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Werkimmanenz?
Hallo Mitglieder,
es gibt etwas, was mir das Lesen auf kg.de immer mal vermiest. Einige Autoren - ich will keine Namen nennen - sind anscheinend der Meinung, dass eine Geschichte nicht mehr sein sollte als eine Art Aufhänger, ein Aufhänger zu wiederum eigenen Folgebeiträgen (bzw. als Nachwort von #1), die meist irgendwie Hetze betreiben, auf wen oder was auch immer, Beträgen, in dem sich der Autor selbiger Geschichte mal so richtig Luft macht, für eine gute Sache bekehrt, oder unverblümte Gesellschaftskritik zum besten gibt.
Das sind die Extreme. Es gibt aber auch Autoren, da fällt es, in Hinblick auf einige eigene (alte) Geschichtenthreads, schon schwerer, sich nicht selbst dazuordnen zu müssen. Die Rede ist von der nachträglichen Rechtfertigung von Inhalten, ihrer Erklärung und Erläuterung. Um mal ein Beispiel zu fingieren:
Autor schrieb:Lilliput war ein Kater. Er starb, als er in den Kaktus biss.
Kritiker schrieb:Ja, toll. Und?
Autor schrieb:Um meine Geschichten zu verstehen, muss man sie schon richtig lesen. Ich verfahre nach dem Motto: In den kürzesten Geschichten steht das meiste. Und da ich alle relevanten Informationen richtig impliziert habe, liegt es nun am Leser, richtig zwischen den Zeilen zu lesen. *seufz*, okay, ich spiel mal den Erklärbär:
Über die Philosophie des Katerseins brauche ich mich nicht mehr auslassen, denn du hast sie ja schon fünfzehn Semester lang studiert, nicht wahr?
Lilliput ist ein Name aus 1001 Nacht. Damit ist klar, dass die Besitzerin schon lange nicht mehr zwischen Märchen und Wirklichkeit unterscheiden kann. Damit wiederum ist noch klarer, dass sich diese Schizophrenie auch im Alltag niederschlägt: Wir lesen aus der Geschichte, dass sein Frauchen den Fressnapf in den Keller gestellt, hineingepinkelt und von außen die Tür abgesperrt hatte. Kater Lilliput musste also immer aus dem Wasserhahn in der billigmarmor-gefliesten Küche trinken. Da das Wasser sehr hart war, hat sich Lillyput ratenweise eine Hirnverkalkung zugezogen - auch klar.
Ein anderer Faktor ist die zunehmende Verzweiflung des Katers vor seinem Frauchen. Darauf kommt der geneigte Leser nach einer eingehenden Stilanalyse. Er kann sich denken, dass sie ihn acht einhalb Jahre lang misshandelt haben und so seiner voranschreitenden Hirnverkalkung noch Vorschub geleistet haben muss. Bis eines Tages sie gar nicht wieder kommt. Dadurch, dass Kater Lilliput seine Herrin dennoch, trotz aller Peinigung liebte, macht diese tiefe Ambivalenz deutlich, warum er nach Selbstmord trachtete und daher, infolgedessen er in den Kaktus auf dem kiesfarbenden Fensterbrett, von wo man einen Blick auf eine wunderschöne 300-jährige Eiche hat, biss, an einer totalen Verblutung zugrunde gegangen ist. Dass die Besitzerin noch nicht gestorben ist, sondern noch heute lebt, sollte man schließlich auch herauslesen können, als ein kleines Easter-egg sozusagen![]()
Ich nehme nicht gern den Tonfall eines Moralisten an. Aber die Gefährlichkeit der literarischen Zersetzung auf kg.de ist so wenig bekannt, und die Gefahren, die jedem drohen, der eine Geschichte schreibt, sind so beträchtlich, dass ich für dieses eine Mal meine Zurückhaltung aufgebe. Ich sage: Autoren, Achtung! Rettet die Werkimmanenz!
(

Daher ein Tipp für alle, die ihn nicht brauchen, weil sie mir sowieso schon zustimmen:
nicht unverstandenen Autoren.
In diesem Sinne,
FLoH.