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Fluch der Unsterblichkeit

MRG

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12.03.2020
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Fluch der Unsterblichkeit

„Hilf mir, dem Tod zu entkommen.“ Garlocks goldenes Medaillon mit dem fünfzackigem Stern brannte sich in seine Brust ein. Viele Jahre lang hatte er sie gesucht, immer mit der Hoffnung, ihr seine Seele anzubieten.

Endlich hatte er sie gefunden – die Legenden waren wahr. Nur sie würde ihm das unendliche Leben schenken können. Er stand vor dem Eingang der dunklen Höhle und war bereit, bis zum Äußersten zu gehen. Die Abspaltung der Seele war jedoch, ein schwieriger Prozess und ein gut gehütetes Geheimnis. Es hatte ihn ein Vermögen und viele Jahre seines Lebens gekostet, bevor ihn ein Alchemist eingeweiht hatte. Noch heute erinnerte er sich an dessen runde Kopfbedeckung, die mit einer Hahnenfeder verziert war. Er hatte sich nichts dabei gedacht.
Mit einer raschen Handbewegung griff er in den Lederbeutel an seinem Gürtel, auf dem das Symbol der Weiblichkeit eingenäht war. Zum Vorschein kam eine Kristallflasche. Mit einem ruckartigen Schluck leerte er sie. Kurz darauf fühlte er, wie seine Seele Feuer fing.
„Zeig dich mir!“ Vor Erregung überstürzte sich seine Stimme.
Aber es kam keine Antwort.

Langsam bewegte er sich in das Innere der Höhle. Eine böse Vorahnung stieg in ihm auf, erreichte sein Herz, dann seinen Kopf. Das Gefühl drohte ihn zu überwältigen, aber seine Entscheidung war gefallen und es gab kein Zurück. Er ging weiter in die Dunkelheit.
Mit schwindenden Kräften sagte Garlock: „Mach mich unsterblich, Herrin. Ich biete dir meine Seele an.“ Dann hörte er die lang ersehnte Antwort.
„Du suchst nach Unsterblichkeit?“ fragte eine Stimme aus der Schwärze. Garlock kam es so vor, als würde sie ihn aus allen Richtungen erreichen.
„Ja, Herrin. Das ist mein sehnlichster Wunsch. Hilf mir, dem Tod zu entkommen.“
„Du wirst nie wieder sterben können, für immer leben. Du wirst deine Seele verlieren, wenn du diesen Pakt eingehst. Weißt du, was es bedeutet, seine Seele zu verlieren? Bist du bereit dafür?“

Garlock hatte den Eindruck, dass die Stimme zu tief für eine Göttin war. Er hatte sich die Stimme von Venus, der Göttin des Lebens und der Weiblichkeit, höher vorgestellt, mehr wie eine helle Glocke. Doch es musste sich um einen Irrtum handeln. Er redete sich ein, dass seine verzerrte Wahrnehmung dafür verantwortlich sei. Unbewusst berührte er sein Medaillon, den fünfzackigen Stern, mit dem Zacken nach oben - das Symbol des Lebens.
„Ja, ich bin bereit. So gib mir endlich die Unsterblichkeit, Herrin!“
Der Schmerz in seiner Brust nahm immer weiter zu, dann explodierte ein weißes Licht vor Garlocks Augen und er verlor für immer sein Bewusstsein, aber niemals sein Leben.

Noch viele tausend Jahre später, lachten die Schulkinder über den alten Mann, der unter der Brücke neben dem Eingang der Müllhalde wohnte. Wenn Sie morgens im Schulbus fuhren, dann sahen sie ihn immer, wie er mit leeren Augen auf die Straße starrte. Jeden Morgen befand er sich ungefähr an der gleichen Stelle. Eines morgens im Sommer hatte der Bus einen Motorschaden und musste an der Müllhalde einen Halt einlegen. Als die Kinder ausstiegen wegen der Hitze und auf den Ersatzbus warteten, sprachen sie den alten Mann an. Aber er schaute nur weiter vor sich hin, sprach kein Wort und die Kinder dachten, er sei nicht recht bei Verstand.

Fast kam es ihnen so vor, als sei sein Körper nur eine leere Hülle - ohne jegliches Leben darin.

 

Hallo Rob,

danke für deine Rückmeldung.

Deine Anregung (Zitat) hat mir gut gefallen, so habe ich bislang noch nicht darüber nachgedacht. Vielen Dank für die neue Perspektive!

Besser wäre es, wenn wir diese Situationen beim Lesen erleben würden, dafür müsstest du eine entsprechend längere Geschichte draus machen.

Stehe momentan noch am Anfang des Schreibens von Kurzgeschichte, daher war das Ziel etwas zu "beenden". Den nächsten Schritt sehe ich auf jeden Fall auch in einer längeren Geschichte.

Funktioniert für dich die Botschaft des Textes? Fühlt er sich rund an (bis auf den letzten Satz)?

 

Hallo @MRG,

Obwohl deine Geschichte mehr wie ein Ausschnitt aus einer längeren Geschichte wirkt, fand ich sie ganz gut. Das Ende hat mich nur etwas gestört, weil man sich auf einmal in der Neuzeit wiederfindet. Ein Zeitwechsel in einer so kurzen Geschichte finde ich nicht so gut. Aber das ist nur mein empfinden.

Ich mag dein Schreibstiel, es liest sich flüssig, nur die vielen Absätze stören. Vielleicht formatierst du den Text noch mal um, dann wirkt er schon mal ruhiger fürs Auge ;).

Eine frage hab ich aber zur Geschichte: Steht Garlocks für tausend Jahre an der selben Stelle?

Für deinen ersten Versucht, hast du dich gut geschlagen. Weiter so.

VG
Schwinge

 

@Silberschwinge: Danke für deine Rückmeldung. Die Idee mit der Formatierung ist mir bislang noch gar nicht gekommen, habe in der Form noch nie darüber nachgedacht. Aber beim erneuten Lesen hast du einen wichtigen Punkt getroffen. Das werde ich auf jeden Fall für meine weiteren Geschichten übernehmen. Hast du eine konkrete Idee, wann man einen Absatz machen sollte?

Garlock steht nicht fest an einer Stelle, aber bewegt sich immer um die Höhle herum (die jetzt die Müllhalde ist). Das war zumindest die Idee dahinter.


@Rob: Sehr wertvolle Hinweise für mich, vielen Dank für deine Mühe. Das szenische Schreiben werde ich auf jeden Fall ausprobieren - wobei ich mir das als Herausforderung vorstelle.

Das Prinzip des "show, don´t tell" finde ich interessant, aber gleichzeitig auch schwierig umzusetzen. Mir fällt es schwer, zu entscheiden, wie viele Informationen nötig sind oder nicht. Ich denke, dass wird sich durch Übung verbessern und daher arbeite ich einfach weiter. Danke für deine Anregungen.

 
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»Nicht an sich denken, das macht ja der andere schon.«
Anke Engelke auf die Frage»was ist Liebe«
im Zeitmagazins Nr. 52, 2013​

»Innerhalb der winzigen Elite der Milliardäre, die die Cloud-Computer betreiben, herrscht der laute, zuversichtliche Glaube, dass die Technologie sie eines Tages unsterblich machen wird. Google zum Beispiel finanziert eine große Organisation mit dem Ziel, "den Tod zu überwinden". Und es gibt viele Beispiele mehr. Ich kenne einige der Hauptbeteiligten der Anti-Tod- oder posthumanen Bewegung, die im Herzen der Silicon-Valley-Kultur sitzt …
...
Die Arithmetik ist klar. Falls die Unsterblichkeitstechnologie, oder auch nur eine Technologie der drastischen Lebensverlängerung zu funktionieren beginnt, müsste sie entweder auf die kleinste Elite beschränkt bleiben oder wir müssten aufhören, Kinder in die Welt zu setzen, und in eine unendlich fade Gerontokratie übergehen. ….« sagte Jaron Lanier in seiner Rede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am 12. Oktober 2014 in der Frankfurter Paulskirche, (vollständig in: Blätter für deutsche und internationale Politik 11/2014, S. 42 ff., sicherlich auch im Netz, und mehr dazu hierorts unter Arbeit, Konsum und Freiheit – Schiller, Marcuse, Lanier: „Der eindimensionale Mensch“)

„Hilf mir, dem Tod zu entkommen[!]“

Moin @MRG

ich schau mir gelegentlich die Anfänge / das Debut eines jeden hierorts an, den ich gerade „entdeckt“ zu haben glaube, denn zumeist offenbart schon der Start das Talent, das in einem ruht – und sei‘s als ein unbehauener Block.

Seltsam genug, hab ich dieser Tage Dokumentationen über unsere Vor- ...- Vorfahren in Afrika gesehen, Menschenaffen, die den aufrechten Gang übten und erste Werkzeuge (mit der/[dem] Hand[werk] als dem natürlichsten) zu nutzen lernten (und sei‘s nur ein Stein, der sowohl eine harte Schale sprengen kann wie ein gefährliches Raubtier oder einen Konkurrenten der eigenen oder fremden Gruppe töten. Handwerk geht einher mit den Ursprüngen des Krieges., insofern ist die "Venus" als Beziehungskiste zum "Ares" mitzudenken).
Die interessanteste These i einer der Dokumente ist aber die Erklärung zum „aufrechten Gang“, der gemeinhin mit der weiten Sicht im Grasland in Verbindung gebracht wird – bei der dort gezeigten Gruppe unserer Vorfahren aber buchstäblich im Wasser begann, denn der Auftrieb in Küstengewässern bildete eine Art natürlicher Krücke/Stütze und man hat urmenschliche Reste gefunden, die schon für diese menschl. Frühzeit Trauer belegen und zu der Zeit wurde sicherlich neben der Trauer die Vision des ewigen Lebens als Antipode zum endlichen Dasein geboren.

Da scheint mir „Garlock“ ein Exemplar zu sein. Insofern hazze getz – wie et schon ma‘ im Rualatein zwischen Rhein, Rua und Lippe heißt – ‘n Stein bei mich im Brett (bei uns zählt der Mörder des Genitivs selbst unter die bedrohten Arten mit den Versen „mir und mich verwechsel ich nich, dat kommt bei mich nich vor. Ich hab‘n klein‘ Mann im Ohr, der sacht mich allet vor.“)

Ich tipp mal drauf, dass Du durch den Fund einer Frauenfigur, der „schwäbischen Venus“, 2009 inspiriert wurdest ...

Aber nun zur späten Flusenlese

Garlocks goldenes Medaillon mit dem fünfzackigen Stern brannte sich in seine Brust [ein].
Nee, ohne nachgestellte Vorsilbe wäre G.s Karriere schon verbrannt. sich tief einprägen = unvergesslich bleiben

Er stand vor dem Eingang der dunklen Höhle und war bereitKOMMA bis zum Äußersten zu gehen.

Das Komma kannstu Dir hier holen
Die Abspaltung der Seele war[…] jedoch, ein schwieriger Prozess und ein gut gehütetes Geheimnis.

Kurz darauf fühlte erKOMMA wie seine Seele Feuer fing.
Komma, weil „wie“ einen vollständigen Satz einleitet
Hier schnappt dann mal die Fälle-Falle zu

Unbewusst berührte er sein Medaillon, de[n] fünfzackige[n] Stern, mit dem Zacken nach oben - das Symbol des Lebens.

Um es kurz zu machen: Mit dem "prä"historischen kleinen Text hastu einen Nerv in mir getroffen, den andere "einen Stein im Brett" haben titulieren!

Tschüss

FRiedel

 

Mahlzeit @MRG,

hm, das Thema ist wohl so alt wie des Menschen erwachtes Ich-Erkennen. Aber egal, ja, liest sich wie ein kurzes Gleichnis, das man tatsächlich Schülern präsentieren kann, wenn es darum geht, warum man sein Rückgrat nicht verkauft (an Mafia, Lobbyisten, Ideologien, was auch immer). Weil man eben als leere Hülle zurückbleibt und starr auf seine Kontoauszüge stiert (als Beispiel). Aus mir nicht näher bekannten Gründen habe ich den Rucksack mit Seele drin und Glaube und so schon als Kind übers Brückengeländer in die Wutach-Klamm geschmissen. Nutzlos.

Aber natürlich gibt das Thema literarisch bzw. künstlerisch immer was her. Und du hast es gut umgesetzt. Du kannst schreiben und ich sehe viel Talent. Kurzer Text, vielleicht eine Fingerübung, eine Idee zwischendurch oder der Ausschnitt von Größerem, das ist erst mal egal.

Griasle
Morphin

 

Hallo @ MRG

Ich fand deine Geschichte toll geschrieben. Die vielen Absätze sind vielleicht etwas, dass den Lesefluss stören könnte.
Erinnert hat es mich an das steinerne Herz von Wilhelm Hauff.

Es ist so gut geschrieben, dass ich mir die Geschichte länger gewünscht hätte.

Ich wünsche dir einen schönen Abend
CoK

 

Guten Morgen @Friedrichard,

vielen Dank für deine Zeit und für die Flusenlese, ist überarbeitet.

ich schau mir gelegentlich die Anfänge / das Debut eines jeden hierorts an, den ich gerade „entdeckt“ zu haben glaube, denn zumeist offenbart schon der Start das Talent, das in einem ruht – und sei‘s als ein unbehauener Block.
Das ist ein tolles Kompliment und ich sitze hier vor meinem PC und freue mich. Danke!

Handwerk geht einher mit den Ursprüngen des Krieges., insofern ist die "Venus" als Beziehungskiste zum "Ares" mitzudenken).
Wie interessant, das wusste ich gar nicht.

und zu der Zeit wurde sicherlich neben der Trauer die Vision des ewigen Lebens als Antipode zum endlichen Dasein geboren.
Hast du da einen Aufsatz oder eine Buchempfehlung zu?

Ich tipp mal drauf, dass Du durch den Fund einer Frauenfigur, der „schwäbischen Venus“, 2009 inspiriert wurdest ...
Interessant, dass du das erwähnst. Mich hat vor allem das Symbol der Venus fasziniert und dann habe ich mich etwas in die Thematik eingearbeitet. Ich weiß noch, dass ich damals etwas enttäuscht war, dass das gar nicht so bei den meisten Lesern angekommen war.

Um es kurz zu machen: Mit dem "prä"historischen kleinen Text hastu einen Nerv in mir getroffen, den andere "einen Stein im Brett" haben titulieren!
Das weiß ich zu schätzen und ich kann das auf jeden Fall zurückgeben. Ich frage mich seit heute Morgen, ob ich Schiller nicht doch noch einmal eine Chance geben sollte ...

Vielen Dank für diesen schönen Kommentar, hat mich sehr gefreut.


Beste Grüße
MRG

Guten Morgen @Morphin,

vielen Dank für deinen Kommentar. Ach übrigens mir fällt gerade noch ein, dass ich deine Buchempfehlungen ziemlich genossen habe (besonders die Perle von John Steinbeck fand ich klasse).

hm, das Thema ist wohl so alt wie des Menschen erwachtes Ich-Erkennen.
Ja, es regt mich immer wieder zum Nachdenken an.

Aber natürlich gibt das Thema literarisch bzw. künstlerisch immer was her. Und du hast es gut umgesetzt. Du kannst schreiben und ich sehe viel Talent.
Vielen Dank für das Lob! Ich weiß das sehr zu schätzen. Versuche jedenfalls weiter an meinen Fähigkeiten zu arbeiten. Manchmal habe ich dieses Gefühl, dass ich etwas in mir habe, was ich allerdings noch nicht richtig ausdrücken kann. Gehört wohl zu dem Prozess des Schreibens dazu.

Habe mich über deinen Kommentar gefreut.

Beste Grüße
MRG


Guten Morgen @CoK,

vielen Dank für deinen Kommentar und für deine Zeit.

Ich fand deine Geschichte toll geschrieben. Die vielen Absätze sind vielleicht etwas, dass den Lesefluss stören könnte.
Erinnert hat es mich an das steinerne Herz von Wilhelm Hauff.
Es ist so gut geschrieben, dass ich mir die Geschichte länger gewünscht hätte.
Das habe ich sehr gerne gelesen. Die Absätze habe ich angepasst, danke für den Hinweis.

Vielen Dank für die Blumen!


Beste Grüße
MRG

 

Lieber MRG,

Du fragst

Hast du da einen Aufsatz oder eine Buchempfehlung zu?

hab ich leider nicht, aber seit dem Einstieg von Prof. Lesch u. a. in der Wissenschaftsredaktion hat das ZDF die History u. a. Reihen aufgemotzt und die je knappen halb-/dreiviertelstündigen Beiträge - einer davon, frag mich nicht nach den Titeln, befasste sich mit unseren Vorfahren, wo die Aternative zu Lucy aufgezeigt wurde.

Bis bald zu Schiller & co.,

Friedel,
der jetzt est mal was in den Magen bekommen muss ...

 

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