Was ist neu

Sie und er und ich - wir lieben dich!

Mitglied
Beitritt
16.06.2006
Beiträge
18
Zuletzt bearbeitet:

Sie und er und ich - wir lieben dich!

"Guckt euch die fette Angela an! Die Schwuchtelfreundin!", hörte ich hinter mir.
Es war nicht das erste Mal, dass ich wegen meiner Figur und auch meiner Freundschaft zu Mirko blöd angemacht wurde. Also drehte ich mich um und rief der betreffenden Person zu: "Weißt du was, du Idiot? Halt einfach dein blödes Maul!"
Mirko und ich gingen unbeirrt weiter über den Schulhof in Richtung Mädchentoilette, wo Hanna vor der Tür schon auf uns wartete.
"Hallo!", quiekte sie uns zu. So war sie mit ihrem blonden dauergewellten Lockenkopf nicht nur besonders gut zu sehen, sondern auch sicher nicht zu überhören.
"Habt ihr gestern auch das neue Video von Hot Chocolate auf MTV gesehen? Einfach Spitze!", plapperte sie gleich drauf los.
"Hanna, wir haben kein Kabelfernsehen! Wie oft sollen wir das noch sagen?", stöhnte Mirko und lehnte sich an die Treppenmauer, die zur Jungentoilette hinunterführte.
"Echt nicht? Wann bekommt ihr das denn?", fragte sie.
"In unserem Dorf frühestens im Jahr 2000! Da bin ich dann genau achtundzwanzig Jahre alt", sagte ich und blickte mich dabei gelangweilt auf dem Schulhof um.
"Was? So lange noch? Das sind ja noch dreizehn Jahre!" Hanna klang entsetzt.
"Hanna, stell dir vor, es gibt noch das erste Programm, da läuft Formel 1. Da könnte ich dann auch Hot Chocolate sehen. Wenn ich es wollte", gab ich zur Antwort. Mein weitschweifender Blick blieb bei den Fahrradständern hängen. Ein Junge stellte sein mintfarbenes Mofa ab und griff nach seiner pinken Titus-Schultasche auf dem Gepäckträger.
"Auf welche Musik stehst du eigentlich, Mirko?", fragte Hanna.
"Natürlich auf Michael Jackson. Und Tina Turner. Whitney Houston ist auch nicht schlecht."
Der Junge lief an Hanna, Mirko und mir vorbei. Er lächelte uns an und betrat das Schulgebäude. Mirko starrte mich mit großen Augen an.
"Kennst du den?", frage Mirko.
Ich schüttelte den Kopf.
"Ich aber!" Hanna hatte von einem auf den anderen Augenblick zu Heulen angefangen und wollte mit Sicherheit so schnell nicht wieder aufhören.
Mirko und ich sahen sie verdutzt an.
"Das ist Tim, mein Ex! Der, der letzte Woche mit mir Schluß gemacht hat. Wie kann er mir das antun, hier so einfach aufzukreuzen!" Sturzbäche flossen aus ihren babyblauen Augen. Mirko tat sein bestes, die Tränen mit Taschentüchern aufzuhalten.
Hanna heulte auch noch Rotz und Wasser, als wir später in unserem Klassenraum saßen, wo uns gewisser Tim als neuer Mitschüler vorgestellt wurde. Mirko kam mit tröstenden Streicheleinheiten und Papiertaschentüchern kaum noch nach. Die Tränen tropften auf ihre hellblaue Vanilla-Hose und hinterließen schmutziggraue Kajalreste.
Unsere Klassenlehrerin schien das nicht im Geringsten zu beeindrucken.
"Tim ist nun euer neuer Mitschüler. Seid bitte nett zu ihm."
Tim stand neben ihr, die Hände in den Hosentaschen und grinste in die Runde. Es schien, als hätte er mit diesem Schulwechsel und den dazugehörigen Depressionen seitens Hanna nicht die geringsten Probleme.

"Du musst mit ihm reden, Angela! Ich weiß, dass er mich noch liebt. Tu mir den Gefallen und sprich mit ihm. Frag ihn, was er noch für mich empfindet. Bitte!", flehte mich Hanna zwei Stunden später ind der Pause an. Tim stand ein paar Meter weiter von uns entfernt und starrte die ganze Zeit zu uns herüber.
"Hanna, ich weiß nicht, ob das so eine tolle Idee ist. Ich kann so was nicht gut."
"Aber es ist doch nicht für dich, sondern für mich. Bitte, Angela!"
Ich seufzte. "Ja, meinetwegen. Aber versprich dir nicht zu viel davon!"
Ich trottete zu Tim herüber, der mich mit einem Lächeln empfing, als hätte er damit gerechnet, dass ich ihn ansprechen wollte.
"Hi", sagte ich.
"Hi!", sagte er ebenfalls. "Ist das dein Freund?", fragte er gleich und deutete auf Mirko.
"Mirko ist nicht mein Freund. Nur mein Kumpel. Er steht auf Jungs."
"Ach, wirklich?" Tim zog die Augenbrauen hoch.
"Ja, ich denke schon. Gesagt hat er es noch nie, aber wissen tut es hier jeder."
"Könntest du mir vielleicht helfen?"
"Sicher, worum gehts denn?"
"Würdest du Mirko fragen, ob er auf mich steht?"
"Was? Du bist schwul?" Ich kreischte fast.
"Um genau zu sein, bin ich bi. Ich stehe quasi auf beides", gab er offen zu.
Fantastisch! Der gutaussehendste Typ im Umkreis von fünfzig Kilometern und Exfreund unserer Klassenqueen verknallte sich ausgerechnet in meine "beste Freundin" Mirko!
"Tim, du bist dir aber schon bewusst, dass Hanna immer noch in dich verknallt ist? Wenn ich da rüber gehe und Mirko erzähle, dass du dich für ihn interessierst, wird sie sich am nächsten Baum aufhängen. Sie kann vielleicht verkraften, dass ihr das Taschengeld für die nächste Dauerwelle ausgeht, aber ganz sicher nicht die Tatsache, dass ihr Schwarm ein männliches Wesen ihrer Hoheit vorzieht!"
"Ich kann doch nichts dafür, dass es mit ihr nicht geklappt hat. Ich hatte wirklich besseres zu tun, als dutzende Einkaufstaschen hinter ihr her zu tragen. Tu mir bitte den Gefallen."
"Na gut! Ich gehe zu ihm rüber. Aber versprechen kann ich dir nichts."
Ich hatte nicht nur das Gefühl, dass ich diesen Satz vor ein paar Minuten schon einmal zu Hanna gesagt hatte, sondern zusätzlich glaubte ich auch noch, im falschen Film zu sein. Trotzdem ging ich zu Hanna und Mirko zurück, um ihnen die verrückte Situation zu erklären.
"Angela, du musst mir sagen, worüber du und Tim eben gesprochen habt! Ich weiß genau, dass es um mich ging, denn er hat die ganze Zeit hier rüber gesehen. Er liebt mich noch immer und es tut ihm wahnsinnig leid, dass er mich verlassen hat, richtig?", rief Hanna schon, als ich bloß noch ein paar Schritte von ihr entfernt war. Ich sah Hanna in die Augen und wusste nicht, ob ich lachen oder heulen sollte. Auf was für eine Aktion hatte ich mich hier eigentlich eingelassen?
"Hanna hör zu. So ist es leider nicht. Tim liebt dich nicht mehr. Es ist eher so, dass er sein Herz an Mirko verloren hat", rückte ich frei mit der Wahrheit heraus.
Hanna sah mich an, und mit einem Mal kullerte keine einzige Träne mehr aus ihren Augen. "Du verarscht mich, oder?", fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf und sah dann Mirko an, der noch keine Reaktion auf diese Überraschung gezeigt hatte.
"Was sagst du dazu?", fragte ich.
"Sag ihm bitte, dass ich nichts für ihn empfinde." Mirko sah auf den Boden.
Hanna atmete tief durch und sagte dann: "Mirko, du brauchst keine Rücksicht auf meine Gefühle zu nehmen. Wenn du mit ihm gehen willst, dann tu es. Du hast es verdient. Wenn ich mit einer anderen Frau hätte konkurieren müssen, hätte ich gekämpft. Aber gegen einen Mann komme ich nicht an." Hanna nahm ihn in den Arm und küsste ihn auf die Wange.
Ich war noch ganz überrascht von Hannas Großmut, als Mirko sagte: "Danke, Hanna, das ist lieb von dir. Aber ich empfinde wirklich nichts für ihn."
"Aber warum nicht? Ist er nicht dein Typ?", fragte ich.
"Nein, das ist es nicht. Ich stehe nur ganz einfach nicht auf Männer."
"Tust du nicht?", fragten Hanna und ich gleichzeitig. Ich wusste nicht, wer von uns beiden überraschter war.
"Nein, ich stehe auf Mädchen. Ich habe überhaupt keine Ahnung, wie ihr alle überhaupt denken konntet, dass ich schwul bin."
"Aber du hast dich doch immer bloß mit Mädchen abgegeben. Ganz besonders mit mir", stellte ich fest.
Mirko sah mich an, als warte er auf eine Erleuchtung meinerseits.
"Oh oh!" sagte Hanna. Sie klopfte Mirko aufmunternd auf die Schulter und ließ uns beide ohne weitere Worte stehen.
"Was soll dieses ganze Getue? Kannst du vielleicht mal Klartext mit mir reden?", fragte ich.
"Du willst Klartext?", fragte Mirko, und im nächsten Augenblick küsste er mich auf den Mund. Ich war so verwirrt, dass ich erst nach einer kurzen Pause fragen konnte: "Warum hast du nie etwas gesagt?"
"Warum hast du nie etwas gemerkt?", frage Mirko zurück.
Es klingelte zum Ende der Pause, und mit diesem Zeichen schien eine Art Zauber von Mirko zu fallen, der mich ihn zum ersten Mal als männliches Wesen sehen ließ. Das erste und einzige männliche Wesen, dass sich für mich interessierte.
"So wie ich aussehe, hätte ich überhaupt nie gedacht, dass mal jemand auf mich steht."
"Ich weiß gar nicht, was du hast. Für mich siehst du fantastisch aus!" Mirko griff nach meiner Hand. Gemeinsam ließen wir uns mit dem Strom der anderen Mitschüler ins Schulgebäude treiben.

 

Hi Aneika,

schade, muss ich leider sagen. Die Geschichte fängt sehr gut an. Man denkt sich - interessante Personen, die drei: Hanna, Angela, Mirko. Gute Sprache. Endlich mal eine Jugendgeschichte, die nicht in der Handy-, SMS- und Chatwelt unserer Tage spielt, sondern in den guten alten 80er - seligen Angedenkens.

Und dann wird so eine konventionelle "ich liebe ihn, aber er ist schwul"-"Ich liebe sie, aber sie denkt, ich bin schwul"-Geschichte daraus und am Schluß ist alles so wunderbar in Ordnung ... Fand ich schade, tut mir leid, dass ich das so sagen muss. Dabei kannst du gut erzählen, aber den Plot finde ich leider banal.

Und noch etwas: ich weiß ja nicht, ob die story autobiographische oder ähnliche Züge hat . ist ja auch gleichgültig, aber ich halte es - aufgrund eigener Erinnerungen an diese Zeit - doch für außerordentlich unwahrscheinlich, dass Teenager - denn das sind die drei doch - 1987 so selbstverständlich übers Schwul-Sein, Bi-Sein etc. miteinander auf dem Schulhof reden, schon gar nicht mit fremden Teenagern. Und warum erzählt Angela Tim brühwarm, dass Mirko schwul sei, der doch ihr bester Freund ist und offensichtlich unter den Hänseleien der anderen leidet? Überzeugt micht nicht.

liebe Grüße
Platoniker

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Platoniker!

Okay, das ist Deine Meinung über die Geschichte, aber sie ist tatsächlich autobiographisch. Wahrscheinlich haben wir beide sehr unterschiedliche Erinnerungen an Unterhaltungen auf dem Schulhof während der 80er. Aber schon damals gab es verschiedene Teenies und verschiedene Ansichten. Ich hab es jedenfalls so erlebt. Und man sollte ja immer das schreiben, was man kennt. Außerdem weiß ich gar nicht, wie Du drauf kommst, dass Mirko unter den Hänseleien leidet - das habe ich nicht einmal in der Geschichte erwähnt. Und so wunderbar in Ordnung ist eigentlich nichts. Es ist nicht mal raus, ob Angela genauso für Mirko fühlt wie er für sie.
Aber diese Geschichte muss ja auch nicht jedem gefallen. Vielleicht gefallen dir meine beiden anderen ja besser.

Liebe Grüße,
Andrea

 

Hallo Aneika,

der Hauptschwachpunkt dieser Geschichte ist, dass sich nichts entwickelt.
Eine Protagonistin heult unvermittelt, nur weil sie jemanden sieht, mit dem sie mal zusammen war, selbst neue Schüler reden in einer der ersten großen Pausen unvermittelt und abgeklärt über ihre sexuellen Präferenzen, während sie andererseits für die normale Kontaktfortführung Freundinnen vorschicken wie dreizehnjährige.
Es mag sein, dass du es so in Erinnerung hast und die Geschichte autobiografisch ist. Es fällt aber schwer zu glauben, dass es mitte der achtziger Jahre keine Coming Out Problematiken gab. Statistisch fällt das CO als Bisexueller sogar schwerer, als das als eindeutig Schwuler.
Wenn dem so ist, dann hast du vergessen, den Leser mit auf die Reise zu nehmen, wie das möglich war, wie es sich entwickelt hat.
Allgemein hatte ich beim Lesen der Geschichte weniger das Gefühl, sie sei für Fünfzehnjährige geschrieben als das, sie stamme von einer Dreizehnjährigen.
Wenn das sprachlich dein Ziel gewesen ist, ist es dir gelungen. Allerdings finde ich nicht, dass man sich beim Schreiben für Jugendliche derartig anpassen muss. Mann kann sie sowohl sprachlich, wie auch inhaltlich und in der Tiefe durchaus mehr fordern.

Lieben Gruß, sim

 

hallo Andrea,

du hast es so erlebt oder erinnerst dich so daran, ok. Aber ich bin auch in den 80er groß geworden (wie ich in deinem Profil sehe, bist du drei Monate älter als ich). Wie du aus sims Kritik siehst, geht es ihm ähnlich mit der Nachvollziehbarkeit der Gespräche der Protagonisten. Man soll das schreiben, was man kennt, richtig, aber es sollte für den Leser nachvollziehbar sein.

Außerdem weiß ich gar nicht, wie Du drauf kommst, dass Mirko unter den Hänseleien leidet - das habe ich nicht einmal in der Geschichte erwähnt.
Nun du schreibst das nicht explizit, aber ich kann mir ehrlich gesagt, keinen 13-15jährigen vorstellen, der unter dem "Verdacht" schwul zu sein, nicht leidet. schon gar nicht, wenn er es nicht ist und überhaupt nicht 1987. Der Generalverdacht von AIDS gerade damals bleibt im übrigen ganz unerwähnt, obwohl das gerade damals das Thema war. Das Jahr ist ja im übrigen ganz eindeutig von dir errechenbar gemacht worden. Auch wenn du jetzt sagst, es sei so gewesen, ok, aber dann musst du es glaubhafter machen, finde ich.

Und so wunderbar in Ordnung ist eigentlich nichts. Es ist nicht mal raus, ob Angela genauso für Mirko fühlt wie er für sie.
Der Eindruck entstand aber bei mir. Eine Geschichte wirkt ja immer auch implizit, ich las das zwischen den Zeiloen und ich denke, nicht nur mir geht es da so. Wenn es nicht so sein soll, musst du m. E. deutlicher werden.

Aber diese Geschichte muss ja auch nicht jedem gefallen. Vielleicht gefallen dir meine beiden anderen ja besser.
Ich lese natürlich auch gerne deine anderen Geschichten. Und vielleicht gefallen sie mir auch besser. Aber geht es denn darum? Wer hier seine Geschichten postet, darf nicht nur Lob erwarten. Wir schildern hier alle nur unsere Eindrücke, um dem Autor/der Autorin dabei zu helfen, damit sie/er erkennt, wie seine Geschichten wirken. Und das ist doch wichtig für einen Autor oder nicht?

Im übrigen: wenn man autobiographisch erzählt - das ist legitim - wird man niemals vermitteln können, wie es wirklich war, allenfalls, wenn man ganz ganz ganz gut ist (ich bstimmt nicht, wahrscheinlich 0,1% aller die schreiben) wie es einem damals als wirklich erschien.

nix für ungut, liebe Grüße
Platoniker

 

Hallo sim
Erst einmal danke, dass Du meine Geschichte überhaupt gelesen hast.
Es entwickelt sich nichts? Ich finde schon. Hanna zum Beispiel, die die ganze Zeit heult, erlebt zum ersten Mal, dass nicht alles so läuft, wie sie sich das wünscht. Und diese verwöhnten Tussis kenne ich nur allzu gut, sowohl von früher als auch heute noch.
Aber wie es scheint, hab ich dieses Jahrzent wahrscheinlich doch ganz anders erlebt, denn bei uns auf der Schule gab es nicht nur einen Mirko oder Timo. Sicher gab es auch Jungs und Mädchen, die mit ihrer Sexualität nicht so offen hausieren gingen, aber die, mit denen ich engeren Kontakt hatte, gaben das schon offen Preis.
Dass du das Gefühl hast, die Geschichte sei von einer Dreizehnjährigen geschrieben, fasse ich fast schon als Kompliment auf. Liegt wohl daran, dass ich mehr Kontakt zu Jugendlichen und Kindern habe als zu Erwachsenen.
Eigentlich sollte das ganze einfach nur eine witzige Geschichte sein, aber dann hätte ich das ganze wohl doch noch mehr überziehen und in die Satire-Abteilung setzen sollen.

Liebe Grüße,
aneika

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom