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Serie Unter dem Leuchtturm

Monster-WG
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07.01.2018
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Unter dem Leuchtturm

Als ich meinen Motorroller den Weg hinauf zum Leuchtturm schiebe, fliegt hinter der Düne Sand auf. Jens buddelt. Eine Schaufel Sand, noch eine Schaufel, noch eine Schaufel. Unter dem Leuchtturm lebt etwas. Sagt Jens mir immer wieder. Der Boden um den Leuchtturm ist durchlöchert, lauter Kuhlen, ungefähr einen halben Meter tief, dicht an dicht. Einen halben Tag buddelt Jens an jedem Loch, nachdem er von der Arbeit kommt.
Ich hupe, und der Sand hört auf zu fliegen. Hinter der Düne erscheint eine dunkle Gestalt, zottiges Haar.
»Moin, Jens«, sage ich.
Er humpelt an den Löchern vorbei auf den Weg zu, die Schaufel über der Schulter. »Moin, Cousinchen.« Er beäugt das Roller-Topcase und streicht sich über den graugesprenkelten Bart. »Schickt Omma dich?«
Ich öffne das Topcase, reiche ihm die Brotdose. »Sie macht sich Sorgen.«
Er lehnt die Schaufel gegen Reste eines Zauns, die schief aus dem Boden ragen. Reißt die Dose auf und beißt ein großes Stück vom Brot ab. Kaut mit offenem Mund, Krümel zwischen den gelben Zähnen.
»Eine Spur von den Unterirdischen?«, frage ich und kann das Lächeln nicht unterdrücken.
»Nee.« Er nickt zum Horizont, auf die sturmgrauen Wolken. Seit Stunden türmen sie sich über dem Meer auf. Noch ist das Wasser ruhig, gleichförmig rollen die Wellen an den Strand.
»Gibt heut noch was«, sagt Jens, »da müssen wir bereit sein.« Er beugt sich vor, haucht mir einen Geruch von kaltem Zigarettenrauch ins Gesicht. »Weißte, wo Omma den Schlüssel hat?«
Ich trete einen Schritt zurück, schließe das Topcase wieder. »Für den Leuchtturm?«
Jens brummt, schmatzt. Hat das Brot schon verdrückt. »Die Stadt wird heut auftauchen, da draußen«, sagt er, »wir brauchen ‘ne gute Aussicht.«
»Vergiss es«, sage ich. »Du solltest nach Hause fahren.«
»Wart’ste noch kurz, dann nehm ich dich mit«, sagt er.
Ich schüttle den Kopf. In Jens‘ Kastenwagen stinkt es nach Zigarettenqualm. Muss mich immer duschen, nachdem ich bei ihm mitgefahren bin, sonst hängt den ganzen Tag dieser Gestank in meinen Haaren.
»Dann fahr besser, bevor du nass wirst.«
»Du bleibst auch nicht mehr lange? Nicht, dass du in den Sturm gerätst«, sage ich.
Er zuckt die Achseln. »Joa.«
Ich atme auf. »Tschüss!«
Während ich den Roller auf den Gehwegsteinen nach unten schiebe, ruft er mir nach: »Ich komm dann nachher und hol den Schlüssel!«
Ich drehe mich um, zeige ihm einen Vogel. Sobald der Weg weniger steil wird, steige ich auf den Roller und schmeiße den Motor an. Fahre vorbei an dem leerstehenden Ferienhaus auf die Straße. Dann biege ich zwischen schlanken Kiefern auf den Panzerweg ein, die Reifen holpern auf den Rillen der Betonplatten.
Ich beschleunige. Hier im Wald bin ich allein. Seit der Leuchtturm stillgelegt wurde und das Ferienhaus verfällt, kommt selten jemand auf die Landzunge.

Der Sturm trifft uns kurz nach Einbruch der Dunkelheit. Mutti und ich sortieren den Werkzeugkasten auf dem Teppich im Wohnzimmer, gucken dabei das Nordmagazin. Sie hat den Fernseher lauter gestellt als sonst; der Wind heult um die Hausecke, rüttelt an den Fenstern. Das Wohnzimmerfenster schlägt klappernd gegen die Schrauben, die Mutti letztes Jahr durch den Rahmen getrieben hat. Damals kam der Sturm rein, riss das Fenster aus den Angeln.
Oma ruft aus der Küche.
»Was?«, schreie ich über das TV-Geplärre und das Sturmgeheule hinweg.
Oma ruft wieder, ich rapple mich auf, gehe in die Küche.
Oma lehnt sich über die Anrichte, presst fast die Stirn gegen das Küchenfenster. Als sie spricht, beschlägt die Scheibe: »Is Jens nich da?«
Ich trete neben sie an die Anrichte. Muss die Hände auf die Scheibe legen und das Licht in der Küche abschirmen, um draußen etwas zu erkennen. Der sturmzerzauste Apfelbaum im Vorgarten, die Auffahrt vor Jens‘ Haus. Der rote Kastenwagen ist nicht da. Alle Fenster im Nachbarhaus dunkel.
»Sieht so aus«, sage ich.
Oma stößt sich von der Anrichte ab. »Er is nich beim Leuchtturm, oder?«
Ich wende mich vom Fenster ab, verschränke die Arme vor der Brust. Hätte ich darauf bestehen sollen, dass Jens mit mir zurückfährt? Beim letzten Sturm hat er versucht, in das Zimmer unter dem Lampenhaus des Leuchtturms einzubrechen und ist auf der steilen Treppe gestürzt. Hat da bis zum nächsten Tag gelegen, mit gebrochenem Bein.
Mutti kommt in die Küche, einen Schraubenzieher in der Hand. »Was ist los?«
»Jens is noch beim Leuchtturm«, sagt Oma. »Du musst hinfahren, Sabine.«
Mutti verzieht das Gesicht. »Nee. Ruf ihn doch an.«
»Jens hat doch kein Handy«, sage ich mit leiser Stimme.
»Da is doch weit und breit keine Menschenseele.« Oma zieht schnaufend die Nase hoch. »Wenn ihm was zustößt!«
Ich schaudere, schlinge die Arme fester um mich. Könnte mich ohrfeigen. Ich habe doch gewusst, dass Jens vorm Sturm unvernünftig wird. Hätte ich vorhin nur auf ihn gewartet.
»Ich fahr nicht für den raus«, sagt Mutti. »Ist doch ein erwachsener Mann.«
Oma schnaubt. »Du weißt doch, wie er is.«
Ich löse mich aus der Selbstumarmung. »Ich fahr.«
Mutti zieht eine Augenbraue hoch. »Mit dem Roller?«
»Ist doch nur ein büschen Wind«, sage ich.

Im Flur nehme ich meinen Schlüsselbund vom Haken. Verharre für einen Augenblick. Dann ziehe ich die oberste Schublade des Kommodenschranks auf und schnappe mir auch den Schlüssel für den Leuchtturm. Setze den Helm auf.
Als ich die Haustür öffne, reißt der Wind sie mir aus der Hand und prustet mir ins Gesicht. Mit gesenktem Kopf stapfe ich nach draußen.

Im Wald herrschen Sturm und Dunkelheit, der Wind tost in den Baumwipfeln. Ich fahre langsam, Regen hämmert gegen das Helmvisier. Ich beuge mich tief über den Lenker, hinter die kleine Scheibe des Rollers. Schwärze umgibt mich, ich sehe nur einige Meter Betonplatten im Lichtkegel der Vorderlampe. Als ich aus dem Schutz der Bäume auf die Uferstraße einbiege, reißt mich der Sturm fast vom Roller. Ich gerate ins Schlingern, bremse und springe ab. Lehne mich gegen den Wind, schiebe den Roller neben mir her.
Der Leuchtturm erhebt sich als Silhouette vor dem Himmel. Dahinter klatschen Wellen auf den Strand, schlagen so hoch, dass ich die Gischt über den Dünen aufspritzen sehe.
Der Kastenwagen parkt noch vor dem Ferienhaus. Ich bocke den Roller daneben auf und renne den Weg zum Leuchtturm hoch. Das Wasser, das mir entgegen peitscht, schmeckt salzig, und die flachen Gehwegsteine sind glitschig.
»Jens!«, rufe ich, doch der Sturm pflückt mir das Wort aus dem Mund und reißt es fort.
Atemlos erreiche ich den Leuchtturm, reiße mir den Helm vom Kopf. Hier unten gibt es keine Tür, nur einen gemauerten Bogen. Ich schlüpfe hindurch, in die Dunkelheit.
»Jens!« Meine Stimme klingt dünn gegen das Wellendonnern und das Sturmbrausen. Hallt durch den Turm nach oben. Mit ausgestreckten Händen taste ich mich vor, bis ich das Treppengeländer erreiche. Ich hebe den Kopf.
Und erblicke einen Lichtschimmer. Der Klang von Schritten hallt auf den metallenen Stufen.
»Jule?«
Jens erscheint auf der Wendeltreppe, und ich schirme die Augen gegen das Licht seiner Taschenlampe ab.
»Was machst du hier?«, frage ich.
»Und du?«
Ich ziehe den Leuchtturmschlüssel aus der Jackentasche. »Dachte, wir können es uns oben gemütlich machen, bis das Schlimmste vorbei ist.«
»Cousinchen, du bist die Beste!«
Hintereinander steigen wir die schmalen Stufen hinauf, die sich durch den Turm nach oben winden. Die Treppe endet an einer Metalltür, davor steht ein Campingstuhl, eine Thermoskanne liegt darauf.
Ich schließe die Tür auf, sie quietscht, als ich mich dagegen lehne und sie nach innen aufschiebe.
Hier oben, direkt unter dem Lampenhaus, zieht es. Die Tür zur Aussichtsplattform ist offen. Ich zucke zusammen, als Jens die Hände auf meine Schultern legt und mich zur Aussichtsplattform schiebt. Ich mache einen schnellen Schritt zur Seite, löse mich von ihm.
Er atmet scharf ein, gestikuliert zum Ausgang. »Lass uns gucken gehen.«
»Jens …« Ich bewege mich nicht von der Stelle. »Wir sollten drinbleiben. Is doch gefährlich.«
In seinem Gesicht zuckt etwas, der Bart bebt. Und ohne ein Wort zu sagen, eilt er an mir vorbei auf die Aussichtsplattform. Verschwindet mit der Taschenlampe und lässt mich in der Dunkelheit zurück.
»Mist.« Ich hole tief Luft. Schiebe mich durch die Tür und schmiege mich an die Außenwand des Turms, der Sturm presst mich dagegen, kalte Luft brennt auf den Wangen. Jens lehnt ebenfalls an der Wand, unsere klatschnassen Anoraks reiben aneinander, die Kälte drückt sich durch meinen Ärmel.
»Guck«, ruft er, deutet auf das Meer, die tosende Finsternis. Schaumkronen tanzen auf schwarzen Wellen.
»Was?«, frage ich.
»Siehste nich das Leuchten?«
Ich wische mir das Wasser vom Gesicht, kneife die Augen zusammen und blinzle in die Nacht. Doch eine Bewegung am Strand lässt mich zusammenfahren. Dort eilt etwas an der Brandungslinie entlang, ein dunkler Schemen.
Ein Blitz jagt über den Himmel, Jens lacht kreischend. Für einen Moment ist der Strand grellweiß erleuchtet, und da ist niemand.
»Jule!«, schreit Jens. »Guck!«
Er deutet wieder aufs Meer, der Donner rollt über uns. Ein weiterer Blitz zerteilt den Himmel, weiß flackern die Wellen. Danach wieder Finsternis. Bis auf das Glühen vor der Küste. Ein Glühen, das unter den Wellen funkelt.
Ich reiße die Augen auf. Mache einen Schritt von der Wand weg, ergreife die eiskalte Metallbrüstung. Halte mich daran fest und starre aufs Meer, auf das Schimmern. Will die Augen noch weiter aufreißen, um zu erkennen, zu ergründen, was das sein kann, doch Regen und Gischt klatschen mir entgegen, nehmen mir die Sicht.
Jens tritt neben mich, stemmt sich gegen das Geländer, beugt sich darüber, den Mund lachend geöffnet. Als wollte er den Regen trinken. Stattdessen ruft er: »Vineta, Vineta, du rieke Stadt!« Und lacht.
Ich zittere. Meine Zähne schlagen aufeinander. »Jens, wir müssen gehen! Oma macht sich Sorgen.«
»Ich muss das sehen! Sie sind gleich da.«
Ich stopfe mir einige klatschnasse Strähnen zurück unter die Kapuze. Wische das Gesicht ab, blinzle aufs Wasser. Kein Leuchten.
»Ich geh jetzt«, sage ich. »Du könnt’st mich nach Hause fahren.«
Er lehnt sich weiter über das Geländer, seine Regenjacke rutscht hoch. Darunter sitzt die Hose viel zu tief. Ich wende mich ab, schiebe mich wieder in den Turm. Atme auf. Schüttle Wasser vom Anorak.
Schaue noch einmal zurück, auf Jens, wie er am Geländer hängt, dem Sturm entgegen schreit.
»Jens! Komm schon!«
Er wirbelt herum, taumelt, die Hände umklammern das Geländer. Unter der Kapuze funkeln mir die winzigen Augen entgegen. »Geh runter, Jule!«, schreit er. »Geh sie empfangen! Sag ihnen, ich bin hier.«
»Wen denn empfangen? Jens! Bitte! Komm mit!«
Doch er lacht, wendet sich wieder dem Meer, dem Sturm zu. Trinkt den Regen.
Ich schiele auf mein Handy. Kein Empfang. Mist!
»Jens!«
Keine Reaktion.
Ich muss Hilfe holen. Vielleicht kommt er nach, wenn ich einfach gehe.
An meinem Handy schalte ich die Taschenlampenfunktion ein. Am liebsten wäre ich auf der Treppe gerannt, muss mich beeilen, aber die Stufen sind so schmal, und das Licht der Taschenlampe erzeugt diffuse Schatten im Turm. Mein Herz rast, der Atem fliegt, aber ich muss langsam gehen. Die freie Hand stütze ich an der kalten Wand ab.

Ein Rascheln. Es dringt durch den Turm, hallt den Hohlkörper herauf. Trippelnde Schritte, ein schnarrendes Geräusch. Ein Vogel. Oder ein Kichern. »Hallo?«, rufe ich.
Das Trippeln und Schnarren verstummt.
Ich atme tief ein, schüttle mich. Bestimmt nur ein Tier. Hat Unterschlupf im Turm gesucht. Kluges Tier.
Ich halte das Licht vor mich, steige die Treppe weiter hinunter. Schneller jetzt. Hinter der Windung erscheint der Ausgang. Ein Blitz erhellt die Dünenlandschaft, kurz taucht das Ferienhaus in der Nacht auf, zusammengekauert unter seinem Reetdach.
Wieder das Trippeln. Und dieses seltsame Geräusch, das Schnarren. Rasch nehme ich die letzten Stufen und eile zum Ausgang.
Ein Flüstern direkt hinter mir, ein scharfes Zischen in meinem Rücken. Ich wirble herum, das Licht der Handytaschenlampe zuckt über den steinigen Boden. Unter der Treppe ein blankes Augenpaar, das Licht spiegelt sich darin. Nur für einen Sekundenbruchteil, bevor es in der Dunkelheit verschwindet.
»Hey!«, rufe ich. Mein Herz hämmert gegen den Brustkorb, doch ich mache mich groß, lege alle Kraft in die Stimme. Bestimmt nur eine Ratte.
Ich mache einen Schritt zurück zur Treppe, halte das Handy hoch. Hier hat Jens auch gebuddelt. Die Schaufel lehnt an der Wand.
»Raus da, Drecksvieh!«, sage ich. Bücke mich unter die Treppe und leuchte in das Loch. Erde fliegt mir entgegen, in mein Gesicht, ich muss die Augen zusammenkneifen. Schnarrender Atem, Knurren und Fauchen. Mehr Erde. Ich hebe den Arm vor die Augen, taumle rückwärts.
Neben mir fällt die Schaufel um, und ich stolpere darüber, stürze. Das Handy rutscht mir aus der Hand, das Licht zuckt durch den Turm. Die Erde fliegt immer noch, das Tier knurrt und scharrt. Ich rutsche auf den Knien über den Boden, halbblind im Staub. Meine Finger ertasten das Handy, ich springe auf und stolpere aus dem Turm.
Ich versuche, mir den Dreck aus den Augen zu wischen. Taumle und rutsche auf einem glitschigen Gehwegstein aus. Schlage hin, mein Kopf knallt auf den Boden. Schwarze Sterne explodieren vor meinem Blickfeld. Ich wälze mich herum. Die Welt flimmert, dreht sich um mich.
Ich rapple mich auf, Tränen und Regen auf dem Gesicht. Im Licht eines Blitzes flieht eine gebückte Gestalt zwischen die Dünen, schnauft und gackert dabei.
Ich renne den Weg hinunter zum Ferienhaus, schlittere, stürze noch einmal. Als ich beim Roller anlange, bluten meine aufgeschrammten Hände, doch ich spüre keinen Schmerz. Nur das rasende Zittern in der Brust. Ich schwinge mich auf den Roller, werfe einen Blick über die Schulter.
Der Regen peitscht mir ins Gesicht, in der Dunkelheit verschwindet der Leuchtturm fast. Dann ein Blitz, eine Gestalt hängt vom Geländer der Aussichtsplattform.
Ich wische mir das nasse Haar aus dem Gesicht. Kneife die Augen zusammen. »Jens!« Ein weiterer Blitz, und auf der Aussichtsplattform ist niemand mehr zu sehen.
Eine Gänsehaut breitet sich auf meinem ganzen Körper aus, zieht schmerzend an den Oberschenkeln. Ich kneife die Augen zusammen, lasse den Blick von der Aussichtsplattform über die Dünen schweifen. Kein Jens. Keine seltsame Gestalt. Niemand.
»Jens!«, schreie ich noch einmal, doch die Stimme klingt dünn gegen den Sturm.
Der Wind schiebt mich landeinwärts.

Oma wartet auf mich, erhebt sich vom Küchenstuhl, als ich eintrete. »Kröte«, sagt sie, ergreift meine Hand und streicht über den aufgeschrammten Ballen, »bist ja ganz zerkratzt.«
Ich ziehe die Hand weg. Regen prasselt auf das Dach.
»Is Jens nich mit dir zurück?«, fragt Oma.

Ich stelle den Roller vor dem Ferienhaus ab und verstaue den Helm im Topcase. Jens‘ Kastenwagen steht noch da. Wartet auf ihn.
Vorsichtig bewege ich mich die Steine hinauf zum Leuchtturm. Der Regen hat die Löcher weggespült. Der Sturm hat alle Spuren von Jens fortgerissen.
Ich trete durch den Torbogen in den Leuchtturm. Sand knirscht unter den Sohlen der Gummistiefel. Mit dem Fuß schiebe ich die Schaufel beiseite.
Ich ducke mich unter die Treppe und leuchte mit der Handytaschenlampe in die Kuhle. Sie ist flach, kaum dreißig Zentimeter tief. Darunter Beton. Unter dem Leuchtturm lebt nichts.
Ich hebe die Schaufel auf und trete wieder nach draußen, atme tief die salzige Luft ein. Dünensand unter den Sohlen meiner Gummistiefel. Ich ramme die Schaufel in den Boden und beginne zu buddeln.
Die Wellen rauschen stetig an den Strand. Reißen das Treibgut wieder mit sich.
Nach unten. Nach Vineta.

 

Liebe Wortkrieger,

Seit über einem Jahr trage ich nun schon die größere Erzählung hinter der Challenge-Kurzgeschichte von 2018, Sturmfrei, mit mir herum. Nun habe ich entschieden, daraus eine Serie zu machen. Dies ist der zweite Teil, und ich habe Querverbindungen zwischen beiden Geschichten eingebaut.

Ich bin gespannt auf euer Feedback!

Eure Maria

 

Super Geschichte, gerne wieder.


? – sorry, liebe Teddy, das konnte ich mir nicht verkneifen. Ein ausführlicher Kommentar kommt dann die Tage.

Aufgefallen ist mir heute Abend:

Wir sind Helden, später Helden: Würde ich kursiv oder in Anführungszeichen setzen. So stolpert man drüber im Satzbau und vielleicht schaltet auch nicht jeder bei dem Namen. Ich glaube, meine Lütten daheim kennen die schon nicht mehr.

Ich fand die Stelle mit dem Fernseher unschlüssig. Erst kann die Prota nur gucken, aber nicht hören. Also der Sturm ist lauter, dann aber

Was?«, schreie ich über das TV-Geplärre und das Sturmgeheule hinweg.
scheint der Fernseher mindestens so laut zu sein wie der Sturm.

Ab „Treppe runter“ im Leuchtturm hast Du bewusst oder unbewusst einen Stilbruch drin. Deine Schreibe verändert sich. Ob mir das gefällt, weiß ich heute Abend noch nicht. Dazu die Tage.

Ach, ja: Die Stelle gefiel mir gar nicht:


Am Leuchtturm verschwinden Leute. Meistens Touristen. Die fahren nur zur Landzunge, um zu verschwinden.

Das klingt so abgedroschen und Du machst im Folgenden nichts daraus. Ich glaube, der Leuchtturm ist auch ohne so ein Klischee unheimlich genug.

Dafür gefiel mir die „Selbstumarmung“ gut. Ein schönes Bild ?.

Sodele, bis demnächst und gute Nacht

LG
Mae

 
Zuletzt bearbeitet:

„Aus des Meeres tiefem, tiefem Grunde
Klingen Abendglocken dumpf und matt,
Uns zu geben wunderbare Kunde
Von der schönen alten Wunderstadt.“*

Nur ganz kurz –​


liebe Jule,

- dir kann ich‘s ja verraten - hier bricht gleich die Enkelgeneration ein (morgen sind Mama mit Oma im Frauenkabarett, Samstag Kinderkarnevalszug hierorts mit Einbruch der weiteren näheren Verwandtschaft usw. mit dem Opa als Hüter besten Bieres und sonstiger geistiger Getränke, aber während des Kinderkarnevalzuges „Kaffee“-Vorbereiter, wie er das hasst, Tassen nebst UNtertassen, Kaffekochen, kannenweise, Tellerchen und Besteck, Serviettchen falten - das Grauen hat einen Namen: Kinderkarneval!)) -

und nur'n paar winzige Anmerkungen zum Text,

liebe TeddyMaria,

, wie das etwas ungelenk klinge(l)nde

Als ich mein Fahrrad den Weg hinauf zum Leuchtturm schiebe, ...
Ich betätige die Fahrradklingel, und …
das ich in einem Wettbewerb zur bürokratischen „Wechselblinkanlage“ für die schlichte (Verkehrs-)Ampel sehe. Oder wird eine Türklingel mit dem Fahrrad geschoben? Die wäre dann nennenswert, wenn sie genutzt würde ...

Jens erscheint auf der gewundenen Treppe, und ich schirme die Augen gegen das Licht seiner Taschenlampe ab.
Da gibts eine wunderschöne, teutsche Zusammenführung in der „Wendeltreppe“

Jens tritt neben mich, stemmt sich gegen das Geländer, beugt sich darüber, den Mund lachend geöffnet. Als wolle er den Regen trinken.
Jens wird doch nicht näherungsweise Regenwasser trinken wollen. Nix wäre irrealer … auch bei mir - s. o.

Warum hier die Mengenangabe

Ein schnarrender Atem, Knurren und Fauchen. Mehr Erde.
vor-weg? Als Kontrast zu "mehr Erde"?

„Und dann möcht ich tauchen in die Tiefen,
Mich versenken in den Widerschein,
Und mir ist, als ob mich Engel riefen
In die alte Wunderstadt herein.“​

*Ich kann mir nicht verkneifen, noch eines Strophe aus Wilhelm Müllers „Vineta“ zu zitieren:
Aber Jule, da kuckse besser wech:

„Und der Schiffer, der den Zauberschimmer
Einmal sah im hellen Abendrot,
Nach derselben Stelle schifft er immer,
Ob auch rings umher die Klippe droht“,
umso mehr, als ich mal kurz (noch auf Festland) vor der Überfahrt nach Ameland ins Watt pinkeln musste und justament im grellsten Scheinwerferlicht meines Lebens stand ...

Gern gelesen von

het windje

 

Wow @TeddyMaria, ich weiß gar nicht was ich sagen soll, außer, dass mich deine Geschichte sofort gefesselt hat. Dann musste ich erstmal die erwähnte andere Geschichte lesen "sturmfrei" und dann folgte gleich ein zweites wow.

Ich werde mir die Geschichte nochmal in aller Ruhe zu Gemüte führen, dafür muss ich sie aber erst ein bisschen sacken lassen. Vielleicht heute abend, sonst morgen folgt dann ein ausführlicher Kommentar, sofort ich überhaupt etwas finde :-D

Ich verabschiede mich erst ein mal wieder :-D

Liebe Grüße
Shey :-)

 

Hi @Maedy

Super Geschichte, gerne wieder.

Oh Mann, habe ich mich erschreckt, als Du nach zwanzig Minuten einen Kommentar abgesetzt hast. Das kann nichts Gutes bedeuten!, dachte ich mir. Ich habe wohl geirrt, denn Du bist offenbar super aufmerksam und super schnell. Danke für Deinen Kommentar!

Was ich nicht extra erwähne, habe ich ohne Gemurre umgesetzt.

scheint der Fernseher mindestens so laut zu sein wie der Sturm.

Ich habe mir das eher so vorgestellt, dass zwei Lärmquellen gegeneinander ankämpfen und daraus einfach nur noch mehr unverständlicher Lärm entsteht. Aber stimmt, das steht da so nicht. Ich habe die Stelle etwas abgewandelt.

Ab „Treppe runter“ im Leuchtturm hast Du bewusst oder unbewusst einen Stilbruch drin. Deine Schreibe verändert sich. Ob mir das gefällt, weiß ich heute Abend noch nicht.

Interessante Beobachtung! Ich frage mich, ob es daran liegt, dass ich das Tempo in diesem Abschnitt bewusst angezogen oder diese Stelle öfter als den Rest überarbeitet habe. :) Ersteres wäre fein für mich, Zweiteres nicht so. Vielleicht fällt Dir ja noch ein, ob es Dir gefällt, oder nicht.

Das klingt so abgedroschen und Du machst im Folgenden nichts daraus. Ich glaube, der Leuchtturm ist auch ohne so ein Klischee unheimlich genug.

Hm, ich denke, Du hast im Kontext dieser Geschichte recht. Bei näherer Betrachtung ist mir aufgefallen, dass das nur vor dem Hintergrund von "Sturmfrei" Sinn ergibt – der Hinweis darauf, dass viele Menschen sich beim Leuchtturm das Leben nehmen. Da Jens wohl eher verunfallt ist, spielt das in dieser Geschichte keine Rolle. Aber in der Serie schon. Ich bin mir noch unsicher, ob ich es kicken soll, und warte nochmal ab, bis jemand anderes oder meine innere Lektorin sich meldet.

Dafür gefiel mir die „Selbstumarmung“ gut. Ein schönes Bild ?.

Dankeschön! Habe mich gefreut, dass Du hier warst. Und vor allem so rasend schnell.

Cheers,
Maria

Hi @Friedrichard

Endlich schreiben wir uns wieder! Ich weiß, es liegt nicht an Dir. Ich war ja wirklich eine Weile abwesend als WK-Autorin. :lol:

und nur'n paar winzige Anmerkungen zum Text,

Habe ich alles sofort eingearbeitet. Vielen Dank, dass Du immer so einen genauen Blick auf mich hast! (Wobei ich mir mit dem Klingeln noch nicht sicher bin, ob das so verkürzt klappt. Zufrieden war ich mit der ursprünglichen Formulierung aber auch nicht. Wir werden's an den nachfolgenden Leserinnen sehen.)

das Grauen hat einen Namen: Kinderkarneval!

Da traue ich mich kaum, Dir ein erholsames Wochenende zu wünschen. Ich hoffe, Du hältst durch. Oder Du machst es wie ich und fliehst in den Norden. ;) Zumindest gedanklich.

umso mehr, als ich mal kurz (noch auf Festland) vor der Überfahrt nach Ameland ins Watt pinkeln musste und justament im grellsten Scheinwerferlicht meines Lebens stand ...

:sconf:

Danke für Deinen Kommentar!

Cheers,
Maria

Hi @Shey

Schön, Dich unter meiner Geschichte zu treffen. Und ich freue mich auch über ein Wow. :)

ich weiß gar nicht was ich sagen soll, außer, dass mich deine Geschichte sofort gefesselt hat. Dann musste ich erstmal die erwähnte andere Geschichte lesen "sturmfrei" und dann folgte gleich ein zweites wow.

Das freut mich wirklich sehr. Um Dir ein fesselndes Leseereignis zu bescheren, dafür bin ich ja hier. Vielen Dank, dass Du mir eine Rückmeldung dagelassen hast.

Vielleicht heute abend, sonst morgen folgt dann ein ausführlicher Kommentar, sofort ich überhaupt etwas finde :-D

Eigentlich ... bin ich ja auch für kritisches Feedback hier, also freue ich mich auch über ausführliche Kommentare, selbst wenn sie mir nur zeigen, was schon gut läuft. :lol: Aber fühl Dich bitte nicht dazu aufgerufen oder verpflichtet. Mir reicht es auch zu wissen, dass etwas gut gelaufen ist, und ich freue mich sehr darüber.

Vielen Dank!

Cheers,
Maria

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin,moin liebe @TeddyMaria,
Ich habe mir deinen zweiten Teil der LeuchtturmGeschichte auf der langen Autofahrt nach Mannheim zu Gemüter geführt und fühlte mich sehr gut unterhalten. Der erste Teil war mir noch gut gegenwärtig oder es passt auch ohne diese Vorkenntnisse. Ich geh mal mit ein paar Zitaten durch.

Unter dem Leuchtturm lebt etwas. Sagt Jens mir immer wieder. Jens buddelt
Der Anfang gefällt mir richtig gut, auch wenn ich mich beim ersten Lesen kurz über die Dopplung Titel und erster Satz gewunden habe.

Moin.« Mit schwarzen Augen beäugt er meinen Fahrradkorb.
Tja, diese unglaublich geschwätzigen Norddeutschen. Macht die Dialoge so schön übersichtlich
Muss ich wissen, welche Augenfarbe er hat? Ich finde das beäugen schon eher wichtig.

Ich liebe es

gegen Reste von Zaun, die schief aus dem Boden ragen.
Ich weiß, dass Du um Längen besser in Grammatik bist, aber mir fehlt da was. Z.b. von einem Zaun oder einfach Zaunpfähle?

Reißt die Dose auf
Da hatte ich kurz das Bild einer GetränkeDose und hab nochmal nachgelesen

Wird heut noch stürmisch«,
Davor waren es Sturmwolken, ich hab also schon ein Bild. Vielleicht hier knapper, maulfauler: wird heut noch was oder gibt noch was?

Die Stadt wird heut auftauchen«,
Oh, ich ahne, worauf er hinaus will. Obwohl da ja recht unterschiedliche Theorien herumgeistern.

stinkt es nach Erde und Zigarettenrauch.
Komm, mach die Gärtnerin glücklich - Erde stinkt nicht! Matsch, Moderator oder Altem?

die Reifen rattern auf den Rillen der Betonplatten.
Ist das wirklich rattern? MIst, mir fällt gerade auch nichts anderes ein, nimmst nur als kleinen Hängenbleiber.

Ist nicht falsch, aber mir waren es persönlich zuviel "Mutti", hast du eine Abwechslung oder Austausch mit Sie absichtlich unterlassen?

Ist doch nur ein büschen Wind«,
Genau!

»Hab sie aufgemacht.«
Ähm? Eine Eisentür? Wie?

Jens lehnt sich neben mich an die Wand, unsere klatschnassen Anoraks reiben aneinander, die Kälte drückt sich durch meinen Ärmel. Ich trete einen winzigen Schritt zur Seite, doch er rückt sofort nach.
Ich mag deine Beschreibungen ganz doll, hab meisten einen richtigen Film vor Augen, so macht lesen Spaß.

Ich reiße die Augen auf. Mache einen Schritt von der Wand weg, ergreife die eiskalte Metallbrüstung. Halte mich daran fest und starre aufs Meer, auf das Schimmern. Will die Augen noch weiter aufreißen, um zu erkennen, zu ergründen, was das sein kann, doch Regen und Gischt klatschen mir entgegen, nehmen mir die Sicht.
Das ist meine Lieblingsstelle

Vineta, Vineta, du rieke Stadt!«
Ha! Gut geraten :-)

»Ich geh jetzt«, sage ich. »Aber du könnt’st mich nach Hause fahren.«
Da häte ich anstatt des "Aber" eher etwas forderndes, deutliches erwartet - sie will ihn ja vom Turm wegholen ...

Wieder das Trippeln. Und dieses seltsame Geräusch. Wie das Lachen eines Rauchers. Ich fauche laut, um das Tier in die Flucht zu schlagen.
Okay! Mich gruselt es

Neben mir fällt die Schaufel um, und ich stolpere darüber, wäre fast gefallen.
Der letzte Teilsatz nimmt für mich Tempo, Druck raus. Würde ich schärfen ...

Schlage hin, mein Kopf knallt in den Sand.
Sand und knallen kriege ich nicht so recht zusammen.

»Kröte«,
Netter Kosename, würde ich aber als solchen verdeutlichen. "Söte kröte" oder "lütte Kröte"

Oma seufzt. »Hör’ma, Jule. Wir müssen jetzt stark sein.«
Oh oh

Erde knirscht unter den Sohlen
Am Leuchturm wäre doch eher Sand oder Lehm?

Sie ist flach, kaum dreißig Zentimeter tief. Darunter
Super aufgelöst

Also ich mag die Geschichte gerne lesen, für mich kommt da gut Spannung auf und viele Stellen ließen einen schönen Film ablaufen. Ich bin also gefühlt nass, gut durchgeweht und ein wenig traurig, wie der jemand verschwunden ist.
Bin gespannt, was du noch änderst ...
Liebe Grüße
Witch

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @TeddyMaria ,

schön, dass du auch mal wieder was einstellst. Will dir nur mal einen ersten Leseeindruck dalassen. Ich muss zu meiner Schande gestehen, den ersten Teil auch noch nicht gelesen zu haben. Naja, das lässt sich nachholen.
Also mittlerweile sind mir ja (inklusive einer eigenen) schon so einige Sturmböen-/Flutgeschichten untergekommen und es war eher selten, dass am Ende niemand in die Fluten gegangen ist. Zuletzt bei Yukio Mishima 'Tod im Hochsommer' nach @ziggas Lobpreisung desselben. Ich hoffe, so viel habe ich richtig verstanden. Aber die Überraschung hast du, fand ich, trotzdem gut hinbekommen.
Ich muss sagen, dass sich mir die Geschichte beim Lesen nicht so ganz erschlossen hat. Das muss natürlich nichts heißen; außer dass die Geschichte vielleicht dichter ist als andere; das finde ich weder schlecht noch gut. Viele Andeutungen und mein Wissen um deine Fantasyaffinität haben mich dann gleich in so eine Richtung deuten lassen. Nach google habe ich rausgefunden, das Vineta eine sagenhafte Stadt an der vorpommerschen Ostseeküste ist. Und irgendwie sind die beiden oder auch nur Jens auf der Suche danach. Was es mit den Löchern und dem unheimlichen Wesen auf sich hat, habe ich leider nicht gerafft. Wie groß soll das sein, was Jens da durch sein Buddeln ausgraben will und warum so viele Löcher nebeneinander. In meinem Kopf sind ganz viele Fragezeichen. Das erstmal nur als Randbemerkung.

Ich finde, von der Anzahl an Figuren und der Auswahl des Ortes und dem Erzähltempo passt das. Ich hatte öfter das Gefühl, Perspektiv- und Stilungenauigkeiten zu lesen. Ein paar Sachen zitiere ich noch, vielleicht ist da etwas dabei, was das gut illustriert. Es würde mich da interessieren, wie du beim Schreiben vorgegangen bist. Also wieviel Zeit du dir beim Schreiben und Planen genommen hast. Es fällt mir sehr schwer, das einzuordnen und ich frage mich, ob du da eventuell ziemlich viel skizziert hast oder schnell geschrieben hast und auch, ob du da beim Überarbeiten viel gekürzt hast und ob du den Text nochmal hast liegen lassen und solche Sachen. Wenn dir das zu persönliche Fragen sind, dann musst du darauf natürlich nicht antworten.

Ich finde Show-Dont-Tell beherzigst du gut. Da habe ich nur an manchen Stellen gedacht, ob die Sachen (z. B. Charakterisierungen) schon alle ihren optimalen Platz im Text gefunden haben und ob sie die Verhältnisse zwischen den Figuren schon so klar machen, wie sie es vielleicht könnten.

Weiter fand ich vieles im Text einfühlsam beschrieben, auch wenn mir die Sprache (die gewählten Vergleiche etc.) manchmal ein wenig den Zugang zur Gefühlswelt der Figuren verhindert haben, eben weil ich, glaube ich, nicht alles ganz verstanden habe.

Die Details, die du in deinem Text verstreust, tun ihm auf jeden Fall gut, finde ich. Das würde ich auf jeden Fall beibehalten, auch wenn man natürlich nochmal im Einzelnen darüber sprechen könnte, insgesamt sehe ich diese Hinweise, etwa auf die Musik, die sie hört, als Bereicherung.

Die eigentliche Stärke des Textes sehe ich in dem Konflikt, den ich leider nicht so ganz raffe, und der dadurch, zumindest für mich, irgendwie ins Leere läuft. Aber stark deshalb, weil er sich ja eigentlich kontinuierlich zuspitzt. Nur dass ich eben nicht genau weiß, was es damit auf sich hat. Ähnlich ist das mit der Spannung. Die erzeugst du ja schon im ersten Satz und greifst sie auch wieder auf. Und trotzdem kann ich ihr nicht so ganz habhaft werden. Ich komme da irgendwie noch nicht ran. Vom Thema her finde ich das schon cool. Auch von der Möglichkeit da so zwei Geschichten nebeneinander zu erzählen, dass wäre sogar das größte Potential, was ich da sehe und dass wolltest du ja hier auch eigentlich machen, wenn ich das richtig verstanden habe. Einmal diese vordergründige Story, Jens Bedrohung, dann aber auch diese Vineta-Sache.

Dabei würde ich es jetzt erstmal belassen; jetzt nochmal ein paar einzelne Stellen.

Unter dem Leuchtturm lebt etwas.

Der besagte Satz. Hier erzeugst du Spannung, finde ich gut.

fliegt hinter der Düne Sand auf

auffliegen kann man schon so sagen. Es hat ja semantisch auch noch eine ganz andere Bedeutung und ich sehe es nicht nah genug beim Sand, eher eben beim Auffliegen, erwischt werden. Ich würde da dann lieber etwas wie aufwirbeln, aufwehen etc. nehmen

ungefähr einen halben Meter tief

diese Löcher hätte ich gerne noch etwas genauer beschrieben gehabt. Sie sind ja wichtig für das Bild das dort am Anfang entstehen soll und das könnte präzise und darin ja auch schön zu lesen sein.

schwarzen Augen beäugt

Augen beäugt

Mit schwarzen Augen beäugt

das klingt so, als hätten seine Augen normalerweise eine andere Farbe. Außerdem sind ja nicht die Augen schwarz, sondern die Pupillen (denke ich jetzt mal, oder?)

»Sie macht sich Sorgen.«

Da war mir nicht klar, wer das sagt

Reste von Zaun

vom Zaun
(vielleicht meintest du das 'Reste von Zaunmaterial' aber das lese ich hier an der Stelle nicht klar raus.

»Wartest noch kurz, dann nehm ich dich mit«

wartest du ... ? Sonst in der Verkürzung für mich nicht wirklich als ugs. oder als Dialekt identifizierbar.

graugesprenkelten Bart.

Die Beschreibung hätte, glaube ich, vorher besser gepasst. Ich hatte mir Jens mittlerweile schon ganz anders vorgestellt und auch weniger alt.

auf den Panzerweg

Das war so beiläufig. Aber hier wüsste ich schon gerne mehr drüber, weil das ja auch gleich so etwas Politisches bekommt.

Zuerst habe ich noch versucht

Würde hier nicht ins Perfekt wechseln, sondern einfach im Präsens schreiben. Wäre für mich lebendiger und dann auch kein Tell.

mein Kopf knallt in den Sand.

Das passte für mich irgendwie nicht. Erstmal stelle ich mir 'Sand' grundsätzlich weich vor und habe allein durch 'Sand' jetzt keinen feuchten, festen Sand im Kopf und in den Sand erzeugt bei mir das Bild, dass der Kopf irgendwie im Sand steckt.

Nimm dir von den Anmerkungen, (wenn) was du gebrauchen kannst. Ist erstmal nur ein Leseeindruck und wie gesagt, war ich mir auch nicht sicher, ob ich alles richtig verstanden habe. Schreib ruhig nochmal, falls du den Text bearbeitest. Würde da nochmal drüber lesen.

LG
Carlo

 

Hallo @TeddyMaria

spannend geschrieben, ohne Frage.

Ein paar Dinge habe ich:

Das Wohnzimmerfenster schlägt klappernd gegen die Schrauben, die Mutti letztes Jahr durch den Rahmen getrieben hat.
Hier frage ich mich, wie alt die Prota überhaupt ist. In der ersten Szene dachte ich so an etwa 10 Jahre, hier, wegen den getriebenen Schrauben, müsste sie m.E. viel älter sein. Auflösung oder Hinweise gibt es keine.

Er springt über die Löcher hinweg auf den Weg zu, die Schaufel über der Schulter. »Moin.« Mit schwarzen Augen beäugt er meinen Fahrradkorb. »Schickt die Omma dich?«
Auch hier halte ich Jens für einen gleichaltrigen Jungen, wie er über Löcher springt, die Schaufel über die Schulter, nach Oma fragt (Geschwister etwa?).

In Jens‘ Kastenwagen stinkt es nach Erde und Zigarettenrauch.
Er ist viel älter als ich dachte.

Als sie spricht, beschlägt die Scheibe: »Is Jens gar nich da?«
Wieso vermisst sie Jens, frage ich mich? Wohnt er mit ihnen zusammen?

Ein Blitz erhellt die Dünenlandschaft, kurz taucht das Ferienhaus in der Nacht auf, zusammengekauert unter seinem Reetdach.
Was hat es mit dem Ferienhaus auf sich? Wohnt Jens dort? Aber es ist doch leerstehend, heißt es. Oder habe ich was übersehen?

Für mich sind am Ende reichlich Fragen offen.
Z.B. Alter von Jule, wer genau ist Jens, was macht und wo wohnt er? Warum fragt Oma nach Jens? Gibt es einen Vater? Was macht en Leuchtturm so besonders, das er der Mittelpunkt der Geschichte ist? Was sehen sie Besonderes im Meer? Haben sie dort schon mal etwas gesehen?Ist da was geschehen? Für all das finde ich keine Hinweise.

Ich weiß, der Text ist Teil einer Serie, aber für mich, in der Rolle eines Lesers, der hier einsteigt und diesen Text, der ja losgelöst von anderen sein soll, liest, klappt das nicht so wirklich – Mensch, ein Satz mit vielen Kommas. Bestimmt 'n paar falsch gesetzt :-)

Das mein Leseeindruck. Vielleicht kannst du damit ja etwas anfangen.

Schönes Wochenende und liebe Grüße,
GoMusic

 

Hi @greenwitch

Freut mich, dass Du reingeschaut hast. Während ich die Geschichte geschrieben habe, habe ich öfters an Deine letzte Copywrite-Geschichte gedacht. Atmosphärisch wollen wir ja häufiger mal etwas Ähnliches erreichen, denke ich. Umso mehr freut es mich, dass es Dir gefallen hat. :)

Der erste Teil war mir noch gut gegenwärtig oder es passt auch ohne diese Vorkenntnisse.

Das hoffe ich doch. Generell hatte ich beim Schreiben den Eindruck, dass dieser Teil viel mehr zur Erklärung von "Sturmfrei" beiträgt, als dass "Sturmfrei" etwas zur Erklärung dieses Teils beitragen würde. :lol: In dieser Geschichte habe ich die Gelegenheit gesehen, endlich den Mythos hervorzuheben, um den es mir eigentlich schon bei "Sturmfrei" ging.

Alles, was ich nicht extra erwähne, habe ich bereits umgesetzt.

Der Anfang gefällt mir richtig gut, auch wenn ich mich beim ersten Lesen kurz über die Dopplung Titel und erster Satz gewunden habe.

Ich habe damit auch lange gehadert, weil diese Dopplung mir tatsächlich nicht gefällt. Aber für sich genommen fand ich den Titel gut und den ersten Satz gut. Die Kombi ist halt ein bisschen ... na ja. Ich überlege am ehesten noch, ob mir ein besserer Titel einfällt.

Tja, diese unglaublich geschwätzigen Norddeutschen. Macht die Dialoge so schön übersichtlich

Ich habe geahnt, dass Dir das gefallen würde. ;)

Ähm? Eine Eisentür? Wie?

Ähm ... Mit viel Gewalt, und die Tür ist schon ermüdet und rostzerfressen? Das klingt nach einer faulen Ausrede, haste recht. Ich denke nochmal drüber nach.

Ich mag deine Beschreibungen ganz doll, hab meisten einen richtigen Film vor Augen, so macht lesen Spaß.

Das freut mich sehr. Diesen Ort darzustellen, daran hatte ich wieder großen Spaß.

Das ist meine Lieblingsstelle

Ich mochte die Stelle auch, habe beim Schreiben schon befürchtet, dass das wieder so ein Gefühl ist, das außer mir niemand kennt (über so etwas stolpere ich als Autorin öfters): dass ich etwas sehe, aber nicht genau erkenne oder nicht glauben kann, und mir fast die Augen aus dem Kopf fallen, weil ich sie so sehr aufreiße. Ich hoffe, weil's mir diesmal doch gelungen ist, ein solch einmaliges und seltsames Gefühl zu beschreiben, gefällt Dir diese Stelle auch so gut.

Netter Kosename, würde ich aber als solchen verdeutlichen. "Söte kröte" oder "lütte Kröte"

Hab's hingeschrieben und wieder weggenommen. Irgendwie ist mir das too much.

Also ich mag die Geschichte gerne lesen, für mich kommt da gut Spannung auf und viele Stellen ließen einen schönen Film ablaufen. Ich bin also gefühlt nass, gut durchgeweht und ein wenig traurig, wie der jemand verschwunden ist.

So soll sich die Geschichte lesen! Danke für Deine Rückmeldung und Dein Engagement auf der Fahrt. Und wir können uns ein bisschen beim Bahn-WLAN bedanken, denn ohne dessen Mätzchen hätte ich Deinen vollendeten Kommentar vor der Beantwortung gar nicht mehr gelesen. :lol:

Cheers,
Maria

Hi @Carlo Zwei

Ich freue mich immer, von Dir zu lesen. Bei Geschichten und in Kommentaren. Schön also, dass Du hier bist.

Also mittlerweile sind mir ja (inklusive einer eigenen) schon so einige Sturmböen-/Flutgeschichten untergekommen und es war eher selten, dass am Ende niemand in die Fluten gegangen ist. Zuletzt bei Yukio Mishima 'Tod im Hochsommer' nach @ziggas Lobpreisung desselben. Ich hoffe, so viel habe ich richtig verstanden. Aber die Überraschung hast du, fand ich, trotzdem gut hinbekommen.

Dass das Motiv bekannt ist, da muss ich mir wohl keine Illusion machen. Schon im ersten Teil der Serie ist jemand verschwunden. Umso mehr freut es mich, dass die Wendung für Dich funktioniert. Ich hatte das Ende zunächst auch anders im Kopf, aber dann hat es sich so ergeben.

Womit ich kurz zu diesem Punkt springe:

Es würde mich da interessieren, wie du beim Schreiben vorgegangen bist. Also wieviel Zeit du dir beim Schreiben und Planen genommen hast. Es fällt mir sehr schwer, das einzuordnen und ich frage mich, ob du da eventuell ziemlich viel skizziert hast oder schnell geschrieben hast und auch, ob du da beim Überarbeiten viel gekürzt hast und ob du den Text nochmal hast liegen lassen und solche Sachen.

Als ich mit Schreiben angefangen habe, habe ich total viel skizziert und geplant und Mindmaps und Flussdiagramme gemalt. Inzwischen mache ich das nicht mehr, zumindest nicht bei Kurzgeschichten. Ich überlege mir etwas und haue erstmal los. Wenn es dann nicht klappt, fange ich so lange von vorne an, bis die Geschichte sich quasi zu Ende geschrieben hat.

Diese Geschichte ist insofern auch besonders, weil ich die Idee ein paar Tage im Kopf gewälzt (die blöde Berufstätigkeit erlaubt nicht immer, sofort loszuschreiben) und dann zügig aufgeschrieben habe. Ich habe mich dabei so inspiriert und begeistert gefühlt, dass ich sie schon nach wenigen Tagen einigen Leuten vorgestellt, mir Feedback geholt und überarbeitet habe. Insofern wurde diese Geschichte von mir schneller und intensiver bearbeitet als viele anderen.

An einigen Stellen kann ich Dir leider nicht ganz folgen:

Ich hatte öfter das Gefühl, Perspektiv- und Stilungenauigkeiten zu lesen. Ein paar Sachen zitiere ich noch, vielleicht ist da etwas dabei, was das gut illustriert.

Deine Detailanmerkungen habe ich, sofern ich sie jetzt nicht weiter erwähne, bereits eingearbeitet. Danke dafür! Was Perspektiv- und Stilungenauigkeiten angeht, weiß ich leider gerade nicht, was Du meinst. Wenn Du die Zeit findest, das auszuführen, würde ich mich freuen. Das gleiche gilt für diese Stellen in Deinem Kommentar:

Da habe ich nur an manchen Stellen gedacht, ob die Sachen (z. B. Charakterisierungen) schon alle ihren optimalen Platz im Text gefunden haben und ob sie die Verhältnisse zwischen den Figuren schon so klar machen, wie sie es vielleicht könnten.
Weiter fand ich vieles im Text einfühlsam beschrieben, auch wenn mir die Sprache (die gewählten Vergleiche etc.) manchmal ein wenig den Zugang zur Gefühlswelt der Figuren verhindert haben, eben weil ich, glaube ich, nicht alles ganz verstanden habe.

Du sagst das zwar, und ich finde interessant, dass Du das so siehst, aber ich kann es leider überhaupt nicht nachvollziehen. Vielleicht könntest Du diese Stellen und Vergleiche noch einmal herausstellen? (Natürlich nur, wenn Du die Muße hast.)

Das würde ich auf jeden Fall beibehalten, auch wenn man natürlich nochmal im Einzelnen darüber sprechen könnte, insgesamt sehe ich diese Hinweise, etwa auf die Musik, die sie hört, als Bereicherung.

Ich freue mich, dass Du Dich über die Musik freust. Die wird ja in meinen Geschichten häufig kritisiert. Ich habe genau diesen Helden-Song auch aus einem anderen Grunde gewählt:

Aber stark deshalb, weil er sich ja eigentlich kontinuierlich zuspitzt. Nur dass ich eben nicht genau weiß, was es damit auf sich hat. Ähnlich ist das mit der Spannung. Die erzeugst du ja schon im ersten Satz und greifst sie auch wieder auf. Und trotzdem kann ich ihr nicht so ganz habhaft werden. Ich komme da irgendwie noch nicht ran. Vom Thema her finde ich das schon cool.

"Wenn es passiert" von Wir sind Helden drückt für mich auch das Staunen und die Unbegreiflichkeit über ein weltveränderndes Ereignis aus. Das ist auch, womit ich mich in der Serie befassen möchte. Es geht mir im Wesentlichen darum, die Charaktere und auch die Leserinnen mit einer Naturgewalt zu konfrontieren, die so mächtig und rätselhaft ist, dass sie nicht begriffen werden kann.

Als Menschen begegnen wir diesen Gewalten ja immer wieder, auch heute noch (ich zumindest kann das von mir sagen). Manchmal sprechen wir dabei von "Magie" oder "Gott" oder fordern mehr Forschung, und ich denke, diese Konstrukte entspringen dem Wundern über ein Ereignis, das unbeschreiblich gewaltig ist. Deshalb glauben die Figuren in meiner Vineta-Serie an Mythen und Märchen, weil ihnen Dinge widerfahren, die rätselhaft sind und sich in ihrem Ausmaß nicht erfassen lassen. Das kann eine Naturgewalt wie Sturm und Meer sein, die hier Jules Sinne beeinträchtigen, sie in der Dunkelheit Monster sehen lassen, wo eigentlich nur ein Hund ist (wahrscheinlich).

Und weil das so ist, möchte ich es gerne der Deutung der Figuren in der Geschichte und der Deutung der Leserinnen außerhalb der Geschichte überlassen, ob sie an Magie glauben wollen. Vielleicht wird Dir dadurch deutlicher, worauf ich hinauswollte. Es geht mir nicht darum, das Monster oder das Leuchten zu erklären. Sondern eher zu erklären, wieso erwachsene Menschen sich nachts vor winzigen Geräuschen fürchten (wenn Du verstehst, was ich meine).

auffliegen kann man schon so sagen. Es hat ja semantisch auch noch eine ganz andere Bedeutung und ich sehe es nicht nah genug beim Sand, eher eben beim Auffliegen, erwischt werden. Ich würde da dann lieber etwas wie aufwirbeln, aufwehen etc. nehmen

Ich musste ewig darüber nachdenken, was Du mit dem "Auffliegen" in anderer Bedeutung meinst. :lol: Aufwirbeln oder Aufwehen finde ich aber nicht richtig, schließlich fliegt der Sand ja hoch, weil er weggeschaufelt wird. Da passen für mich Wirbeln und Wehen nicht.

diese Löcher hätte ich gerne noch etwas genauer beschrieben gehabt. Sie sind ja wichtig für das Bild das dort am Anfang entstehen soll und das könnte präzise und darin ja auch schön zu lesen sein.

Ich habe einen Satz ergänzt und versucht, es weiter zu beschreiben, aber auf die Schnelle ist es mir nicht gelungen, ohne dass mir der Anfang zu beschreibend erschien. Ich habe mir Deine Anmerkung notiert und schaue mal, ob ich es in einem intensiveren Überarbeitungsvorgang reinbekomme.

Das war so beiläufig. Aber hier wüsste ich schon gerne mehr drüber, weil das ja auch gleich so etwas Politisches bekommt.

Ich habe den Panzerweg eingebaut, weil das Vorbild für diesen Ort und die Landschaft für mich Ahrenshoop an der Ostsee ist. Dort gehört das Radfahren auf diesen Betonwegen dazu. Außerdem habe ich gehofft, dass dieses Wort klarmachen kann, dass wir uns nicht an der Nordsee, sondern an der Ostsee befinden.

Schreib ruhig nochmal, falls du den Text bearbeitest. Würde da nochmal drüber lesen.

Vielen Dank für das Angebot! Ich sage Dir Bescheid!

Cheers,
Maria

Hi @GoMusic

Danke, dass Du einen so detaillierten Blick auf meinen Text geworfen hast. Alles, was ich nicht extra anmerke, habe ich bereits eingearbeitet.

spannend geschrieben, ohne Frage.

Immerhin. :D

Hier frage ich mich, wie alt die Prota überhaupt ist. In der ersten Szene dachte ich so an etwa 10 Jahre, hier, wegen den getriebenen Schrauben, müsste sie m.E. viel älter sein. Auflösung oder Hinweise gibt es keine.

Du würdest eine Zehnjährige allein zu einem weirden Typen auf eine verlassene Landzunge schicken? Diese anfängliche Alterseinordnung kann ich leider überhaupt nicht nachvollziehen. Dass ich das Alter meiner Prots nicht klarkriege, ist wiederum ein bekanntes Problem (seufz). Für mich war sie im fortgeschrittenen Teenageralter, also zwischen fünfzehn und siebzehn Jahre alt. Ich notiere mir das Problem und beschäftige mich intensiver damit.

Auch hier halte ich Jens für einen gleichaltrigen Jungen, wie er über Löcher springt, die Schaufel über die Schulter, nach Oma fragt (Geschwister etwa?).

Ich habe Jens' Bewegungen langsamer gemacht und den grauen Bart vorverlegt. Vielleicht hilft das.

Wieso vermisst sie Jens, frage ich mich? Wohnt er mit ihnen zusammen?

An dieser Stelle hier:

Der sturmzerzauste Apfelbaum im Vorgarten, die Auffahrt vor Jens‘ Haus. Der rote Kastenwagen ist nicht da. Alle Fenster im Nachbarhaus dunkel.

... habe ich versucht, deutlich zu machen, dass Jens der Nachbar ist. Und dass die Leute in einem kleinen Ort aufeinander achten, erscheint mir nicht ungewöhnlich. Ich notiere mir das aber und versuche, das noch stärker herauszustellen.

Was hat es mit dem Ferienhaus auf sich? Wohnt Jens dort? Aber es ist doch leerstehend, heißt es.

Das Ferienhaus steht da, a) weil es in der ersten Geschichte auch schon da stand (aber das ist ein Meta-Argument also ...), b) weil es für mich sehr deutlich macht, wie verlassen dieser Ort ist. Wie er verfällt und niemand mehr dorthin kommt.

Ich weiß, der Text ist Teil einer Serie, aber für mich, in der Rolle eines Lesers, der hier einsteigt und diesen Text, der ja losgelöst von anderen sein soll, liest, klappt das nicht so wirklich

Was die Serie angeht: Ich glaube, Du würdest an der falschen Stelle suchen, wenn Du in der anderen Geschichte nach Antworten auf Deine Fragen suchst. In der anderen Geschichte verschwindet die Mutter von zwei Kindern, während sie Urlaub in dem Ferienhaus machen. Sie taucht nicht wieder auf, und die Geschichte endet, als den Kindern klar wird, dass sie nicht zurückkommt. Diese andere Geschichte beantwortet also eher noch weniger Fragen und wurde dafür und für ihren Determinismus (zu recht) stark kritisiert. Ich sehe, diese zweite Geschichte eher als Chance, der anderen Geschichte eine Deutungsebene hinzuzufügen. Und nicht umgekehrt.

Was macht en Leuchtturm so besonders, das er der Mittelpunkt der Geschichte ist? Was sehen sie Besonderes im Meer? Haben sie dort schon mal etwas gesehen?Ist da was geschehen? Für all das finde ich keine Hinweise.

Was Jens und Jule vorher schon wissen, darauf werde ich in einer Überarbeitung noch einmal eingehen. Im Prinzip geht es mir aber dabei darum, die Figuren mit etwas Unbegreiflichem und Rätselhaftem zu konfrontieren. Etwas, das sie, egal wie sehr sie die Augen aufreißen, um es besser zu sehen, nicht erfassen können.

Das erzeugt natürlich einerseits ein Problem von Determinismus, dass die Ereignisse sich der Kontrolle der Figuren entziehen. Und vielleicht ist es deshalb auch unnötig, darüber zu schreiben. Auf der anderen Seite haben die Leserinnen genau die gleiche Deutungshoheit wie die Figuren. Das finde ich eigentlich bereichernd. Leider scheint es mir wieder und wieder nicht zu gelingen, es so zu verpacken, wie ich mir das vorstelle.

Vielen Dank für Deinen genauen Blick. Einige Details, bei denen ich jetzt noch nicht genau weiß, wie ich sie lösen soll, werde ich nacharbeiten.

Cheers,
Maria

 

Hi TeddyMaria,

danke für deine Antwort.

Du würdest eine Zehnjährige allein zu einem weirden Typen auf eine verlassene Landzunge schicken? Diese anfängliche Alterseinordnung kann ich leider überhaupt nicht nachvollziehen.
Eben!
Anfangs hatte ich mir Jens auch auch gleichartig vorgestellt.

Dass ich das Alter meiner Prots nicht klarkriege, ist wiederum ein bekanntes Problem (seufz). Für mich war sie im fortgeschrittenen Teenageralter, also zwischen fünfzehn und siebzehn Jahre alt. Ich notiere mir das Problem und beschäftige mich intensiver damit.
Mittlerweile hat du das am Anfang mit "nach der Arbeit" gut eingebaut. :thumbsup:
Dass die Prota 15 - 17 sein soll ... Aber daran arbeitest du ja noch.
Vielleicht fährt sie kein Rad, sondern eine Fünfziger. Gut, bei nicht befestigten Straßen auch nicht so toll ...

Was die Serie angeht: Ich glaube, Du würdest an der falschen Stelle suchen, wenn Du in der anderen Geschichte nach Antworten auf Deine Fragen suchst.
Warum sollte ich auch in einer anderen Geschichte nach einer Lösung suchen?

Ich sehe, diese zweite Geschichte eher als Chance, der anderen Geschichte eine Deutungsebene hinzuzufügen. Und nicht umgekehrt.
Was haben die Bezüge zu einer anderen Geschichte hier zu suchen?
Ein Serienteil soll doch allein funktionieren :cool:

Schönen Tag und liebe Grüße,
GoMusic

 

Hey @TeddyMaria,

dachte schon, das Berufsleben hätte deine Schreiberseele weitgehend absorbiert. :lol: Mal sehen, was du mitbringst.

Unter dem Leuchtturm lebt etwas. Sagt Jens mir immer wieder. Jens buddelt.
Finde die direkte Wiederholung wenig gefällig und würde den Anfang etwas umstricken: Jens buddelt – wie jeden Tag, wenn er von der Arbeit kommt. 'Da unten lebt etwas', sagt er mir immer wieder.

Ich stopfe mir einen Kopfhörer ins Ohr und schalte einen Gang hoch.
Manch unbestimmte Artikel könnt'ste sparen.

»Da is doch weit und breit keine Menschenseele. Wenn er sich was antut.«
Ich finde den Jens richtig dubios. Er ist Nachbar, buddelt wie blöd und will sich ev. was antun?

»Ich fahr nicht für den raus«, sagt Mutti. »Ist doch ein erwachsener Mann.«
Oma schnaubt. »Du weißt doch, wie er is.«
Ich löse mich aus der Selbstumarmung. »Ich fahr schon.«
Da hab ich mich gefragt, warum die Mutti die Tochter (Alter unbestimmt, dachte zuerst 14) fahren lässt, wenn sie selbst es für unnötig (erwachsener Mann) und sogar gefährlich (Fahrrad im Sturm) hält. "Als ich aus dem Schutz der Bäume auf die Uferstraße einbiege, reißt mich der Sturm fast vom Fahrrad." Und da müht sich die Prota durch? Die muss den Jens echt mögen.

Ich brauche länger als sonst zum Leuchtturm.
Das ist selbsterklärend, wenn sie im niedrigsten Gang gegen den Wind fährt.

Hintereinander erklimmen wir die schmalen Stufen
Verbinde ich mit Berggipfeln, ist mir an der Stelle zu stark.

»Tschuldige«
»'Tschuldige«?

Jens lehnt sich neben mich an die Wand, unsere klatschnassen Anoraks reiben aneinander, die Kälte drückt sich durch meinen Ärmel. Ich trete einen winzigen Schritt zur Seite, doch er rückt sofort nach.
Die Jule scheint den Jens aufdringlich und eklig zu finden, sonst müsste sie nicht nach jeder Autofahrt duschen und mir drängt sich die Frage auf: Warum kümmert sich Jule um den? Weil die Oma es will, oder weil sie eine Philantropin ist? Mir wird ihr Motiv nicht klar.

Ist das ein Mensch? Ein Tier? Der Schatten einer Wolke?
Das frage ich mich als Leser auch ohne den Satz, der könnte also weg.

»Siehste nich das Leuchten?«
Ist Geschmacksache, aber ich würde mit Apostrophen arbeiten.

Bis auf das Glühen, einige Kilometer vor der Küste. Ein Glühen, das unter den Wellen funkelt.
Die Kilometer würde ich weglassen, das ganze vager halten, denn ich hab mich sofort gefragt, wie das gehen soll, so im Dunklen etwas unter Kilometer weit entfernten Wellen glühen zu sehen? Ist das als Biltzecho gedacht?

Ich fauche laut, um das Tier in die Flucht zu schlagen. Rasch nehme ich die letzten Stufen und eile zum Ausgang.
Lachen Monster nicht, wenn man sie anfaucht? Scherz beiseite, da nimmst du dem Ganzen viel Mystik und Ernsthaftigkeit.

Ich kann mich an Sturmfrei erinnern, an die Mutter, die in die Wellen geht. Da bleibt auch einiges im Vagen, doch die Story ist komplexer, in sich schlüssig. Bei Teil 2 der Serie stelle ich mir Fragen nach der Motivation der Protas.
1) Warum buddelt der Jens überhaupt so zwanghaft? Was erhofft er zu finden, Vineta verortet er doch Kilometer vor der Küste? Also was soll dort unter dem Leuchtturm sein, was will er ans Tageslicht holen? Bei Steven Kings Tommyknockers sind es die Aliens, die Bobbi dazu bringen, das Raumschiff auszubuddeln. Was Ähnliches vermisse ich hier als konkreten Hinweis.
2) Ich frage mich, wie stehen Jens und Jule zueinander, wo ist die Verbindung? Er der eklige Schraat, sie die fahrradfahrende Schülerin? Warum bringt sie sich selbst in Gefahr, wenn sie den Jens abstoßend und bedrohlich findet? Nur weil er ein Nachbar ist und Oma sich sorgt? Finde ich als Auslöser zu schwach und zu widersprüchlich. Jenseits dessen müsste es noch etwas geben, das sie selbst in Erfahrung bringen möchte, was sie abseits von Jens (der dann nur noch Sidekick wäre) magisch zum Leuchtturm zieht, wo sich ihr etwas offenbart, eine Erkenntnis oder die Auflösung eines Rätsels. So wie es jetzt ist, kommt das eher zufällig im Nachgang.

Abgesehen von dem Gemecker hast du ein tolles Setting und eine dichte Atmosphäre geschaffen, ich spüre den Regen auf der Haut, den Sturm, das Unbehagliche, die Mystery. Es ist alles da, du könntest nur durch Ausspielen der Komponenten dem Text mehr Tiefe und Untergründiges mitgeben.
Die Liedtexte finde ich etwas bindungslos (generell tue ich mich damit schwer) und sie könnten durch eine Legende um Vineta ersetzt werden (daraus entstünde die Frage der Positionierung im Text), die als Aufhänger für Jules Motivation dienen, für das Rätsel, das sie aufklären möchte. Wenn sie dann noch vorher als Teaser kleine Hinweise eingestreut bekäme, die sie die Stirn runzeln lassen, hättest du den Drive, der sie in dem, was sie tut, erklärt.
Ich würde in der Richtung weitermachen, weil es da noch einiges zu holen gäbe, aber was sage ich, es bleibt dein Text.

Peace. ltf

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @TeddyMaria

Die Tür quietscht, als Jens sich dagegen lehnt und sie nach innen aufschiebt. »Tschuldige«, sagt er, tritt beiseite, um mich einzulassen. »Hab sie aufgemacht.«
»Mensch, Jens.«
Mensch, Maria!
Da hast du alles vorbereitet, um Jule dafür mitverantwortlich zu machen, was Jens geschieht. Und dann das! Was, wenn er nur nach oben gelangt (und später zu Tode kommt), weil sie ihm die Tür aufschliesst? Wie wäre das?
Ich mach den Vorschlag nicht aus sadistischen Gründen, sondern weil du diesen Determinismus angesprochen hast und den so bestimmst, dass sich Ereignisse der Kontrolle der Figuren entziehen. Das fände ich an sich wenig problematisch, im Gegenteil. Gerade in solchen Situationen kann sich Tragik überhaupt erst entfalten oder auch Komik, also das ist schon ein nützliches Element. Du hast hier aber eine andere Form des Determinismus, nämlich, dass die Geschichte genau gleich ablaufen würde, wenn es Jule gar nicht gäbe. Und das tut der Geschichte m.E. nicht gut. Und darum würde ich sie die Tür aufschliessen lassen. Wow! Diese Schuld! Und natürlich müsste sie vorher zögern, sie ist ja schliesslich gekommen, um Jens zurückzuholen. Aber bei dir läuft es ganz glatt, rauf auf den Turm. Ist ein ähnliches Problem wie bei der anderen Geschichte: Es gibt drei Möglichkeiten: 1. Die Protagonisten handeln, verstricken sich in Schuld oder meistern Aufgaben. 2. Den Protagonisten widerfahren Dinge, die sie nicht unter Kontrolle haben. 3. Die Protagonisten beobachten, wie anderen Figuren Dinge widerfahren, die niemand unter Kontrolle hat. Viele Leser mucken schon bei der zweiten Variante auf, wenn das nicht gut gemacht ist. Aber die dritte ist m.E. sehr hohe Kunst. Daher mein Vorschlag, Jule stärker in das Geschehen einzubinden. Sie handelt im Text ja gar nicht, also so richtig ernsthaft.

Mein zweites Problem betrifft die Gewichtung. Ich finde die Geschichte bis zu jenem Zeitpunkt sehr gelungen, als Jule und Jens oben auf dem Turm stehen. Dann aber verlagert sich der Fokus komplett. Dieser ganze Abschnitt mit den Geräuschen, die dann vielleicht von einem Hund verursacht werden oder auch nicht. Du willst da die Brüchigkeit der Wahrnehmung Jules thematisieren, aber ich habe mir nur gedacht: Hä? Hat sie Jens schon vergessen? Was ist mit dem Sturm? Also, du erzählst sehr gut, wie sie sich diesem Sturm aussetzt und diese unheimlichen Lichter und der Jens, der leicht überschnappt. Super! Und dann scharrende Geräusche? Nee!
Ich weiss nicht, ob du dir hier ein Gefallen tust, wenn du erst im Nachhinein diesen Graben zwischen Realität und Fantasie (noch einmal) auftust. Du machst das ja schon, wenn sie mit Jens oben auf dem Turm steht und da ist auch der richtige Ort dafür, meines Erachtens. Da geht etwas von Jens' Wahnsinn auf Jule über, da funkt es gewissermassen zwischen den beiden. Aber das verpufft irgendwie und wenn du das hier noch einmal aufgreifst, hast du meines Erachtens den Fokus bereits verloren. Dafür würde ich den Graben zwischen Realität und Fantasie bei Jens noch etwas weiter öffnen (siehe unten).

Noch ein Problem mit der Gewichtung: Am nächsten Morgen wacht sie auf und - knapper geht es nicht - Jule, wir müssen stark sein. Das fand ich auch seltsam. Du schwenkst wieder radikal von Jules innerem Zustand zu Jens, aber das wird so unglaublich ruckzuck verhandelt. Da ist mir denn auch emotional nichts hängen geblieben.

Mein viertes Problem betrifft Jens und die Gefahr, die er offenbar für sich selbst darstellt. Nur so kann ich mir erklären, dass man sich überhaupt um ihn sorgt. Entweder weiss man, dass er extrem leichtsinnige Dinge tut oder dass er schwermütig wird, immer wenn der Sturm kommt, was weiss ich. Also, die Gefahr muss doch von Jens selbst ausgehen, weil wenn der Sturm an sich so gefährlich wäre, dann würden sie Jule ja niemals zum Turm radeln lassen. Ich finde, da könntest du noch die eine oder andere Andeutung machen. Für mich war der Tod von Jens komplett der Kasper aus der Kiste. Das muss natürlich nicht auserklärt werden. Aber ich spüre den Irrsinn von Jens noch etwas zu wenig. Auch wenn er da buddelt und die imaginäre Stadt unbedingt sehen will. Das sind ja an sich zwei äusserst harmlose Beschäftigungen. Mir fehlt da die drohende Gefahr, irgendein Reissen von Jens, wo ich sage, Achtung Junge, das geht dann vielleicht mal zu weit.

Die ersten zwei Drittel des Textes funktionieren sehr gut. Setting, Dynamik, Figuren: Ist alles da. Die übergreifende Dramatik hingegen habe ich aus den genannten Gründen nicht so recht nachvollziehen können. Ich glaube, es würde nicht viel brauchen, um den Text so umzugestalten, dass er mich so richtig, richtig packen würde.

Lieber Gruss
Peeperkorn

[Edit: Ach ja, die Songtexte. Ich musste bei der Überarbeitung meines Romans jede verdammte Songzeile streichen, bis auf zwei kurze Sequenzen, da hat der Verlag nachgefragt und bezahlt, so viel ich weiss. Songtexte seien besonders heikel, haben sie gemeint. Nur so am Rande, falls du mit der Serie noch was vorhast.]

 

Gude @TeddyMaria,

ich bin noch etwas zwiegespalten. Ich finde, du schaffst es wieder sehr gut, die Atmosphäre einzufangen, aber auch dieses "archaische Ostseefeeling" mit einer modernen Band zu kontrastieren, die auch sehr präsent im Text ist. Auch die Action rund um Jules seltsame Begegnung ist gut beschrieben.
Andererseits finde ich (ich versuche das einfach mal so direkt), dass hier wenig passiert. Jule fährt zum Turm, erhascht vielleicht einen Blick auf das Atlantis des Nordens, stolpert, sieht vielleicht ein seltsames Wesen und dann ist Jens weg. An diesen beiden Punkten wird es interessant, allerdings habe ich das Gefühl, dass sie nur kurz angeschlagen werden, danach sind sie wieder weg. Weder Vineta noch dieses Wesen werden im Text selbst mit Bedeutung aufgeladen bzw. von den Figuren interpretiert. Für Leser*innen der Serie ergibt sich natürlich eine Näherung an eine Begegnung mit Unterirdischen, allerdings passiert damit vorerst nichts. Ich finde, da fängt Jules Geschichte eigentlich erst an und das wäre mir dann glaube ich zu wenig für eine Kurzgeschichte, die ggf. auch für sich alleine stehen können soll (wenn man die Serie so verstehen möchte).

Die Figur der Großmutter könnte sich anbieten, um dem Text für sich etwas mehr Stoff zu geben, bspw. könnte sie ihre Version von den Unterirdischen und Vineta schildern, die Leser*innen dann in Bezug zu "Sturmfrei" setzen könnten.

Daaann kommen wir doch mal zu dem großen Thema "Musiktexte in Texten" ... ne, Spaß.
Ich mache das als Leser meistens so, wenn ich so etwas entdecke, dass ich das entsprechende Lied im Hintergrund laufen lasse während ich weiterlese. Hat ziemlich gut geklappt; ich finde, das passt stimmungstechnisch. Auffällig ist natürlich, dass der Text sogar mit einer Strophe aus dem Lied endet. Fand ich zunächst etwas gewagt, weil du dich ja quasi darauf verlässt, dass ein "fremder Text" für dich den Schluss schafft. Aber beim Nachschlagen in Sturmfrei ist mir aufgefallen, dass der Text ja auch mit einem Zitat endet. Wäre ja ein interessanter Mechanismus, falls du das auch für kommende Episoden aufgreifen möchtest.
Inhaltlich teasert es es m.E. den Aufbruch Jules an, die wir vielleicht in Zukunft dabei begleiten, sich weiter über Vineta und die Unterirdischen zu informieren.

Zwei Kleinigkeiten:

Dort eilt etwas an der Brandungslinie entlang, ein dunkler Schemen.
Ist das ein Mensch? Ein Tier? Der Schatten einer Wolke?
-> Ich glaube letzteres scheidet aus, oder? Würde der Schatten einer Wolke mitten im Sturm auffallen?
Musik perlt aus den Kopfhörern. Wieder Helden.
-> Ich gehe von einer Situation aus, in der sie zum ersten Mal nach dem Sturm dorthingeht. Rein menschelnd gedacht: Hört man da Musik oder eher nicht, da man auf (Hilfe-)Rufe achtet?
Könnte es mir aber auch motiviert dadurch vorstellen, dass sie sich nicht "ausgeliefert" fühlen will und daher die vertraute Musik bei sich haben möchte. Vielleicht dazu ein Halbsatz mehr, dann stellt sich die Frage erst gar nicht (falls sich mehr Leute die Frage stellen).


Zum Fazit: Obwohl in dem Text mehr direkte Phantastik vorkommt oder anzitiert wird(Leuchten unter dem Meer, die seltsame Gestalt) finde ich ihn weniger mystisch als Sturmfrei. Ich denke, für mich zumindest ist es nicht nur wichtig, dass solche Elemente auftauchen. Sie müssen auch von den agierenden Figuren selbst mit Zuschreibungen aufgeladen werden.
Ich hoffe, ich konnte das irgendwie klar rüberbringen. Habe schon wieder zu lange keinen Text hier kommentiert und roste nach gefühlt zwei Tagen immer ein. :drool:

Liebe Grüße
Vulkangestein

P.S.: Handwerklich ist das sehr gut. Hab halt einfach mal gar keine schiefe Konstruktionen oder Typos gefunden.

 

Liebe @TeddyMaria,

ich habe auch meine Probleme mit deiner Geschichte, da sind einige Fragezeichen über meinem Kopf.

Zum einem verstehe ich nicht worum es wirklich geht. In deiner Geschichte tauchen verschiedene Elemente auf, die übernatürlich erscheinen:
1. Etwas lebt unter dem Leuchtturm.
2. Die versunkene Stadt im Meer.
3. Ein Wesen am Strand/ im Leuchtturm.

Wie passt das alles zusammen? Was erwartet Jens unter dem Leuchtturm zu finden? Hat das etwas mit der Stadt zu tun, wenn die doch so weit entfernt ist? Und was ist das für ein Wesen? Taucht es vielleicht mit der Stadt aus dem Meer auf? Sucht es das gleiche wie Jens? Ich sehe es irgendwie nicht. Oder willst du einfach verschiedene Elemente reinbringen, um die Sinne zu verwirren, um die Situation schwieriger fassbar zu machen?
Also ich bin auf jeden Fall verwirrt. :D

Ich wundere mich über deine Szenenauswahl. Ich sehe nicht ganz, warum du uns ausgerechnet diese Ausschnitte zeigst. Wozu die Szene mit dem Brot, das Jule Jens bring? Wozu die Szene Zuhause? Spielt es eine Rolle, dass Jens ein Nachbar ist, um den sich die anderen sorgen? Darum geht es in der Geschichte nicht, oder? Jule könnte auf Jens treffen, kurz vor dem Sturm, der Sturm kommt heran, die merkwürdigen Dinge passieren, Jule haut ab. Da bräuchte man die ersten beiden Szenen nicht, oder doch? Auch die letzte Szene finde ich irgendwie unnötig – was bedeutet es für Jule, dass Jens verschwunden ist? Was sagt das dem Leser?

Noch ein Blick in den Text:

Unter dem Leuchtturm lebt etwas.
Den Satz mag ich.

Um das Problem mit dem Titel zu lösen, könntest du einfach etwas umstellen:

Als ich mein Fahrrad den Weg hinauf zum Leuchtturm schiebe, fliegt hinter der Düne Sand auf. Eine Schaufel Sand, noch eine Schaufel, noch eine Schaufel. Der Boden um den Leuchtturm ist durchlöchert, lauter Kuhlen, ungefähr einen halben Meter tief, dicht an dicht. Einen halben Tag buddelt Jens an jedem Loch, nachdem er von der Arbeit kommt. Unter dem Leuchtturm lebt etwas. Sagt Jens mir immer wieder. Jens buddelt.
Ich habe Jens übrigens von Anfang an als älter wahrgenommen. Jule wirkt allerdings auch auf mich eher wie 12. Ich kann irgendwie gar nicht wirklich festmachen, warum. Vielleicht kommt das noch durch Sturmfrei, da waren die Kinder jünger, oder?

»Die Stadt wird heut auftauchen«
Das habe ich erst überhaupt nicht verstanden. Ich dachte irgendwie, an auftauchen aus dem Nebel oder so. Ist wahrscheinlich nicht schlimm.

Ich löse mich aus der Selbstumarmung. »Ich fahr schon.«
Mutti zieht eine Augenbraue hoch. »Mit dem Fahrrad?«
Das halte ich für unrealistisch, das ist doch viel zu gefährlich. Macht sich die Mutter keine Sorgen? Oder nehmen die Leute an der Küste einen Sturm tatsächlich nicht ernst? Und sie fährt auch noch durch einen Wald!

Dann stopfe ich auch den Schlüssel für den Leuchtturm in die Anoraktasche.
Ich verstehe nicht, warum Jule so handelt, wie sie handelt. Warum fährt sie überhaupt dahin? Der Jens wird ja nicht das erste Mal alleine da draußen rumhängen. Was denkt sie, kann sie ausrichten? Und warum nimmt sie diesen Schlüssel mit? Da bleibt mir zu viel im Dunkeln, um wirklich mitfiebern zu können.

Und erblicke einen Lichtschimmer. Der Klang von Schritten hallt auf den metallenen Stufen.
»Jule?«
Hat der sie ernsthaft gehört?

Oma seufzt. »Hör’ma, Jule. Wir müssen jetzt stark sein.«
Gibt es wirklich Leute, die diesen Satz in dieser Situation sagen?

Nach unten. Nach Vineta.
Ich summe mit der Musik.
Das wirkt merkwürdig. Ein Mensch ist verschwunden und sie summt? Freut sie sich, dass Jens nun in seiner Stadt ist?

Auf jeden Fall wieder ein interessantes Thema. Aber an Ideen mangelt es dir ja nicht. :) Bin gespannt, was du noch draus machst.

Liebe Grüße,
NGK

 

Hey Teddy,

habe deine Geschichte kurz nach dem Einstellen gelesen, habe also noch die Erstversion im Hinterkopf. Viel geändert hat sich inhaltlich nicht, aber ich hatte ein paar Anmerkungen im Kopf, zu denen du die Sätze bereits rausgenommen hast. Habe auch die übrigen Kommentare nur überflogen, daher verzeih, wenn sich was überschneidet.

Vorab: Ich habe mir den Wikipedia-Artikel zu Vineta durchgelesen. Fand ich interessant, weil mir gar nicht bekannt war, dass die Ostsee ihre eigene Atlantis-Legende hat.

Inhaltlich:

Unter dem Leuchtturm lebt etwas. Sagt Jens mir immer wieder.

Würde beide Sätze durch ein Komma verbinden. Schließlich sind die ja auch inhaltlich verknüpft. Ist aber nur ne Geschmackssache.

Einen halben Tag buddelt Jens an jedem Loch, nachdem er von der Arbeit kommt.

Den Satz hast du neu eingefügt, oder? Ich meine in den Kommentaren gelesen zu haben, dass manche Probleme mit Jens Alter hatten. Ich habe ihn zuerst auf Siebzehn oder Achtzehn Jahre alt geschätzt, als den seltsamen Spezi vom Dorf, zu dem die Prot. durch das Alter nen Beziehungspunkt hat. Dann hab ich erst später erfahren, dass er ein eigenes Haus besitzt. Das ist jetzt mit dem Bart und so deutlicher klarer.

»Stimmt’s, deine Omma hat ‘nen Schlüssel?«

Wenn er das weiß, warum fragt er die Prot. erst jetzt danach? Hat er vorher nicht schon versucht, in den Leuchtturm zu kommen? Und warum besitzt die Oma eigentlich den Schlüssel, ist die irgendwie für den Leuchtturm verantwortlich? (Ich vermute ja über den verstorbenen Großvater, der dort Leuchtturmswärter war und Seemansgarn gesponnen hat, er hätte Vineta mal selbst gesehen. Und das hat er dann dem Jens erzählt, als der so alt war wie die Prot, und der gräbt jetzt Löcher. So erkläre ich mir das. Ich liebe es, in Geschichten anderer Leute selbst Flusen zu suchen, die mir logisch erscheinen).

»Die Stadt wird heut auftauchen«, sagt er, »wir brauchen ‘ne gute Aussicht.«

Habe beim ersten Lesen gedacht, dass er damit den Bürgermeister und Co. meint, also die Bevölkerung. Wenn man die Legende um Vineta nicht kennt, ist der Satz ziemlich verwirrend.

Panzerweg

Ist das ein Straßenname? Habe Panzerweg nachgeschlagen, aber nichts Kluges dabei gefunden.

Ich singe den Song von Wir sind Helden aus voller Kehle mit:

Ich mag Songtexte in Geschichten überhaupt nicht, weil damit Figuren auf eine Art charakterisiert werden, die mir fremd ist. Ich kenne weder den Song noch die Band, was soll mir das also über die Prot. aussagen? Da fände ich es passender, wenn du mir einfach eine Musikrichtung oder den selbstgewählten Namen einer Playlist gibst.

Wenn er sich was antut.«

Vielleicht "antut ..." ? Der Satz ist nicht beendet.

»Ist doch nur ein büschen Wind«, sage ich.

Ich kenne mich mit Wörtern wie büschen nicht aus, aber wenn es von bisschen kommt, wird es dann nicht trotzdem "büsschen" geschrieben?

»Jens!«, rufe ich, doch der Sturm pflückt mir das Wort aus dem Mund und reißt es fort.

Finde ich sehr cool, das mit dem Pflücken. Mag das Bild.

»Tschuldige«, sagt er, tritt beiseite, um mich einzulassen. »Hab sie aufgemacht.«

Wie genau? Scheint ja nicht so schwer zu sein, die Tür zu öffnen, also warum hat er es noch nicht vorher getan?

Eine Sache, die ich auch nicht verstehe: Der Jens buddelt um den Leuchtturm herum auf dem Land. Warum? Weiß der nicht, dass die Stadt im Meer liegt? Was will er denn unter dem Leuchtturm finden?

Schnarrender Atem, Knurren und Fauchen. Mehr Erde. Ich hebe den Arm vor die Augen, taumle rückwärts.

Einen Moment lang dachte ich, du ziehst jetzt ganz seltsame Verbindungen zwischen den Mythologien. Wenn ich mich richtig erinnere, war da in der ersten Version ein Vergleich, dass das Knurren und Bellen von einem Hund käme. Dachte erst, jetzt bricht da ein dreiköpfiger Kampfhund aus dem Strand, weil der Jens versehentlich ein Tor zur Hölle freigebuddelt hätte. Dann hätte ich auch gewusst, was der Titel "Unter dem Leuchtturm" aussagt.

Habe deine Geschichte gerne gelesen. Da sind noch ein paar Ecken und Kanten, gerade weil du Ereignisse überkomplizierst. Atmosphärisch ist das aber allemal, mit all dem Regen und Sturm.

Liebe Grüße
Meuvind

 

Hi @GoMusic

Aus den späteren Kommentaren lese ich raus, dass das mit der Identifikation von Jens' Alter jetzt besser klappt. Danke für Deine Hilfe diesbezüglich. Und danke, danke für diesen Vorschlag:

Dass die Prota 15 - 17 sein soll ... Aber daran arbeitest du ja noch.
Vielleicht fährt sie kein Rad, sondern eine Fünfziger.

Jule fährt jetzt Motorroller. Damit sollte das Alter klarer werden.

Was haben die Bezüge zu einer anderen Geschichte hier zu suchen?
Ein Serienteil soll doch allein funktionieren :cool:

Na jaaa, klar sollten beide Geschichte unabhängig voneinander funktionieren. Ich schrieb ja auch, dass die andere Dir sicher nicht hilft, diese zu lesen; diese hier also nicht auf Informationen aus der anderen Geschichte basiert. ABER wenn ich zwei vollkommen unabhängige Geschichten ohne jegliche Bezüge schreiben würde, wozu wäre dann der Tag "Serie" noch da? Ich strebe an, dass die Geschichten zusammen mehr sind als die Summe ihrer Teile, dass sie also allein funktionieren, sich aber neue Ebenen öffnen, wenn man sie alle kennt.

Das heißt nicht, dass ich das jetzt schon optimal hinbekomme. Aber das wäre mein Ziel.

Cheers,
Maria

Hi @linktofink

dachte schon, das Berufsleben hätte deine Schreiberseele weitgehend absorbiert. :lol:

Das habe ich auch befürchtet, aber langsam bekomme ich Arbeit und Freizeit unter einen Hut. :lol: Freue mich sehr, dass Du mir einen Kommentar dagelassen hast. Alles, was ich nicht extra erwähne, habe ich bereits eingearbeitet.

Ich finde toll, wie wahnsinnig aufmerksam Du liest. Ursprünglich hatte ich vor, dass Jens versucht, sich Jule anzunähern, die das aber gar nicht will. Davon ist noch übrig geblieben, dass sie ihn halt echt eklig findet. Wie Du auch feststellst:

Die Jule scheint den Jens aufdringlich und eklig zu finden, sonst müsste sie nicht nach jeder Autofahrt duschen und mir drängt sich die Frage auf: Warum kümmert sich Jule um den? Weil die Oma es will, oder weil sie eine Philantropin ist? Mir wird ihr Motiv nicht klar.

Mit Jules Motiven und der Beziehung zwischen den beiden muss ich mich wirklich stärker auseinandersetzen. Ich habe nach dem Kommentar von @Peeperkorn jetzt auf jeden Fall ergänzt, dass Jens am Leuchtturm bereits einmal ein Unfall widerfahren ist, Jule also die reale Befürchtung hat, dass ihm wieder etwas zustößt. Das ist aber nur eine Übergangslösung, bis ich zu einer größeren Überarbeitung komme, denn dieser Grund liegt natürlich außerhalb der Figur Jule. Ich werde mich nochmal mit ihrer inneren Haltung Jens gegenüber beschäftigen.

Ich finde den Jens richtig dubios. Er ist Nachbar, buddelt wie blöd und will sich ev. was antun?

Denn einerseits ist er selbstverständlich "richtig dubios". Aber irgendetwas muss die beiden Figuren aneinander binden, und Du hast richtig beobachtet, dass da noch nicht viel ist. Damit werde ich mich noch einmal beschäftigen.

Ich kann mich an Sturmfrei erinnern, an die Mutter, die in die Wellen geht. Da bleibt auch einiges im Vagen, doch die Story ist komplexer, in sich schlüssig.

Ehrlich gesagt, als ich "Sturmfrei" jetzt nochmal gelesen habe, hat sie mir gar nicht gefallen. Ich habe versehentlich als Erstes die ursprüngliche Version gelesen und danach die momentane Version im Forum - und fand die ursprüngliche Version viel besser, fokussierter, weniger erklärend, weniger Überflüssiges. :D Da muss ich mich nochmal finden, denn diesen Effekt würde ich hier ungern wieder erleben.

Warum buddelt der Jens überhaupt so zwanghaft? Was erhofft er zu finden, Vineta verortet er doch Kilometer vor der Küste? Also was soll dort unter dem Leuchtturm sein, was will er ans Tageslicht holen?

Ich habe das Eingangsgespräch von Jens und Jule mit ein paar mehr Wörtern versehen. Das wird sicher nicht helfen, um diese Fragen zu beantworten. Ich muss mir etwas mehr Zeit nehmen, um das klarzukriegen. Kennst Du ja von mir.

Jenseits dessen müsste es noch etwas geben, das sie selbst in Erfahrung bringen möchte, was sie abseits von Jens (der dann nur noch Sidekick wäre) magisch zum Leuchtturm zieht, wo sich ihr etwas offenbart, eine Erkenntnis oder die Auflösung eines Rätsels. So wie es jetzt ist, kommt das eher zufällig im Nachgang.

Hier möchte ich widersprechen. Ich sehe nicht, warum Jule selbst zuvor schon auf Rätselsuche sein sollte. Darum geht es mir einfach nicht. Viel eher möchte ich erreichen, dass sie sich mehr oder weniger "zufällig", eigentlich als Ungläubige, in dieser Situation wiederfindet.

Abgesehen von dem Gemecker hast du ein tolles Setting und eine dichte Atmosphäre geschaffen, ich spüre den Regen auf der Haut, den Sturm, das Unbehagliche, die Mystery. Es ist alles da, du könntest nur durch Ausspielen der Komponenten dem Text mehr Tiefe und Untergründiges mitgeben.

Das freut mich. Interessanterweise ist es gerade der Ort, der mich so inspiriert und mich zum Schreiben bringt. Nicht die Geschichte, nicht die Mythen, nicht die Figuren. Der Ort. Und das scheint schon ganz gut zu klappen.

Noch ein wenig Widerspruch an einigen Kleinscheiß-Stellen:

Finde die direkte Wiederholung wenig gefällig und würde den Anfang etwas umstricken: Jens buddelt – wie jeden Tag, wenn er von der Arbeit kommt. 'Da unten lebt etwas', sagt er mir immer wieder.

Aber ich hänge so an meinem ersten Satz! Ich lasse es noch eine Weile so, bis ich es übers Herz bringe, Deinen oder einen ähnlichen Vorschlag umzusetzen.

Ist Geschmacksache, aber ich würde mit Apostrophen arbeiten.

Habe mich bewusst gegen Apostrophe entschieden. Und hast recht: Ist Geschmackssache.

Die Liedtexte finde ich etwas bindungslos (generell tue ich mich damit schwer) und sie könnten durch eine Legende um Vineta ersetzt werden (daraus entstünde die Frage der Positionierung im Text), die als Aufhänger für Jules Motivation dienen, für das Rätsel, das sie aufklären möchte.

Die Liedtexte sind raus. Da Jule jetzt Motorroller fährt, haben die Kopfhörer nicht mehr unter den Helm gepasst.

Vielen Dank für Deinen Besuch und Dein umfangreiches Feedback. Ich werde vor allem an der Beziehung von Jule und Jens arbeiten. Vielleicht magst Du dann ja noch einmal reinschauen.

Cheers,
Maria

Hi @Peeperkorn

Ich bin immer ganz aufgregt, wenn Du mir einen Kommentar schreibst (Fangirl, hier). Und dieser hier ist wirklich Danke! Augenöffnend. Hat mich total umgehauen und mir einen echten Motivationsschub gegeben, also habe ich einige Stellen sofort überarbeitet.

Da hast du alles vorbereitet, um Jule dafür mitverantwortlich zu machen, was Jens geschieht. Und dann das! Was, wenn er nur nach oben gelangt (und später zu Tode kommt), weil sie ihm die Tür aufschliesst? Wie wäre das?

Du hast vollkommen recht, heftig. Ich habe jetzt zwei Dinge eingearbeitet:

Entweder weiss man, dass er extrem leichtsinnige Dinge tut oder dass er schwermütig wird, immer wenn der Sturm kommt, was weiss ich. Also, die Gefahr muss doch von Jens selbst ausgehen, weil wenn der Sturm an sich so gefährlich wäre, dann würden sie Jule ja niemals zum Turm radeln lassen.

Die Gefahr geht jetzt zwar "nicht von Jens aus", aber Jule weiß, dass Jens sich schon einmal beim Leuchtturm während eines Sturms schwer verletzt hat. Sie fährt also mit dem Entschluss los, kurz unterm Lampenhaus auszuharren und ihn dann zurückzubegleiten.

Und natürlich müsste sie vorher zögern, sie ist ja schliesslich gekommen, um Jens zurückzuholen. Aber bei dir läuft es ganz glatt, rauf auf den Turm.

Sie möchte Jens deshalb auch überreden, im Inneren des Turms zu bleiben, und ist nicht diejenige, die als Erste auf die Aussichtsplattform geht.

Am nächsten Morgen wacht sie auf und - knapper geht es nicht - Jule, wir müssen stark sein. Das fand ich auch seltsam. Du schwenkst wieder radikal von Jules innerem Zustand zu Jens, aber das wird so unglaublich ruckzuck verhandelt. Da ist mir denn auch emotional nichts hängen geblieben.

Du kritisierst hier, dass Jens' Verlust sehr zügig und kühl abgehandelt wird (so verstehe ich es zumindest). Ich habe in dieser Szene zunächst Jule etwas mehr Schuld aufgeladen, indem ich die Großmutter fragen lasse, ob sie denn Jens nicht nach Hause gebracht hat. Das Ende habe ich jetzt noch nicht überarbeitet: Da muss ich noch ein bisschen größer ran, und das werde ich auch tun.

den so bestimmst, dass sich Ereignisse der Kontrolle der Figuren entziehen. Das fände ich an sich wenig problematisch, im Gegenteil. Gerade in solchen Situationen kann sich Tragik überhaupt erst entfalten oder auch Komik, also das ist schon ein nützliches Element.

Ich finde super interessant, dass Du diese Unterscheidung zwischen unkontrollierbaren Ereignissen und handlungsunbeeinflussenden Figuren aufmachst. Mir fällt auf, dass das ein Fehler ist, den ich immer wieder mache. Es liegt, glaube ich, nicht nur an der Serie: Ich vergesse einfach ständig die Signifikanz meiner Prots. Danke, dass Du mich wieder darauf stößt!

Was die Sache mit dem Tier angeht:

Ich finde die Geschichte bis zu jenem Zeitpunkt sehr gelungen, als Jule und Jens oben auf dem Turm stehen. Dann aber verlagert sich der Fokus komplett. Dieser ganze Abschnitt mit den Geräuschen, die dann vielleicht von einem Hund verursacht werden oder auch nicht.

Ich verstehe Deinen Einwand. Ich denke, @Maedy hat im allerersten Kommentar schon beobachtet, dass sich an dieser Stelle auch der Stil ändert. Momentan bin ich noch unsicher, wie ich damit umgehen soll. Ob es reicht, wenn Jule einfach geht und die Szene da endet. Dann würde aber auch das Buddeln hinfällig werden. Oder ob ich das ganz anders machen muss. Darüber werde ich mir noch einmal den Kopf zerbrechen.

Die ersten zwei Drittel des Textes funktionieren sehr gut. Setting, Dynamik, Figuren: Ist alles da.

Es freut mich, dass Du das so siehst. Wie gesagt, ich bin noch nicht sicher, wie ich jetzt mit dem Teil danach umgehen soll. Da muss ich noch einmal in mich gehen. Werde in Ruhe daran arbeiten.

Ach ja, die Songtexte. Ich musste bei der Überarbeitung meines Romans jede verdammte Songzeile streichen, bis auf zwei kurze Sequenzen, da hat der Verlag nachgefragt und bezahlt, so viel ich weiss.

Die Songtexte sind raus.

Vielen Dank für Deinen umfangreichen und auch umfassenden Kommentar. Ich habe jetzt schon Einiges geändert, werde aber in mich gehen und weiter am Text arbeiten. Ich hoffe und gehe davon aus, dass Dein Kommentar mir dabei helfen wird.

Cheers,
Maria

 
Zuletzt bearbeitet:

Cheers, Maria!

Wenn man im Text ist und dann wieder zum Anfang zurückkehrt (meine subjektive Wahrnehmung), versteht man den Anfang schnell und hat die richtigen Bilder vor Augen. Ich muss allerdings leider sagen, dass mir der Einstieg lange schwer gefallen ist, ich hab ihn 5, 6 Mal gelesen in den letzten Tagen, bis ich reingekommen bin. Einfach, weil ich nicht direkt wusste, wo das Ganze spielt, und mir das etwas zu sperrig war.

Unter dem Leuchtturm lebt etwas. Sagt Jens mir immer wieder. Jens buddelt. Als ich meinen Motorroller den Weg hinauf zum Leuchtturm schiebe, fliegt hinter der Düne Sand auf. Eine Schaufel Sand, noch eine Schaufel, noch eine Schaufel. Der Boden um den Leuchtturm ist durchlöchert, lauter Kuhlen, ungefähr einen halben Meter tief, dicht an dicht. Einen halben Tag buddelt Jens an jedem Loch, nachdem er von der Arbeit kommt.

Vorschlag:

Als ich meinen Motorroller den Weg hinauf zum Leuchtturm schiebe, fliegt hinter der Düne Sand auf. Jens buddelt. Eine Schaufel Sand, noch eine Schaufel, noch eine Schaufel. Unter dem Leuchtturm lebt etwas. Sagt Jens mir immer wieder. Der Boden um den Leuchtturm ist durchlöchert, lauter Kuhlen, ungefähr einen halben Meter tief, dicht an dicht. Einen halben Tag buddelt Jens an jedem Loch, nachdem er von der Arbeit kommt.

Fände ich viel eingängiger!


Beim letzten Sturm hat er versucht, in den Leuchtturm einzubrechen und ist auf der steilen Treppe gestürzt. Hat da bis zum nächsten Tag gelegen, mit gebrochenem Bein.
Spitzfindiger Gedanke: Wie oft gibt es Stürme bei euch im Norden? Bestimmt ein paar Mal im Jahr, oder? Wenn der letzte Sturm ihm das Bein gebrochen hat, ist Jens aber wieder schnell in Form gekommen. Und er ist beim Laufen zur Erzählerin in der Anfangsszene gar nicht gehumpelt. :) Also, du könntest ihn am Anfang gut humpeln lassen, wäre auch charakterisierend, finde ich. Ein gebrochenes Bein einer Figur ist ja nie ein gebrochenes Bein; sondern immer ein guter Einblick in das Innere, wo auch etwas gebrochen ist. Sage ich jetzt mal verallgemeinernd

»Da is doch weit und breit keine Menschenseele. Wenn er sich was antut.«
Ich schaudere, schlinge die Arme fester um mich. Wenn Jens was passiert! Hätte ich vorhin nur auf ihn gewartet.
»Ich fahr nicht für den raus«, sagt Mutti. »Ist doch ein erwachsener Mann.«
Wieso versuchen sie nicht, ihn zuerst anzurufen? Oder hat er kein Handy. Würde zu jemanden wie Jens natürlich auch passen. Wenn du die Figur so geplant hast, fände ich schön, das noch zu lesen bzw. mitzubekommen - wäre wieder eine schöne Gelegenheit für gute Charakterisierung. Sowas wie: "Wieso muss sich Jens auch nur gegen ein Handy sträuben? Er und seine Verschwörungstheorien" oder sowas!

Der Leuchtturm erhebt sich als Silhouette vor dem Himmel. Dahinter klatschen Wellen auf den Strand, schlagen so hoch, dass ich die Gischt über den Dünen aufspritzen sehe.
Ich beneide euch ja um all das Wasser bei euch im Norden. Und die schönen Stürme. Im Ernst, wenn ich Geschichten aus dem Norden lese, finde ich gerade die Landschaftsbeschreibungen immer sehr schön.

»Meine Großmutter macht sich Sorgen.«
Ach so! Ich dachte, das sei auch Jens' Großmutter - dass Erzählerin und Jens Cousine und Cousin wären

Bestimmt ein Hund.
Ein Hund? Wäre das wirklich der erste Gedankengang des Mädchens? Gibt es so viele frei laufende Hunde bei euch im Norden? :) Ich fände es authentischer, wenn sie vielleicht eine Ratte vermutet. Oder ein Tier, das sie nicht zuordnen kann.

Explodierender Schmerzsternhagel hinter der Stirn.
Puh, gefällt mir leider nicht besonders. Ich weiß, was du meinst, aber in mir löst das nichts aus, ich empfinde beim Lesen den Schmerz an der Stelle nicht verstärkt nach, was die Stelle ja eigentlich möchte. Beschreibe doch lieber den Schmerz, mach ihn mir greifbar, damit ich ihn beim Lesen an der Stelle nachempfinde und sich mir die Fußnägel hoch rollen. Wie fühlt sich das an?

Als ich beim Fahrrad anlange, bluten meine aufgeschrammten Hände, doch ich spüre keinen Schmerz.
Hä Moment, wieso fährt sich auf einmal Fahrrad und nicht mehr Roller? Wo hat sie denn plötzlich das Fahrrad her

Ich stelle den Roller vor dem Ferienhaus ab und verstaue den Helm im Topcase. Jens‘ Kastenwagen steht noch da. Wartet auf ihn. Doch das Meer gibt nichts zurück.
Okay: Ein Vorschlag zum Ende: Mir gefallen die Leerstellen nicht. Ich weiß, das ist eine gewisse Art Andeutungen zu geben, "Doch das Meer gibt nichts zurück", die einerseits eindeutig sind, andererseits Leerstellen lassen.
Ich möchte dir hier mal einen Gedankenanstoß geben. Das ist natürlich nur meine Meinung und wenn du nichts mit anfangen kannst, behalte das Ende so bei.
Aber ich muss sagen, dass ich diese Art des Erzählens bzw. Ende-Erzählens nicht gern lese. Frage: Wieso deutest du Dinge an, die eigentlich klar sind, wenn ich darüber nachdenke? Und welchen Zweck haben die Leerstellen für den Lesegenuss des Lesers?
Ich weiß, das ist eine Art Stil, die auch irgendwo etabliert ist, auch hier bei uns im Forum, aber ich möchte das mal in Frage stellen.
Ich als Leser würde das viel lieber auserzählt lesen, nicht unbedingt szenisch, aber ich würde gerne einfach wissen, was passiert ist. Jens war ja im Leuchtturm - gut, auf der Aussichtsplattform -, aber immerhin noch nicht unbedingt in Lebensgefahr, oder? (Du bist du eher die Fachfrau) Wie ist er ins Meer gekommen? Oder: Wie hat das die Erzählerin mitbekommen und die Oma, die Jens sehr gerne hat, dass Jens entweder ins Meer gefallen ist oder einfach verschwunden ist? Die Leerstellen tun dem Text an dieser Stelle nicht gut. Ich weiß, und ich hab es weiter oben schon gesagt, dass das eine gewisse Art von Stil ist, der auch eingebürgert ist, aber mir gefällt das nicht. Hier liegen die Leerstellen am Ende meiner Meinung nach an den falschen Stellen, das beschneidet und bremst die Entfaltung der Geschichte, meiner Meinung nach.
Also: Die Leerstellen, was genau passiert ist, oder wenn du bei der Perspektive der Prot bleiben möchtest: Was die Prot mitbekommt, das passiert ist mit Jens, wie sie das aufnimmt, was die Omma dazu sagt, es muss nicht auf 10 Seiten ausgeschrieben sein, aber doch so, dass es eben klarer ist, als die jetzigen Leerstellen.
In den Erzählungen des Mittelalters hat es eine große Rolle gespielt, wie eine Figur gestorben ist; das hat sich bis in unsere heutige Zeit hineingezogen, finde ich. Wenn man es platt sagen will: Menschen sterben, wie sie gelebt haben. Das wäre auch eine Chance auf eine gute Charakterisierung und Subtext, wenn man vom Tod von Jens etwas mitbekäme und nicht am Ende etwas nebulös als Zuschauer aus dem Geschehen gerdrängt wird.


Also, ich hab das gerne gelesen, Maria, ich finde es toll, wie du dich machst; am Anfang würde ich ein bisschen umstellen. Beim Ende würde ich mich bei jeder Leerstelle, die du verwendest, fragen: Warum diese Leerstelle? Was hat sie für einen Zweck und Sinn für den Text und Leser? Leerstellen nicht, um sich als Autor schnell aus dem Text verabschieden zu können, sondern Leerstellen nur, wenn sie einen textuellen Sinn haben, wenn sie den Plot oder die Figuren oder meinetwegen Twists intensiver machen. Das ist zumindest meine Ansicht. Gerade in diesen Leerstellen am Ende deiner Geschichte, und ich glaube, deswegen triggert mich das hier auch so, fühle ich mich als Leser etwas betrogen, weil es für mich so wichtig wäre, wie Jens gestorben ist, was genau oder meinetwegen - um die Perspektive nicht zu beschädigen - ungenau, aber aus der Konstruktion deiner Erzählerin heraus mit Jens passiert ist.

Ich hab eine Idee, aber die ist natürlich nur meine und ich möchte sie dir nicht aufdrängen. Aber als Beispiel, wie man die Leerstellen am Ende wegkriegen könnte und den Text und die Figur Jens intensiver und nachhaltiger gestalten könnte.
Ich würde die Erzählerin, als sie bei ihrem Fahrrad steht, sehen lassen, während eines hellen Blitzes, wie Jens die Arme oben auf der Leuchtturmplattform ausstreckt, wie er irgendetwas schreit, was das Mädchen nicht versteht; und dann sieht sie, wie er von der Plattform springt und bei den nächsten Blitzeinschlägen, wie er in dem tobenden Sturm ins Meer hinaus schwimmt. Und danach der Absatz, als sie noch mal zum Leuchtturm fährt und seinen Wagen noch dort stehen sieht, gerne dann auch mit dem Satz "Das Meer gibt niemanden zurück", weil er dann Gewicht hat und sinngeladen ist.
Bei so einem Ende wären keine Leerstellen, und irgendwo würde mich das als Leser mehr befriedigen, als wenn das Mädchen nach Hause fährt und drei Sätze weiter steht ganz indirekt und nebulös "Das Meer gibt eben niemanden zurück" und ich frage mich: Was ist denn da jetzt passiert? Hat Jens sich selbst umgebracht? Ist er als Verrückter in das Meer gesprungen, weil er so überzeugt war, dass die Stadt dort im Meer jetzt erreichbar wäre? Woher wissen alle, dass Jens nicht einfach abgehauen ist und das Auto stehen lassen hat? Alles Fragen, die wegen dieser Leerstellen offen bleiben, und wegen denen ich mich als Leser letztendlich schon ein wenig verarscht fühle. Stell dir vor - um das abzuschließen -, du hättest einen netten Bekannten, ein schräger Vogel, deine Freundin erzählt dir immer von ihm, du hast ihn auch schon mal kennengelernt, er klettert gerne auf Bäume, und irgendwann erfährst du, dass er tot ist und beim Nachfragen sagt deine Freundin bloß: Einen Sturz wie diesen überlebt niemand.
Ansonsten sagt sie nichts.
Das würde dich doch verrückt machen, oder? Einfach etwas vorenthalten zu bekommen? :)


Bin gespannt!


Viele Grüße
zigga

 

»Jens!«, rufe ich, doch der Sturm pflückt mir das Wort aus dem Mund und reißt es fort.
Schön poetischer Satz, find ich, und ja da schau her, Jule ist motorisiert!, wer hat denn da genug vom Klingeln?

Aber jede Änderung birgt auch eine Gefahr, weißtu doch,

Maria -
und sei‘s nur eine kleine Flüchtigkeit und darum auch nur ganz kurz von Häuptling Triefnase.

»Moin.« Er beäugt den Roller-Topcase und streicht sich über den grau[ge]sprenkelten Bart.
Oder eine – so finde ich - gewöhnungsbedürftige Formulierung, wenn es heißt
Er beugt sich vor, haucht mir einen Geruch von kaltem Zigarettenrauch aufs Gesicht.
Hm, ich weiß nicht warum, aber ich kenn eigentlich nur Wendungen mit „in“, zumindest sträubt was auch immer sich in mir beim „aufs Gesicht“ blasen. Vom Gefühl her haucht oder bläst wer oder was „ins“ Gesicht und selbst wenn einer eins „auf“ die Fresse kriegt, so landet die fremde Hand wohl auf der Nase, aber im Gesicht. Weiß aber nicht warum. Vielleicht wegen des Gesichtssinns oder die bis auf den Tastsinn gesammelten Sinne hinterm Gesicht … k. A., aber wie gesagt, bevor einer was aufs Gesicht bekommt, bekommt er ungezählte Male was ins Gesicht.

»Wir sollten drinn’ bleiben. ...«
ein verkürztes „drinnenbleiben“ wird zum schlichten „drinbleiben“

Bis bald

Friedel

 

Liebe @TeddyMaria ,

ich finde deine Überarbeitung sehr gelungen. Eine große Stärke der Geschichte ist für mich die Atmosphäre. Ich fühlte mich am Ende klitschnass und durchgepustet. Auch die Dialoge sind sehr echt. Als ich die Geschichte zum ersten Mal am Anfang gelesen habe, erschien mir das alles noch etwas ungewichtet. Die Stellen, wo sie sich körperlich von Jens abgestoßen fühlte z.B., haben mich da noch in die falsche Richtung gelockt. Jetzt sehe ich das als seine Eigenart, nicht als Bedrohung für sie. Und ich finde es gut, dass du die Idee mit dem Schlüssel aufgegriffen hast, dass da das Moment der Schuld reinkommt. Plötzlich ist sie beteiligt, wagt etwas und nimmt vermutlich auch Schaden.
Im Moment lese ich das so, dass sie ein Verantwortungsgefühl für Jens hat, welches sie dazu bringt, nach ihm zu sehen. Das ist löblich, aber vielleicht auch ein bisschen langweilig. Dazu kommt aber auch ihre Faszination für das Sagenhafte. Auch sie steigert sich da in was rein. Da gibt es eben auch eine Verbindung zwischen den Beiden. Möglicherweise könnte man das noch verstärken, aber ich bin mir nicht sicher.

Einen halben Tag buddelt Jens an jedem Loch, nachdem er von der Arbeit kommt.
Ich habe mich gefragt, was Jens wohl arbeitet.

Er beäugt den Roller-Topcase und streicht sich über den grausprenkelten Bart. »Schickt die Omma dich?«
Sehr schön, seine Worte, die "Omma". "Roller-Topcase" irritiert ein bisschen, kannte ich gar nicht.

Oma ruft aus der Küche.
»Was?«, schreie ich über das TV-Geplärre und das Sturmgeheule hinweg.
Oma ruft wieder, ich rapple mich auf, gehe in die Küche. »Was?«, frage ich.
Oma lehnt sich über die Anrichte, presst fast die Stirn gegen das Küchenfenster. Als sie spricht, beschlägt die Scheibe: »Is Jens gar nich da?«
Diese ganze Szene ist so nah, als würde ich mit vor dem Werkzeugkasten sitzen.


Mutti zieht eine Augenbraue hoch. »Mit dem Roller?«
»Ist doch nur ein büschen Wind«, sage ich.
Hier bin ich unschlüssig, ob die Mutter da wirklich so cool bleiben würde, so wie du den Sturm schilderst.

»Und du?«, fragt er.
Ich ziehe den Leuchtturmschlüssel aus der Jackentasche. »Dachte, wir können uns unter dem Lampenhaus unterstellen.«
Hinter dem Licht kann ich sein Gesicht nicht sehen, höre nur ein gedämpftes: »Oh.«
Ich glaube, das hast du seit gestern nochmal verändert und das ist mir jetzt zu subtil. Lampenhaus kapiere ich auch nicht sofort.

Jens tritt neben mich, stemmt sich gegen das Geländer, beugt sich darüber, den Mund lachend geöffnet. Als wollte er den Regen trinken. Stattdessen ruft er: »Vineta, Vineta, du rieke Stadt!« Und lacht.
Großartig!


Darunter Beton. Unter dem Leuchtturm lebt nichts.
Ich trete wieder nach draußen, atme tief die salzige Luft ein. Regentropfen auf meiner Haut.
Ich mag die Ernüchterung und den leisen Zweifel, ob da nicht doch was war, in der Nacht davor, was die beiden "gerufen" hat. Da klingt so manches an, so Fragen nach dem Schicksal, wenn jemand so besessen ist, wie Jens. Ich könnte mir hier auch noch eine körperliche Reaktion von ihr vorstellen. Dass sie sich übergibt, dass sie irgendetwas Irreales tut, anfängt zu graben oder so etwas.

Ich habe mich gerne von dir durch den Sturm führen lassen!

Liebe Grüße von Chutney

 

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