Die süße Last der Passivität.
Sex. Ich brauche heute noch Sex. Zwingend. Jeder Gedankengang meines hormongeschwängerten Hirns mündet in der Sexualsackgasse. Mein Organismus ist in diesem Zyklus nicht wählerisch, der reifer werdende Unterleib verschleudert hysterisch seine verbliebenen Eier und kocht meinen Kopf auf großer Flamme.
Die Welt besteht nur noch aus behaarten Männerarmen, Bartstoppeln, Adamsäpfeln, über Beinmuskeln gestrafften Jeansstoff.
Sehe ich eine Blumenwiese, nehme ich sie nicht als Frühlingsschönheit wahr, sondern sehe nur meine Schenkel, unter der Männerlast gespreizt, aus ihr heraus ragen. Ich spüre förmlich das schneidend harte Gras an meinem Po, fühle die in ihrem Tagesablauf gestörten Insekten aufgescheucht und kopflos über meinen Körper huschen. Zerdrückte Armeisenbauten haben ein ganzes Volk aufgescheucht, rot, natürlich sind es die Roten. Die Kriegerinnen bespritzen mich mit Ameisensäure, die Kita-Mitarbeiterinnen schultern die Puppen. Geordnete Unordnung, alles flieht unter meiner rhythmischen Brachialphantasie.
Lächelnd solidarisiere ich mich gedanklich mit der Ameisenkönigin. Die unzählig befruchtete Eier in sich trägt, Millionen Samen in sich verwaltet. In mir scheint nicht nur ein Ei zu reifen, nein, Trillionen füllen meinen Unterleib und schreien der Befruchtung entgegen.
Ruhig, Du bist ein Mensch. Und willst unbefruchtet bleiben. Kurz schließe ich die Augen und wische mir den Sexualtrieb lässig von den Augenbrauen.
Mich auf mein Pokerface verlassend gehe ich weiter, an der Seite der Person des Begehrens. Übe mich im alltäglichen Habitus. Ich höre das Geräusch von knirschendem Schotter unter Männerschuhen.
Aus den Schuhen werden Stiefel, aus dem Mann der Soldat, der Stiefel drückt mein erhitztes Gesicht auf den staubigen Weg. Ich spüre die spitzen Steine an meiner zarten Haut und rieche den Staub. Der Stiefel, an dem ein grausamer Mann hängt, schiebt mich nach vorne. Steine reißen meine Haut auf, schneiden sich in mein Gesicht. Es werden nässende, entzündete Wunden zurückbleiben, vielleicht sogar Narben.
Ich schüttle meinen Kopf wie ein Hund mit Wasser in den Ohren, um die Bilder zu verscheuchen.
Wir betreten den Wald. Raus aus der Sonne, die mit ihrer Spätfrühlingsgewalt meine Hormone auf peitscht, wie eine grausame Herrin.
Die Kühle des Waldes, mit seinen unzähligen Grüntönen beruhigt mich schlagartig. Mein Herz wird ruhiger, meine Gedanken alltäglicher.
Bis, ja bis ich mir den Knöchel an einer Brombeere reiße, der Schmerz bringt die ganze Maschinerie wieder zum laufen, genervt beobachte ich dem Verfolgungsfilm der armen, barfüßigen Frau im Wald, ja, toll, Klassiker. Klar.
Schluss jetzt!
Eine Heimfahrt und etliche Vergewaltigungsphantasien, angeregt von vorbeiziehenden Schuppen, grobschlächtigen Bauern, mir entgegen gereckten Fahrradfahrerärschen, Waden, die vor Muskeln strotzen, hoch geschobenen karierte Männerhemden lässig Mistgabeln tragende Arme, später, sitze ich auf dem Sofa.
"Kann ich was für Dich tun?" "ja, fick mich", schreit mein geschundener Körper, "Wasser bitte", sagt mein Mund.
Denn die sexuelle Passivität zwingt mich dazu zu warten, zu hoffen, gute Mine zum bösen Spiel zu machen.
"Hunger?" "Ficken"-denkend, "ja"-sagend. Warten.
Verdammt, ich will jetzt einfach selber anfangen wild zu knutschen und mich an seinem Reißverschluss zu schaffen machen.
Aber nein, wenn ich will und er muss, macht es mir ja selber keinen Spaß. Zumal er nicht müssen will. Ich aber schon. Und das heute noch, bitteschön!
Eine gefühlte Ewigkeit später liege ich im Bett, in seinem Arm. Heiße, stille Stoßgebete gen Himmel schickend.
Zaghaft und natürlich vollkommen unaufdringlich versuche ich es mit ein bisschen Po entgegen recken. Aber sachte, nicht das es gewollt wirkt, so zufällig wie möglich.
Nichts.
Ok. Am liebsten würde ich jetzt still wimmern.
Bitteln-betteln geht aber nicht, obwohl mir danach wäre, aber das ist weit unter meiner Würde.
Zart berühre ich mit den Lippen seine Hand.
Nun passiert alles gleichzeitig, sein Daumen zwängt meine Zähne auseinander und ich spüre, ohhhh, ich spüre eine Gewissheit im Rücken.
Eine unsägliche Erleichterung und Vorfreude macht sich breit, das Jubeln unterdrücke ich und mime die Überraschte.