Was ist neu

Werkimmanenz?

Nun mal zurück zum Thema!

Das Problem ist ja die Werkimmanenz: Als Autor möchte ich natürlich verstanden werden, sonst würde ich ja nicht schreiben und schon gar nicht hier posten. Mir ist klar, dass es Autoren gibt, die nicht verstanden werden wollen, aber solche Ausnahmen lasse ich jetzt mal getrost außer Betracht.
Gleichzeitig möchte ich aber auch den Leser fesseln. Wollte ich nur meine Nachricht 'rüberbringen, könnte ich sie auch einfach hinschreiben: "Intelligenztests sind doof." Das wäre für sich genommen ziemlich öde, abgesehen davon, dass ich das dann auch (noch öder) in einer Art Sachtext begründen müsste.
Stattdessen male ich also ein literarisches Bild, von dem ich hoffe, dass der Leser es versteht und gleichzeitig interessant genug findet. Um es interessant zu machen, muss ich moderat verschlüsseln: Mittels Metaphern und Similes und ähnlicher Tricks. Um verständlich zu bleiben, muss ich gemeinsame Bilder finden.

Wie aber kann ich überhaupt gemeinsame Bilder finden? Ich kenne meinen Leser doch gar nicht. Ich muss also davon ausgehen, dass er mir ähnlich genug ist, um zumindest einige Hinweise zu verstehen. So schreibe ich dann die Geschichte.

Und dann folgt der GAU: Meine Leser raffen gar nichts! Zum Beispiel könnte ich angenommen haben, dass mein Leser an griechische Philosophen denkt, wenn ich schreibe, dass jemand aus der Sonne gehen soll. Mein Leser denkt aber: "Uh, er soll keinen Sonnenbrand bekommen. Sehr fürsorglich!"
Der Leser merkt selbst nicht, dass er das Bild (aus meiner Sicht) fehlinterpretiert. Wenn er etwas bequem ist, wird er auch nichts weiter dazu schreiben (er ist sich seiner "Fehleinschätzung" ja nicht bewusst), stattdessen schreibt er: "Na ja, Story über Sonnenbrand. Kenn' ich schon."

Wenn ich also aus irgendeinem Grund als Autor den Eindruck habe, dass hier ein Missverständnis vorliegt, kann ich ohne weiteres zu einer längeren Erklärung der Hintergründe ausholen. Das ist legitim, vielleicht interessiert es den Leser ja, und ich erreiche mein Ziel, verstanden zu werden. Auch wenn mich der Leser dann vielleicht blöd findet, weil ich über tote Griechen und nicht über einen Urlaub auf Samos schreibe.

Was ist also die Essenz meiner allzu offensichtlichen Gedankenkette? Es gibt keine völlige Werkimmanenz. Alles, was ich als Autor hoffen kann, ist, dass ich genug Anknüpfungspunkte im Text unterbringe, so dass der Leser sich den Rest erschließen kann. Da es "den Leser" nicht gibt, sondern jeder Leser andere Voraussetzungen hat, möchte ich zuweilen ein paar Tipps geben, sozusagen "zum Weiterlesen". Wer das nicht will, lässt es eben.

Nachdem ich nun diese Trivialitäten so schön ausgebreitet habe, könnt ihr mir jetzt in allen Punkten widersprechen. :D

 

Naut: Der Gedanke ist sehr gut, zwar nicht neu (s. Woltochinon #15), aber ausführlicher und einfacher dargestellt.

Philo: Ich wollte dir nichts unterstellen, tschui. Hab nur, ein Held wer Böses dabei denkt, von mir auf dich geschlossen, tut mir leid. Allerdings, vor dem Öffnen eigener Threads erstmal zu schauen, ob es schon bestehende zum gewünschten Thema gibt, sollte eigentlich selbstverständlich sein, nicht?

Gegen Fraktionen hab ich was, wenn ich auch bei "Floh-Fraktion" grinsen musste. Wir sind ja hier gottseidank nicht in der Politik, und demzufolge von "Floh'ler" und "Philo'ler" reden möchte ich auch nicht.


FLoH.

 

@ Naut: Sorry, aber ich muss dir widersprechen. Die Interpretation eines Symbols ist entweder immanent oder nicht. Halb und halb geht nicht.
Der Kasus Knaxus ist in diesem Fall der Leser.
Immanenz bedeutet ja nicht, dass ein Symbol sofort zu erschließen ist, vielmehr bedeutet es, dass man das Symbol durch verschiedene mit ihm verbundenen Assozationen entschlüsseln kann. Und diesem Assoziieren liegt natürlich der Verstand des Lesers zu Grunde.
Einen Text schreibt man immer für eine bestimmte Zielgruppe, damit verbunden stellt man eine gewisse Anforderung. Es kann nicht das Ziel sein, den Text an möglichst viele Leser anzupassen. Das Ergebnis wird dann nämlich für keine Zielgruppe mehr zufriedenstellend sein (Stell dir mal vor, du kochst für 10 Leute und wirfst die Lieblingsingredienz eines jeden Gastes in den Topf. Das Resultat würde auch keinem mehr schmecken. ;) )
Es muss also folglich so sein, dass der Text sich auf eine oder wenige Gruppen beschränkt, deren Anspruch und Niveau zumindest ähnlich sind.

 

@Tezet

Was haben Anspruch und Niveau mit Symbolen zu tun?

Anspruch und Niveau drücken sich meiner Meinung nach vor allem durch den Inhalt aus.

Davon abgesehen: Sogar in Märchen für Kindern wird mit Symbolen gearbeitet.

 

Es ist ein Unterschied, ob man das "aus der Sonne gehen", was Naut nannte als Symbol nutzt, oder ob man "Regen" benutzt. Ersteres ist ein Symbol, welches wohl nur eine gebildete Gruppe von Lesern versteht. Das zweite Symbol ist aber für beinahe jeden sofort deutbar (Regen-Trauer,Schmerz).
Banal könnte man es als "Schwierigkeitsgrad" eines Symbols bezeichnen, daher spielen Anspruch und Niveau des Lesers durchaus eine Rolle.

Bei Märchen musst du unterscheiden, da diese in den meisten Fällen zwei Ebenen beherbergen. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass Märchen in erster Linie für Kinder geschrieben wurden. Kinder schauen nur auf die Textästhetik (Klingt der Text schön? gefällt mir der Inhalt?), somit wird auf der Symbolebene für eine weitere Zielgruppe freie Hand gelassen. Diese wurde in Märchen oft für massive Sozialkritiken genutzt.
Die "kindliche Gestalt" des Textes ist dabei eigentlich nur eine extrem hohe Verschlüsselung.

 

Tezet,

dass man für eine Zielgruppe schreiben muss ist genau die Aussage meines Textes. Das Problem auf KG.de besteht jedoch darin, dass weder der Kritiker noch der Autor wissen, ob der Kritiker zur Zielgruppe gehört.

Jemand liest meinen Text. Er versteht ihn nicht. Billige Ausrede: Dann war er wohl nicht in der Zielgruppe.

Gut, was aber, wenn der Leser wirklich nicht zur Zielgruppe gehört? Für diesen Fall sind Erklärungen durchaus angemessen.

Du schreibst, ein Symbol sei entweder immanent oder nicht. Das ist meiner Meinung nach nicht wahr, weil es - wie ich oben ausgeführt habe - eine große Grauzone gibt, in der Symbole immer schwerer entschlüsselbar werden. Wann also Deine Immanenz verschwindet ist unmöglich mit Sicherheit zu sagen.

 

Die Kunst ist es doch einem Text ein tieferes Symbol zu geben, den Text aber auch ohne dieses Verständnis zugänglich zu machen.
Sprich: Auf der einen Ebene hat man einen normal verständlichen Text, der gewiefte Leser kann aber zwischen den Zeilen/aufgrund von Symbolen etc. mehr herauslesen.
So ähnlich ist es ja auch mit Märchen.

Was die Kenntnis von Symbolen angeht: Ich würde das wirklich nciht am Bildungsniveau festmachen. Manche Symbole sind einem eben schon mal unter gekommen, andere nicht.

Übrigens: Wer legt Bedeutung von Symbolen fest? Gut, bei Regen liegt der Schluss nahe, das kann jeder mit ein wenig Nachdenken herausfinden. Was aber "aus der Sonne" gehen angeht - jemand muss es irgendwo mal gelesen haben, um es zu wissen. Das hat dann nix mehr mit Intelligenz zu tun.

 

Bella hat meiner Meinung nach recht. Aber ist es nicht legitim, wenn der Autor die eine oder andere Ebene nachträglich aus eigener Motivation erklärt? Ich denke schon.

 

@Naut

Ich denke, dass jeder Autor selbst wissen muss, was er mit seinem Text erreichen möchte.

Hatte ich vor einen normal verständlichen Text zu schreiben, den die Leser nicht verstehen, dann habe ich etwas falsch gemacht.

Versuche ich meinen Text zu verschlüsseln und ihm eine tiefere Bedeutung zu geben, dann muss ich mir auch Gedanken machen, wenn niemand es versteht. Natürlich kann man den einen oder anderen Denkanstoß geben, aber ein Text sollte sich immer noch selbst erklären.
Hat man es jedoch nicht geschafft seine Intention richtig rüber zu bringen, kann man die doch posten und die Kritiker können einem helfen, diese besser auszuarbeiten. Das merkt man ja manchmal selbst gar nicht, wenn man wirklich ungenau/unlogisch etc. war - für einen selbst ist ja alles ganz klar.

 
Zuletzt bearbeitet:

Naut,
ja, es wird immer schwerer, ein Symbol zu entschlüsseln, das ändert aber nichts an der Tatsache, dass es immanent ist. Es geht ja immer um Assozationen. Nicht-immanent ist es erst dann, wenn man im Text keinen wirklichen Anhaltspunkt auf die Deutung findet. Wobei ich gerade merke, dass wir beide falsch liegen. Ein Symbol kann erstmal nur immanent interpretiert werden. ^^
Alles andere wäre hineininterpretiert und ohne weitere gegebenen Infos falsch.

Was du bezüglich der Zielgruppe beschrieben hast, ist natürlich ein Problem. Allerdings glaube ich dennoch, dass Erklärungen nicht nötig sind. Für den Leser ist es irrelevant, ob ein Text autobiogragphisch ist oder nicht. Die "Message" bleibt die gleiche.
Sollte ein Leser den Text nun nicht verstehen, auch wenn er bemüht ist, denkst du wirklich es ist sinnvoll, dem Leser den Text zu erklären?
Ich sage mal flachs: Der Weg ist das Ziel. Wenn ein Text erklärt werden muss, dann bleibt für den kritiker der Lernprozess aus und obendrein wird er auch nach der Erklärung nicht in der Lage sein, den text angemessen zu kritisieren.

Bella, nach deiner Definition dürften dann aber einige Autoren nicht als gute Autoren gelten. Ich nehme mal das Bsp Kafka. Er hat viele Texte geschrieben, die auf den ersten Blick platt wirken, keinen Sinn ergeben. Kafka entfaltet sein Potenzial erst, wenn man zwischen den Zeilen liest, die "normalverständliche Ebene" ist bei ihm aber nicht mehr als mau.

Ich sehe kein problem darin, die Symbole an ein gewisses Niveau zu knüpfen. Es liegt ja auch daran, wie oft ein Symbol in der Literatur verwendet wird. Häufig aufkommende Symbole werden dir eher etwas sagen, als selten aufkommende. Und wer mehr liest und schreibt, der kennt folglich auch mehr Symbole.

lukas_iskariot schrieb:
Nur ist ein Symbol niemals immanent, da es immer auf etwas hinweist, das es nicht ist, aber abbilden soll, also ist es von vornertherein ausserhalb des Textes.

Eben nicht. Ein Symbol ist an Assozationen geknüpft, also Dinge, die in unmittelbarem Zusammenhang zum Symbol selbst stehen. Daher bildet es in diesem Sinne nicht ab. Wenn ein Symbol auf etwas hinweist, was es nicht ist, dann heißt das Symbol "Chiffre". ;)

 

Aber der Punkt ist: Wenn ich Kafka lese, kann ich mir darüber Gedanken machen oder nicht: In beiden Fällen habe ich eine verständliche Geschichte.

Ich sage nicht, dass Autoren die Symbole verwenden schlecht sind - ich finde nur, dass es manchmal zur Unart wird, wenn zum Verständnis einer Geschichte nur noch Rätsel raten notwendig ist.

Na ja, ich denke, ob zum Erkennen der Symbole Intelligenz erforderlich ist, zu diskutieren bringt nicht wirklich weiter. Nur als abschließendes Wort hierzu: Ich denke, entweder man kennt ein Symbol oder nicht. Klar kennt ein Vielleser mehr Symbole als ein Nichtleser - letztendlich kommt es aber darauf an, ob der Leser überhaupt Lust hat, sich darüber Gedanken zu machen. In diesem Fall kann er, sollte er das Symbol nicht kennen, recherchieren. An Tagen wie heute habe ich keine Lust auf Symbole - viel zu heiß. ;)

 
Zuletzt bearbeitet:

@bella: jepp. damit gebe ich dir recht. ^^

@Lukas: Das Zitat ist vollkommen richtig, nur sprechen wir hier nicht von Dichtungen, sondern von Prosatexten. Das sind grundverschiedene Dinge.

 

@Bella: Genau das meinte ich. Darüber hinaus denke ich auch, dass nichts dagegen spricht, Hinweise zu geben. Wenn man in einer Geschichte z.B. jemanden "Pan" nennt, ist es doch nicht verkehrt als "Metainformation" zu schreiben: "Übrigens, Pan ist eigentlich der Name eines griechischen Gottes. Seht euch mal seinen Charakter an."

Tezet, Du hast recht. Der Reiz einer guten Geschichte liegt auch im Lernprozess, im Ringen mit dem Verständnis. (Das heißt nun aber nicht, dass jeder kryptische Schwachsinn gut ist - wird oft verwechselt.) Mit Erklärungen meine ich auch nicht Anmerkungen zur Autobiographie (ist mir doch egal, ob der Autor auch ein Pferd hatte), sondern eher Hinweise auf Bellas zusätzliche Ebenen. Mangels besserer Beispiele kann ich blöderweise nur meine eigene Geschichte anführen: Ich denke, Philo hat die meisten Aspekte sehr wohl verstanden. Deshalb hat er keine Fragen zum Text gestellt - er konnte ja nicht wissen, dass er einen Aspekt übersehen hatte, der ihm aufgrund seiner spezifischen Vorbildung nicht auffallen konnte. Ein winziger Hinweis genügte dann aber, um ihm diese Ebene zu zeigen.

Eine Geschichte, die nicht ohne zusätzliche Erklärung funktioniert ist zweifellos schlecht. Aber warum soll ich meine Leser nicht beim Verständnis unterstützen, wenn sie es wollen?

Na, wie auch immer. Letztlich muss es sowieso jeder selbst entscheiden.

@lukas: Nun, wie auch immer :) Ich habe nicht behauptet, dass es ein Symbol wäre :Pfeif:

 

Naut, da gebe ich dir recht. Wenn der Kritiker nach einzelnen Aspekten fragt, dann ist das legitim. Ich bezog mich eher darauf, dass ein Leser sagt:"Keine Ahnung", und dann den gesamten Text erklärt bekommen möchte.

PS: Immer wieder schön, wenn eine Diskussion im Einvernehmen endet. ^^

 

@Naut

Ich finde das mit dem "Geschichten erklären" einfach insofern schwierig, dass mir die Werke bekannter Autoren auch nicht erklärt werden.

 

Bella, die bekannten Autoren sind ja - bis auf einzelne Ausnahmen - auch nicht hier auf KG.de. Das Internet eröffnet schon einige sehr interessante neue Formen, sich mit Texten auseinanderzusetzen.

Ideal ist aber natürlich eine Geschichte, die den Leser aus sich selbst heraus zutiefst bewegt. Ohne große Erklärungen.

 

Warum denn so aggressiv Lukas? Ich würde dich deshalb nie für ein Arschloch halten. Vertrittst ja nur deinen Standpunkt. Von Poesie sagte ich übrigens gar nichts. Hier ist eine Definition des gleichen Begriffs, die sich "unwesentlich" von der deinigen unterscheidet.

http://de.wikipedia.org/wiki/Dichtung

(Ja, ich kann auch klugscheißen :D )

 

Vertrittst ja nur deinen Standpunkt.
Dann vertritt lukas aber zumindest zufälligerweise denselben Standpunkt wie die folgenden Einträge im aktuellen Brockhaus-Lexikon, Ausgabe 2004:

Dichtung, die, Sprachkunstwerk. Es werden drei Hauptgattungen unterschieden: Lyrik, Epik, Dramatik. [...]
Epik die, die erzählende Dichtkunst in Vers oder Prosa; epische Großformen: Epos, Saga, Roman; Klein- oder Kurzepik: Kurzgeschichte, Fabel, Märchen, Sage, Legende, Novelle.

Nochmal zur Erinnerung:
Tezet schrieb:
@Lukas: Das Zitat ist vollkommen richtig, nur sprechen wir hier nicht von Dichtungen, sondern von Prosatexten. Das sind grundverschiedene Dinge.

(hehe... heute bin ich gnadenlos! :naughty: )

 

Und was hat dann der Wikipedia-Eintrag zu bedeuten? -.-
Grausam... heutzutage kann man wirklich niemandem mehr glauben, nicht mal den Lexika... :crying:

 

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