Was ist neu

Zwei Zimmer, Küche, Bad

Mitglied
Beitritt
12.02.2020
Beiträge
439
Zuletzt bearbeitet:
Anmerkungen zum Text

Das Zitat "Leben ist immer lebensgefährlich" stammt von Erich Kästner.

Zwei Zimmer, Küche, Bad

Ich wache auf und bin hellwach. Die Hexe hockt auf meiner Brust, presst ihre spindeldürren Finger um meinen Hals und schnürt mir die Luft ab.
„Du wirst nirgendwohin gehen“, sagt sie.
Ich nicke und sie lockert ihren Griff. „Hier sind wir sicher. In dieser Wohnung.“
Ich weiß das. Ich hatte geglaubt, dass ich heute nach dem Frühstück die Jacke überwerfen, die Tür öffnen und die Wohnung verlassen würde, dass ich aus dem Haus auf die Straße treten und am Hauptbahnhof in den Zug nach Hannover steigen würde. Um 14 Uhr sollte ich dort zum halbjährlichen Mitarbeitergespräch sein, das jetzt wieder in Präsenz stattfindet. Allein bei dem Gedanken an die Straße, den Bahnhof, den Zug wird ihr Griff um meinen Hals fester.
„Alles ist gut“, sage ich. „Ruhig atmen!“

Ich muss aufs Klo. Vom Bettende sind es drei Schritte bis zum Flur, vier Schritte über den Flur bis zum Bad, dann drei zur Toilette. Das Bad ist klein, wenn ich will, kann ich gleichzeitig pinkeln, Hände waschen und die Füße duschen. Drei Schritte zum Flur, vier zum Schlafzimmer, noch drei und ich bin wieder im Bett. Die Kastanie vor dem Fenster. Für mich ist es kein Fenster. Es ist ein Bild: dunkle, kahle Äste vor einem asphaltgrauen Himmel. Titel: Kastanie im Herbst. In meiner Wohnung gibt es keine Fenster. Sie hat die Fenster gefressen, Spaziergänge im Wald und noch einiges mehr. Ohne meinen Job wäre ich nur ein Ding auf zwei Beinen. Das isst und verdaut und aufs Klo geht. In dieser Wohnung. Ich weiß, es gibt einen Planeten da draußen, ein ganzes, verdammtes Universum. Aber nicht für mich.

Ich stehe auf. Drei Schritte bis zum Flur, zwei zum Wohnraum, fünf bis zum Schreibtisch. Ich setze mich, fahre den Rechner hoch, an der Wand hängt: Häuserzeile. Ich schreibe Clemens eine Mail. Dass ich heute nicht komme, dass ich mir einen fiesen Virus eingefangen habe. Ich fahre den Rechner wieder runter.
Fünf Schritte vom Schreibtisch zum Flur, vier zur Küche, drei zum Wasserkocher. Während das Wasser kocht, fülle ich losen Darjeeling in einen Teefilter. Vor mir im Türformat: Balkon vor Kastanie. Zwei Schritte und ich kann den ganzen Innenhof sehen, die Rückseiten der Häuser, die ihn umgeben, den Kobel in einer Astgabel ein, zwei Meter unter mir. Kälte dringt durch das Glas der Balkontür. Sie ist aus Holz, einfachverglast, mit einem schönen, alten Metallgriff, dessen Lack an einigen Stellen abgeplatzt ist. Ich lege die Hand auf den Griff. Ein Schritt nur. Die Hexe spannt sich an. Draußen hat es zu regnen begonnen, ich gieße den Tee auf und setzte mich mit der Tasse an den kleinen, quadratischen Küchentisch. Balkon vor Kastanie im Blick.

Der Tee schmeckt nach nichts. Ich schaufle zwei Teelöffel Zucker rein und rühre. Ich frage mich, ob ein ruhiges Leben nicht auch okay ist. Ein Drinnenleben. Vielleicht ist still auf einem Stuhl zu sitzen viel mehr wert als das ganze außerhäusige Herumgerenne.
Es klingelt an der Haustür. Fünf Schritte bis zum Summer. Mein Herz rast, die Hexe klammert sich an mich. Ich schaue durch den Spion. Ein Mann kommt die Treppe hoch. Er ist noch jung und ich würde gerne die Tür öffnen, ihn anlächeln, mich bedanken, sein Aftershave riechen oder seinen Schweiß. Aber durch die geschlossene Tür sage ich: „Stell das Paket einfach vor die Tür!“ Ich warte, bis ich ihn nicht mehr sehe und unten die Haustür zufällt.
Sobald ich die Wohnungstür öffne, bricht der Schweiß aus.
„Zu!“, kreischt die Hexe. „Zu! Zu! Zu!“
Schnell nehme ich das Paket, schließe die Tür, sacke zusammen, direkt hier im Flur, und weine. Ich weiß, wann es angefangen hat, aber nicht, wie es so geworden ist.

Die Hexe will, dass ich in der Wohnung bleibe, und der Lieferdienst stellt mir die Einkäufe direkt vor die Tür. Ist alles kein Problem, man kann sich wirklich alles liefern lassen. Außer Mitarbeitergespräche in Präsenz. Den Schritt vor die Tür gibt es nicht im Angebot. Er kostet mehr Mut, als ich habe. Ich schlage meinen Hinterkopf gegen die Wand. Aus mir kommt ein Laut, den ich nicht kenne. Alles in mir vibriert, das Schluchzen schüttelt mich durch, lässt mich nur stoßweise atmen. Atme oder weine ich? Meine Finger kribbeln, mir wird schwindelig, dann übel. Ich lege mich auf den Rücken. Ruhig atmen! Nicht ohnmächtig werden! In meinen Ohren nur Rauschen. In meinem Kopf nur Angst. Ein Gefängnis, zwei Zimmer, Küche, Bad.

Irgendwann wird mein Atem ruhiger und der Schwindel weniger. Ich denke an das Buch, das meine Mutter mir gegeben hat. Seit einem Jahr liegt es irgendwo herum. Leben ist immer lebensgefährlich. Fuck you very much! Ich stehe auf. Fünf Schritte bis zum Bücherregal, wo ich es sofort finde. Es ist viel dünner, als ich es in Erinnerung habe. Ich setze mich aufs Sofa, das Buch auf meinen Knien. Die Hexe hasst es, aber ich bin erschöpft vom Weinen und habe Kopfschmerzen, darum ist es mir egal. Im Treppenhaus höre ich jemanden lachen und denke an Luisa. Wir sind in die gleiche Klasse gegangen. In der Neunten hat sie mir hinter der Sporthalle das Rauchen beigebracht. Keine Ahnung, warum ich in diesem Moment an sie denke, Luisa hat ganz anders gelacht und nach dem Abi habe ich sie nie wieder gesehen. Ich lege das Buch zur Seite und gehe drei Schritte zum Schreibtisch, fahre den Rechner hoch und tippe in die Suchmaschine: Luisa Niemann.

Es gibt einige Luisa Niemanns, aber keine davon ist meine alte Schulfreundin. Ich tippe weitere Namen ein. Thorben Schilling ist Moderator beim Radiosender Bremen Eins. Unerwartet, der war früher immer so still. Von mir dachten alle, dass ich Illustration studiere, aber nach meinem Jahr als Au-pair habe ich mich für Informatik entschieden. Ich suche nach Julia Bickel, früher ein zierliches Mädchen mit Haaren auf den Zähnen, und während ich mir die Suchergebnisse anschaue, ist auf einmal dieser Gedanke da: Habe ich wirklich vier Wochen lang geglaubt, ich würde heute nach Hannover fahren? Ich bin seit zwei Jahren nicht mehr draußen gewesen. Natürlich fahre ich heute nicht nach Hannover. Und morgen auch nicht. Oder nächste Woche. Wenn es so weitergeht, fahre ich nie wieder nach Hannover. Dieser Gedanke macht mir mindestens genauso viel Angst wie das, was mein Körper draußen tut. Und nein, ich will kein Drinnenleben, kein beschissenes Stillleben. Ich will wieder Bäume sehen. Den Dreck in der Luft riechen, wenn es im Sommer zu regnen beginnt. Die Finger der Hexe krallen sich in meine Schultern.
„So geht es nicht weiter!“, sage ich. Zu ihr. Zu mir. Weil es stimmt.

Ich öffne den Mail-Client, klicke auf den Button „Neue E-Mail“ und schreibe: Lieber Clemens, ich möchte meine Mail von heute früh korrigieren. Ich habe nicht wegen eines Virus abgesagt, sondern wegen meiner Agoraphobie. Im Moment kann ich meine Wohnung nicht verlassen.
Ich wollte, dass du Bescheid weißt. Herzliche Grüße, Sarina.

 

Hallo @Katta,

Ich wache auf und bin hellwach. Die Hexe hockt auf meiner Brust, presst ihre spindeldürren Finger um meinen Hals und schnürt mir die Luft ab.
„Du wirst nirgendwohin gehen“, sagt sie.
Ich nicke und sie lockert ihren Griff. „Hier sind wir sicher. In dieser Wohnung.“
Ich lese vier Zeilen und bin hellwach.
War da nicht der Alltags-Tag dran? Hexe? Raus und nochmal rein. Ja, war Alltag. Ok, also keine echte Hexe. Aber ein erster Hinweis: es wird kein seichter Text.

Für mich ist es kein Fenster. Es ist ein Bild: dunkle, kahle Äste vor einem asphaltgrauen Himmel. Titel: Kastanie im Herbst. In meiner Wohnung gibt es keine Fenster.
Sehr bedrückend dargestellt. Das genaue Kennen der Schrittanzahl oder diese Realitätsverweigerung mit dem Fenster. Gut in die Geschichte reingezogen.

Vor mir im Türformat: Balkon vor Kastanie. Zwei Schritte und ich kann den ganzen Innenhof sehen, die Rückseiten der Häuser, die ihn umgeben, den Kobel in einer Astgabel ein, zwei Meter unter mir. Kälte dringt durch das Glas der Balkontür. Sie ist aus Holz, einfachverglast, mit einem schönen, alten Metallgriff, dessen Lack an einigen Stellen abgeplatzt ist. Ich lege die Hand auf den Griff. Ein Schritt nur. Die Hexe spannt sich an. Draußen hat es zu regnen begonnen, ich gieße den Tee auf und setzte mich mit der Tasse an den kleinen, quadratischen Küchentisch. Balkon vor Kastanie im Blick.
Ah, die Sehnsucht nach ... Veränderung? Normalität? Einem ersten Schritt in eine Beinahe-Normalität? Beeindruckende Bildsprache.

Es war im Frühjahr, vor zweieinhalb Jahren. Im Supermarkt trugen die Menschen Masken über den Gesichtern. Mir war übel und auf dem Weg nach Hause übergab ich mich in einen Vorgarten. Ein paar Tage habe ich in einem Dämmerzustand im Bett verbracht. Seitdem bin ich in keinem Supermarkt mehr gewesen. Die Hexe wollte, dass ich in der Wohnung bleibe und ich bin geblieben.
Masken? Erst dachte ich an einen Überfall als Auslöser, aber da war mal irgendwas wegen einer Pandemie glaube ich. Verdrängen ist toll! Wenn man es kann...
Aber ohne jetzt die normalen Verläufe oder Auslöser einer Agoraphobie genau zu kennen, kommt es mir sehr schlagartig vor. Kein Unwohlsein vorher? Erste Anzeichen? Einmal Panikattacke und eingeigelt? Ausgerechnet während Covid, als man zwar viel mit Ängsten kämpfte, aber zumindest ein wenig auf Abstand geachtet wurde. (Manchmal).

Ist alles kein Problem, man kann sich wirklich alles liefern lassen. Außer Mitarbeitergespräche in Präsenz. Den Schritt vor die Tür gibt es nicht im Angebot. Er kostet mehr Mut, als ich habe. Ich schlage meinen Hinterkopf gegen die Wand. Mehr Mut, als ich habe. Aus mir kommt ein Laut, den ich nicht kenne. Alles in mir vibriert, das Schluchzen schüttelt mich durch, lässt mich nur stoßweise atmen. Atme ich oder weine ich? Meine Finger kribbeln, mir wird schwindelig, dann übel. Ich lege mich auf den Rücken. Ruhig atmen! In meinen Ohren nur Rauschen. In meinem Kopf nur Angst. Ein Gefängnis, zwei Zimmer, Küche, Bad. Ich will das alles nicht mehr.
Hut ab!

Von mir dachten alle, ich würde Illustrationen zu studieren, aber heute verdiene ich mein Geld als Backend-Entwicklerin und bin zufrieden.
Ich würde Illustrationen zu studieren? Da passt was nicht.
bin zufrieden? Halte ich für ein Gerücht! Oder ist finanzielle Zufriedenheit gemeint?

„So geht es nicht weiter!“, sage ich. Zu der Hexe. Zu mir. Und zum ersten Mal seit langem fühle ich mich ihr nicht komplett ausgeliefert.
Der Wunsch ist das eine. Das Denken das Nächste, aber das bewusste laut Aussprechen, ist eine Absichtserklärung. Die es umzusetzen gilt.
Klasse!

Ich muss mich ehrlich entschuldigen, weil ich in dem Text wenige Kritikpunkte finde. Die Bildsprache finde ich beeindruckend. Man fühlt mit.
Schließlich hat jeder so seine Ängste, aber zumeist nicht in dieser Größenordnung.
Erst dachte ich: was soll dieses Aufzählen an Klassenkameraden? Bis mir auffiel, klar: Das ist ein erstes Akzeptieren, es gibt ein draussen. Und es hatte was. Und Sarina will das.
Dieses Personifizieren der Phobie finde ich sehr stark. Und auch wenn es mir zum Schluss hin etwas schnell ging, so war doch klar zu erkennen: Der Wunsch Auszubrechen war lange da, aber das Erkennen und dann auch Eingestehen, man braucht dazu Hilfe, finde ich schön beschrieben.

Begeistert gelesen,
Tsunami

 

Hallo Katta,

Als mein Atem ruhiger wird, denke ich an das Buch meiner Mutter: Agoraphobie - Zurück ins Leben. Seit einem Jahr liegt es irgendwo herum. Ich habe es abgebrochen, nach dem Zitat von Erich Kästner im Vorwort: Leben ist immer lebensgefährlich. Fuck you very much! Ich stehe auf. Fünf Schritte bis zum Bücherregal, wo ich es sofort finde. Es ist viel dünner, als ich es in Erinnerung habe. Ich setze mich aufs Sofa, das Buch auf meinen Knien. Die Hexe hasst es, aber ich bin erschöpft vom Weinen und habe Kopfschmerzen, darum ist es mir egal.

Das ist der schwächste Moment in einem sonst sehr starken Text. "Ich denke an das Buch meiner Mutter: Agoraphobie - Zurück ins Leben" - das ist Exposition für Dummies.

Bis zu diesem Punkt arbeitet der Text brilliant mit der Unbestimmtheit. Wir wissen was los ist, aber es bleibt in der Hexe-Metapher gefangen. Die klinische Benennung zerstört die literarische Ambiguität. Es ist, als würde mitten in Kafkas "Die Verwandlung" jemand sagen: "Gregor Samsa leidet an akuter Metamorphose".

Wenn Sarina am Ende zum ersten Mal das Wort "Agoraphobie" ausspricht - gegenüber ihrem Chef, gegenüber sich selbst - wäre das ein kraftvoller Moment des Benennens. Das erste Mal, dass sie der Hexe ihren richtigen Namen gibt. So ist es nur noch bloße Wiederholung.


Ansonsten aber sehr gerne gelesen!

Gruß,
Corwin

 

Hallo @Katta

ich mag die Art, wie du schreibst. Das liest sich sehr angenehm und hat für mich auch ein paar sehr schöne Stellen drin! Insgesamt hat mir deine Geschichte auch gut gefallen. Ich glaube aber, dass da auch noch ein paar Dinge sind, die angepasst werden könnten. Ich finde zB, dass du ruhig noch ein wenig mehr (das machst du ja schon mit den Bildern) auf die Schwere des Raumes eingehen könntest. Ich finde es zB faszinierend, wie sich (je nach Gemütslage) derselbe Raum und die Stimmung komplett verändern können, je nachdem, wie man selbst gerade so vor Ort ist und in welchem Zustand. Selbst das Licht wirkt dann manchmal wie ausgetauscht. Das hat mir noch ein bisschen gefehlt.
Aber ist schon alles Meckern auf recht hohem Niveau. Finde deinen Text gut und habe ihn sehr gerne gelesen. ich glaube nur, dass er mit ein paar kleinen Veränderungen wirklich sehr gut werden könnte!

Ein paar Anmerkungen:

Vom Bettende sind es drei Schritte bis zum Flur, vier Schritte über den Flur bis zum Bad, dann drei zur Toilette. Das Bad ist klein, wenn ich will, kann ich gleichzeitig pinkeln, Hände waschen und die Füße duschen. Drei Schritte zum Flur, vier zum Schlafzimmer, noch drei und ich bin wieder im Bett. Die Kastanie vor dem Fenster. Für mich ist es kein Fenster. Es ist ein Bild: dunkle, kahle Äste vor einem asphaltgrauen Himmel.
Eine tolle Stelle. Hat mir gut gefallen, wie du den Raum quasi nachzeichnest.

wie auch fast alles andere in meinem Leben: meine Freunde, den Sportkurs, lange Spaziergänge im Wald und meine Selbstachtung.
Das ist mir hier zu sehr aufs Auge gedrückt, zu ausformuliert und erklärt, geichzeitig mit einem Satz abgehakt. Da fehlt mir noch mehr zu! Wie sind die Freunde weggebrochen? Wie wirkt sich das aus? Ging es schleichend? War es mit Vorwürfen verbunden? Usw. Da kann ja noch eine ganze Menge mit rein!

Ich frage mich, ob Stillstand eine eigene Art von Bewegung ist, eine in der man weitergetragen wird
Fragt sie sich das auf diese Art und Weise wirklich? Solche tiefschürfenden Gedanken? Hat mich ein wenig herausgerissen.

Ich bin seit zwei Jahren nicht mehr draußen gewesen.
Das habe ich mich auch die ganze Zeit gefragt: Wie lange dauert denn schon dieser Zustand?Was mir dann, nachdem es ausformuliert wurde, gefehlt hat, war die Antwort auf die Frage, was denn ihr Umfeld damit gemacht hat. Ich meine, wenn eine Freundin von mir plötzlich nicht mehr rausgehen würde, würde ich doch versuchen, da irgendwie Kontakt aufzunehmen, mich zu kümmern, Hilfe anzubieten usw. Ist das passiert? Wenn nicht, warum nicht? Was hat die Hexe in diesem Moment unternommen? Das muss alles ja nicht haarklein ausbuchstabiert werden, aber so ein bisschen mehr dazu fände ich gut!

Ich öffne den Mail-Client, klicke auf den Button „Neue E-Mail“ und schreibe: Lieber Clemens, ich möchte meine Mail von heute früh korrigieren und mich dafür entschuldigen. Ich habe nicht wegen eines Virus abgesagt, sondern wegen meiner Agoraphobie. Im Moment kann ich meine Wohnung nicht verlassen. Mir ist heute klar geworden, dass ich es allein nicht schaffe und ich werde mir Hilfe suchen.
Mir ist wichtig, dass du Bescheid weißt. Herzliche Grüße, Sarina.
Mir ist nicht ganz klar, warum sie ausgerechnet ihrem Chef diese ehrliche Mail schreibt. Das ist ja auch so ein wenig das Offenlegen einer sehr intimen Schwäche. Ist er da tatsächlich Ansprechperson Nummer 1? Was ist denn zB mit der Mutter, die ja offensichtlich Bescheid weiß, sonst hätte sie ja das Buch nicht geschenkt. Oder eben Freundinnen und Freunden? Oder hat sie einen besonderen Bezug zu Clemens? Dann findet das im Text aber noch nicht statt.

Beste Grüße
Habentus

 

Hallo @Tsunami,
vielen Dank dir fürs Lesen und deinen Kommentar.

Ich muss mich ehrlich entschuldigen, weil ich in dem Text wenige Kritikpunkte finde.
och, finde ich jetzt nicht sooo schlimm :lol:, da kommen sicher noch andere Kommentatoren, die bringen dann mehr Kritik mit, aber für jetzt nehm ich das jetzt einfach als Kompliment an und freu mich drüber ... Es gibt ja auch ein paar Punkte, die du angesprochen hast und an zwei Sätzen hab ich auch noch mal geschraubt ...

Ich lese vier Zeilen und bin hellwach.
War da nicht der Alltags-Tag dran? Hexe? Raus und nochmal rein. Ja, war Alltag. Ok, also keine echte Hexe.
Ja, der Anfang ist sicher etwas riskant mit der Hexe ...

Masken? Erst dachte ich an einen Überfall als Auslöser, aber da war mal irgendwas wegen einer Pandemie glaube ich. Verdrängen ist toll! Wenn man es kann...
Aber ohne jetzt die normalen Verläufe oder Auslöser einer Agoraphobie genau zu kennen, kommt es mir sehr schlagartig vor. Kein Unwohlsein vorher? Erste Anzeichen? Einmal Panikattacke und eingeigelt? Ausgerechnet während Covid, als man zwar viel mit Ängsten kämpfte, aber zumindest ein wenig auf Abstand geachtet wurde. (Manchmal).
Ja, der Satz mit den Masken ist noch nicht rund, hatte auch OP-Masken oder FFP2-Masken oder so gedacht. Mal gucken, vielleicht fällt mir da noch was ein, um die Assoziation Maskenball oder Überfall zu umgehen. Zur Entwicklung der Agoraphobie habe ich auch noch einen Satz eingefügt, das ist quasi die größte Schwachstelle für mich im Text und gleichzeitig will ich nicht von diesem Moment oder Tag ablenken, um den es mir eigentlich geht, d.h. ich will da eigentlich nicht szenisch reingehen in die Vergangenheit und zeigen, wie sich was entwickelt hat. Vielleicht fällt mir noch etwas ein, aber im Moment hab ich noch keine richtige Idee, wie ich diese Leerstelle gleichzeitig füllen und offen lassen kann.

Ich würde Illustrationen zu studieren? Da passt was nicht.
bin zufrieden? Halte ich für ein Gerücht! Oder ist finanzielle Zufriedenheit gemeint?
Korrigiert und auch noch mal umformuliert, das ging nicht so richtig in die Richtung, in die ich wollte.

Hallo @Corwin und ganz herzlich willkommen im Forum. Wirklich toll, dass du gleich so ins Kommentieren einsteigst und vielen Dank auch fürs Lesen und deinen Kommentar.

Das ist der schwächste Moment in einem sonst sehr starken Text. "Ich denke an das Buch meiner Mutter: Agoraphobie - Zurück ins Leben" - das ist Exposition für Dummies. Bis zu diesem Punkt arbeitet der Text brilliant mit der Unbestimmtheit. Wir wissen was los ist, aber es bleibt in der Hexe-Metapher gefangen. Die klinische Benennung zerstört die literarische Ambiguität. Es ist, als würde mitten in Kafkas "Die Verwandlung" jemand sagen: "Gregor Samsa leidet an akuter Metamorphose". Wenn Sarina am Ende zum ersten Mal das Wort "Agoraphobie" ausspricht - gegenüber ihrem Chef, gegenüber sich selbst - wäre das ein kraftvoller Moment des Benennens. Das erste Mal, dass sie der Hexe ihren richtigen Namen gibt. So ist es nur noch bloße Wiederholung.
Interessante Sichtweise, kann ich nachvollziehen, wobei es aber nicht als Exposition gedacht war, sondern als logische oder organische Fortführung eines Prozesses. Ich finde deine Idee, das am Ende erstmals zu benennen gut, mir fällt im Moment allerdings nur ein, beim Benennen des Buchtitels auf das Wort Agoraphobie zu vermeiden oder wahrscheinlich noch besser, auf den Buchtitel insgesamt. Andererseits bin ich nicht sicher, ob es sich dann nicht sehr wie auf einen Effekt hingeschrieben anfühlt. Und dieser Moment, ich nehme das Buch wieder heraus, ist ja auch ein wichtiger, auf den kann ich nicht einfach verzichten ohne dass die ganze Story an rotem Faden verliert. Jedenfalls danke für deine Anmerkung, ich werde auf jeden Fall drüber nachdenken und natürlich freut mich, dass du es ansonsten gerne gelesen hast.

Hallo @Habentus,
auch dir lieben Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Ich finde zB, dass du ruhig noch ein wenig mehr (das machst du ja schon mit den Bildern) auf die Schwere des Raumes eingehen könntest. Ich finde es zB faszinierend, wie sich (je nach Gemütslage) derselbe Raum und die Stimmung komplett verändern können, je nachdem, wie man selbst gerade so vor Ort ist und in welchem Zustand. Selbst das Licht wirkt dann manchmal wie ausgetauscht. Das hat mir noch ein bisschen gefehlt.
Das muss ich noch mal etwas sacken lassen und überlegen, was sich für diesen Moment daraus noch ergeben könnte. Denn das Licht ändert sich da zb nicht, es ist halt bedeckt, aber ich denke, ich weiß was du so grundsätzlich meinst.

Finde deinen Text gut und habe ihn sehr gerne gelesen. ich glaube nur, dass er mit ein paar kleinen Veränderungen wirklich sehr gut werden könnte!
1. freut mich und 2. da bin ich nicht sicher, weil wie du ja dann weiter unten schreibst, fehlt dir noch was im Text und ich weiß nicht, ob ich das, was dir fehlt in dem Text wirklich drin haben will. Für mich soll das eine Momentaufnahme sein und die größte herausforderung für mich ist oder war quasi die Vergangenheit mit einzubinden und gleichzeitig offen zu lassen. Kann aber sein, dass das am Ende nicht aufgeht bzw dass genau das eben Leser:innen fehlt.

wie auch fast alles andere in meinem Leben: meine Freunde, den Sportkurs, lange Spaziergänge im Wald und meine Selbstachtung.
Das ist mir hier zu sehr aufs Auge gedrückt, zu ausformuliert und erklärt, geichzeitig mit einem Satz abgehakt. Da fehlt mir noch mehr zu! Wie sind die Freunde weggebrochen? Wie wirkt sich das aus? Ging es schleichend? War es mit Vorwürfen verbunden? Usw. Da kann ja noch eine ganze Menge mit rein!
Okay, ist notiert. Ich warte mal ab, was andere noch so sagen oder wie sich meine eigene Lesart dazu entwickelt. Ja, Behauptung und du willst sehen, wie genau es war, willst dir dein eigenes Bild dazu machen ... keine Ahnung, ob ich das lösen kann, ich überlege jedoch ...

Ich frage mich, ob Stillstand eine eigene Art von Bewegung ist, eine in der man weitergetragen wird
Fragt sie sich das auf diese Art und Weise wirklich? Solche tiefschürfenden Gedanken? Hat mich ein wenig herausgerissen.
Die tiefschürfenden Gedanken find ich nicht falsch, also für mich passt das zur Figur und zur Situation, aber vielleicht werd ich hier noch mal genauer schreiben, was sie denkt, es nicht so sehr auf diesen einen Gedanken fixieren, sondern den etwas ausführen. Ich wollte aber auch nicht zu "essayistisch" werden, darum hab ich es bei einem Satz belassen, bin aber mit der Stelle auch noch nicht so richtig zufrieden.

Das habe ich mich auch die ganze Zeit gefragt: Wie lange dauert denn schon dieser Zustand?Was mir dann, nachdem es ausformuliert wurde, gefehlt hat, war die Antwort auf die Frage, was denn ihr Umfeld damit gemacht hat. Ich meine, wenn eine Freundin von mir plötzlich nicht mehr rausgehen würde, würde ich doch versuchen, da irgendwie Kontakt aufzunehmen, mich zu kümmern, Hilfe anzubieten usw. Ist das passiert? Wenn nicht, warum nicht? Was hat die Hexe in diesem Moment unternommen? Das muss alles ja nicht haarklein ausbuchstabiert werden, aber so ein bisschen mehr dazu fände ich gut!
Ja, könnte ich alles beschreiben, will ich aber nicht. Ich verstehe, dass da was fehlt, dass da eine Leerstelle bleibt und ich überlege auch noch, aber ich glaube fast, dass ich die nicht werde füllen können, wenn der Text diese Momentaufnahme bleiben soll. Das alles zu beschreiben, würde ja einen ganzen Rattenschwanz nach sich ziehen, aber vielleicht fällt mir noch etwas ein, ein, zwei Sätze, die Klärung bringen ... ich überlege.

Mir ist nicht ganz klar, warum sie ausgerechnet ihrem Chef diese ehrliche Mail schreibt. Das ist ja auch so ein wenig das Offenlegen einer sehr intimen Schwäche. Ist er da tatsächlich Ansprechperson Nummer 1? Was ist denn zB mit der Mutter, die ja offensichtlich Bescheid weiß, sonst hätte sie ja das Buch nicht geschenkt. Oder eben Freundinnen und Freunden? Oder hat sie einen besonderen Bezug zu Clemens? Dann findet das im Text aber noch nicht statt.
Okay, nehm ich jetzt auch mal so zur Kenntnis und schaue mal, wie vielen anderen das noch so geht. Für mich passt das (klar, hätte es ja sonst nicht geschrieben). Sie hat keinen besonderen Bezug zu Clemens (darum findet das natürlich auch im Text nicht statt), aber er ist halt ihr dirketer Vorgesetzter und ich stelle mir vor, dass sie eine vertrauensvolle Beziehung haben ...


Vielen Dank euch allen für eure Kommentare und bis bald zum Gegenbesuch bei euren Challengetexten.
Viele Grüße
von Katta

 

Hallo Katta,

Interessante Sichtweise, kann ich nachvollziehen, wobei es aber nicht als Exposition gedacht war, sondern als logische oder organische Fortführung eines Prozesses. Ich finde deine Idee, das am Ende erstmals zu benennen gut, mir fällt im Moment allerdings nur ein, beim Benennen des Buchtitels auf das Wort Agoraphobie zu vermeiden oder wahrscheinlich noch besser, auf den Buchtitel insgesamt. Andererseits bin ich nicht sicher, ob es sich dann nicht sehr wie auf einen Effekt hingeschrieben anfühlt. Und dieser Moment, ich nehme das Buch wieder heraus, ist ja auch ein wichtiger, auf den kann ich nicht einfach verzichten ohne dass die ganze Story an rotem Faden verliert. Jedenfalls danke für deine Anmerkung, ich werde auf jeden Fall drüber nachdenken und natürlich freut mich, dass du es ansonsten gerne gelesen hast.

Ich würde die Buchszene auch keineswegs streichen – im Gegenteil, ich mag sie.
Dass es ein Geschenk der Mutter ist und dass die Hexe es hasst, funktioniert wirklich gut. Ich meinte in meinem Kommentar eher etwas anderes:

Warum muss es überhaupt ein „Lebensratgeber“ sein?

Da Sarinas Mutter ohnehin weiß, was los ist, hätte das Buch ja auch etwas ganz anderes sein können – etwas, das sie subtil oder literarisch stärkt, statt ihr Diagnosewissen zu vermitteln.
Zum Beispiel ein Roman, mit einer Figur, in der Sarina sich erkennt. Etwas, das sie emotional abholt statt „HASHTAG Krieg dein Leben in Ordnung“-Vibes zu erzeugen (überspitzt gesagt). Es würde dann auch mehr über die Beziehung zur Mutter aussagen.

Aber das ist nur eine Idee - letztlich ist es dein Text und der funktioniert auch so schon sehr stark!

Gruß,
Corwin

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Katta,

dein Text lässt sich gut runterlesen und vermittelt ein klares Bild der Protagonistin und der Situation. Leider ist das für mich auch das Problem: der Text enthüllt wirklich alles und nimmt dem an sich spannenden Thema alles an Spannung. Ich finde, du gehst viel zu beflissen mit dem Stoff um, sodass er zumindest mich emotional überhaupt nicht erreicht.

Die Hexe

Eigentlich ist es egal, ob die Hexe eine Allegorie oder eine psychotische Vorstellung ist – es ist in beiden Fällen einfach sonnenklar, wofür sie steht. Dadurch entwickelt dieses Stilmittel in meinen Augen keine Kraft.

Weil ich es zufällig unter dem Text von @Sturek gelesen habe, greife ich diese Beobachtung hier gerne auf: Surreale Elemente müssen reale Reaktionen auslösen, damit man sie nicht schnell als surreale Zierde abqualifiziert. In Ansätzen erscheint deine Hexe als so ein reales Subjekt, zum Beispiel hier am Anfang:

Ich wache auf und bin hellwach. Die Hexe hockt auf meiner Brust, presst ihre spindeldürren Finger um meinen Hals und schnürt mir die Luft ab.
„Du wirst nirgendwohin gehen“, sagt sie.
Ich nicke und sie lockert ihren Griff. „Hier sind wir sicher. In dieser Wohnung.“
Ich weiß das. Ich hatte geglaubt, dass ich heute nach dem Frühstück die Jacke überwerfen, die Tür öffnen und die Wohnung verlassen würde, dass ich aus dem Haus auf die Straße treten und am Hauptbahnhof in den Zug nach Hannover steigen würde. Allein bei dem Gedanken an die Straße, den Bahnhof, den Zug wird ihr Griff um meinen Hals wieder fester.
„Alles ist gut“, sage ich. „Ruhig atmen!“

Aber dann kassierst du das selbst direkt ein:

Die halbjährlichen Mitarbeitergespräche finden - auch für diejenigen im Home Office - ab sofort wieder in Präsenz statt, hatte vor vier Wochen in der E-Mail gestanden. Habe ich ernsthaft geglaubt, ich würde daran teilnehmen? In Präsenz? Wahrscheinlich habe ich es gehofft. Aber sie wird mich nicht nach Hannover fahren lassen.

Hier habe zumindest ich direkt gedacht: Ok, es geht nicht um eine Person im Griff einer Hexe, sondern um ein "Alltagsproblem" – die Hexe wird das symbolisieren.

Später machst du es noch schlimmer, indem die Story vollends auf einem therapeutischen Teppich landet:

Als mein Atem ruhiger wird, denke ich an das Buch meiner Mutter: Agoraphobie - Zurück ins Leben. Seit einem Jahr liegt es irgendwo herum. Ich habe es abgebrochen, nach dem Zitat von Erich Kästner im Vorwort: Leben ist immer lebensgefährlich. Fuck you very much! Ich stehe auf. Fünf Schritte bis zum Bücherregal, wo ich es sofort finde. Es ist viel dünner, als ich es in Erinnerung habe. Ich setze mich aufs Sofa, das Buch auf meinen Knien. Die Hexe hasst es, aber ich bin erschöpft vom Weinen und habe Kopfschmerzen, darum ist es mir egal.

Ich öffne den Mail-Client, klicke auf den Button „Neue E-Mail“ und schreibe: Lieber Clemens, ich möchte meine Mail von heute früh korrigieren und mich dafür entschuldigen. Ich habe nicht wegen eines Virus abgesagt, sondern wegen meiner Agoraphobie. Im Moment kann ich meine Wohnung nicht verlassen. Mir ist heute klar geworden, dass ich es allein nicht schaffe und ich werde mir Hilfe suchen.
Mir ist wichtig, dass du Bescheid weißt. Herzliche Grüße, Sarina.

Es ist zu durchsichtig, was der Text hier aussagen will: Mit der Krankheitseinsicht, der Objektivierung eines bislang rein subjektiven Gefühls wird die Hexe, die dieses subjektive Gefühl symbolisiert, geschwächt oder sogar schon vertrieben.

Es klingt hart, aber das ist aus literarischer Sicht irgendwie nur "eine nette Idee", aber das hat keine Drastik. Ich meine, da war man ja wirklich vor über hundert Jahren schon weiter: Bei E. T. A. Hoffmann, Hanns Heinz Ewers oder Georg Büchner sind die Ängste absolut und werden eben nicht in klinische Begriffe gekleidet – dadurch wirkt das so stark.

Die Moral von der Geschicht und der fehlende Spannungsbogen

Deine Geschichte endet mit einer klaren Moral, mit dieser Krankheitseinsicht, die uns eine Lehre sein soll – so wirkt das auf mich. "Sieh her, Leser, dort liegt die Heilung!"

Ich weiß nicht, mir ist das zu direkt und moralinsauer-therapeutisch, vor allem, weil der Umschwung überhaupt nicht durch Handlung motiviert ist. Das ist die strukturelle Enttäuschung:

Die Protagonistin hat ein Problem (ihre Phobie), bekommt noch ein größeres Problem (die Präsenzpflicht), sie löst dieses Problem, hat einen Heureka-Moment und löst das zweite Problem noch einmal und das erste gleich mit.

Erzähltechnisch funktioniert das nicht, finde ich, hier wird letztlich nur von einem Tropfen erzählt, der das Fass zum Überlaufen bringt, vom Moment, in dem der Leidensdruck zu groß wird.

Es wäre viel spannender, wenn sich dieser Moment aus einer Steigerung des Drucks im Text und aus Wendepunkten ableiten würde. Zum Beispiel:

Sie antwortet, dass sie Kopfschmerzen hat und an diesem einen Tag nicht kann, der Chef verlegt das Gespräch auf morgen und sie kann nicht noch einmal dieselbe Ausrede bringen. Sie weiß, sie muss dahin und versucht es, aber scheitert. Sie schreibt eine andere Ausrede und wieder Erwarten kauft der Chef auch sie. Aber nur, weil er im nächsten Satz offenlegt, dass es in sofern keine Rolle spielt, als er entschieden hat, dass ab der nächsten Woche wieder volle Präsenzpflicht herrscht für alle ...

Irgendwas in so eine Richtung, sodass sich der Druck auf die Protagonistin ständig real und nachvollziehbar erhöht, wäre hier viel packender, denke ich. (Auf die Hexe würde ich dann natürlich verzichten, denn die braucht es doch gar nicht. Realistischer Druck ist am Ende doch viel nachvollziehbarer für den Leser, als ein nicht wirklich genau gezeichnetes Märchenmotiv).

Die Erzählstimme

Auch hier finde ich, gäbe es Optimierungspotenzial. Die Erzählerin klingt für mich einfach nicht richtig angstgetrieben, weil sie einen viel zu guten Überblick über alles hat. Sie ordnet in einer Tour die Erzählung für uns, was in meinen Augen mit einem psychischen Ausnahmezustand kollidiert. Hier ist eine Kluft zwischen Form und Inhalt.

Beispiele:

Habe ich ernsthaft geglaubt, ich würde daran teilnehmen? In Präsenz? Wahrscheinlich habe ich es gehofft. Aber sie wird mich nicht nach Hannover fahren lassen.

Das ist reines Tell für den Leser geschrieben, kein authentischer innerer Monolog.

Fünf Schritte bis zum Summer. Muss ich die Wohnungstür öffnen, rast mein Herz schon im Flur. Ich schaue durch den Spion. Ein Mann kommt die Treppe hoch. Er ist noch jung und ich würde gerne die Tür öffnen, ihn anlächeln, mich bedanken, sein Aftershave riechen oder seinen Schweiß.

Es ist doch Unsinn, dass sie ihm in dem Moment gerne begegnen würde. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Sie hat Angst und versteckt sich. Warum sollte sie – sie erzählt ja im Präsens – im Moment der Angst über ein "Eigentlich" nachdenken? Der Kern eines Panikmoments ist gerade das Aussetzen von Vernunft und den Gedanken, die man eigentlich hätte.

Es war im Frühjahr, vor zweieinhalb Jahren. Im Supermarkt trugen die Menschen Masken über den Gesichtern. Mir war übel und auf dem Weg nach Hause übergab ich mich in einen Vorgarten. Ein paar Tage habe ich in einem Dämmerzustand im Bett verbracht. Seitdem bin ich in keinem Supermarkt mehr gewesen. Die Hexe wollte, dass ich in der Wohnung bleibe und nach einem halben Jahr, in dem jeder Versuch einzukaufen oder spazieren zu gehen, schlimmer war als der davor, habe ich meinen Widerstand aufgegeben. Der Lieferdienst stellt mir die Einkäufe direkt vor die Tür. Ist alles kein Problem, man kann sich wirklich alles liefern lassen. Außer Mitarbeitergespräche in Präsenz. Den Schritt vor die Tür gibt es nicht im Angebot. Er kostet mehr Mut, als ich habe. Ich schlage meinen Hinterkopf gegen die Wand. Mehr Mut, als ich habe. Aus mir kommt ein Laut, den ich nicht kenne. Alles in mir vibriert, das Schluchzen schüttelt mich durch, lässt mich nur stoßweise atmen. Atme ich oder weine ich? Meine Finger kribbeln, mir wird schwindelig, dann übel. Ich lege mich auf den Rücken. Ruhig atmen! In meinen Ohren nur Rauschen. In meinem Kopf nur Angst. Ein Gefängnis, zwei Zimmer, Küche, Bad. Ich will das alles nicht mehr.

Als mein Atem ruhiger wird, denke ich an das Buch meiner Mutter: Agoraphobie


Das funzt nicht, sorry: Sie will drastisch-drängend im Präsens erzählen, im Panikmoment selbst. Aber dann lässt sie kurzerhand einen Bericht über die Ursachen während der Corona-Pandemie einfließen? Was ist das für eine Erzählsituation? – Einerseits sitzt buchstäblich eine Hexe auf ihr und würgt sie, andererseits gibt sie einen detaillierten Bericht über ihre Krankheitsgeschichte ab, in der die Hexe kein grausames Wesen mehr ist, sondern einfach ein Ereigniselement, das sie mitabspult?

Was mir auch nicht so gefällt: Die minutiösen Beschreibungen dessen, was die Erzählerin gerade tut oder empfindet. Beispiele:

Ich stehe auf. Drei Schritte bis zum Flur, zwei zum Wohnraum, fünf bis zum Schreibtisch. Ich setze mich, fahre den Rechner hoch, an der Wand hängt: Häuserzeile. Ich schreibe an Clemens.

Ich stehe auf. Fünf Schritte bis zum Bücherregal, wo ich es sofort finde.

Alles in mir vibriert, das Schluchzen schüttelt mich durch, lässt mich nur stoßweise atmen. Atme ich oder weine ich? Meine Finger kribbeln, mir wird schwindelig, dann übel. Ich lege mich auf den Rücken. Ruhig atmen! In meinen Ohren nur Rauschen. In meinem Kopf nur Angst. Ein Gefängnis, zwei Zimmer, Küche, Bad. Ich will das alles nicht mehr.

Ich finde, das liest sich irgendwie aufgesagt, also unorganisch. Ich weiß nicht genau, wie ich meinen Eindruck über solche Passagen in Worte fassen soll. Vielleicht: Die Erzählerin spricht mehr Dinge aus, als für die Handlung nötig sind. Das bekommt dadurch eben diesen beflissenen Ton, der dieser Art von "innerlichen" Texten oft anhaftet, weil einfach äußerlich eigentlich nichts von Belang passiert.

Das Problem daran ist, dass die Worte damit leer werden. Eine Stelle wie ...

Meine Finger kribbeln, mir wird schwindelig, dann übel. Ich lege mich auf den Rücken. Ruhig atmen!

... will ja eigentlich den Höhepunkt der Panik packend in Worte fassen.

Oder hier:

In meinem Kopf nur Angst. Ein Gefängnis, zwei Zimmer, Küche, Bad. Ich will das alles nicht mehr.

Wieso kommt hier nicht die Hexe ins Spiel, um etwas wirklich Beängstigendes mit der Protagonistin anzustellen? Und wie wirkt sich das Gefängnis auf sie aus? Führ das Bild doch weiter, sodass die Protagonistin mit dem Gefängnis interagieren muss; beschreib das Gefängnis doch genauer, mach es bildlich, konkret, sinnlich!

So, wie du momentan beschreibst, liest man darüber hinweg; so eine schnell getaktete Drastik macht zumindest auf mich wirklich gar keinen emotionalen Eindruck, weil man sich davon erstens keine konkrete Vorstellung machen kann und weil es auch für die Protagonistin keine drastischen Folgen hat, das Kribbeln, der Schwindel, die Übelkeit. Das sind lediglich drei Begriffe, die sie für uns aufsagt. Dann legt sie sich hin und atmet ruhig. Big deal – not! So beschrieben wird doch die Gefahr, die Angst, die sie spürt nicht, gar nicht nachvollziehbar, wenn sie sich nach zwei Sätzen nur hinzulegen braucht, um ruhig zu atmen. Dieses postwendende Hinlegen und Durchatmen zeigt im Gegenteil, wie folgenlos und eingebildet das alles ist. Das ist aber nicht das Erleben der Figur!

Wie du den Zuständen mehr Gewicht verleihen kannst, weiß ich indes auch nicht. Vielleicht mit Vergleichen oder Metaphern, wobei das riskante Fahrwasser sind. Schnell wird das schwülstig oder abgegriffen oder windschief. Aber so abgespult verpufft die Wirkung, das steht fest.

+++++

Es tut mir Leid, das ich so viel zu kritisieren habe. Andererseits ist es auch nicht verwunderlich: Mein eigener Challenge-Text hat ja einen ähnlichen Stoff – Rollenprosa eines psychisch Gebeutelten – und er macht praktisch alles anders als dein Text. Insofern erscheint es ja fast logisch, dass ich mit deinem Ansatz fremdle.

Ich denke indes, dass du den Text gut bearbeiten und stark verbessern kannst. Das ist also mitnichten ein Text, den ich persönlich einfach so abhaken würde. Im Gegenteil, ich sehe darin einen Text, der wie dafür gemacht ist, ihn wieder und wieder anzufassen, bis sich das herauskristallisiert hat, was er eigentlich ausdrücken will. – Das nur hypothetisch in den Raum geworfen, ich weiß ja nicht, was du zu meinem Feedback und dem der anderen sagen wirst, und wie du selbst auf den Text schaust.

Freundliche Grüsse

Henry

 

Hallo @Katta

Schön, dass du noch mit an der Challenge teilnimmst! Und du hast hier eine Geschichte geliefert, die schon packt. Das Thema psychische Erkrankungen, vor allem im Bereich der sozialen Phobien ist ja leider immer aktuell.

Von den Psychologen kennt man ja den Satz: Keiner redet darüber, aber alle kommen sie zu uns! Und es ist leider wahr. Jeder kann in eine persönliche Krise rutschen. Entscheidend ist dann halt, ob und wie man Hilfe sucht.

Wenn man über dieses Thema schreiben möchte, braucht man meines Erachtens viel Fingerspitzengefühl. Wie stellt man so etwas dar, ohne dass es zu sehr ins Melodramatische kippt?

Soviel mal vorab: Deine Charakterzeichnung und die Beschreibung der Erkrankung ist dir sehr gelungen. Das ist durchaus realistisch und beklemmend geschildert.

Für mich gab es aber ein Problem mit der Entwicklung, die deine Figur durchläuft. Das heißt nicht, dass du das hoffnungsvolle Ende kippen sollst. Aber du müsstest es subtiler vorbereiten und anders verankern.

Mal der Reihe nach:

Zwei Zimmer, Küche, Bad

Hatte da als erste Assoziation so einen unglaublich schlechten Deutschen Film über eine Studenten-WG, den ich mal vor Jahren gesehen habe. Gut, ist natürlich nicht deine Schuld. Und es passt ja dann auch ganz gut.

Ich wache auf und bin hellwach. Die Hexe hockt auf meiner Brust, presst ihre spindeldürren Finger um meinen Hals und schnürt mir die Luft ab.

Der Einstieg aus dem Lehrbuch. Etabliere Protagonist, Ort und Konflikt in den ersten 2 Sätzen. Oder eventuell sogar im ersten: „Als ich aufwache, hockt die Hexe auf meiner Brust, presst…“ Dann gibt es die Doppelung von „wach“ auch nicht. Aber ist nur ein Vorschlag.

Das Bad ist klein, wenn ich will, kann ich gleichzeitig pinkeln, Hände waschen und die Füße duschen

Einer der fiesesten Sätze im ganzen Text. Und das meine ich positiv. Er beschreibt hier perfekt Enge, Isolation und stille Verzweiflung.

Sie hat die Fenster gefressen, wie auch fast alles andere in meinem Leben: meine Freunde, den Sportkurs, lange Spaziergänge im Wald und meine Selbstachtung. Alles, was ich noch habe, ist mein Job.

Hier gibt es einen kritischen Punkt. Sie reflektiert. Das darf natürlich sein, ist aber für mich im Kontext nicht ganz glaubwürdig. Der Satz liest sich eher, als käme er von jemanden, der von außen auf sie blickt.

Sie selbst dürfte wesentlich mehr in ihrem Tunnelblick gefangen sein.

Kälte dringt durch das Glas der Balkontür. Sie ist aus Holz, einfachverglast, mit einem schönen, alten Metallgriff, dessen Lack an einigen Stellen abgeplatzt ist. Ich lege die Hand auf den Griff.

Auch das ist eine ganz starke Beschreibung. Von denen könntest du ein paar unterbringen, damit kann man nämlich hervorragend die Psyche der Hauptfigur skizzieren, ohne dass man den Holzhammer bemüht.

Ich weiß, wann es angefangen hat, aber nicht, wie es so geworden ist.

Wieder reflektierend. Lass sie hier lieber verwirrt durch ihre Welt stolpern. Kannst ja auch das Hexenbild hier deutlich mehr beschreiben und mit ihrem Verhalten verzahnen. Diese Symbolik hat mir nämlich sehr gut gefallen.

Alles in mir vibriert, das Schluchzen schüttelt mich durch, lässt mich nur stoßweise atmen. Atme ich oder weine ich?

Kürzen. „Die Brust vibriert. Atme oder weine ich?“ Irgendwas in der Art.

„So geht es nicht weiter!“, sage ich. Zu der Hexe. Zu mir. Und zum ersten Mal seit langem fühle ich mich ihr nicht komplett ausgeliefert.

Und hier fällt sie leider komplett aus der bisherigen Rolle. Das kommt zu schnell, zu unglaubwürdig. An deiner Stelle würde ich die E-Mail am Ende lassen. Das war stark und erzählt mir als Leser ohnehin alles.
Sie selbst kannst du dann einfach nur still aus dem Fenster sehen lassen. Und mit irgendeinem Detail ihre Unsicherheit andeuten. Mir fällt da spontan jetzt nichts großartiges ein. Nägel kauen zum Beispiel, das ist halt schon recht verbraucht.

Insgesamt finde ich den Text recht gut. Er ist halt noch ein bisschen kurz. Du könntest da ein bisschen mehr die psychische Ausnahmesituation schildern. Sind ja schon viele sehr gute Ansätze drin.

Liebe Grüße
Rainbow Runner

 

Hallo @Katta

Eindringliche Beschreibung einer Phobie und das Bild der Hexe gleich zu Beginn ist ein gelungener Einstieg, der zum Weiterlesen animiert. Auch der Schreibstil hat mir gefallen und die „Bilder“ an der Wand. Überhaupt findest du schöne Bilder, um den Zustand der Ich-Erzählerin nachempfinden zu können. Es gibt auch eine Wandlung. Zuerst ist die Protagonistin der Hexe vollkommen ausgeliefert und am Ende hat sich deren Griff zumindest gelockert. Was hat die Wandlung ausgelöst? Immerhin hat sie ja schon Jahre in diesem Zustand verbracht. Ein zufällig gehörtes Lachen auf dem Flur? Der Gedanke, nie wieder nach Hannover zu fahren? Solche Gedanken muss sie vorher auch schon gehabt haben. Plötzlich hat sie genug von der Hexe? Denkbar ist das. Aber damit diese Wandlung glaubhaft im Sinn einer Geschichte wird, müsste sie sich mühsamer vollziehen und für meinen Geschmack noch etwas stärker begründet werden. Die E-Mail als Auslöser ist ja schon mal ganz brauchbar. Der Chef könnte anrufen und nachhaken? Vielleicht fällt dir noch etwas dazu ein.

Das Buch auf dem Tisch mit dem Titel ist etwas holzhammermäßig, aber da bin ich mir unschlüssig. Dass es sich um eine Phobie handelt, ist auch ohne die Nennung des Namens dafür klar und am Ende nennst du die Bezeichnung sowieso: Agoraphobie.

den Kobel in einer Astgabel ein, zwei Meter unter mir.
Kobel? Ich gebe zu, ich musste googeln. Vielleicht einfach „Nest“.

Grüße
Sturek

 

Ihr lieben Wortkrieger:innen,
ich danke euch schon mal für eure Anmerkungen und werde auf eure Kommentare noch individuell eingehen. Vorab schon mal soviel: Ich habe mich noch mal drangesetzt und ein bisschen was eingestampft (statt mehr auszuarbeiten), falls noch mal jemand reinschauen mag, und ich melde mich bald mit meinen Antworten an euch.
Bis dahin erst mal viele Grüße
von Katta

 

Hallo @Katta,

ich habe deinen Text gerne gelesen und konnte mich auch einfühlen. Inhaltlich habe ich soweit nur eine Sache zu bemängeln, aber das kommt in den Anmerkungen.

Ich wache auf und bin hellwach.
"wach" und "hellwach" in einem Satz fand ich nicht schön.

In meiner Wohnung gibt es keine Fenster. Sie hat die Fenster gefressen, Spaziergänge im Wald und noch einiges mehr.
Gefällt mir sehr gut, das mit den Fenstern, die zu Bildern werden. Das "Sie" würde ich hier eventuell als Hexe schrieben, Geschmackssache, aber sie kam bisher nur einmal vor, also wärs daher nicht wiederholend denke ich.

Ich stehe auf. Drei Schritte bis zum Flur, zwei zum Wohnraum, fünf bis zum Schreibtisch. Ich setze mich, fahre den Rechner hoch, an der Wand hängt:
Das ist Kleinkram, aber mir doch irgendwo störend aufgefallen: Im Absatz vorher muss sie aufs Klo, hier als sie dann aufsteht, geht sie zum Wohnzimmer und das Klo ist vergessen. Ich will jetzt nicht unbedingt lesen, wie sie am Klo sitzt, aber das fühlte sich doch ein wenig unrund an, so als wäre einfach vergessen, dass sie aufs Klo muss.

Zwei Schritte und ich kann den ganzen Innenhof sehen, die Rückseiten der Häuser, die ihn umgeben, den Kobel in einer Astgabel ein, zwei Meter unter mir.
zwischen "Astgabel" und "ein" würd ich nen Beistrich setzen – keine Ahnung ob er rein gehört, bin da nur etwas drüber gestolpert, so im Leserhythmus.

Irgendwann wird mein Atem ruhiger und der Schwindel weniger. Ich denke an das Buch, dass meine Mutter mir gegeben hat.
das

Die Hexe hasst es, aber ich bin erschöpft vom Weinen und habe Kopfschmerzen, darum ist es mir egal.
Das wäre die inhaltliche Sache: Ich kaufe es der Protagonistin nicht ab, dass es ihr egal ist, dass die Hexe das Buch hasst, nur weil sie erschöpft ist. Ansonsten bestimmt die Hexe ja ihr ganzes Leben – sicher auch, wenn sie erschöpft ist, so zumindest hab ich das gelesen.

Ich öffne den Mail-Client, klicke auf den Button „Neue E-Mail“ und schreibe: Lieber Clemens, ich möchte meine Mail von heute früh korrigieren. Ich habe nicht wegen eines Virus abgesagt, sondern wegen meiner Agoraphobie. Im Moment kann ich meine Wohnung nicht verlassen.
Ich wollte, dass du Bescheid weißt. Herzliche Grüße, Sarina.
Das gefällt mir. Ich finde es auch nicht zu schnell oder irgendwie eine Anleitung zum "Heilweg". Jeder, der schon mal mit psychischen Krankheiten zu kämpfen hat, weiß, dass das Eingeständnis dessen der erste Schritt hin zur Heilung ist. Allerdings fehlt mir im Text selbst zuvor noch ein wenig der Hinweis, ein zwei Gedanken in die Richtung, dass sie am Erkennen ist, dass es dieses Problem gibt. Vielleicht etwa bei der ersten Mail, als sie das mit dem Virus schreibt, schon ein Zögern, vielleicht tippt sie ja schon, vorher irgendetwas ein, nur ein paar Worte, die darauf hindeuten, löscht sie dann aber und schreibt das mit dem Virus. Das mit dem Balkon fand ich gut, wo sie die Hand hinlegt, da versucht sie ja auch schon auf den Balkon raus zu treten. Aber vielleicht noch ein wenig mehr in die Richtung "Ich muss es jemandem sagen"-hin.

LG Luzifermortus

 

Hallo @Katta,


schön schnell geschriebener Text, passt zu der Anspannung in der Isolierung!

Die Hexe hockt auf meiner Brust, presst ihre spindeldürren Finger um meinen Hals und schnürt mir die Luft ab.
„Du wirst nirgendwohin gehen“, sagt sie.
Hier kann man noch denken, es geht um irgendetwas Paranormales, schnell wird aber klar, welche Hexe hier hext - gut gemacht.

Normalerweise begrüße ich solche detaillierten Beschreibungen nicht:

Vom Bettende sind es drei Schritte bis zum Flur, vier Schritte über den Flur bis zum Bad, dann drei zur Toilette.
Sie ist aus Holz, einfachverglast, mit einem schönen, alten Metallgriff, dessen Lack an einigen Stellen abgeplatzt ist. Ich lege die Hand auf den Griff. Ein Schritt nur

Aber - und das ist stilistisch interessant: In diesem Kontext erfüllen die Details einen Zweck, unterstützen den Inhalt der Geschichte!


Für mich ist es kein Fenster. Es ist ein Bild: dunkle, kahle Äste vor einem asphaltgrauen Himmel. Titel: Kastanie im Herbst.
Schönes Bild, dieses Bild :thumbsup:

Sie hat die Fenster gefressen, Spaziergänge im Wald und noch einiges mehr.
Was Hexen nicht alles so machen - klingt fast schon verharmlosend, ist aber gut beobachtet, diese Flucht in Galgenhumor.

Ich öffne den Mail-Client, klicke auf den Button „Neue E-Mail“ und schreibe: Lieber Clemens, ich möchte meine Mail von heute früh korrigieren. Ich habe nicht wegen eines Virus abgesagt, sondern wegen meiner Agoraphobie. Im Moment kann ich meine Wohnung nicht verlassen.
Ich wollte, dass du Bescheid weißt. Herzliche Grüße, Sarina.

Hey, Katta -

hier traust du deiner Geschichte zu wenig zu: Wer bis jetzt nicht gemerkt hat, das es um Spinnenphobie geht ...:lol:

Also, die Erläuterung musste doch überarbeiten (und ich habe wenigstens einen Punkt zum Meckern, ach, bin ich jetzt froh! :D).

L G,

Wolto

 

Hallo @Corwin,
ich hab den Titel jetzt tatsächlich mal rausgenommen und hoffe, es geht sich so aus. Danke dir!

@Habentus
Ich hab mir deine vielen offenen Fragen zum Verlauf insofern zu Herzen genommen, als dass ich diese Rückschau komplett gelöscht habe, denn eigentlich geht es mir um diesen Moment/Vormittag und ich will diesen Raum mit Fragen (aber was ist mit ihren Freunden und wie ist das denn so schnell gegangen usw) gar nicht möblieren ...

Hey Henry @H. Kopper
auch dir danke für deinen Kommentar.

Leider ist das für mich auch das Problem: der Text enthüllt wirklich alles und nimmt dem an sich spannenden Thema alles an Spannung. Ich finde, du gehst viel zu beflissen mit dem Stoff um, sodass er zumindest mich emotional überhaupt nicht erreicht.
Ja, find ich schwierig. Das mit dem beflissen hätte ich so nicht ausgedrückt, aber ich selbst hatte auch zwischendurch den Gedanken, dass es zu glatt ist, zu wenig gebrochen. Andererseits, ist es schon so, dass man natürlich _in_ der Panikattacke bei der Panik ist und eigentlich nirgendwo sonst, außerhalb der Panikattacke aber schon normal denken kann und geordnet ist. Vielleicht meinst du aber auch, dass der Text zu wenig überraschend ist, wobei Überraschung auch wirklich nicht das Ziel war. Vielleicht ist das, was du meinst, wenn du sagst, dass der Text für dich alles enthüllt, ja, keine Ahnung. Damit kann ich wohl einfach nicht so viel anfangen, weil ich nicht weiß, was du gerne verhüllt hättest (etwas zu verhüllen ist erst mal nicht so mein Ding, was vielleicht, aber vielleicht auch nicht bedeutet, dass wir hier einfach zwei verschiedene Perspektiven haben) - aber vielleicht bezieht sich das auch hauptsächlich auf den Begriff Agoraphobie, der das ganze natürlich in einen therapeutischen, weniger literarischen Mantel kleidet.
Surreale Elemente müssen reale Reaktionen auslösen, damit man sie nicht schnell als surreale Zierde abqualifiziert. In Ansätzen erscheint deine Hexe als so ein reales Subjekt, zum Beispiel hier am Anfang:
Ich würde nicht sagen, dass die Hexe ein surreales Element ist (zumindest nicht, wenn ich surreal als etwas verstehe, dass nicht in der Alltagslogik oder der Physik verhaftet ist, wie beispielsweise Kafkas Verwandlung, er verwandelt sich. Punkt.) und dir ja auch "sonnenklar" ist, dass sie für Angst steht, die personifizierte Angst ist. Klar, wird das so im Text nicht explizit erwähnt, aber mMn wird es trotz allem deutlich, das zeigen auch die anderen Kommentare, dass es am Anfang vielleicht unklar ist, aber sich dann doch klärt, niemand hat am Ende des Lesens gedacht, da ist wirklich eine Hexe in ihrer Wohnung, und vielleicht ist genau das deine Kritik oder auch dein Wunsch, dass es surrealer wäre, dass dort wirklich eine Hexe wohnte und der Begriff nicht nur benutzt würde, um die Angst zu symbolisieren. Auch wenn sie am Anfang wie ein reales Subjekt erscheint, ist sie halt keines - und soll auch keines werden. Es ist ein Alltagstext, in dem es um Angst und Agoraphobie geht, er ist eine kleine Momentaufnahme, es ist kein Seltsam-Text, kein surrealer Text.
Ok, es geht nicht um eine Person im Griff einer Hexe, sondern um ein "Alltagsproblem" – die Hexe wird das symbolisieren.
Genau! Ich weiß aber, dass ich diese Lesart bzw mögliche Enttäuschung mit meinem Einstieg provoziere.

Später machst du es noch schlimmer, indem die Story vollends auf einem therapeutischen Teppich landet:
Den therapeutischen Teppich habe ich versucht, durch den Text hindurch zu reduzieren, aber es bleibt eben ein Text über Agoraphobie. Das mag für dich langweilig sein, aber das kann bzw will ich auch nicht ändern.

Ich öffne den Mail-Client, klicke auf den Button „Neue E-Mail“ und schreibe: Lieber Clemens, ich möchte meine Mail von heute früh korrigieren und mich dafür entschuldigen. Ich habe nicht wegen eines Virus abgesagt, sondern wegen meiner Agoraphobie. Im Moment kann ich meine Wohnung nicht verlassen. Mir ist heute klar geworden, dass ich es allein nicht schaffe und ich werde mir Hilfe suchen.
Mir ist wichtig, dass du Bescheid weißt. Herzliche Grüße, Sarina.
Es ist zu durchsichtig, was der Text hier aussagen will: Mit der Krankheitseinsicht, der Objektivierung eines bislang rein subjektiven Gefühls wird die Hexe, die dieses subjektive Gefühl symbolisiert, geschwächt oder sogar schon vertrieben.
Hach ja, das schreibt man dann so als Kommentator, dass etwas zu durchsichtig ist, dass der Text hier etwas bestimmtes aussagen will. Was will denn der Text (bzw ich?) aussagen? Wenn ich wüsste, was du da meinst, könnte ich vielleicht sogar was darauf erwidern. Aber ich kann dir sagen, was mein Ziel war: Diese Momentaufnahme, dieser Moment in dem etwas kippt, in dem sich was ändert, in dir drinnen - wobei offen ist, wie sich dieser Moment am Ende auswirkt, na klar, gibt es dazu eine Vorgeschichte, aber ich wollte mich auf diesen Moment fokussieren, eine flash fiction. Ich habe verstanden, dass dieses "ich suche mir hilfe" sehr didaktisch wirkt, intendiert war das nicht. Mein Gedanke war eher aus Sarinas Perspektive heraus, dass man seinem Chef dann wohl signalisieren will, dass man das Problem angeht ... aber ich habe das rausgelöscht, weil ich ja gar nicht didaktisch sein will (soviel zu durchsichtig, was der Text will - manchmal erscheint es vielleicht so, ist aber gar nicht so gemeint).
Es klingt hart, aber das ist aus literarischer Sicht irgendwie nur "eine nette Idee", aber das hat keine Drastik. Ich meine, da war man ja wirklich vor über hundert Jahren schon weiter: Bei E. T. A. Hoffmann, Hanns Heinz Ewers oder Georg Büchner sind die Ängste absolut und werden eben nicht in klinische Begriffe gekleidet – dadurch wirkt das so stark.
Ich finde, wenn du so argumentierst, können wir den Laden hier dichtmachen. Ist total okay, dass du sagst, für mich ist es "nett" und mehr nicht, mir fehlt da die Drastik. Aber dass dann so abzukanzeln mit vor hundert Jahren haben das Leute schon besser gemacht - joa, sicher ist das so. Es haben sicher auch hier im Forum Leute das schon besser beschrieben als ich - aber was ist denn die Konsequenz davon? Was soll mir das sagen? Schreib nicht über etwas, was andere schon besser beschrieben haben? Damit disqualifizierst du doch jeden Übungsprozess, oder? Und genau dafür ist doch das Forum hier da, oder nicht? Um zu üben, um was auszuprobieren?
Deine Geschichte endet mit einer klaren Moral, mit dieser Krankheitseinsicht, die uns eine Lehre sein soll – so wirkt das auf mich. "Sieh her, Leser, dort liegt die Heilung!"
Das ist ein wichtiger Hinweis für mich, denn, wie bereits ausführlich beschrieben, will ich das natürlich nicht. Es soll _keine_ moralische Geschichte sein, sondern ... siehe mein Sermon oben

vor allem, weil der Umschwung überhaupt nicht durch Handlung motiviert ist. Das ist die strukturelle Enttäuschung: Die Protagonistin hat ein Problem (ihre Phobie), bekommt noch ein größeres Problem (die Präsenzpflicht), sie löst dieses Problem, hat einen Heureka-Moment und löst das zweite Problem noch einmal und das erste gleich mit.
Nee, stimmt, außer dass sie aufs Klo geht, wieder ins Bett, an den Schreibtisch, zur Tür, zum Sofa, an den Schreibtisch - gibt es ja nicht gerade viel Handlung - wie gesagt, mir gings um kleine, innere Verschiebungen. Ich denke allerdings nicht, dass sie durch diesen Moment der Einsicht (um den es mir ging, den ich herleiten wollte) gleich das Problem mit der Agoraphobie gelöst hat ...

Erzähltechnisch funktioniert das nicht, finde ich, hier wird letztlich nur von einem Tropfen erzählt, der das Fass zum Überlaufen bringt, vom Moment, in dem der Leidensdruck zu groß wird.
Genau, eine flash fiction, ein Moment. Ich nehme aber zur Kenntnis, dass das für dich nicht funktioniert, dich vielleicht auch nicht interessiert und eben auch nicht emotional erreicht.

Es wäre viel spannender, wenn sich dieser Moment aus einer Steigerung des Drucks im Text und aus Wendepunkten ableiten würde. Zum Beispiel: Sie antwortet, dass sie Kopfschmerzen hat und an diesem einen Tag nicht kann, der Chef verlegt das Gespräch auf morgen und sie kann nicht noch einmal dieselbe Ausrede bringen. Sie weiß, sie muss dahin und versucht es, aber scheitert. Sie schreibt eine andere Ausrede und wieder Erwarten kauft der Chef auch sie. Aber nur, weil er im nächsten Satz offenlegt, dass es in sofern keine Rolle spielt, als er entschieden hat, dass ab der nächsten Woche wieder volle Präsenzpflicht herrscht für alle ...
Wenn ich dich richtig verstehe, ist dir die flash fiction zu wenig, du willst mehr Geschichte, mehr Druck, mehr Aufbau und Eskalation. Mag ich auch, will ich aber in diesem Text nicht. Und wenn ich mir die Geschichte vorstellen, die du hier vorschlägst, schlafen mir, ehrlich gesagt, die Füße ein. Würdest du das echt gerne lesen?
Die Erzählerin klingt für mich einfach nicht richtig angstgetrieben, weil sie einen viel zu guten Überblick über alles hat. Sie ordnet in einer Tour die Erzählung für uns, was in meinen Augen mit einem psychischen Ausnahmezustand kollidiert. Hier ist eine Kluft zwischen Form und Inhalt.
Dazu hab ich oben ja schon was geschrieben. Ich seh das tatsächlich etwas anders und hab da wirklich, als der Text fertig war, drüber nachgedacht. Sie ist ja nicht durchgängig in einer Panikattacke ...

Habe ich ernsthaft geglaubt, ich würde daran teilnehmen? In Präsenz? Wahrscheinlich habe ich es gehofft. Aber sie wird mich nicht nach Hannover fahren lassen.
Das ist reines Tell für den Leser geschrieben, kein authentischer innerer Monolog.
Zuerst mal ist ja alles für den Leser geschrieben, aber ich stimme dir zu, dass es hier unnötig ist und habe es gelöscht.

Es ist doch Unsinn, dass sie ihm in dem Moment gerne begegnen würde. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Sie hat Angst und versteckt sich. Warum sollte sie – sie erzählt ja im Präsens – im Moment der Angst über ein "Eigentlich" nachdenken? Der Kern eines Panikmoments ist gerade das Aussetzen von Vernunft und den Gedanken, die man eigentlich hätte.
Sehe ich auch anders. Klar, würde sie ihm gerne begegnen, aber ihre Angst lässt sie nicht. Das Öffnen der Tür führt zu Panik, die Panik zu Scham ... dann öffnet sie die Tür und die Hexe kreischt/die Panik setzt ein ...
Sie will drastisch-drängend im Präsens erzählen, im Panikmoment selbst. Aber dann lässt sie kurzerhand einen Bericht über die Ursachen während der Corona-Pandemie einfließen? Was ist das für eine Erzählsituation? – Einerseits sitzt buchstäblich eine Hexe auf ihr und würgt sie, andererseits gibt sie einen detaillierten Bericht über ihre Krankheitsgeschichte ab, in der die Hexe kein grausames Wesen mehr ist, sondern einfach ein Ereigniselement, das sie mitabspult?
Also, du liest es schon sehr anders als von mir intendiert, du liest es als ein Moment andauernder Panik ... aber die Panik flaut doch wieder ab, die Tür ist zu, Hannover ist abgesagt ... Es sitzt doch nicht 24/7 ne Hexe auf ihr drauf, die sie würgt und wo sitzt denn überhaupt "buchstäblich" eine Hexe auf ihr? Du hast doch schon selbst oben geschrieben, dass es eine Allegorie oder Psychose ist aus deiner Sicht ...
Ich finde, das liest sich irgendwie aufgesagt, also unorganisch. Ich weiß nicht genau, wie ich meinen Eindruck über solche Passagen in Worte fassen soll. Vielleicht: Die Erzählerin spricht mehr Dinge aus, als für die Handlung nötig sind. Das bekommt dadurch eben diesen beflissenen Ton, der dieser Art von "innerlichen" Texten oft anhaftet, weil einfach äußerlich eigentlich nichts von Belang passiert.
Ich glaube, das ist einfach meine Art zu schreiben. Ich versuche Figuren über ihre Wahrnehmung zu beschreiben, ich glaube, du eher über ihre Gedanken zumindest ja in deinem Challenge Text.

Hallo @Rainbow Runner,
freut mich erst mal, dass du Figurenzeichnung und Erkrankung gelungen findest. Danke für deinen Kommentar.

Für mich gab es aber ein Problem mit der Entwicklung, die deine Figur durchläuft. Das heißt nicht, dass du das hoffnungsvolle Ende kippen sollst. Aber du müsstest es subtiler vorbereiten und anders verankern.
Ich denke, da muss ich noch ein bisschen nachgrübeln. Ich kann das einerseits verstehen, andererseits hab ich natürlich genau das probiert und mir fällt jetzt so spontan erst mal nichts ein, wie ich das verbessern könnte.

Hatte da als erste Assoziation so einen unglaublich schlechten Deutschen Film über eine Studenten-WG, den ich mal vor Jahren gesehen habe
Hehe, den kenn ich nicht, sonst hätt ich den Titel vermutlich nicht gewählt. :shy:

Sie hat die Fenster gefressen, wie auch fast alles andere in meinem Leben: meine Freunde, den Sportkurs, lange Spaziergänge im Wald und meine Selbstachtung. Alles, was ich noch habe, ist mein Job.
Hier gibt es einen kritischen Punkt. Sie reflektiert. Das darf natürlich sein, ist aber für mich im Kontext nicht ganz glaubwürdig. Der Satz liest sich eher, als käme er von jemanden, der von außen auf sie blickt. Sie selbst dürfte wesentlich mehr in ihrem Tunnelblick gefangen sein.
Das hab ich auch noch entschlackt, aber ganz raus ist es nicht ...

Wieder reflektierend. Lass sie hier lieber verwirrt durch ihre Welt stolpern. Kannst ja auch das Hexenbild hier deutlich mehr beschreiben und mit ihrem Verhalten verzahnen. Diese Symbolik hat mir nämlich sehr gut gefallen.
Ich muss da wirklich überlegen. @H. Kopper findet sie ja auch zu reflektiert. Mir fällt gerade gar nichts ein, wie ich rüberbringen soll, dass sie eben gar nicht verwirrt durch ihre Welt stolpert. Keine Ahnung, ich glaube, ich wollte (auf wirklich kurzer Strecke und vielleicht ist genau das nicht möglich) die Agoraphobie darstellen. Aber ein Mensch, in diesem Fall Sarina, ist ja mehr als seine Agoraphobie (oder was auch immer für psychische Probleme). Das Ding ist, dass sie auch überlegen soll (ich selbst interessiere mich weniger für solche inneren Monologe, darum nutze ich die im Text weniger), aber vielleicht sind diese Reflexionen zu erzählerisch, vielleicht müssten die mehr wie innere Monologe klingen, vielleicht ist das das Problem, aber ich grübel mal noch ein bisschen weiter ...

Und hier fällt sie leider komplett aus der bisherigen Rolle. Das kommt zu schnell, zu unglaubwürdig. An deiner Stelle würde ich die E-Mail am Ende lassen. Das war stark und erzählt mir als Leser ohnehin alles.
Ich kann da gar nicht so richtig was zu sagen, glaube ich, und muss den Text erst mal ne Weile sacken lassen, dann seh ich es vielleicht auch so ...

Hallo @Sturek,
danke dir fürs Lesen und Kommentieren.

Was hat die Wandlung ausgelöst? Immerhin hat sie ja schon Jahre in diesem Zustand verbracht. Ein zufällig gehörtes Lachen auf dem Flur? Der Gedanke, nie wieder nach Hannover zu fahren? Solche Gedanken muss sie vorher auch schon gehabt haben. Plötzlich hat sie genug von der Hexe? Denkbar ist das. Aber damit diese Wandlung glaubhaft im Sinn einer Geschichte wird, müsste sie sich mühsamer vollziehen und für meinen Geschmack noch etwas stärker begründet werden. Die E-Mail als Auslöser ist ja schon mal ganz brauchbar. Der Chef könnte anrufen und nachhaken? Vielleicht fällt dir noch etwas dazu ein.
Hehe, hätte ich das hier einfach oben zusammenfassend an alle schreiben können. Es stimmt wohl, dass es ein bisschen wie ein Aha-Moment wirkt, aber ich kann da im Moment gar nicht viel mehr sagen, außer, dass ich den Text diesbezüglich sacken lassen muss und vielleicht gerade den Wald vor lauter Bäumen nicht seh.
Das Buch bzw den Titel hab ich gekillt. Selbst den Kobel hab ich gegen Eichhörnchennest ausgetauscht (gehabt), aber da ich das Ding eben als Kobel kenne und benenne, kam es mir komisch vor, nicht den eigentlich korrekten Begriff zu verwenden. Im schlimmsten Fall lernt halt jemand ein neues Wort.

Hallo @Salatze,
mann, mann, mann, da muss ich mich jetzt erst mal dran gewöhnen. Jedenfalls vielen Dank dir fürs Lesen und deinen Kommentar. wach und hellwach - ja, das kam auch von jemand anderem, ich schau mal.

Das ist Kleinkram, aber mir doch irgendwo störend aufgefallen: Im Absatz vorher muss sie aufs Klo, hier als sie dann aufsteht, geht sie zum Wohnzimmer und das Klo ist vergessen. Ich will jetzt nicht unbedingt lesen, wie sie am Klo sitzt, aber das fühlte sich doch ein wenig unrund an, so als wäre einfach vergessen, dass sie aufs Klo muss.
Ich glaube, da hast du was überlesen. Sie geht vom Bett zum Klo und wieder zurück zum Bett. Sieht das Fenster, das keines ist, steht auf, schreibt die Mail.
zwischen "Astgabel" und "ein" würd ich nen Beistrich setzen
ja, das mach ich.

Ich kaufe es der Protagonistin nicht ab, dass es ihr egal ist, dass die Hexe das Buch hasst, nur weil sie erschöpft ist. Ansonsten bestimmt die Hexe ja ihr ganzes Leben – sicher auch, wenn sie erschöpft ist, so zumindest hab ich das gelesen.
Ja, da überleg ich noch mal, das hab ich auch sowieso noch aufm Kieker ...

ch finde es auch nicht zu schnell oder irgendwie eine Anleitung zum "Heilweg". Jeder, der schon mal mit psychischen Krankheiten zu kämpfen hat, weiß, dass das Eingeständnis dessen der erste Schritt hin zur Heilung ist. Allerdings fehlt mir im Text selbst zuvor noch ein wenig der Hinweis, ein zwei Gedanken in die Richtung, dass sie am Erkennen ist, dass es dieses Problem gibt. Vielleicht etwa bei der ersten Mail, als sie das mit dem Virus schreibt, schon ein Zögern, vielleicht tippt sie ja schon, vorher irgendetwas ein, nur ein paar Worte, die darauf hindeuten, löscht sie dann aber und schreibt das mit dem Virus. Das mit dem Balkon fand ich gut, wo sie die Hand hinlegt, da versucht sie ja auch schon auf den Balkon raus zu treten. Aber vielleicht noch ein wenig mehr in die Richtung "Ich muss es jemandem sagen"-hin.
Das war im Grunde meine Herausforderung bei diesem Text, diese innere Wandlung zu zeigen und zwar nachvollziehbar. Ich würde die bisherigen Kommentare so interpretieren, dass es schon mal in die richtige Richtung geht, aber noch etwas Nachbearbeitung vertragen kann. Wie schon gesagt, gerade kriege ich das nicht hin, aber mit ein bisschen Abstand bestimmt.

Hallo @Woltochinon,
vielen Dank für deinen wohlmeinenden Kommentar. Du findest also, die Mail am Ende sollte raus? Weil du es als Erläuterung liest? Als von mir als Autorin angehängte Erklärung, so: Für alle, die es noch nicht bemerkt haben: Die Figur hat eine Angsterkrankung! So, oder? Hach, hach, hach. Das will ich natürlich gar nicht, dass das so wirkt. Ich habe die Mail schon gekürzt, aber anscheinend löst bei manchen Lesern allein der Begriff Agoraphobie sowas aus (also dass das als nachträgliche Erklärung) gelesen wird. Ich dachte, es ist eine kleine Handlung, die Veränderung anzeigt, die auch aus der Story bzw Figur heraus Sinn macht. Das scheint aber nur bei manchen Leser:innen aufzugehen. Im Moment häng ich irgendwie noch dran, kann aber diese Sichtweise mit der Erklärung schon verstehen, ich grübel mal, was es sonst noch geben könnte, was die Figur _tun_ könnte, um zu zeigen, etwas hat sich bewegt und zwar nicht nur in Gedanken ...

Vielen Dank euch allen für euren Input. Wie immer sehr wertvoll und hiflreich.
Viele Grüße von Katta

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Katta ,

spannendes Thema, so extreme Angststörungen. Hatte dazu mal eine Doku gesehen und das muss wirklich schlimm sein, der Körper macht dicht, den Betroffenen verschwimmt die Sicht, Atemnot ...

Ich denke aber, du tust dir mit dem Symbol der Hexe keinen Gefallen. Schon gar nicht bei einem Icherzähler im Präsens. Weil das alle Unmittelbarkeit rausnimmt. Ich hab - rein intuitiv - massive Probleme zu glauben, dass im Moment der aktuten Angst so über ein kulturell verankertes (Nachtmahr-Motiv, Hexe in der Folklore etc.) Bild, das sehr abstrakt ist, also sehr haptisch vom Erleben entfernt und dann noch als zweite Person dargestellt, empfunden wird. Angst löst ja in erster Linie wenig kontrollierbare körperliche Reaktionen aus, es ist ein Instinkt. Da würde ich raten, den Leser das nachempfinden zu lassen. Ohne Erklärung, ohne dem Umweg über ein Symbol. Du hast ja an einigen Stellen elliptische, leicht fragmentierte Sprache - genau das wäre imA das geeignte Mittel, die Angstschübe hier zu erzählen.

Im ersten Moment dachte ich auch, das wäre Phantastik, auch, wenn mir direkt danach klar wird, dass es nicht so gemeint ist. (Hab grad nur deine Antwort oben gelesen: Klar ist hat das nix mit surreal zu tun, eher mit irreal bzw. spekulativ.)

Ich wäre gespannt, wie der Text klingen würde, wenn du das Hexenbild rausnimmst, die damit auch als zweite Figur (bei der Anlage hier ist es letztlich egal, ob die Hexe in der narrativen Logik physisch existiert oder nicht).

Der Text hat sehr gute Elemente, die sich für mich (das muss nicht stimmen, klar) so anfühlen, als hättest du frei geschrieben, also ein echtes Explorieren der Situation und davon eine ganze Geschichte wäre wow.

Ich wache auf und bin hellwach. Die Hexe hockt auf meiner Brust, presst ihre spindeldürren Finger um meinen Hals und schnürt mir die Luft ab.
„Du wirst nirgendwohin gehen“, sagt sie.
Ich nicke und sie lockert ihren Griff. „Hier sind wir sicher. In dieser Wohnung.“
Hier würde ich standardgemäße Zeilenumbrüche setzen, nicht so jekami. Das ist eben schwierig, weil du zwei Mal das Subjekt wechselst und dann klingt jede Zuordnung falsch. Ein Mal ist das okay, grad in einer Situation, in der beide in kurzer Abfolge handeln, aber ein Mal könnten Hexe und Ich je einen eigenen Satz bekommen und dann lässt sich die wörtliche Rede besser zuordnen. Oder aber du hast alles hintereinander im Fließtext. Das wäre auch nicht Standard, könnte aber innovativ das Gefühlschaos besser rausbringen.

Ohne meinen Job wäre ich nur ein Ding auf zwei Beinen. Das isst und verdaut und aufs Klo geht. In dieser Wohnung.
Das finde ich gut. Das ist Selbstreflektion, kein Symbol-Wischiwaschi. Zeigt auch, dass die Prota nicht im Selbstmitleid ertrinkt, gefällt mir.

Ich weiß, es gibt einen Planeten da draußen, ein ganzes, verdammtes Universum. Aber nicht für mich.
Ja, okay, ich weiß was du meinst. Aber eigentlich ist das Universum ja auch für sonst niemanden zu erreichen, es sei denn, für Astronauten. Ein schönes Bild, das aber etwas unter dem Logikaspekt schief hängt.

Ich lege die Hand auf den Griff. Ein Schritt nur. Die Hexe spannt sich an. Draußen hat es zu regnen begonnen, ich gieße den Tee auf und setzte mich mit der Tasse an den kleinen, quadratischen Küchentisch. Balkon vor Kastanie im Blick.
Dieser Übergang (Hexe -> Alltagshandlung/Setting) funzt null. Das ist echt zu grobmotorisch, sorry.

Vom Bettende sind es drei Schritte bis zum Flur, vier Schritte über den Flur bis zum Bad, dann drei zur Toilette. Das Bad ist klein, wenn ich will, kann ich gleichzeitig pinkeln, Hände waschen und die Füße duschen.
Kennst du meine Wohnung? :confused::lol:

„Zu!“, kreischt die Hexe. „Zu! Zu! Zu!“
Slapstick. Da hättest du Gelegenheit gehabt, die Angst zum ersten Mal akut zu zeigen. Nix davon kommt rüber. Das Nachgeschobene mit dem Weinen erreicht mich dann nicht mehr (obwohl die Szene dann an sich okay ist).

Schnell nehme ich das Paket, schließe die Tür, sacke zusammen, direkt hier im Flur, und weine. Ich weiß, wann es angefangen hat, aber nicht, wie es so geworden ist.
Das ist gut - das ist auch spannend für mich als Leser: Sie reflektiert, findet aber den Ansatz zur Änderung nicht. Da ist doch der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, oder?

Ich lege das Buch zur Seite und gehe drei Schritte zum Schreibtisch, fahre den Rechner hoch und tippe in die Suchmaschine: Luisa Niemann.
Mich nerven Mikrohandlungen. Ich denke, wenn man - z.B. - irgendwo sagt, dass die Figur sich einen Kaffee gekocht hat, kann sie fünf Zeilen später einfach Kaffee trinken, ohne zu sagen: Sie geht auf den Tisch zu, bleibt vor dem Tisch stehen, streckt die Hand aus. umfasst den Henkel, hebt die Tasse zum Mund, öffnet die Lippen ...
Falls das in der Eigenbeobachtung ein bissl ADHS rüberkommen soll, also starke Selbstbeobachtung mit allen Details, die einen dann überfluten (so jedenfalls beschreibt es ein Freund mit Erwachsenen-ADHS), ist es aber zu eingesprengselt. Würde sowas lassen, das hemmt den Lesefluss.

Ich öffne den Mail-Client, klicke auf den Button „Neue E-Mail“ und schreibe:
Dito. Ich glaube, jeder weiß, wie man ne Email schreibt. Dann lieber einen Satz mehr zur Sensorik in Angstmomenten.

„So geht es nicht weiter!“, sage ich. Zu ihr. Zu mir. Weil es stimmt.
Damit würde ich rausgehen. Dieses Treffen ist doch eigentlich Latte, es ist ein Aufhänger, um diese Geschichte zu erzählen. Das mit dem Treffen benötigt keinen Abschluss, ihre Lage kann keinen Abschluss haben (weil er nur in der Zukunft, außerhalb der Geschichte liegen kann, Therapie und so), und dann entlasse den Leser besser mit einem Spannungsmoment. Erkenntnis ist ja durchaus ein Abschluss, sie ist hier an anderer Stelle als anfangs.

Vor mir im Türformat: Balkon vor Kastanie. Zwei Schritte und ich kann den ganzen Innenhof sehen,
Sowas, daran würde ich mich orientieren. Das finde ich richtig, richtig gut. Grad den ersten Teil. 'Im Türformat' ist auch noch herrlich schräg, aber eigentlich - wenn man genauer hinschaut - ist da gar nix Schräges dran, das ist ein ganz regulärer, präziser Satz. Das sind zwei Sätze und erzählen schon eine halbe Geschichte, sind gute Charakterierung. Schön verdichtet, aber nicht krampfhaft.

Ich hatte geglaubt, dass ich heute nach dem Frühstück die Jacke überwerfen, die Tür öffnen und die Wohnung verlassen würde, dass ich aus dem Haus auf die Straße treten und am Hauptbahnhof in den Zug nach Hannover steigen würde. Um 14 Uhr sollte ich dort zum halbjährlichen Mitarbeitergespräch sein, das jetzt wieder in Präsenz stattfindet.
Im ersten Durchgang nehme ich der Erzählerin das ab. Im Nachhinein kann ich das nicht glauben (sie ist ja selbstreflektiert und war seit 2 Jahren nicht draußen, so grundlos - also 'ich hab ja in der Therapie gelernt / da ging das auch etc' - sollte sie das nicht meinen). Lügst du den Leser hier aus Gründen der Spannung an?

Ich setze mich, fahre den Rechner hoch, an der Wand hängt: Häuserzeile.
Den Satz schnalle ich null, rein von der Semantik her. Rechner / Wand / hängt Häuserzeile? Hä?

Irgendwann wird mein Atem ruhiger und der Schwindel weniger.
Katta! Du bist doch keine Grundschülerin. -> Irgendwann beruhigt sich mein Atem und der Schwindel lässt nach.

Vielleicht magst du ja konzeptionell noch mal an den Texte gehen, würde den dann gern lesen.

Herzlichst,
Katla

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Corwin,
ich hab den Titel jetzt tatsächlich mal rausgenommen und hoffe, es geht sich so aus. Danke dir!

Mir gefällt es.

Ich wäre gespannt, wie der Text klingen würde, wenn du das Hexenbild rausnimmst

Ich hoffe nur, dass du das nicht in Erwägung ziehst.

Für mich ist die Hexe nicht nur ein erzählerischer Kniff, sondern tatsächlich der zentrale USP deines Textes. Ich würde sogar sagen: Sie ist das Element, das deine Geschichte aus der Masse ähnlicher Angst- und Agoraphobie-Texte heraushebt.

Ohne die Hexe rutscht die Erzählung (für mich) viel stärker in das rein realistische Feld – und dort gibt es unendlich viel Konkurrenz. Dann stünde der Text plötzlich im Wettbewerb mit der Frage: Wie akkurat, wie psychologisch differenziert, wie „korrekt“ ist die Darstellung der Angststörung?


Und das wäre schade, denn die Stärke deiner Geschichte liegt für mich nicht in psychologischer Dokumentation, sondern im Zweiklang aus realem Erleben und metaphorischer Überhöhung.


Die Hexe schafft etwas, das rein realistisch kaum erreichbar wäre:

  • Sie externalisiert die Angst, macht sie sichtbar, greifbar, erzählerisch dramatisierbar.
  • Sie öffnet eine zweite Ebene, die über das konkrete Thema hinausweist.
  • Sie erzeugt Bilder, die im Gedächtnis bleiben – das „Monster“ auf der Brust kennt man aus Folklore, Kunst und Märchen (Nachtmahr, Dämon).
  • Sie verwandelt Sarinas innere Not in eine Figur, die Macht hat, die man bekämpfen kann, die man am Ende überwindet.

Gerade dieser Märchen-/Mythenton, dieses „Hänsel und Gretel im Hexenhaus“-Gefühl, gibt deiner Geschichte etwas Eigenes, eine Signatur.
Sie wirft sofort die Frage auf: Wer ist hier eigentlich die Herrin des Hauses – die Erzählerin oder die Hexe, die sie „gefangen“ hält?


Dieses Machtspiel im Vertrauten, dieses Gefangensein im eigenen Zuhause, bekommt durch die Figur der Hexe eine Wucht und Bildhaftigkeit, die weit über reine Symptomschilderung hinausgeht.

Ohne die Hexe wird es nur konventioneller, aber gleichzeitig schwieriger umzusetzen.

Gruß,
Corwin

 
Zuletzt bearbeitet:

  • Sie externalisiert die Angst, macht sie sichtbar, greifbar, erzählerisch dramatisierbar.
  • Sie öffnet eine zweite Ebene, die über das konkrete Thema hinausweist.
  • Sie erzeugt Bilder, die im Gedächtnis bleiben – das „Monster“ auf der Brust kennt man aus Folklore, Kunst und Märchen (Nachtmahr, Dämon).
  • Sie verwandelt Sarinas innere Not in eine Figur, die Macht hat, die man bekämpfen kann, die man am Ende überwindet.
Hallo @Corwin ,

klar. Aber dann benötigt man einen auktorialen oder auktorial-personalen Erzähler.

So mit der ersten Person funzt das doch null - das ganze Konzept geht nicht auf. Es ist ein Problem der Perspektive, nicht der Symbole, Motive etc. Deine Kritik an meiner Kritik geht total an meinem Argument bzw. dem Sachverhalt vorbei.

@Katta Ich meinte das alles im Sinne von: Form Follows Function. Das passiert im Moment noch nicht. Ich denke, die Hexe ist an sich ein gutes Motiv/Symbol, aber bei dir zu albern, slapstickig, das knirscht im Getriebe. Die Hexenbilder sind nicht die sprachlich-stilistischen Glanzpunkte, sondern die realistischen Sequenzen. Ich mag ja phantastisch erscheinende Elemente grundsätzlich auch lieber, aber hier ist es imA dem Text null zuträglich.
Es ist zu künstlich / verkünstelt für eine aktute Angstsituation - wenn Symbole (v.a. bereits weiträumig etablierte) für etwas verwendet werden, anstatt direkt das Körpergefühl und das fragmentierte Denken wiederzugeben, in einer adäquaten Sprache. So wie es steht, bedeutet es ja, dass reflektiert wurde, abstrahiert, verglichen mit bildender Kunst und Folklore, als Dialogpartner auch noch - das ist doch bereits längst aus der Situation draußen. Ginge mit einem Erzähler, der die Distanz bereits hat, nicht (so stark/akut) beteiligt ist, eine eigene Sicht darauf hat, anstatt direkt die Sicht der Betroffenen einnehmen zu müssen. Bei den Symbolbildern sehe ich nicht deine Stärke - eben auf dieses Vorhaben bezogen (nicht allgemein, dein Horrortext funzte es ja besser). Ähnlich wie hier ging es mir übrigens mit deinem Treppentext - die Ebenen Symbol und Emotion greifen noch nicht nahtlos - oder teils überhaupt nicht - zusammen.

:-) Katla

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom