Naja, Ureinwohner, ich weiss nicht, die Rede ist ja von 'typischen Madagassen'. Aber klar, der Text generalisiert an der Stelle natürlich stark, orientiert sich vielleicht am typischen Touristendenken (die sehen ja alle gleich aus; egal, ob es sich dabei um AfrikanerInnen, AsiatInnen oder SüdamerikanerInnen handelt, ich habe das schon oft gehört), was mir aber wichtig war bzw. was ich an der Stelle spannend finde, ist die Aussage, dass die Leute in Madagaskar asiatische Gesichtszüge haben. Die heutige Bevölkerung Madagaskars hat ihren Ursprung, anders als man vielleicht denken könnte, nur teils vom afrikanischen Festland, obwohl die Insel so nahe daran liegt, sondern von Indonesiern, die vor etwas mehr als tausend Jahren auf der Insel strandeten, da sie wohl von ihrem ursprünglichen Kurs abgetrieben wurden. Diese indonesischen Wurzeln haben sich dann auch in der Sprache, dem Malagasy, niedergeschlagen, weshalb die Sprache so ganz anders klingt, als diejenigen vom Festland. Ich finde diese Herkunftsgeschichte jedenfalls recht spannend und ich wusste vorher nicht, dass es so dunkelhäutige Asiaten gibt. Dass sie eher kleingewachsen sind, ja, diesen Eindruck hatte ich ebenfalls, ist aber natürlich auch ein Klischee, dass man Asiaten nachsagt. Dass dein Bekannter eher brünett war, klar, kann sehr gut sein, dass ist auch sehr unterschiedlich: Ich war lange Zeit in Uganda, ist sowas wie eine zweite Heimat, und war immer wieder erstaunt, wie dunkel bspw. die SudanesInnen sind, im Vergleich zu den UganderInnen. Gibt dort viele die geflüchtet sind aus dem benachbarten Südsudan... So, ich möchte mich hier jetzt aber nicht in einer Art 'Völkerschau' ergehen, deshalb belasse ich es mal dabei ;-)

Dein Text löst ein Kopfkino bei mir aus.
Vielen Dank für Deinen realitätsnahen Text.
Ja, danke Dir dafür, das ist sehr gut, habe ich gerne gelesen. Dass der Text bei Dir so angekommen ist, freut mich!

Beste Grüsse und eine gute Woche,
d-m

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@jimmysalaryman: Danke auch für deinen Nachtrag noch!

 

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