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Wie eine ansteckende Kinderkrankheit

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13.02.2008
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Wie eine ansteckende Kinderkrankheit

„Sag’ nicht, du hast was Besseres vor!“, sagt Marie, worauf ich mich in meiner Wohnung nach Besserem umsehe. Und natürlich habe ich Dinge vor. Schon lange. Ich will meinen Esstisch auf dem Hof weiß lackieren, damit die Küche heller wirkt – trotz Nordseite und Glasbausteinfenster. Das hat Marie schließlich selbst immer wieder angemahnt. Und ich habe mir auch schon alles vorgestellt: wie ich den Tisch durch’s Treppenhaus schleppe, ohne wie beim Einzug tiefe Furchen in den gelben Strukturputz zu ziehen; wie ich den Farbtopf auf die grüne Mülltonne stelle, weil der Deckel der grauen zerbeult ist und wie ich zum Schluss mit der Schuhspitze Dreck über die weißen Tropfen auf den Steinplatten schubse und mir die Schweißperlen der Produktivität von der Stirn wische.
Ich will außerdem mit einem Trichter Wodka in eine Wassermelone füllen. Das war natürlich nicht Maries Idee.
Ich könnte also mit Fug behaupten: „Doch ja, leider, habe total wichtige und diverse Dinge vor.“
Doch wenn ich über’s Wochenende nur fünf Melonen füllen und nicht dazu kommen sollte, den Tisch zu streichen oder wenigstens die Glühbirne im Flur zu wechseln, dann wird Marie nach ihrer Rückkehr giftige Blicke auf Tisch und Melonenschalen werfen und im finsteren Flur absichtlich über leere Flaschen stolpern.
Ich antworte also: „Na ja, dieses Wochenende ist eigentlich schlecht, aber wenn du dir Montag schon frei genommen hast, krieg’ ich das schon irgendwie hin.“
Daraufhin sagt sie: „Danke! Sag’ Bescheid, wenn ich dir vorher noch was erledigen helfen kann“, sagt es so unironisch, dass es mich ganz warm überspült und ich mich auf ein Wochenende in Frankreich mit ihrem Exfreund und seiner schwangeren Frau freue.

Es ist bereits dunkel, als wir die Schottereinfahrt zu dem geduckten Häuschen hinabfahren, das Holger und Susanne für die Ferien gemietet haben. Die Kegel der Scheinwerfer huschen über das angrenzende Gestrüpp, ohne dass viel von der Umgebung auszumachen ist. Als ich das Auto neben Holgers Kombi parke, wird die Tür geöffnet und warmes Licht fällt auf den Rasen des Vorgartens. Holger kommt heraus und umarmt Marie, die sich lange an ihm festhält. Das liegt wohl an der langen Fahrt. Dann kommt er zu mir herüber, gibt mir die Hand und umarmt mich.
„Na, gut gefunden?“, fragt er und ich sehe nur das Blitzen seiner Zähne und Augen.

Er hilft uns, das Gepäck ins Haus zu tragen. Es riecht fremd. Er zeigt uns Bad, Küche und Wohnzimmer im Erdgeschoss. Es ist ferienhaushübsch mit viel zum Gucken, Tigerfell und staubige Trockenblumenarrangements.
Holger führt uns die Treppe hinauf und flüstert: „Susanne schläft schon“, dann öffnet er eine Tür und tätschelt den Türsturz wie den Hals eines sehr schartigen Pferdes. „Vorsicht: Kopf!“
Ich bücke mich tief unter dem Balken hindurch und stelle fest, dass ich mich auch im dahinterliegenden Zimmer nicht vollständig aufrichten kann. Holger knipst das Licht an und eilt zum Fenster, um es zu schließen. „Ich hoffe, es sind keine Mücken reingekommen.“
Alles ist mit Vogelstoff bezogen, Vogelsilhouetten auf himmelblauem Grund: der Einbauschrank, das Betthaupt, die Wände. An der linken Bettseite fliegen die Vögel sogar kopfüber.
„Oh, Vögelchen!“, sagt Marie.
Und hinter den Vögelchen ist es wattiert, wie ich beim Betasten der Wand feststelle. Sie fühlt sich klamm an, aber klamm ist immer nah an der Wahnvorstellung, denke ich mir und drücke nicht weiter auf der Wandbespannung herum, um nicht unnötig Sporen aufzuwirbeln.
Holger lacht. „Bittesehr, eure Gummizelle. Hier könnt ihr euch quasi hemmungslos austoben. Noch Fragen? Ich geh’ sonst auch schon ins Bett.“
„Alles klar“, antworte ich.
„Schlaf gut“, sagt Marie und dann schließt Holger die mit Vögelchen bespannte Tür hinter sich.
Ich setze mich aufs Bett. Es fühlt sich an, als würde die Matratze über mir zusammenschlagen.
„So, jetzt austoben?“, fragt Marie und lupft die Vögelchentagesdecke vorsichtig, als fürchte sie, ein Schwarm Tauben könne plötzlich darunter hervorstieben und sich in ihrem Haar verfangen. Ich rolle die Steppdecke zu einer strammen Wurst und deponiere sie auf der Kommode.
„Ich bin schon ziemlich ausgetobt.“ Ich blicke zu Marie hinab, die sich quer über’s Bett rollt und die Sandalen von den Füßen schleudert. Sie hat die letzten zwei Stunden im Auto geschlafen.
„Außerdem ist diese Gummizelle nicht schallisoliert“, füge ich hinzu, als ich höre, wie Holger im Nebenzimmer das Licht ausschaltet.
„Was glaubst du, was die denken, was wir an einem freien Wochenende in Frankreich tun?“, fragt Marie und dreht sich bäuchlings, um vom Bett aus in ihrem Koffer zu kramen.
„Außerdem: Susanne schläft und Holger weiß sowieso, wie ich mich anhöre.“
Sie spricht dies in den Koffer, doch dann hebt sie den Kopf, um mir in die Augen zu blicken.
„Ich muss was trinken gehen“, sage ich und verlasse die Vögelchenhöhle, um meinen heißen Kopf in den Kühlschrank zu stecken.
Als ich zurückkomme, ist Marie im Bad und ich gebe mir Mühe, eingeschlafen zu sein, bevor sie zurückkehrt.

Am nächsten Morgen erwachen wir trotz vormittäglicher Hitze eng aneinandergedrängt in der Mitte des breiten Bettes. Die Matratze hängt durch. Marie hat einen Kissenabdruck auf der Wange. „Zum Glück kein Vögelchen“, denke ich und küsse die roten Furchen.
„Du kratzt“, sagt sie und reibt sich vorwurfsvoll die geschundene Haut.
„Ich dachte, das macht’s irgendwie französischer“, antworte ich, weil mir schon auf der Fahrt klar geworden ist, dass ich meinen Rasierer auf dem unlackierten Küchentisch vergessen habe.
In diesem Moment trommelt es einen Dreivierteltakt gegen die Tür und Holger ruft: „Frühstück?“

Als ich noch feucht von der Dusche aus der Dunkelheit des Hauses trete, dauert es eine Weile, bis ich überhaupt etwas ausmachen kann, doch dann sehe ich Susanne am blendend weiß gedeckten Frühstückstisch sitzen, ihre schwarzen Haare hochgesteckt, ihre Lippen wie immer tiefrot bemalt, ein nacktes Bein auf einem der Holzstühle.
„Na endlich“, sagt sie und lächelt, „ich war schon fast verhungert.“
Sie hebt ihr Bein vom Stuhl, steht rasch auf und kommt auf mich zu. Ich bemühe mich, nicht auf ihren Bauch zu starren, der bei unserem letzten Treffen noch kaum zu sehen war. Sie umarmt mich fest und ich fühle ihre Schwangerschaft am ganzen Körper, versuche mich an den entsprechenden Stellen konkav zu wölben.
Holger tritt hinter mir ins Freie und legt mir eine Hand auf die Schulter. „Marie ist noch im Bad? Dann können wir zwei ja schon mal Baguettes jagen gehen.“

Mit französischem Rap aus den Boxen geht es im klimatisierten Wagen in den nächsten Ort, in die „Boulangerie“, wie ich mehrmals heimlich vor mich hinmurmele.
„Bonjour“, sagt Holger in das Türklingeln hinein und dann noch einiges mehr, was ich aber nicht mehr verstehe, bis auf einiges „oui, oui“ und „bon“. Und natürlich „baguette.“ Der Bäcker lacht mit gelben Zähnen und dreht kuriose Kreise mit beiden Händen auf seinem Bauch. Ich versuche, für seine Teenager-Tochter, die gelangweilt Haarsträhnen zwirbelt, verwegen und schweigsam auszusehen. Wenn ich nun schon mal den Bart habe und neben dem parlierenden Holger stehe, der mir gerade bis zur Nasenspitze reicht. Ich wäre nicht der Erste, von dem sie sich an die mehlstaubige Wand der Vorratskammer nageln lässt, aber der erste, für den sie davor ihr Kaugummi ausspucken würde. Oui, oui, Monsieur.

Wir frühstücken unter Pappeln, wie Marie behauptet, nachdem sie eine längere botanische Diskussion für gewonnen erklärt hat. Marie, Holger und ich essen Rohmilchkäse und Susanne Foie Gras. Ich warte darauf, dass das Fett ihr Lippenrot auflöst, doch es geschieht nicht. Es strahlt genauso blendend wie am Morgen.
Holger fragt, ob wir uns heute ein Schloss ansehen wollen. Marie und ich blicken einander an, um uns gegenseitig unserer Faulheit zu versichern und schnell auszufechten, wer sie zugeben muss.
„Vielleicht morgen“, antwortet ich, weil man von mir nichts anderes erwartet, und so lungern wir schließlich den ganzen Tag auf Sonnenstühlen herum und jeder erscheint glücklich. Aktivitäten wie Federball und Frisbee werden in der Hitze schnell wieder einvernehmlich eingestellt. Die Dichte der Luft bremst jede Bewegung.
Marie und Holger reden über ihre Arbeit in der Kunsthalle, die Leihverträge und die Katalogtexte. Holger und ich reden über in Polen maßgeschneiderte Sprossenfenster für das Fachwerkhaus, das Susanne und er restaurieren. Ich soll eine Spezialtür bauen, die trotz schiefen Bodens unten dicht abschließt. Ich skizziere ihm eine Spezialkonstruktion mit Rollen und Zügen auf eine Serviette, die Marie später rahmen will, weil die Linienführung so filigran ist.

Susanne könnte natürlich mitreden, nicht über das Tagesgeschäft der Kunsthalle, aber über den städtischen Kulturbetrieb und Türen, doch sie tut es nicht. Sie tut eigentlich gar nichts. Manchmal liest sie eine Seite in ihrem Krimi, empfängt hin und wieder ein Glas Wasser oder einen Kuss von Holger, aber meistens liegt sie einfach nur da und betrachtet das Schattenspiel der Pappelblätter auf ihrem Busen und ihrem Bauch. Also betrachte auch ich meistens nur das Schattenspiel der Pappelblätter auf ihrem Busen und ihrem Bauch. Und das Rot auf ihren Lippen, das mir immer wieder als das Rot ihrer Lippen erscheinen will.

Als die Dämmerung hereinbricht, fühlen Marie und ich uns verpflichtet, zumindest das zum gemieteten Grundstück gehörende Gelände etwas zu erkunden und einen Spaziergang um den See zu machen. Wir folgen dem Pfad durch das trockene Gestrüpp und erreichen nach fünf Minuten einen grünen Tümpel, um den herum es hypnotisch surrt und brummt. Das Wasser hat sich in die Mitte zurückgezogen und an den Rändern schwarzen Schlamm mit schlierigen Brutpfützen hinterlassen. Überhaupt ist das gesamte Tal in diesem Jahr wegen der Hitzewelle nicht so lieblich wie sonst, hat mir Holger erklärt und ich erzähle es jetzt Marie.
„Wir waren schon mal hier in der Nähe,“ sagt sie und stochert mit einem Schilfhalm in der trüben Suppe, dann nehme ich ihre Hand und wir spazieren um den See, bis uns genug Mücken gebissen haben und wir die Flucht ergreifen. Doch der Ausflug hat sich gelohnt, denn als wir zurückkommen, wird uns bewusst, dass der Duft der Kletterrosen am Haus schwer in der Luft hängt.

Holger kocht Gemüseeintopf mit Huhn und weist jedem ein Gemüse zu, mit dem man sich zum Schälen und Schnibbeln an den runden Esstisch setzen darf. Dort schneidet Marie das Thema zum ersten Mal an. „Und dir geht es gut hier, auch mit der Hitze und so?“
Susanne lächelt, nicht für uns, sondern für sich. „Es geht mir ganz ausgezeichnet. So könnte ich gerne noch länger bleiben.“
Sie lässt eine Hand auf ihren Bauch sinken und ich senke meinen Blick auf die Karotten. Auch mein Hören richte ich geflissentlich auf das Schaben und Hacken des Putzmessers, bis Holger mich gnädig in den Garten schickt, um Rosmarin und anderes Kraut zu pflücken.
„Alles, was dir essbar erscheint“, sagt er und klopft mir hilfreich auf die Schulter.

Während des Essens wird wieder über andere Dinge gesprochen – über den Kulturetat der Stadt. Ich erzähle, wie ich dem Oberbürgermeister bei der Eröffnungsfeier ein Becks Gold servieren durfte und mich dabei fragte, ob er vor versammelter Presse nicht lokales Bier trinken müsse. Außerdem beobachte ich, wie Susanne Spuren an ihrem Glas hinterlässt. Sie scheint sich Mühe zu geben, ihre Kussmünder gleichmäßig am Rand zu verteilen. Und obwohl sie auf diese Weise viel Fläche färbt, bleibt das Rot ihres Munds das gleiche, als blute es aus einem Reservoir im weichen Gewebe ihrer Lippen durch unsichtbare Poren nach außen.
Marie sagt, man sehe Susanne an, dass es ihr gut geht, gute Durchblutung, Prallheit, Haare und alles, und dass sie auch so einen Busen möchte. Daraufhin melde mich freiwillig zum Spülen.

Ich hebe Susannes Glas aus dem Becken, wo die anderen Gläser klingend gegeneinandertreiben, hebe es am Stiel hoch, betrachte den rotverzierten und schaumbekränzten Rand und atme aus. Mit der dunkelgrünen Seite des Schwamms fahre ich an Innen- und Außenseite des Glases entlang. Der erste Umlauf verschmiert die roten Münder, die einzeln sichtbaren Lippenfurchen, zu einer hellroten Schliere mit Schrubbseitenstruktur. Der zweite Umlauf und ein erneutes Eintauchen ins Wasser lassen das Glas blank zurück. Als ich mit der gelben Seite nachreibe, quietscht es beruhigend.

Ich spüle versunken die restlichen Gläser, die Teller und den Topf, dann bringe ich den Müll raus. Zumindest versuche ich es, denn auf dem Weg zur Haustür geht mir die Mülltüte kaputt. Einen schrecklichen Augenblick lang spüre ich den Plastikbeutel reißen und weiß, ich kann nicht mehr verhindern, dass mir der ganze Mist gleich auf die Füße fällt. Und dann spüre ich auch schon den feuchten Kaffeesatz zwischen den Zehen. Die anderen lachen, aber mir ist flau.

Holger hilft mir, die Folgen des Unfalls zu beseitigen und ich gehe rauchen, um mich zu beruhigen.
Ich sitze auf der Bank und pule Späne aus dem verwitterten Holz zwischen meinen Beinen. Dann tritt Susanne neben mir aus dem Haus. Ich sehe ihre Silhouette nur aus dem Augenwinkel, spüre ihr Gravitationsfeld in Höhe meines Kopfes. Sie atmet tief ein, schwere Luft und nahezu flüssigen Rosendunst, und spreizt Zeige- und Ringfinger der linken Hand zu einem V. Ich lasse Asche auf die Bodenplatten fallen und übergebe ihr meine Zigarette. Susanne lehnt sich gegen die Hauswand und inhaliert drei mal in kurzen Abständen. Ich zerreibe währenddessen die Asche unter meinen Sohlen und denke an die roten Läuse, die ich auf dem grobporigen Stein der Hauswand beobachtet habe.
Als sie mir die Zigarette zurückreicht, sehe ich nicht auf, sondern betrachte nur den fettglänzenden Ring um den Filter. Die Tür fällt neben mir ins Schloss und ich kann das elastische Federn der weiß lackierten Bretter fühlen. Ich drehe die Kippe auf der Bank aus und beerdige sie im Rosenbeet.

Als Marie aus dem Haus tritt und sich vor mich stellt, schiebe ich ihr T-Shirt hoch und berge mein Gesicht an der kühlen Haut ihres Bauches. Summend fährt sie mit den Fingern durch mein Haar, vom Nacken bis zum Wirbel und fragt dann: „Kommst du mit ins Bett?“

Im Bett küsse ich sie, bis ihr Mund rot ist. Ihr Körper ist noch immer kühl und vielleicht sogar etwas feucht. Ich weiß es nicht, vielleicht sind es auch meine eigenen Hände. Sie schlingt ihre Arme um meinen Hals und haucht warme Luft an mein Ohr, doch dann höre ich etwas aus dem Nebenzimmer.
Ich lege Marie zwei Finger auf den Mund und halte selbst den Atem an.
Sobald sie hört, was ich höre, kichert sie, doch als sie den Ausdruck auf meinem Gesicht sieht, verschwindet schlagartig alles Schalkhafte aus ihren Augen.
Ich lasse mich lautlos neben ihr aufs Bett sinken. Sie zieht das Laken unters Kinn und verschränkt die Arme über der Brust. So liegen wir nebeneinander, ohne uns zu berühren, starren an die Vögelchendecke und lauschen, wie Susanne und Holger miteinander schlafen.
Es ist effizienter Sex. Es wird nicht gesprochen und sie sind nicht laut – sie müssen weder uns noch sich selbst etwas beweisen – trotzdem kann ich jeden Atemzug, jedes Härchen, das sich unter einer Berühung aufrichtet, hören und stelle mir vor, wie Susanne rote Flecken auf Holgers Gesicht, auf den Geheimratsecken, den Ohren und seinem Körper verteilt, wie eine ansteckende Kinderkrankheit.
Als es nichts mehr zu hören gibt, knipst Marie das Licht aus und dreht mir den Rücken zu.

Das Laken ist zusammengedreht um meinen Körper gewunden. Ich habe schlecht geschlafen, wohl von Vögeln und Mülltüten geträumt, und Marie hat mich nicht geweckt.
Als ich in den Garten hinaustrete, ist der Frühstückstisch bereits abgeräumt. Holger sitzt auf der Bank, aber die Rosen duften tagsüber nicht. Er trägt ein beiges Fischerhütchen und liest französische Zeitung.
„Gut geschlafen?“, fragt er. Ich nicke.
„Wo sind denn die Frauen?“
Er bedeutet es mir mit einer Bewegung des Kopfes.
Ich finde sie im Schatten der Bäume hinterm Haus. Sie liegt mit angezogenen Beinen auf dem Sonnenstuhl und Marie sitzt im gelben Mädchenkleid im hohen Gras neben ihr. Sie hat ihren kleinen, blonden Kopf auf Susannes Bauch gelegt, auch ihre Hände, mit gespreizten Fingern, als wolle sie ihn ganz umfassen.
Marie strahlt, als sie mich erblickt und winkt mich aufgeregt heran. „Komm doch mal! Fühl doch mal!“
Susanne fängt eine gelockte Haarsträhne, die eine Brise ihr ins Gesicht weht, wo sie auf der Lippe haften bleibt, und streicht sie sich hinters Ohr. Sie lächelt mich ruhig an.
Ich sehe mich mein struppiges Gesicht auf diese schimmernde Kugel legen und als ich mir vorstelle, dass es dort eine Bewegung zu fühlen gibt, rauscht das Blut so laut in meinen Ohren, dass es mir scheint, als würden die Pappeln von einem heftigen Windstoß geschüttelt.
„Ich glaube, wir müssen jetzt los, wenn wir das Schloss heute noch sehen wollen.“

Wir fahren an Maisfeldern mit Mohnblumen entlang und halten kurz, um ein paar Kolben zu brechen, aber es ist nur Futtermais.
Trotz geöffneter Fenster ist es jetzt sehr heiß im Auto. Marie hat ihre nackten Füße gegen das Handschuhfach gestemmt, so dass ihr Kleid die Oberschenkel bis zum Unterleib entblößt. Sie rollt ihren Kopf träge auf der Nackenstütze, wenn sie ihren Blick von der Landschaft zu mir wendet.
Ich ziehe mein T-shirt aus, während sie das Lenkrad festhält. Dann gieße ich mir französisches Wasser aus edler Quelle über den Kopf und denke mit Unbehagen darüber nach, wie der Schaumstoff des Fahrersitzes meinen Schweiß in sich aufsaugt. Endlich tauchen wir in den Schatten des dichten Jagdwaldes ein und ich halte nach Hirschen Ausschau.

Im Schloss versuche ich lange, die doppelte Wendeltreppe zu denken und Marie macht tausend Fotos von tausend verschiedenen Winkeln der wunderlichen Stadt auf dem Schlossdach.
Der Garten ist geometrisch und das Gras gelb und so lagern wir ein paar Kilometer weiter neben einer Betonbrücke am Flussufer. Marie sitzt, die Hände hinter sich in den Kies gestützt und sucht im glitzernden Wasser nach Fischschatten. Ich liege auf dem Rücken und habe meinen Kopf in ihren Schoß gebettet.
„Holger hat den Hausmenschen gefragt, was das für Bäume sind. Es sind wirklich Pappeln.“
„Glückwunsch“, antworte ich und schließe die Augen.
„Hast du nicht gesagt, du wolltest dich anmelden, für einen Französischkurs? Das ist jetzt bestimmt auch schon ein Jahr her.“ Sie bewegt ihr Becken, weil es ihr unbequem ist.
„Schon möglich“, sage ich und richte meinen Oberkörper wieder auf.
Sie blickt mich an, als warte sie, dass ich noch mehr dazu sage, doch dann setzt sie sich zurecht und drückt meine Schultern sanft herunter, bis mein Kopf wieder in ihrem Schoß zu liegen kommt.
„Erzähl mir, wie wir uns zum ersten Mal geküsst haben.“ Sie streicht mir die Haare aus der Stirn.
Ich bin kooperativ und erzähle ihr, wie wir uns am Abend der Vernissage zum ersten Mal geküsst haben und dass ich mir damals nicht sicher war, ob es in mir toste, weil wir unter der tonnenschweren, mit Echtfell bezogenen Pferdekadaverplastik standen, die von der Decke baumelnd „kreatürliche Präsenz“ erzeugte, oder ob es die kreatürliche Präsenz von Maries kleinem Körper war, der sich an meinen drängte. Und ich erzählte ihr, wie ich Wochen zuvor geflucht hatte, als wir die Kadaverskulptur in unser Spezialgerüst einhängen mussten. "Muss Kunst so schwer sein?", hat mein Chef geschimpft.
„Mein kleiner Kunstbanause“, sagt Marie, nimmt mein Gesicht in beide Hände und küsst mich.
Ich streiche ihr eine Haarsträhne, die ihr ins Gesicht geweht ist, hinters Ohr und drehe mich auf die Seite, damit ich, das Ohr im Tal zwischen ihren Hüftknochen, Verdauungsgeräuschen lauschen kann.

Nach dem mehrgängigen Abendessen, das Holger in unserer Abwesenheit vorbereitet hat, trinken wir noch mehr Wein aus dem Kanister und gucken einen französischen Film, in dem zarte Knaben und noch zartere Mädchen nackt in großen weißen Betten liegen und miteinander reden.
„Macht es dir wirklich nichts aus? Wenn du dich langweilst, können wir auch Skat spielen“, bietet Holger an.
Doch es macht mir wirklich nichts aus. Ich kann nicht Skat spielen und ich langweile mich auch nicht, denn ich lese Susannes Schwangerschaftsbuch. Ich sehe mir Bilder von halbierten Frauen mit ganzen Föten an und vermeide die letzten Kapitel mit den Bildern über Geburt und hässlichen, roten Babys. Ich lese über die Veränderungen des Körpers. Das mit den Brüsten sehe ich selbst, doch ich erfahre auch, dass sich die Brustwarzen dunkler färben und dass ein Schleimpfropf den Gebärmutterhals verschließt. Ich lese mehrmals Schleim, Schleim und pfropfpfropfpfropf und erhoffe mir therapeutische Wirkung davon. Dann steht Susanne auf und macht sich einen Tee aus geheimen Kräutern.
„Lass mich mal probieren“, sagt Marie und als ich darüber nachdenke, dass sich das Rot von Susannes Tasse an Maries Lippen heften könnte, muss ich wieder an den Müllsack denken. Es fühlt sich an, als würde ich selbst unten aufreißen und alles Lebenswichtige fiele aus mir heraus, ohne dass ich etwas dagegen ausrichten kann. Doch Marie trinkt von der anderen Seite der Tasse und ich lasse das Buch erleichtert sinken.

Susanne sitzt wieder neben Holger, der jetzt die linke Hand auf ihren Bauch gelegt hat. Der Schein des Fernsehers fängt sich bläulich in ihrem Haar und flackert in ihren Augen. Holger legt seinen rechten Arm um ihre Schulter, zieht sanft die zarten Locken, die sich am Nacken aus ihrer Frisur gelöst haben, zwischen den Fingern glatt. Dann lässt er die Hand auf ihren vollen Oberarm sinken, wo er mit den Fingern die Impfnarbe streichelt. Diese Narbe sieht mit dem horizontalen Strich in der Mitte und den radialen Fältchen selbst aus wie ein kleiner Kussmund. Sie schillert silbrig und manchmal ist sie dunkel wie ein Loch. Ich frage mich, ob man sie spüren kann, wenn man mit den Lippen oder mit der Zunge darüberfährt.
Susanne schiebt den enganliegenden Stoff ihres Oberteils bis unter den Busen hoch und Holger massiert Öl auf ihren Bauch, der nun ebenfalls von blauen Lichtreflexen bekrönt wird. Mein Blick folgt der dunklen Linie vom Nabel bis zu der Stelle, wo sie im weichen Bund der Hose verschwindet, dann blicke ich mich zu Marie um, die neben mir im Sessel sitzt und sehe, dass sie dasselbe betrachtet. Als sie sich zu mir wendet, senke ich den Blick schnell in das Schwangerschaftsbuch.

Als wir wieder in der Vögelchenhöhle liegen, schmiege ich mich von hinten eng an Marie, so wie ich es auf einem Bild im Schwangerschaftsbuch gesehen habe, und umfasse ihre kleinen Brüste. Ich küsse ihren Nacken und ihren makellosen Arm und wir schlafen ein, noch bevor die Geräusche aus dem Nebenzimmer verstummen.

Am Morgen werfe ich unser Gepäck in den Kofferraum und Marie ordnet die CD-Sammlung im Handschuhfach, als Susanne und Holger aus dem Haus zu uns herüber kommen. Holger reicht mir einen Leinenbeutel. „Ich hab’ euch Proviant eingepackt.“
Ich sage „danke“ und umarme ihn, dann lasse ich mich von Susanne umarmen, spüre ihre warmen Brüste und ihren Bauch und rieche den süßen Duft des Massageöls. Ich hatte gehofft, so früh am Morgen wäre das Lippenrot noch nicht da, dann könnte ich mir sicher sein, dass es doch nur aufgemalt ist.
„Danke für alles und ... alles Gute“, sage ich.
Holger und Susanne umarmen Marie und dann sitzen wir auch schon im Auto.
„Alles bereit?“, fragt Marie und auf ihrer Wange prangt ein roter Striemen, der aussieht wie eine Prellung. Ich wische den Lippenstift erst mit dem Daumen und dann mit dem Handballen ab.
„Hm“, sage ich und starte den Motor.

 
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Guten Abend, feirefiz!

Ich kam gerade zufällig hier vorbei und sah Deine neue Geschichte. Eine schöne Geschichte.
Die beiden Paare waren mir wie vier Welten:
Da sind Marie und der Erzähler mit ihrer seltsamen Liebe, ihrer Solidarität und Loyalität, wieder mal ohne sichtbaren Sex, aber mit gemeinsamen Gründen und der Fähigkeit, sich mit einem Blick der Faulheit des anderen zu versichern und abzusprechen, wer sie zuerst zugibt. Das ist so wunderschön erzählt.

Dann ist da Susanne mit dem Horrorlippenstift und der prallen Durchblutung, ein dickrotes, bedrohliches Bild, das beim Helden diese ... Sachen auslöst, fast Vagina Dentata light, sollte es sowas geben, jedenfalls DAS Schreckbild der befruchteten Frau, die wollüstig-versunken in Körperlichkeit ersäuft und mit Unsäglichem lockt und droht, ohne es zu merken. Oder weiß sie, die Hexe?

In der Spezialeinsamkeit des Erzählers mit den eigenartigen Wegen und Bildern finde ich dauernd Sachen wieder, die ich mich gar nicht anzusprechen traue. Muß ich ja aber auch nicht. Ich kann jederzeit was zu trinken holen gehen oder mich freiwillig zum Spülen melden, dann wird es schon vorbeigehen.

Und ach! Holger, die arme Neben-, Rand- und Exfigur.

Mir geht das in vielerlei Hinsicht unter die Haut, aber das sag ich keinem, stattdessen tu ich einen direkten Liebesdienst am Text und beheize ordnungsgemäß die Zitatfunktion, die Du mir seinerzeit erkläret hast, auf los:

zu dem geduckten Haeuschen herabfahren, dass
, das
ferienhaus-hübsch
schreib's doch zusammen. Sieht viel netter aus. Keine Gewähr auf Dudentreue, aber ist ja sowieso Dein Wort.
tätschelt den Türsturz wie den Hals eines sehr schartigen Pferdes
ein sehr schartiges Pferd. Du Held. Wahnsinn! Ich mochte das, aber: Hast Du echt schartig gemeint?
: „Vorsicht: Kopf!“
da würde ich, weil vorher schon ein Doppelpunkt steht, den zwoten in ein Komma verwandeln.
Vogel-Stoff, Vogel-Silhouetten, Vögelchen-Höhle
würde ich alles zusammenschreiben. Wegen der Optik. Guck mal: Vogelsilhouetten und Vögelchenhöhle!
klamm ist immer nah an der Wahnvorstellung
Hehe.
„Frühstueck?“
Es ist ein Skandal, hier und da so duliöh und nach dem Zufallsprinzip Umlaute einzubauen. Schäm Dich was. Gar keine würde ich eher fressen.
Mit franzoesischem Rap aus den Boxen geht es im klimatisierten Wagen
That's Armageddon.

Nachdem ich Deinen Kommentar zu Merhaba gelesen habe, sollte ich schreiben und werde ich hiermit nachtragen: Deine Fegefeuer sind auch nicht von schlechten Eltern.

ich mehrmahls heimlich vor mich hinmurmele.
Guck mal, wie Du mehrmals geschrieben hast. Nu guck Dir das an, ey. Zehn Liegestützen.
das Rot auf ihren Lippen, das mir immer wieder als das Rot ihrer Lippen erscheinen will.
Mich gruselt. Dieser Lippenstift ist wirklich schlimm. Der zieht sich wie ein roter Schleimpfr ... weiter im Text:
schwarzen Schlamm mit schlierige Brutpfützen
schlierigen. Schönes Bild übrigens, wie bei Homo Faber im Dschungel: "Wo man hinspuckt, keimt es!"
Holger kocht Gemüseeintopf mit Huhn
Hehe. Da ist das Huhn. Holger huldigt dem Huhn.
zum Schälen und Schnibbeln
nicht für uns, sondern für sich
sagt er und klopft mir hilfreich auf die Schulter.
hebe es am Stil hoch,
Schämen! Schääämen!
einer hellroten Schliere mit Schrubbseitenstruktur
Stolz ein! Stolz sein!
als würde ich selbst unten aufreißen und alles Lebenswichtige fiele aus mir heraus.
Das ist der umstrittene Nebensatz. Der eine, der mich grundsätzlich störte. Weil: Der ist hier beim Müllsack einen Tick zu arg. Später kommt das Gefühl ja nochmal und paßt.
den fett glänzenden Ring um den Filter
würde ich auch zusammenschreiben. Fettglänzend. Oder fettig glänzend.
Im Schloss versuche ich lange, die doppelte Wendeltreppe zu denken
das mag ich sehr.
von tausend verschiedenen Winkeln der wunderlichen Stadt auf dem Schlossdach.
Das hätte ich gern begriffen, anstatt nur kraus dazuzuassoziieren.
Dann steht Susanne auf, und macht sich einen Tee aus geheimen Kräutern.
Ha. Du benutzt andauernd, immer und hingebungsvoll und vor ganzen Sätzen und machst kein Komma davor. Darf man ja jetzt auch weglassen, sagt ja auch keiner was. Ich lerne langsam, das Zusammenzucken zu kontrollieren, aber dann kommst Du daher und schreibst ein Komma davor, wo einmal, einmal! kein ganzer Satz dahinterkommt. Hrgn! Da weint der kleine Jesus.
Diese Narbe sieht mit dem horizontalen Strich in der Mitte und den radialen Fältchen selbst aus, wie ein kleiner Kussmund.
das Komma muß auch weg.
darüber fährt.
immer diese Auseinanderschreiberei.
und sehe, dass sie das selbe betrachtet.
dasselbe
Marie ordnet die CD-Sammlung im Handschuhfach, als Susanne und Holger aus dem Haus zu uns herüberkommen.
Leinen-Beutel.
Leinenbeutel ist doch völlig legitim.

Jetzt wollte ich noch einen Satz hinschreiben, der zusammenfassend und seriös das ausdrückt, was ich generell und immer wieder und auch diesmal bei Deinen Geschichten empfinde, aber das ist mir wieder mißlungen, darum mußt Du es Dir dazudenken, das schaffst Du spielend, und ich sag nur noch Gute Nacht.

Makita.

P.S. Ich habe schon Helden nach dem Genuss von mit Wodka gefüllten Wassermelonen sich unwürdig benehmen sehen.

 
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Liebste Makita,

das war ein emotionaler Hoellenritt durch deinen Kommentar. Ich habe gelacht, vor Freude geweint und mich tief tief geschaemt.

Doch eins nach dem andern.
Susanne hat ja offenbar auch bei dir Aengste ausgeloest, mit ihrem Horror-Lippenstift. Allerdings muss ich sagen, dass sie mir gar nicht sooo garstig war. Lippenstift ist zwar grundsaetzlich so ne Sache, aber ich finde, dass es so eine Art dunkelhaariger, erwachsener Frauen gibt, die damit nicht bloed aussehen, weil er wie angewachsen ist.
Aber Horror und Kastrationsangst sind auch legitime Reaktionen. Schoen, das auch die Brutpfuetzen angekommen sind.
Ich habe die selbstgefaellige Prallheit jetzt etwas abgemildert.

In der Spezialeinsamkeit des Erzählers mit den eigenartigen Wegen und Bildern finde ich dauernd Sachen wieder, die ich mich gar nicht anzusprechen traue. Muß ich ja aber auch nicht. Ich kann jederzeit was zu trinken holen gehen oder mich freiwillig zum Spülen melden, dann wird es schon vorbeigehen.
fieeees! Genau wie am Schluss

Ich habe jetzt tatsaechlich alles zusammengeschrieben und werde es auch fuer den Duden nicht mehr auseinanderschreiben. Mein persoenliches Schockerlebnis war "Leinen-Beutel". Unfassbar, was da ueber mich gekommen ist.

ein sehr schartiges Pferd. Du Held. Wahnsinn! Ich mochte das, aber: Hast Du echt schartig gemeint?
Schartiger Balken hence schartiges Pferd!

: „Vorsicht: Kopf!“
da würde ich, weil vorher schon ein Doppelpunkt steht, den zwoten in ein Komma verwandeln.
ER spricht es halt mit Doppelpunkt, deshalb habe ich lieber den davor weggemacht.

von tausend verschiedenen Winkeln der wunderlichen Stadt auf dem Schlossdach.
Das hätte ich gern begriffen, anstatt nur kraus dazuzuassoziieren.
Bittesehr, nur aus einem Winkel,

Zuletzt zum umstrittenen Nebensatz: Ich versteh's und es waere viel besser, wenn ich nur spaeter vom Herausfallen schreibe und dann erinnert sich der Leser an das Reissen des Beutels, aber wenn man zu sehr schluesselt...
Ich stell das einfach noch eine Weile zur Debatte.

Vielen Dank und viele Gruesse zurueck an alle,
feirefiz

PS: Du hast hoffentlich gemerkt, dass ich Worte von der Liste zur Inspiration verwendet habe. Naemlich Narbengewebe, Sonnenflecken und makellos und Haiku, den ich dann doch in Holger umbenannt habe. Den Rest hebe ich mir noch auf.

 
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Wah, Chambord! Da war ich sogar, allerdings sehr lange her und teilweise nur halbwillig, wie das so zugeht, wenn Muttern im Zelturlaub mit Familienkastenente nicht mehr von der Loire wegkommt.
Da gibt es viele Schlösser, durch die man seine Teenagekinder scheuchen kann.

Dein Schartenalibi ist Emmentaler unter der Wahrheitslampe. Balken kann man mit Pferden vergleichen, keine Frage. Aber weder Balken noch Pferde werden schartig.
Daß ich mir darum an dieser Stelle ein sachte schäumendes hölzernes Balkenkopfgetüm, ein Galionspferd mit starrer zerhauener Eisenmähne vorstellen mußte, Holgers Treppenhausfallada, den er tätschelt, das geht voll auf Deine Kappe. Ich lebe in einem Haus voller Balken und sehe schon den ganzen Morgen schartige Pferde überall.

Die zusammengeschriebenen Wörter sind jetzt schön. Und ich hab noch was:

„Danke! Sag’ Bescheid, wenn ich dir vorher noch was erledigen helfen kann,“
kann",
Jetzt zwotes Frühstueck!

P.S. makellos habe ich gesehen, Maries Arm, aber Sonnenflecken und Narbengewebe? Ich weiß noch Sonnenstühle und Lippengewebe. Bin ich blind? Ich geh jetzt mit Seitedurchsuchen drüber!
Haiku zu Holger zu machen, das ist ja. Also. Sowas darfst Du doch keinem erzählen.

 

So, feirefiz,

hier die versprochene Kritik. Wie doch so eine Schwangerschaft auf außenstehende Männer beeindruckende Wirkung erzeugen kann, zeigst du uns in gut ausgedachten Worten und Szenen. Anfangs fand ich es etwas zu überladen mit der Beschreibung der Einrichtung, auch wenn der Faden von Vögeln zu vögeln nicht zu weit hergeholt war.

Jedoch die Szenen zwischen Holger und Susanne und die Gedanken von Holger über Susannes Zustand hast du sehr gut getroffen.

Der Lippenstift gab der ganzen KG noch den Kick, der Schleimpfropf paßt IM Text auch, aber der Titel, den hätte ich anders formuliert. Das ist zu trocken, zu weit weg (meiner Sicht) von der Intention der KG. Holger ist doch ein wandelnder, verkrusteter Gierbollen.
Mir würde z.B. sowas als Titel besser gefallen:

Der erste Umlauf verschmiert die roten Münder

Schön hast du einige Situationen herausgearbeitet

Als ich zurückkomme, ist Marie im Bad und ich gebe mir Mühe, eingeschlafen zu sein, bevor sie zurückkehrt.


Marie und ich blicken einander an, um uns gegenseitig unserer Faulheit zu versichern und schnell auszufechten, wer sie zugeben muss.

Ich sitze auf der Bank und pule zwischen meinen Beinen Späne aus dem verwitterten Holz.

Nun, da gäbe es noch mehrere.

Eine Geschichte, die ich als schon schwanger gewesene Frau sehr gerne gelesen habe.

Textdetails:

Ich habe mir schon alles vorgestellt: wie ich den Tisch durch’s Treppenhaus schleppen werde, ohne wie beim Einzug tiefe Furchen in den gelben Strukturputz zu ziehen; wie ich den Farbtopf auf die grüne Mülltonne stellen werde, weil der Deckel der grauen zerbeult ist und wie ich zum Schluss mit der Schuhspitze Dreck über die weißen Tropfen auf den Steinplatten schubsen und mir die Schweißperlen der Produktivität von der Stirn wischen werde.

Wie wärs mit:

Ich habe mir schon alles vorgestellt, wie ich: den Tisch durch’s Treppenhaus schleppen, ohne wie beim Einzug tiefe Furchen in den gelben Strukturputz zu ziehen, den Farbtopf auf die grüne Mülltonne stellen, weil der Deckel der grauen zerbeult ist und zum Schluss mit der Schuhspitze Dreck über die weißen Tropfen auf den Steinplatten schubsen und mir die Schweißperlen der Produktivität von der Stirn wischen werde.

Dann wären nicht soviele Wiederholungen drin.

Ich will außerdem mit einem Trichter Wodka in eine Wassermelone füllen.
Super Idee.

Als ich das Auto neben Holgers Skoda Oktavia parke, wird die Tür geöffnet und warmes Licht fällt auf den Rasen des Vorgartens.
Ich frage mich beim Erwähnen von Markennamen immer, was das bezwecken soll. ... neben Holgers Wagen parke, ... wäre meiner Ansicht nach flüssiger. Wäre es ein Jaguar oder Maybach, könnte ich es noch verstehen ...

Holger kommt heraus und umarmt Marie, die noch etwas taumelig auf den Beinen scheint, weil sie sich so an ihm festhält.
Das liest sich, als wäre ihr taumelig, weil sie sich festhält.
Besser für mein Verständnis wäre in der Art: ... weil sie sich so an ihm festhält, scheint es, als sei sie noch etwas taumelig auf den Beinen.

„Na, gut gefunden?“, fragt er und ich sehe nur seine Zähne und Augen blitzen.
Das nur würde ich streichen. Was soll denn sonst noch im Gesicht blitzen?

„Ich muss was trinken gehen“, sage ich und verlasse die Vögelchenhöhle um meinen Kopf im Kühlschrank zu kühlen.
Vögelchenhöhle, um
„Na endlich“, sagt sie und lächelt, „ich war schon fast verhungert.“

Bei dieser Frühstückssituation verstehe ich nicht, wieso Holger nicht alleine die Baguette holt, wenn doch Susanne schon fast verhungert? Ihre Aussage läßt mich erst einmal interpretieren, dass das Frühstück nun endlich gleich beginnen kann.


Wir frühstücken unter Pappeln, wie Marie behauptet, nachdem sie eine längere botanische Diskussion für gewonnen erklärt hat. Marie, Holger und ich essen Rohmilchkäse und Susanne Foie Gras.
Foie Gras würde ich kursiv setzen
Es ist kein gutes Gefühl, wenn man spürt, dass einem unten die Tüte aufreißt und man völlig machtlos dagegen ist, als würde ich selbst unten aufreißen und alles Lebenswichtige fiele aus mir heraus.
:D

Ich drehe die Kippe auf der Bank aus und beerdige sie im Rosenbeet.
ausdrücken kenne ich, Tabak dreht man, aber die Kippe ausdrehen?

Als ich in den Garten hinaustrete, ist der Frühstückstisch bereits abgeräumt.
Na, das ist ja gastfreundlich! Am Tage zuvor soll man noch unbedingt mit zum Baguettekaufen und am nächsten gibts kein Frühstück mehr, wenn man etwas länger schläft ...
Ich finde sie im Schatten der Bäume hinter’m Haus.
hinterm

Susanne fängt eine gelockte Haarsträhne, die eine Brise ihr ins Gesicht weht, wo sie auf der Lippe haften bleibt, und streicht sie sich hinter’s Ohr.
hinters


Ich streiche ihr eine Haarsträhne, die ihr ins Gesicht geweht ist, hinter’s Ohr und drehe mich auf die Seite, damit ich, das Ohr im Tal zwischen ihren Hüftknochen, Verdauungsgeräuschen lauschen kann.
hinters


Am Morgen werfe ich unser Gepäck in den Kofferraum und Marie ordnet die CD-Sammlung im Handschuhfach als Susanne und Holger aus dem Haus zu uns herüber kommen. Holger reicht mir einen Leinenbeutel. „Ich hab’ euch Proviant eingepackt.“
Handschuhfach, als


Liebe Grüße
bernadette

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Bernadette,

danke vielmals fuer Deinen Kommentar. Besonders Deine Expertise als schon schwanger gewesene Frau weiss ich in meiner Unerfahrenheit zu schaetzen.

Anfangs fand ich es etwas zu überladen mit der Beschreibung der Einrichtung, auch wenn der Faden von Vögeln zu vögeln nicht zu weit hergeholt war.
Ja, ja, die Voegelchenhoele ist eben auch so eine verkappte Bruthoehle. Die gibt es uebrigens wirklich im Tal der Loire. Ich habe da selbst zwei Wochen drin geschlafen. Das Gegenteil der Gottfried'schen Minnegrotte in vielerlei Hinsicht. Sie passt in gut zu der inneren Bedraengnis des Erzaehlers und ich hatte urspruenglich noch geplant, dass ihn Susanne dort mit irgendwelchen harmlosen Fragen in die Enge treibt, bis die gepolsterten Waende zu pulsieren beginnen. Aber dann waere die Geschichte noch laenger geworden und kein Schwein haette sie mehr gelesen.

Der Lippenstift gab der ganzen KG noch den Kick, der Schleimpfropf paßt IM Text auch, aber der Titel, den hätte ich anders formuliert. Das ist zu trocken, zu weit weg (meiner Sicht) von der Intention der KG.
Da hast Du vollkommen Recht. Vor allem ist der Titel viel zu laut. Ich muss zugeben, dass war ein bisschen Marketingstrategie aber auch Ratlosigkeit. Ich hatte sowas wie wenn einem ploetzlich unten die Tuete aufreisst ueberlegt aber ich werde noch mal in mich gehen und wuehlen.

Ich sitze auf der Bank und pule zwischen meinen Beinen Späne aus dem verwitterten Holz.
Schoen, dass Dir dieser Satz gefaellt, denn das gibt mir die Gelegenheit zu sagen, dass ich erst geschrieben hatte: "Ich sitzte auf der Bank und pule Spaene aus dem verwitterten Holz zwischen meinen Beinen." Das haette zwar gut zum schartigen Pferd und zur Impotenz gepasst, war aber unbeabsichtigt.

Wie wärs mit:

Ich habe mir schon alles vorgestellt, wie ich: den Tisch durch’s Treppenhaus schleppen, ohne wie beim Einzug tiefe Furchen in den gelben Strukturputz zu ziehen, den Farbtopf auf die grüne Mülltonne stellen, weil der Deckel der grauen zerbeult ist und zum Schluss mit der Schuhspitze Dreck über die weißen Tropfen auf den Steinplatten schubsen und mir die Schweißperlen der Produktivität von der Stirn wischen werde.

Dann wären nicht soviele Wiederholungen drin.


Ok, keine Wiederholungen mehr, aber versuch mal, diesen Satz laut vorzulesen. Ich beseitige die Wiederholungen lieber, indem ich alles ins Praesens setze.

Ich frage mich beim Erwähnen von Markennamen immer, was das bezwecken soll. ... neben Holgers Wagen parke, ... wäre meiner Ansicht nach flüssiger. Wäre es ein Jaguar oder Maybach, könnte ich es noch verstehen ...
Ich finde, Autos sagen immer sehr viel. Das kann man durch einfache Auswechselspiele herausfinden: Ente, Smart, Audi, Volvo, Alfa Romeo, Jaguar. Jedesmal ein ganz anderer Holger. Ein Skoda Oktavia ist fuer mich und den Studenten-Erzaehler ein einigermassen grosses Auto. Es hat einen VW-Motor, aber keinen VW-Preis. Eigentlich gar nicht unsympathisch

Zitat:
„Na, gut gefunden?“, fragt er und ich sehe nur seine Zähne und Augen blitzen.
Das nur würde ich streichen. Was soll denn sonst noch im Gesicht blitzen?
Du deckst immer Verwicklungen auf... Das nur meinte eigentlich, dass er eben nichts ausser dem Blitzen sieht. Da werde ich jetzt nochmal drueber nachdenken muessen.

Bei dieser Frühstückssituation verstehe ich nicht, wieso Holger nicht alleine die Baguette holt, wenn doch Susanne schon fast verhungert?
Holger wartet mit dem Baguette-Kaufen, weil er damit einen Maenner-Bund schliessen moechte,l um potentielle Ex-Animositaeten zu ueberbruecken. Deshalb gehen sie auch Baguettes jagen und nicht kaufen.

ausdrücken kenne ich, Tabak dreht man, aber die Kippe ausdrehen?
Ich verrate jetzt mal ein Geheimnis: Ich habe noch nie eine Zigarette geraucht. In Geschichten ist Rauchen aber super, weil es den Figuren immer was zu tun gibt. Ich habe an rauchenden Freunden beobachtet, dass sie manchmal, wenn sie zum Beispiel spaeter weiterrauchen wollen, die Zigarette nicht ausdruecken und damit knicken, sondern vorne nur die Glut ausdrehen. Der Erzaehler waere nicht faehig, die Zigarette einfach grob auszudruecken und unbestattet liegen zu lassen.

Na, das ist ja gastfreundlich! Am Tage zuvor soll man noch unbedingt mit zum Baguettekaufen und am nächsten gibts kein Frühstück mehr, wenn man etwas länger schläft ...
Das ist rein pragmatisch und liegt an den Fliegen, die sich sonst, aus den Brutpfuetzen kommend, auf den Rohmilchkaese setzten.

Alle anderen Aenderungsvorschlaege sing gekauft.

Vielen Dank und liebe Gruesse feirefiz

Hallo Makita,

wenn Muttern im Zelturlaub mit Familienkastenente nicht mehr von der Loire wegkommt. Da gibt es viele Schlösser, durch die man seine Teenagekinder scheuchen kann.
Beim Zelturlaub mit der Familienente (ohne Kasten aber mit Dachgepaecktraeger) in England und Schottland gibt es auch viele Schloesser, oder eher Burgen zu gucken. Man sieht ja, wohin es gefuehrt hat.

Zum Schartenfallada kann ich nur sagen, dass Balken sehr wohl schartig sein koennen. Ich hatte das Adjektiv vorm Einstellen fast gestrichen und bin jetzt doch sehr froh, dass ich das nicht tat und Dir damit Balkenvisionen bescherte.

Ich hoffe, Du hast nicht zu lange nach den Sonnenflecken und dem Narbengewebe gesucht, denn die sind in der Inspirationsmuehle zu Pappelblaetterschatten und Impfnarbe geworden.

lg
feirefiz

PS: "Wie eine ansteckende Kinderkrankheit" koennte auch ein Titel sein. Hmmm

 

Ho!

Ich hoffe, Du hast nicht zu lange nach den Sonnenflecken und dem Narbengewebe gesucht, denn die sind in der Inspirationsmuehle zu Pappelblaetterschatten und Impfnarbe geworden.
Hehe. Das hab ich dann auch irgendwann begriffen. Aber dabei ist mir noch das hier aufgefallen:
Doch wenn ich über’s Wochenende nur fünf Melonen füllen und nicht dazu komme sollte, den Tisch zu streichen
kommen sollte.
Und das da:
trotzt Nordseite und Glasbausteinfenster.
trotz.
Gruß!

 
Zuletzt bearbeitet:

So, habe nach reiflicher Meditaton unter Abspaltung des Astralkoerpers doch noch mit dem umstrittenen Nebensatz und dessen zweiter Erscheinung gearbeitet. Ich hoffe es gefaellt jetzt besser, da es nicht mehr so arg ist. Zusammen mit dem subtilitierten Titel sollte es nun eine bessere Geschichte ergeben. Dank nochmal an Makita und Bernadette dafuer, dass sie mich von Lautheiten abgebracht haben.

 

Hallo feirefiz!

Ich will außerdem mit einem Trichter Wodka in eine Wassermelone füllen.
Cheers! Das ist mal cool. Ich hab die Geschichte schon vor ein paar Wochen angelesen und diese Frage hat mich jetzt den ganzen Urlaub über begleitet. Wie zum Biber füllt man Wodka in eine Wassermelone? Ich lerne nämlich grad ziemlich viel über Physik :D und weiß daher, dass wo schon Masse ist, keine andere Masse hinkann. Und die Melone ist ja nicht hohl, es sei denn, sie wurde auf erstaunliche Weise ausgehöhlt. Erklärung bitte, ich möchte das ausprobieren. ;)
bis auf einiges „qui, qui“ und „bon“.
Ähem. Qui qui? Oui, oui erschiene mir in dem Zusammenhang irgendwie logischer.
Marie sagt, dass man Susanne ansieht, dass es ihr gut geht,
Das zweifache dass liest sich nicht gut. Würde ich irgendwie wegmogeln, Konjunktiv oder so.
Es ist kein gutes Gefühl, wenn man spürt, dass einem unten die Tüte aufreißt und man völlig machtlos dagegen ist.
Ja, an der Stelle hab ich mir gedacht, ist ja gut, ich habs begriffen. Das kommt ein bisschen zaunpfahlmäßig daher und mir ist das etwas zu dick. Den Satz kannst du dir auch sparen, denk ich.
und drehe mich auf die Seite, damit ich, das Ohr im Tal zwischen ihren Hüftknochen, Verdauungsgeräuschen lauschen kann.
Das ist die romantische Stelle in der Geschichte! :D
Ich lese mehrmals Schleim, Schleim und pfropfpfropfpfropf und ich fühle, dass es therapeutische Wirkung hat.
Uaahhh. Was für ein Wort. Super Stelle.

Überhaupt hat die ganze Geschichte viele tolle Stellen, bei denen ich leise und auch laut gelacht hab. Das Vögelzimmer fand ich auch witzig. Diesen subtilen Humor, der sich da immer mal untermischt, den mag ich sehr gern. Dadurch gewinnt die Geschichte ungemein, mit einer weniger feinfühligen Sprache fände ich sie wohl nicht weiter besonders, die Handlung ist ja jetzt nicht so furchtbar außergewöhnlich. (Was keine Kritik ist, ich hoffe du weißt, was ich meine.) Hab ich sehr gern gelesen, gute Beobachtungen, gelungene Geschichte.

Liebe Grüße,
strudel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Strudel,

vielen Dank fuer das Lesen und Kommentieren meiner Herzensgeschichte.
Schoen auch, dass Du subtilen Humor gefunden hast, denn wo kaemen wir hin, wenn man diese Geschichte vollkommen unironisch laese. Selbst der Protagonist erlebt sich ja selten unironisch.

Nun zum Wichtigen: Wodkamelone!
Ich begruesse es sehr, dass Du nun Physik lernst, da Du doch noch kuerzlich glaubtest, Hitze koenne sich auf Hausdaechern stauen. ;)
Ich habe das Rezept, das uebrigens von Jamie Oliver stammt, selbst ausprobiert. Es hat tatsaechlich funktioniert, rein physikalisch, nur nicht so doll geschmeckt. Loch oben rein Trichter hineinstecken und immer wieder Wodka nachfuellen, damit sich die Melone langsam vollsaugen kann. Ich stelle mir das so vor: Die Melonenzellen haben wohl einfach noch etwas Raum. Wenn man Obststueckchen in Alkohol wirft, nehmen die ihn ja auch auf, ohne sich total aufzuplustern. Ich weiss es nicht wirklich ... eines der ungeklaerten Mysterien der Physik, wie das Graviton, nur wichtiger.

Ähem. Qui qui? Oui, oui erschiene mir in dem Zusammenhang irgendwie logischer.
:schiel: Das hab ich nicht geschrieben! Und wenn doch, dann nur, um die Unwissenheit des Erzeahlers zu betonen. Und wenn nicht, dann bestehen zwischen Autor und Erzaehler in punkto Franzoesisch wohl doch einige Gemeinsamkeiten, aber nicht mehr lange, denn ab Oktober werd ich einen Kurs belegen. Auf jeden Fall waere es super wenn Du diesen Hinweis aus Deinem Kommentar loeschen wuerdest, worauf sich dann diese Antwort selbst vernichtete, und mein ... aeh, der Ruf des Erzaehlers wieder hergestellt werden koennte. :deal:

Alles andere wird geaendert. Der Zaunpfahl fliegt raus, obwohl das mit der Tuete wirklich oberfies ist.

Herzensdank und lieben Gruss

feirefiz (geht jetzt erstmal franzoesischen Rap lesen)

PS: Jetzt haette ich fast "der Zaunpfahl pfliegt" geschrieben. Märke auch jetzt ärst, dass ich Umlaute auf dieser Tastatur habe.

 

Hallo feirefiz!

In deiner Geschichte liegt - glaube ich - ein bewusster oder unbewusster Kinderwunsch in der Luft. In Marie wirkt der Trieb, schwanger zu werden, was der Ich-Erzähler aber fürchtet. Die brütende Hitze fördert Liebesverlangen, wogegen der Ich-Erzähler versucht, sich am Eisschrank abzukühlen.

Dann die Stelle am Fluss:

Marie sitzt, die Hände hinter sich in den Kies gestützt und sucht im glitzernden Wasser nach Fischschatten

Dieser Szene könnte die archetypische, also allen Menschen angeborene Vorstellung zugrundeliegen, dass die noch ungeborenen Kinder im Wasser leben, zum Beispiel in einem Tümpel (woraus der Storch sie holt). Maries Interesse für Schwangerschaft, die aus ihrem Kinderwunsch fließt, ist dem Ich-Erzähler unheimlich. Er fürchtet, dass Susannes Schwangerschaft Marie anstecken könnte wie eine "Kinderkrankheit" - diese ansteckende Wirkung wird symbolisiert durch Susannes Lippenstift, der am Schluss auf Marie abgefärbt hat. Der Ich-Erzähler will nicht, dass der Kinderwunsch auf sie abfärbt und will das verhindern, indem er gleichsam als magische Handlung den Lippenstift von ihr wegwischt: eine Art Reinigungsritual.

Deine Geschichte enthält symbolkräftige, poetische Metaphorik, ich habe sie deshalb gerne gelesen!

Grüße gerthans

 

Hej feirefiz,

ich freu mich, dass ich die Geschichte entdeckt habe. Obwohl sie zu den etwas längeren gehört, habe ich zwischendurch nicht überlegen müssen, ob ich das wirklich lesen will oder es zu anstrengend finde. Das liegt zum einen an den vielen lesenswerten Stellen - beim zweiten Lesen finde ich noch ein paar, die ich sonst verpasst hätte - daran, dass es Spaß macht, Deinen Beobachtungen zu folgen und an der Spannung, die zwischen den Figuren herrscht.

Beim Überfliegen der anderen Kommentare hab ich das so verstanden, dass Du den Titel geändert hast, von irgendwas zu "Wie eine ansteckende Kinderkrankheit". Ich traue mich also kaum zu sagen, dass der Titel meinen einzigen Kritikpunkt darstellt, ich nuschele das so in meinen Bart und du kannst so tun als hättest Du es nicht richtig verstanden.

Ich freu mich auf mehr von Dir.

Viele Grüße
Ane

 

Wie versprochen sag ich auch was zu dieser Geschichte.

Zunächst, weil wir das Thema heute beim Stammtisch angeschnitten haben: Das Geschlecht des Erzählers ist von Anfang an eindeutig.

Sprachlich finde ich den Text sehr ordentlich, mit einigen überaus gelungenen Stellen. Mein Favorit ist:

Es fühlt sich an, als würde die Matratze über mir zusammenschlagen.

Dieser stille Witz wirkt trotz maßloser Übertreibung lebensnah und vermittelt genau das richtige Gefühl.

Als Leser, der in den R/E-Gefilden selten wildert (und das, wo ich hier mal Mod war, hehe), weiß ich nichts von petischer Metaphorik und interpretiere gar nichts. Klar, dass hier Kinderwunsch eben nicht von den Figuren thematisiert wird, was wiederum das Hauptthema der Geschichte ist. Überhaupt reden die Figuren recht wenig miteinander, was ihnen in meiner Wahrnehmung darstellerische Schärfe nimmt. Mehr noch: Ich beobachte den Erzähler beim Spülen und frage mich, wieso. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass diese Geschichte über keinerlei Spannung verfügt. Sie lebt von der lebendigen Sprache, die Geschichte an sich hält weder Überraschung, Wendung oder Dramatik bereit. Mir persönlich wäre es langweilig geworden, wenn der recht lange Text nicht in regelmäßigen Abständen mit ansprechenden Formulierungen durchsetzt wäre.

Es würde mich sehr interessieren, wie Du einen dramatischeren, knackigeren Plot umsetzen würdest. Sprachlich hast Du's drauf, jetzt fehlt (aus meiner Sicht) nur noch ein bemerkenswerter Inhalt.

Beste Grüße
Uwe
:cool:

 

Hallo zusammen.

Und jetzt nochmal einzeln:

Hallo Gerthans,

Du hast meine Geschichte so gelesen, wie ich sie gemeint habe, mit brütender Hitze und Ansteckungsgefahr. Es freut mich sehr, zu hören, dass das mit den Symbolen klappt.

In Marie wirkt der Trieb, schwanger zu werden, was der Ich-Erzähler aber fürchtet.
Da würde ich jetzt höchstens noch hinzufügen, dass man sich bei Marie nicht so sicher sein kann, da man sie ja nur durch den Erzähler gefiltert bekommt. Mit der Angst des Helden hast Du aber natürlich vollkommen Recht, obwohl das wahrscheinlich auch nur die halbe Wahrheit ist.
Vielen Dank, für diese schöne Interpretation und besonders das mit den Fischschatten hat mir sehr gefallen.

Liebe Ane,

ich freue mich, dass der Text Dir gefallen hat und das Du Spannung zwischen den Figuren entdeckt hast, was ich gut für die Antwort für Uwe gebrauchen kann ;)
Der ursprüngliche Titel war übrigens "Lippenstift und Schleimpfropf". Wäre das besser gewesen?

Hallo Uwe,

das ging ja mal fix. Ich war noch gar nicht zu Hause.

Ich beobachte den Erzähler beim Spülen und frage mich, wieso. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass diese Geschichte über keinerlei Spannung verfügt. Sie lebt von der lebendigen Sprache, die Geschichte an sich hält weder Überraschung, Wendung oder Dramatik bereit.
Das kann ich sehr gut nachvollziehen und ich bin mir auch sehr sicher, dass viele andere das auch so sehen. Ich kann dazu nur sagen, dass ich es absichtlich gemacht habe. Ich habe die äußere Dramatik reduziert - oder eliminiert, wie man möchte - um eben die Spannung in dem Protagonisten und zwischen den Figuren (FN Ane) zu betonen. Die Sprachlosigkeit ist übrigens Symptom dieser Spannung, der Protagonist ist ja Weltmeister im Verdrängen mit Kühlschränken und Spülen. Und zum Schluss habe ich diese Spannung mit der Abreise einfach verpuffen lassen. Das sowas einige Leser unglücklich macht, verstehe ich sehr gut. Aber ich persönlich mochte nun mal den Zauberberg und fand ihn subtil lustig.
Das soll nun nicht klingen, als wirke Deine Kritik nicht in mir. Ich bin mir überaus bewusst, dass ich auf dem Handlungsbein lahme. Ich habe versucht, es mit "Phänotyp" zu trainieren, aber da ward mir der Text fremd. Ich arbeite dran.
Vielen Dank für Deine Kritik.

Freibier (Alt) für alle!
feirefiz

 

So feirefiz,

nicht ganz so schnell wie Uwe, aber Gestern wäre einfach nichts mehr dabei rumgekommen.

Erstmal: Eigentlich ist deine Geschichte für meinen Geschmack etwas zu harmlos, darüber sehe ich aber hinweg. (Klammere die Geschmacksfrage aus ;) )

Sie punktet durch deinen bildhaften, schönen und sehr gut lesbaren Stil und hat mich, obwohl es mich thematisch normalerweise nicht die Bohne interessiert, gut unterhalten.
Deine Protagonisten kommen glaubhaft rüber und eine gewisse Spannung und ein unterschwelliger Schmunzelfaktor ist durchaus zu spüren. Dann aber für meinen Geschmack wieder etwas zu subtil.

Ich habe da übrigens etwas von dir entdeckt, was ich inhaltlich um einiges spannender finde. Stichwort: "Geheimzutat". Da komm ich aber wann anders zu, hab nen engen Zeitplan heute.

Alles in Allem denke ich, dass du auf einem sehr guten Wege bist und den Spaß an der Sache merkt man dir deutlich an.


Besten Gruß
krilliam Bolderson

 

Die Geschichte ist handwerklich gut geschrieben, hat jedoch null Spannung, d.h. sie plätschert nur so dahin, und es ist wirklich gut, daß der Besuch nur ein paar Tage gedauert hat, denn länger würde ich den vier Personen bei ihren Alltäglichkeiten nicht zuschauen wollen. Obwohl die Geschichte ziemlich lang ist, über Tage geht und entsprechend viele Wörter dazu benutzt werden, uns das Personal näher zu bringen, weiß man am Ende nicht, was Sache ist.

Konkret: Ficken die beiden Besucher nur deswegen nicht, weil sie befürchten, gehört zu werden, oder eher, weil der Ich-Erzähler vielleicht kein Kind will? Und will die Besucherin überhaupt ein Kind oder wünscht sie sich nur größere Brüste?

Alles bleibt im Ungefähren, selbst die Sprache ist nicht deutlich, sonder wirkt wie gereinigt, Busen statt Brüste und miteinander schlafen statt ficken oder wenigstens vögeln sind so Beispiele, die belegen, daß selbst da die Form gewahrt werden soll, wo die Realität Eindeutiges zu bieten hat. Ich meine, wenn der Ich-Erzähler „kann ich jeden Atemzug, jedes Härchen, das sich unter einer Berührung aufrichtet, hören“ sagt, dann hört er auch alles andere, ist sich aber offenbar zu fein, das zu sagen, lieber berichtet er vom Einkaufen beim Bäcker.

In einem Wort: Das Wichtigste – wenn es so etwas in dieser Geschichte überhaupt geben sollte! – wird ausgeklammert, berichtet wird ausschließlich über Äußerlichkeiten, die man jedoch so aber auch anders interpretieren kann, so daß sich mir die Frage aufdrängt, was wollte uns der Autor damit sagen - außer natürlich zu demonstrieren, daß er schreiben kann, aber nichts zu sagen hat?

Dion

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo khhilliram,

niemals würde ich Deinen Geschmack ausklammern: Ich nehme zur Kenntnis, dass Du eben ein grober Klotz mit seltsam feinen Sinn für Stilistisches bist. ;) Eine sehr charmante Mischung. Oft schreibe ich total vordergründig und sogar platt witzig und streiche das dann alles wieder raus. Ich werde demnächst aus diesen Versatzstücken eine Geschichte basteln, die ich Dir widmen werde. Ach so, action kommt auch rein.

Danke für Deinen Kommentar und sei gnädig mit Huhnanbetern, es sind bloß Hobbyköche.

PS: Nun fand ich grad noch dies

Der Geschmack des Kritikers, lässt sich nicht einfach ausblenden.
Wusste ich's doch. Oder vielleicht ist ausblenden subtil anders als ausklammern?

Hallo Dion,

sehr viel kann ich Dir nicht antworten. Es scheint, dass Du eine Geschichte lesen willst, die ich nicht schreiben möchte. Wo ich es leise wünsche, hast Du es lieber laut.

Konkret: Ficken die beiden Besucher nur deswegen nicht, weil sie befürchten, gehört zu werden, oder eher, weil der Ich-Erzähler vielleicht kein Kind will? Und will die Besucherin überhaupt ein Kind oder wünscht sie sich nur größere Brüste?
Da denke ich zum Beispiel: Der Blitz soll mich treffen, wenn ich dem Leser sowas jemals im Text vorkauen werde. Und ja, der Text hat Thema und möglicherweise sogar Botschaft und sie kann verstanden werden, auch wenn es hauptsächlich um Angedeutetes, Verdrängtes und Ungesagtes geht. Das traue ich mich jetzt zu sagen, nachdem diverse Leser genau das gelesen haben, was ich meinte.
Nun zur gereinigten Sprache. Bernadette sprach einst:
Holger ist doch ein wandelnder, verkrusteter Gierbollen.
Und ich habe Grund zur Annahme, dass sie damit eigentlich den Erzähler meinte. Tatsächlich ist er in der entsprechenden Situation extrem verkrampft, um nicht zu sagen verklemmt. "Ficken" würde er sich im Bezug auf die Zimmernachbarn wohl nicht einmal zu denken trauen, genausowenig würde er es sich erlauben, feuchtes Schmatzen und rhythmisches Klatschen in Worte zu kleiden. Das hat nix mit Snobismus zu tun, sondern ist ein Syptom seiner Verwirrung. Wenn es mir angemessen erscheint, lasse ich meine Figuren durchaus auch "ficken" sagen.
Außerdem: Es kommen nun wirklich genug Vögel vor und dass "Busen" irgendwie vornehmer als "Brüste" sein soll, ist mir neu.
Zum Thema Nullspannung verweise ich auf meine Antwort an Uwe.

Ich danke Dir trotzdem, dass Du Dich durchgequält hast. Ursprünglich sollte die Geschichte "In siebzig Tagen um die Welt" heißen, es hätte Dich also schlimmer treffen können. ;) Und ich danke Dir auch, dass Du mir Deinen Leseeindruck geschildert hast.

lg
feirefiz

 

Der ursprüngliche Titel war übrigens "Lippenstift und Schleimpfropf". Wäre das besser gewesen?
:lol: Wahrscheinlich habe ich sie deshalb erst jetzt gelesen.

 

Das soll heissen: Ich bin dankbar fuer Deine Kritik, auch wenn sie nicht lobend war. Tut mir leid, wenn's missverstaendlich war.

lg
fiz

 

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