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Babylon

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05.07.2020
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Babylon

Als Georg vor ein paar Tagen weinend nach Hause kam, nahm ihn sein Vater in die Arme. Ein Streit unter Gleichaltrigen auf dem Pausenhof. Ein aufgeschürftes Knie, ein dummer Spruch, eine Ohrfeige. So etwas hatte es zu seiner Zeit auch gegeben, dachte Georgs Vater. Doch damals war nicht heute.
Sie gingen den Fußgängerweg entlang. Er begleitete seinen Sohn gerne zur Schule. Etwas Zeit, den zwitschernden Vögeln zuzuhören und sich zu unterhalten. Georgs Vater genoss jede Minute, die er mit seinem Sohn verbrachte. Und wenn sich Georg auf dem Weg ins Schulhaus noch mal zu ihm umdrehte, um zu winken, hatte ihn das früher über den ganzen Tag getragen. Mittlerweile war das anders.

„Als ich ungefähr in deinem Alter war, kostete ein Eis eine Mark und fünfzig Pfennig“, sagte er.
„Im Sommer saß ich gerne auf dem Rasen im Freibad in der Sonne, sah den Mädchen beim Schwimmen zu und lutschte mein Eis. Heute kostet ein Eis an der Tankstelle drei Euro und schmeckt nach Wasser und Farbstoff. Die Welt ist nicht mehr dieselbe wie noch vor zehn oder zwanzig Jahren, weißt du? Die Dinge verändern sich. So wie du von Tag zu Tag größer wirst, dreht sich auch die Welt um dich herum weiter.“
Er machte eine Pause und dachte an diese Videos. Intense trench-warfare POV footage, Massenschlägerei 1 auf einem Dorffest in Südthüringen, Massenschlägerei 2 auf einem Schulhof in Kassel, ein Imagefilm, in dem zwei Dutzend muskelbepackte Anfang Zwanzigjährige sich dabei filmten, wie sie morgens um halb fünf oberkörperfrei im Schnee Liegestützen machten und sich anheulten. Sie nannten sich das Rudel. Jeden Abend sah er sich diese Videos an. Jeden Abend klappte er irgendwann seinen Laptop zu, legte sich ins Bett und konnte nicht einschlafen. Gestern hatte er versucht, sich mit einem Porno auf seinem Smartphone zu entspannen. Irgendwann hatten die Darstellerinnen begonnen, sich mit Exkrementen einzureiben und er hatte abgebrochen. Als sein Sohn ihn heute Morgen vom Frühstückstisch mit einem Mund voller Schokomilch angegrinst hatte, war ihm direkt wieder schlecht geworden.
Deshalb sagte er: „Leider hat sich die Welt ein bisschen zu weit gedreht, Georg. Leider ist alles ein wenig aus den Fugen geraten.“ Er sagte: „Damit müssen wir uns abfinden“, und dachte an sozial verwahrloste Familien aus den Brennpunktbezirken der Stadt. An Jugendliche, die zwischen leeren Energydrinkdosen und benutzten Pizzakartons herumsaßen, den überforderten Eltern feixend ihre Zwillen zeigten und gelangweilt angaben damit Stahlkugeln auf Hunde zu schießen. Er kannte solche Familien. Ein paar davon schickten ihre Kinder auf Georgs Schule. Beim letzten Elternabend hatte ihm so jemand gegenüber gesessen. Er hatte sich vorgestellt, wie Georg und deren Tochter in der Schule nebeneinandersitzen mussten. Am Abend hatte er seinen Sohn so lange auf Läuse untersucht, bis ihm seine Frau gesagt hatte, dass er spinne und gefälligst das Kind in Ruhe lassen solle.

Er sagte: „Man muss sich auf alle Gegebenheiten einstellen, Georg. Die letzten Jahre waren schlimm. Aber wer weiß, was noch passiert? Vielleicht ist morgen die nächste weltweite Lungenkrankheit im Anmarsch? Vielleicht entwickelt sich im Moment irgendein potenziell tödlicher multiresistenter Keim im antibiotikaverseuchten Fleisch, das wir täglich im Supermarkt in unsere Einkaufswägen schmeißen? Die haben das Kiffen legalisiert, Georg, während in den Staaten schon ganze Straßenzüge voll halb toter Abhängiger sind. Und ganz theoretisch könnte gerade irgendwer zwischen Morgen- und Mittagsgebet bunte Kabel in einen Klumpen Plastiksprengstoff stecken. Nicht, dass das wirklich alles passieren muss, aber es könnte passieren und genau das ist der Punkt. Die Welt hat sich verändert. Sie ist unsicher und gefährlich geworden, sogar hier bei uns.“
Georg sah seinen Vater mit großen Augen an. Mittlerweile waren sie bei der Schule angekommen.

„Stell dir vor, wir beide stehen an einer Wegkreuzung. Einer Abzweigung, an der sich die Straße in verschiedene Richtungen teilt. Da müssten wir uns wohl entscheiden, wo wir lang wollen, stimmts?“
Georg nickte vorsichtig.
„Solche Entscheidungen gibt es auch im Leben. Als ich deine Mama geheiratet habe, war das zum Beispiel so eine Abzweigung. Ich habe mich damals für eine Richtung entschieden. Und am Ende standest dann du, kleiner Mann und hast auf uns gewartet.“ Er tippte Georg gegen die Brust und lächelte. Schnell wurde er wieder ernst.
„Und vor einer ähnlich wichtigen Entscheidung stehen wir jetzt. Vor einer wichtigen Abzweigung für dich, Georg.“
Er beugte sich zu seinem Sohn herunter und legte eine Hand auf dessen Schulter.
„Aber keine Angst, Sportsfreund. Du bist noch klein und deshalb helfe ich dir dabei, in die richtige Richtung zu gehen.“
Ein paar Nachzügler aus Georgs Klasse liefen an ihnen vorbei. Auf ihren viel zu großen Rucksäcken waren grüne Dinos und rote Sportautos gedruckt. Gemütliche Bären mit schwarzen Sonnenbrillen prangten auf Turnbeuteln und winkten. Misstrauisch sah Georgs Vater ihnen hinterher. Eine Generation von Kindern, die darauf getrimmt wurde, sich ab dem Sandkasten gegen ihre Konkurrenten durchzusetzen, um sich im späteren Leben die besten Plätze zu sichern. Er dachte an Drittklässler, die mit Smartphones ihre Mobbingopfer filmten, um schon mal die zukünftige gesellschaftliche Rangordnung festzulegen. Gewaltaffin und empathielos geworden durch zahllose Livestream-Übertragungen von Massenerschießungen irgendwo am anderen Ende der Welt. Er dachte an die jungen Verlierer dieser Verteilungskämpfe, die, von Rache getrieben, Ziegelsteine von Autobahnbrücken in die Windschutzscheiben voll besetzter Familienautos warfen. Die freitagabends Obdachlose anzündeten, sich montags in Jugendstrafeinrichtungen wiederfanden und als einige der wenigen Lektionen eine lebenslange Methamphetaminsucht mitnahmen. Für den Anfang reichte manchmal eine einfache Demütigung auf dem Schulhof. Er hatte die Regeln nicht gemacht.

„Was tust du, wenn ein Klassenkamerad dich um einen Stift bittet?“, fragte er. „Du tust den Teufel, ihm einen zu leihen. Denn den siehst du nie wieder. Und wenn sie merken, dass sie das mit dir machen können, dann hast du ein Problem. Denn dann ist es beim nächsten Mal nicht mehr nur ein Stift, sondern dein ganzes Mäppchen, das sie dir wegnehmen. Wenn dir wer blöd kommt, dann komm ihm auch blöd! Zeig ihm nicht, dass du Angst hast, sondern sei mutig und setz dich durch! Es ist ganz wichtig, dass du lernst, dich alleine zu behaupten. Das gehört zum Älterwerden dazu. Vor allem, weil deine Mama und ich nicht immer da sein können. Also wehr dich, auch wenn das bedeutet, dass du vielleicht mit jemandem streiten musst, verstehst du?“
Georg nickte unsicher. Der Gong kündigte den Beginn der ersten Stunde an und sein Vater erhob sich. Sie mussten zum Ende kommen, aber das war in Ordnung. Er glaubte, dass er die richtigen Worte gefunden hatte.
„Also, wenn dich in Zukunft jemand doof behandelt oder sich wie ein Idiot benimmt, was machst du dann?“
Georg presste die Lippen aufeinander und überlegte. Er wollte nichts Falsches sagen.
„Ich … ich wehre mich.“
„Richtig!“ Sein Vater sah ihn liebevoll an und griff in die Tasche seines Mantels.
„Und genau deshalb nimmst du in Zukunft das hier mit“, sagte er und drückte seinem Sohn ein Springmesser mit einer fünfzehn Zentimeter langen Klinge in die Hand.

 
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Hallo @Habentus

Finde den Text gut formuliert und die Ausgangslage sehr interessant. Aber leider hat es für mich nicht funktioniert, der Text hat mich nicht richtig erreicht. Das liegt u.a. daran, dass ich sehr früh eine Ahnung hatte, auf was die Geschichte hinausläuft. Nämlich bereits an dieser Stelle:

Deshalb beugte er sich am heutigen Morgen zu seinem Sohn herunter und fragte: „Weißt du, was eine Abzweigung ist?“
Mir kamen bei der Frage des Vaters folgende Assoziationen:

a. Er rät ihm, zurückzuschlagen und Georg tut das auch
b. Die Geschichte endet so, dass Georg ein Massaker an der Schule veranstaltet bzw. veranstaltet hat (dies hauptsächlich wegen des Tags 'Horror', denke ich)

Jedenfalls war es naheliegend für mich, dass er seinem Sohn da einen falschen Ratschlag gibt, es eben wohl nicht gut endet damit bzw. nicht gut enden kann. Es ist ja dann so ein Mittelding geworden aus a. und b., sage ich mal, aber leider war für mich deswegen etwas die Luft raus. Der Vater zieht sich ja jede Menge Zeug im Internet rein, der scheint auch ein wenig verroht, wenn es auch ironisch ist, dass genau ein Typ wie er dann auf die gleichen Mittel zurückgreift, die er ja wohl eigentlich an der Gesellschaft anprangert. Es scheint mir auch bisschen überzeichnet, zumindest in der hier geschilderten Dichte, klar, mag es alles geben, aber die Norm ist das ja zum Glück nicht. Okay, der Vater hat sich da halt auch echt reingesteigert ...

Ich denke, mir hätte der Text bspw. besser gefallen, wenn der Vater Georg das Messer früher gegeben hätte (muss ja nicht direkt ausformuliert werden, nur angedeutet) und dieser es tatsächlich benutzt hätte, einen Klassenkameraden oder einen seiner Mobber damit abgestochen hätte und der Vater (und der Leser) am Schluss mit dieser Tatsache konfrontiert worden wäre. Das kann ja immer noch passieren bzw. ist es vielleicht naheliegend, der Text lässt es offen, aber mMn nehmen die Schilderungen der Degeneration der (Internet-)Gesellschaft zu viel Raum ein, die sind auch ein wenig wiederholend und steigern sich in einer 2-Girls-1-Cup-artigen (:sconf:) Beschreibung eines Videos. Kurz gesagt: Für mich wird das Thema mir als Leser zu stark aufs Auge gedrückt, durch diese Beschreibungen, weshalb es nicht so richtig wirken kann. Würde es vielleicht versuchen subtiler zu gestalten.

„Was tust du, wenn ein Klassenkamerad dich um einen Stift bittet?“, fragte er.
„Du tust den Teufel, ihm einen zu leihen. Denn den siehst du nie wieder.
Hier bin ich gestolpert, wegen des Zeilenumbruchs. Ich dachte erst, Georg antworte da seinem Vater.

Den Tag 'Horror' würde ich killen. Du hast ihn wahrscheinlich gewählt, weil Du die gesellschaftlichen Zustände als Horror anprangern möchtest, was ja durchaus legitim ist (ich jedoch trotzdem finde, dass wirkt etwas übertrieben), aber mit dem literarischen Genre hat der Text nix am Hut, denke ich.

Beste Grüsse,
d-m

 

Hallo @Habentus,
hat mir sehr gut gefallen. Die Figur des Vater ist sehr gelungen. Ein Spießer, der schlimmer ist als die anderen, vor denen er warnt. Man muss befürchten, dass er sich noch irgendwo in die Luft sprengt.
Im Grunde bin ich selber ratlos, wenn ich die Straftaten verfolge. Ich komme nicht damit klar, dass es soviel Messerdelikte an Schulen gibt. Die Leute machen sich Gedanken und haben Angst. Aber seine Kinder zu bewaffnen ist natürlich der falsche Weg.

Minderjährige kommen ja immer vor den Justizbehörde noch sehr gut weg. Viele wollen da ja was dran ändern, aber in meinen Augen sind sie Opfer ihrer Verhältnisse, in denen sie aufwuchsen. Als ein kleiner Junge mal einen Holzklotz aus großer Höhe auf einen anderen Jungen fallen ließ, ging mir durch Kopf, dass er in seiner Familie wohl viel Gewalt gesehen haben muss, die ihn zu so einer Tat inspirierte.
Gruß Frieda

 

Hallo @Habentus,

einige Kleinigkeiten:

„Weißt du, was eine Abzweigung ist?“
Selbst ein Erstklässler wird das wissen.
Warum nicht direkt einsteigen: Du stehst an einer Abzweigung, du musst jetzt entscheiden ... (das spart die Erklärung von bekannten Fakten).


So wie du von Tag zu Tag größer wirst, dreht sich auch die Welt um dich herum weiter.“
Dieser Vergleich hinkt ein wenig: Ein Aspekt wächst, der andere ist repetativ (das Drehen der Welt bedeutet nicht automatisch eine Veränderung).
' ... so verändert sich auch die Welt um dich herum.'

den überforderten Eltern feixend ihre Zwillen zeigten und gelangweilt angaben damit Stahlkugeln auf Hunde zu schießen.
Meinst du mit "angaben" das Angeben im Sinne von prahlen? Oder "angaben" im Sinne von 'kundtun'?


Er sagte: „Man muss sich auf alle Gegebenheiten einstellen, Georg. Die letzten Jahre waren schlimm. Aber wer weiß, was noch passiert? Vielleicht ist morgen die nächste weltweite Lungenkrankheit im Anmarsch? Vielleicht entwickelt sich im Moment irgendein potenziell tödlicher multiresistenter Keim im antibiotikaverseuchten Fleisch, das wir täglich im Supermarkt in unsere Einkaufswägen schmeißen? Die haben das Kiffen legalisiert, Georg, während in den Staaten schon ganze Straßenzüge voll halb toter Abhängiger sind. Und ganz theoretisch könnte gerade irgendwer zwischen Morgen- und Mittagsgebet bunte Kabel in einen Klumpen Plastiksprengstoff stecken. Nicht, dass das wirklich alles passieren muss, aber es könnte passieren und genau das ist der Punkt. Die Welt hat sich verändert. Sie ist unsicher und gefährlich geworden, sogar hier bei uns.“
Georg sah seinen Vater mit großen Augen an.
Jetzt fehlt nur noch der Satz: 'Und jetzt schlaf friedlich, mein Junge!' ;)

„Was tust du, wenn ein Klassenkamerad dich um einen Stift bittet?“, fragte er.
„Du tust den Teufel, ihm einen zu leihen.
Da dachte ich für einen Moment, dass der Junge antwortet.

Ich denke, in deiner Geschichte gibt es noch eine zweite potentielle Abzweigung: Hat der Junge eine Chance einen anderen Weg als sein Vater zu gehen? Mit etwas mehr Vertrauen in positive Eigenschaften der Mitmenschen? An dieser Stelle steckten noch einige ungenutzte Möglichkeiten gesellschaftliche Dynamiken zu beschreiben im Text.
Dass der Vater selbst beim Stifteverleihen schon Negatives (und eine Eskalation!) erwartet drückt sehr viel aus. Überhaupt ist der Vater eine ambivalente Figur: Einerseits seine Fürsorglichkeit, sein Gewinn durch die Beziehung zu seinem Sohn:

hatte ihn das früher über den ganzen Tag getragen.
andererseits sein Verhalten am Arbeitsplatz, die Beschäftigung mit Dingen, die sein Weltbild unterstützen (ganz so schlimm kann es nicht sein, wenn sich Schulkameraden mit "gemütlichen Bären" in der Schule blicken lassen). Es wirkt schon so, als ob er durch das Messergeschenk zu einer möglichen Eskaltion beiträgt, die er angeblich verachtet.
Insofern ein interessanter Text, es steckt einiges drin, duch kleine Andeutungen wird das Bild deines Protagonisten komplexer, als es durch den Haupterzählstrang wäre.
So richtig horrormäßig empfand ich den Text nicht. Es war klar: Entweder kommt ein grasser Umbruch oder es läuft in die von dir gewählte Richtung.

Gern gelesen,

Woltochinon

 

Hi @Habentus

Ich fand deine Geschichte sehr interessant, aber noch nicht zu 100 % packend.
Die Idee hinter der Geschichte selbst finde ich super! Persönlich finde ich, dass sie grosses Potenzial hat. :-)

Zu meinen wenigen bescheidenen Anmerkungen:

Ich unterstütze die Meinung von @Woltochinon, dass man dem Jungen eine Abzweigung nicht erklären muss. Ausser, du möchtest damit das realitätsfremde Verhalten des Vaters hervorheben. Dies funktioniert mMn jedoch nicht so ganz.

und sagte: Ich wünsch dir einen tollen Tag!“
Fehlt da ein Anführungszeichen?

Mit der Hose zwischen den Beinen saß er am Schreibtisch
Da bin ich gestolpert. Sitzt denn die Hose denn nicht immer zwischen den Beinen? Ich würde etwas wie: "Mit bis zu den Knien heruntergezogenen Hose" oder ähnliches schreiben.

Nudeln und weißer Carbonarasoße im Gesicht
Warum erinnert ihn eine weisse Sosse an einen Exkrementen-Porno? Würde eine Bratensosse oder ähnliches nicht besser passen?

Mit Freude gelesen.
Frohes Wochenende.
Granini

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @deserted-monkey , @Woltochinon und @Granini, und danke euch für eure Zeit und eure Kommentare! Ich gehe mal gesammelt darauf ein, da sich da ja eine gewisse Richtung raus lesen lässt.

Das liegt u.a. daran, dass ich sehr früh eine Ahnung hatte, auf was die Geschichte hinausläuft. Nämlich bereits an dieser Stelle:
aber noch nicht zu 100 % packend.
An dieser Stelle steckten noch einige ungenutzte Möglichkeiten gesellschaftliche Dynamiken zu beschreiben im Text.
Ich kann es nachvollziehen, dass der Text vermutlich schon recht früh offenbart, womit man in naher Zukunft zu rechnen hat. Insbesondere, und hier stimme ich dir @deserted-monkey zu, weil das mit der Abzweigung zu früh kommt. Ich hab mich deshalb dafür entschieden, den Text noch mal umzustellen. Ich hoffe, dass dieser Effekt dadurch ein wenig abgedämpft wird, auch wenn es noch immer derselbe Text, dieselbe Ausgangssituation und dasselbe Ende sind. Denn das wollte ich eigentlich nicht ändern. Tatsächlich ist es so, dass ich diesen Text ziemlich ganau auf den letzten Satz hingeschrieben habe. Ich habe vor ein paar Tagen mal ein paar alte Interviews aus den 80ern und 90ern gesehen. Da gab es so eine ähnliche Situation, dass ein Mann mit seinem Sohn in einer Gaststube saß und interviewt wurde. Und im Hintergrund spielte der Junge dann tatsächlich mit einem Springmesser herum. Irgendwann wurde das dann thematisiert und der Vater sagte dann so nebenbei etwas á la: damit er sich halt wehren kann, ge?
Ich fand das so irre, dass ich dachte, dass man das in eine Story verpacken und überspitzen kann. Also das Ende war sozusagen die Keimzelle das Textes. Und jetzt kann es natürlich sein, dass das auch das Hauptproblem des Textes ist. Denn damit gibts in der Grundüberlegung relativ wenig Varianzmöglichkeiten, es sei denn, ich würde einen anderen Text schreiben.
Ich muss aber auch zugeben, dass ich, obwohl ich eure Kritik ernst nehme und auch nachvollziehen kann, eigentlich einigermaßen zufrieden damit bin. Ich werde daher jetzt mal den Text ein wenig umstellen und mal sehen, wie das wirkt.
Vielleicht denke ich mit ein paar Tagen Abstand dann auch noch mal ganz anders darüber.

Dass der Vater selbst beim Stifteverleihen schon Negatives (und eine Eskalation!) erwartet drückt sehr viel aus. Überhaupt ist der Vater eine ambivalente Figur: Einerseits seine Fürsorglichkeit, sein Gewinn durch die Beziehung zu seinem Sohn:
Freut mich, dass das so aber offensichtlich bei dir ankam!
Es wirkt schon so, als ob er durch das Messergeschenk zu einer möglichen Eskaltion beiträgt, die er angeblich verachtet.
Ja, das ist so. Ich wollte den einerseits schon als einen liebevollen und besorgten Vater darstellen, der aber völlig mit den (sicherlich auch negativen) Begleiterscheinungen dieser Tage überfordert ist und immer mehr abdriftet. Außerdem wollte ich den schon auch als eine Person darstellen, die durch seine Weltsicht und sein sozialdarwinistisches Weltbild die Entwicklungen, die er kritisiert, natürlich auch mit vorantreibt.


Sicher ist das überspitzt und vermutlich habe ich schon auch sehr dick aufgetragen. Ich dachte aber, dass es durch die Kürze des Textes gerade noch so funktioniert.

Nun noch ein paar Worte zu der Horror-tag-Diskussion. Es ist ja schon so, dass da jetzt nicht so die klassischen Horrorthemen behandelt werden. Andererseits frage ich mich schon, wo man so einen Text, der ja deutlich überspitzt, einordnen soll. Ich finde ja, dass Horror ein sehr weites Feld ist. Komm und sieh? Für mich ein Horrorfilm. Weil er echten Horror darstellt. Funny Games? Aber sicher! Ich lass den Tag jetzt erst mal stehen, auf die Gefahr hin, auch von anderen eines Besseren belehrt zu werden. Für mich macht der aber im Moment noch Sinn.


Hallo @Frieda Kreuz und danke auch dir für deine Zeit und deinen Kommentar! Freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat!

hat mir sehr gut gefallen. Die Figur des Vater ist sehr gelungen. Ein Spießer, der schlimmer ist als die anderen, vor denen er warnt. Man muss befürchten, dass er sich noch irgendwo in die Luft sprengt.
Haha, stimmt. Wäre durchaus möglich und vlt ja auch eine Geschichte wert :)

Viele Grüße und ein schönes Wochenende an euch!
Habentus

 

Doch damals war nicht heute.

ist eigentlich eine Weisheit aus der Binse, so wie ja auch heute nicht bereits morgen ist, aber,

lieber Habentus,

die bloße Zahl des Possessivpronomens „sein“ verquickt mit dem Substantiv „Sohn“ lässt mich fürchten, der Vater (oder der Autor?) fürchtet vor allem um die Eigentumsordnung … Lass doch mal den Sohn mit schlichtem Artikel „Sohn" sein.

Die Welt ist nicht mehr dieselbe wie noch vor zehn oder zwanzig Jahren, weißt du? Die Dinge verändern sich.
Veränderung tut aber doch Not -

von der politischen Lage bis hinab nach Thüringen (oder überall sonstwo) und einen jeden Schul- und Hinterhof.

Hier nun möcht’ ich eine kleine Änderung vorschlagen, um Verwirrung durch das gedoppelte Possessivpronomen

Er beugte sich zu seinem Sohn herunter und legte eine Hand auf seine Schulter.
zu vermeiden – also besser
Er beugte sich zu seinem Sohn herunter und legte eine Hand auf dessen Schulter.

Auf ihre[n] viel zu großen Rucksäcken waren grüne Dinos und rote Sportautos gedruckt.

Was das Messer am Ende angeht erinnere ich mich daran, dass ich als Pfadfinder ziemlich früh ein eigenes Fahrtenmesser hatte, unter dessen Lilie am Griff das Hakenkreuz lauerte (irgendwann hatte ich die Lilie „weggekratzt“ oder „...geschabt“.

Gern gelesen vom

Friedel,
der noch einen angenehmen Restsonntag wünscht!

 

Hallo @Friedrichard

danke für Besuch und Kommentar!

die bloße Zahl des Possessivpronomens „sein“ verquickt mit dem Substantiv „Sohn“ lässt mich fürchten, der Vater (oder der Autor?) fürchtet vor allem um die Eigentumsordnung
Da magst du beim Vater in der Geschichte durchaus richtig liegen. Beim Autor allerdings ziemlich daneben. Der ist eher darüber besorgt, dass sich die Eigentumsordnung absehbar wohl nicht ändert.

Veränderung tut aber doch Not -
So ist es. Nun ist der Vater hier aber der Meinung, dass die Veränderungen, die er in seinem Wahn verstärkt wahrnimmt, zu weit gehen. Ohne dabei vlt wahrzunehmen, dass es eher Symptome einer Gesellschaft sind, die sich gar nicht so sehr verändert.

Grüße gehen raus!

 

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