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Gefangen

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04.02.2010
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Gefangen

Er starrt mich an. Dunkle Augen die tief in den Höhlen liegen, eine scharfe Nase, drei Tage Bart. Er ist nackt und seine Nacktheit widert mich an. Widert mich so sehr an, dass mich das unbändige Verlangen überkommt, ihn zu verletzen, zu zerschneiden, zu zerreißen und diesen ekelerregenden Körper ein für alle mal zu zerstören. Wenn ich könnte würde ich ihm ein Messer in seine Kehle rammen und in herrlich warmem, klebrigen Blut baden.

Er geht. Zurück wo er hergekommen ist. Lässt mich hier in diesem kleinen engen Loch alleine sitzen und auf das Ende aller Tage warten. Seiner Tage. Oder meiner? Ungewiss. Er hat das Licht an gelassen. Wieder einmal. Ich starre auf die gekachelte Wand vor mir. In den Fugen hat sich wegen der Feuchtigkeit Schimmel fest gesetzt. Kaum sichtbar, aber wenn man gezwungen ist eine Fläche so lange an zu sehen erkennt man die Details. Eine kleine Spinne krabbelt schnell in Richtung Decke und umkreist dabei geschickt die eisernen Haken an der Wand.

Er kommt zurück und macht das Licht aus. Um mich herum wieder nur Schwärze. Das leise Summen eines überforderten Ventilators dringt gedämpft zu mir durch, wie überhaupt alles nur gedämpft hier ankommt. Unwirklich. Surreal.

Ich schließe die Augen und denke an Freiheit. Daran wie sie wohl sein muss. Ich kenne keine Freiheit. Habe sie noch nie erlebt. Der Duft der weiten Welt ist für mich nur die abgestandene Luft meines Kerkers, geschwängert von Zigarettenrauch aus dem Nebenraum. Aber ich habe davon gehört. Von der Freiheit. Er hat mir davon erzählt. In den Liedern die er gelegentlich mit seiner schiefen Stimme leise vor sich hin singt wenn er hier ist. Eines Tages werde ich meine eigenen Lieder singen. Vielleicht schon bald.

Er kommt noch einmal herein. Schaltet das Licht ein und wirft einen kurzen, prüfenden Blick auf mich. Er lächelt. Ich hasse es wenn er lächelt, aber um ihn nicht nervös zu machen lächle ich auch. Ein gequältes Lächeln. Er bemerkt es nicht. Schwärze.

Stunden später, von denen ich nicht sagen kann ob sie sich wie Sekunden oder Jahre angefühlt haben weil Zeit keine Bedeutung für mich hat, kommt er wieder. Ich kann es hören. Die Tür geht auf und mit schweren Schritten stolpert er herein. Seine Hand sucht den Schalter. Fährt mit unkoordinierten Bewegungen an der Wand auf und ab. Er findet ihn. Blinzelt, geblendet von der plötzlichen Helligkeit, wendet sich ab und erbricht sich vor meinen Augen. Besoffenes Schwein. Widerwärtiges, dreckiges, besoffenes Schwein.

Dann kommt er zu mir. Stützt sich mit den Händen am Eingang meines kleinen Gefängnises ab und schiebt sein Gesicht ganz nahe an meines. Ich kann seinen Atem riechen. Nach Bier, billigem Rotwein und Erbrochenen. Ich möchte schreien. Möchte ihn packen, ihn an seinen Haaren hier zu mir in meine Zelle zerren, aber ich kann nicht. Und er starrt mich nur mit glasigen, blutunterlaufenen Augen an. Starrt durch mich hindurch. Nimmt mich gar nicht wahr.

Mein Hass steigt ins unermessliche. Ein dunkelroter Schleier legt sich vor meine Augen. Blutlust. Mordlust! Ich werde ihn töten. Jetzt! Meine Hand schnellt vor und ich ignoriere die warnenden Stimmen in meinem Kopf, die mir raten es sein zu lassen. Dieses mal ist es soweit. Diesmal kommt er mir nicht davon. Diesmal nicht. Rechnung bitte, wir gehen! Abrechnung! Einen Moment lang glaube ich, ihn wirklich packen zu können, meinem Gefängnis endlich entrinnen zu können, endlich die lang ersehnt Freiheit genießen zu können. Dann Ernüchterung. Die Hand prallt von der durchsichtigen Barriere ab, die zwischen uns ist. Kein Durchkommen. Kein Entkommen. Keine Chance. Keine Freiheit.

Er blinzelt nur. Schaut verwirrt. Versteht nicht, wer ich bin. Versteht noch nicht einmal, dass es mich gibt und er mich gefangen hält. Versteht nicht, dass das gequälte Abbild seiner selbst, sein eigenes Spiegelbild im Spiegel seines verfluchten Badezimmers, den brennenden Wunsch hat ihn zu töten.

Aber er wird verstehen. Eines Tages. Ich warte.

 

HAllo Hathol,

Es war klar, dass alles auf eine Pointen-Geschichte hinausläuft, aber in dieser Variante kannte ich das Thema noch nicht. Von daher war ich angenehm überrascht.
Allerdings bin ich inhaltlich nicht so ganz überzeugt. Die Abscheu ist mir nicht nachvollziehbar genug geschildert. Da fehlt mir noch der letzte Schliff. Ein bisschen überspannst du auch den Bogen, was an der Grenze zum Betrug am Leser liegt:

Eines Tages werde ich meine eigenen Lieder singen. Vielleicht schon bald.
Das zum Beispiel. Wie passt das mit dem Bild eines Spiegels zusammen. Für mich fehlt da eine Scherbe, die das erklärt. In die Richtung, dass er nur frei sein kann, wenn das Original stirbt, etwas in die Richtung. Aber das der Spiegel Lieder singen wird ... hm
Er kommt noch einmal herein. Schaltet das Licht ein und wirft einen kurzen, prüfenden Blick auf mich. Er lächelt. Ich hasse es wenn er lächelt, aber um ihn nicht nervös zu machen lächle ich auch. Ein gequältes Lächeln. Er bemerkt es nicht. Schwärze.
bei diesem Hass erscheint mir diese Erklärung doch sehr daneben. Weswegen will er den Typen nciht nervös machen?

Stunden später, von denen ich nicht sagen kann ob sie sich wie Sekunden oder Jahre angefühlt haben weil Zeit keine Bedeutung mehr für mich hat, kommt er wieder
Das empfinde ich wirklich als Betrug. Klar, du willst du Fährte unterstreichen, aber in dieser Form stimmt das nicht. Der Spiegel hat doch nie etwas anderes gekannt.

Vielleicht wäre die Geschichte sogar reizvoller, wenn der Spiegel seinen "Peiniger" dazu treiben möchte, dass er auf ihn einschlägt, damit er ausbrechen kann. Dann bekäme auch das Anwidern (nur mit i - ohne e ;) ) eine neue Dimension.

Wie gesagt, interessante Idee, aber da fehlt noch der letzte Feinschliff.

grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Schonmal vielen Dank für die Anregungen.

War nach 10 Jahren (hach ja ... Schule :) ) das erste mal das ich mich wieder an einer Geschichte versucht habe, daher war mir klar dass da noch einiges holpern wird.

Dann will ich auch mal auf deine Kritik eingehen:

Eines Tages werde ich meine eigenen Lieder singen. Vielleicht schon bald.
Es geht ja grundsätzlich nicht um den Spiegel als Sache sondern um das Spiegelbild, das eben frei sein will und auch daran glaubt, eines Tages frei zu sein. Und ich denke ein freies Spiegelbild kann durchaus singen :) Muss ich mir nochmal durch den Kopf gehen lassen.

Er kommt noch einmal herein. Schaltet das Licht ein und wirft einen kurzen, prüfenden Blick auf mich. Er lächelt. Ich hasse es wenn er lächelt, aber um ihn nicht nervös zu machen lächle ich auch. Ein gequältes Lächeln. Er bemerkt es nicht. Schwärze.
Da stimme ich dir voll zu. Muss aber noch sehen was ich damit mache. Evtl. streiche ich es einfach ganz.

Stunden später, von denen ich nicht sagen kann ob sie sich wie Sekunden oder Jahre angefühlt haben weil Zeit keine Bedeutung mehr für mich hat, kommt er wieder
Ok, das mehr ist raus. Da war ich auch lange am hadern ob mit oder ohne und hab die falschen 50% gewählt :)

Ansonsten warte ich noch auf weitere Kritik und werde dann in ein paar Tagen vermutlich nochmal eine ordentliche Überarbeitung anfangen.

Also los, je mehr und härter desto besser. Ich will ja was lernen ;)

Gruß

Alex

 

Hallo hathol nochmal :)

Und ich denke ein freies Spiegelbild kann durchaus singen Muss ich mir nochmal durch den Kopf gehen lassen.
ja klar, kann durchaus ist eventuell quasi möglich - aber dient es der Geschichte? Will meinen, es ist immer schwierig falsche Fährten zu legen, wenn sie sich zu sehr vom realen/Möglichen abwenden. Das kann dazu führen, dass sich der Leser am Ende verarscht fühlt.
Das meine ich jetzt generell, ob du diesen Punkt jetzt unbedingt ändern musst, sei dahingestellt. Aber denk ruhig noch mal drüber nach ;)
Ansonsten warte ich noch auf weitere Kritik und werde dann in ein paar Tagen vermutlich nochmal eine ordentliche Überarbeitung anfangen.
Wenn du dich für eine Überarbeitung entschieden haist, würde ich damit nicht noch länger warten. Je sauberer der Text ist, desto mehr Resonanz erhältst du auch.
Also los, je mehr und härter desto besser. Ich will ja was lernen
Dieses Forum lebt vom Geben und Nehmen ;)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo, hathol!

Eine interessante Idee, hat mir gefallen! Zugegeben, das Ende hat mich überrascht.
Die ausweglose Situation des Gefangenen wurde, in meinen Augen, ausreichend beschrieben.
Nur das Ende, obwohl unerwartete Auflösung, ist mir zu persönlich zu erklärend. Okay, ich hätte wahrscheinlich nicht drauf gekommen, dass es sich um ein Spiegelbild handelt, doch es liest sich ziemlich ungelenk, - vielleicht kann man das irgendwie anders machen?

Zitat:
... gequälte Abbild seiner selbst, sein eigenes Spiegelbild im Spiegel seines verfluchten Badezimmers, ...
Zu viele Wortdoppelungen.

... den brennenden Wunsch hat ihn zu töten.
Das wird aus dem Text davor rausgelesen.


mfg
Geert

 

Hallo hathol

nicht schlecht.

Was mir gut gefallen hat:

Dann kommt er zu mir. Stützt sich mit den Händen am Eingang meines kleinen Gefängnises ab und schiebt sein Gesicht ganz nahe an meines. Ich kann seinen Atem riechen. Nach Bier, billigem Rotwein und Erbrochenen. Ich möchte schreien.

Da bekommt der Leser eine geballte Ladung Ekel ins Gesicht geworfen, so muss das beim Horror sein. ;)

Was ich etwas vermisst habe, war eine konkrete (bzw, konkretere) Handlung.
Die Bilder, die du entwirfst, sind schon nicht schlecht, wenn Du das mit einer "richtigen" Handlung verbindest, kann das richtig toll werden.

Gruß,
Pharmakon

 

Hallo hathol,

mir gefällt die Geschichte gut. Ist eine nette Idee, die ich in dieser Form auch noch nicht gelesen habe. Erst habe ich gedacht, es geht um die Entführung eines Kindes, aber dass es das eigene Spiegelbild ist ... cool.

Vor allem wenn man sie noch einmal liest, fallen nette Andeutungen auf, wie bspw.

Widert mich so sehr an, dass mich das unbändige Verlangen überkommt, ihn zu verletzen, zu zerschneiden, zu zerreißen und diesen ekelerregenden Körper ein für alle mal zu zerstören.

Das finde ich sehr gelungen.

Was man meiner Ansicht nach besser machen kann, ist, wie Pharmakon schon geschrieben hat, eine wirkliche Geschichte erzählen. So finde ich es fast ein bißchen knapp.

Kommen wir nun noch zu ein paar Details:

Wenn ich könnte würde ich ihm ein Messer in seine Kehle rammen und in herrlich warmem, klebrigen Blut baden.

Ein Messer? Warum keine Scherbe?

Er hat das Licht an gelassen. Wieder einmal. Ich starre auf die gekachelte Wand vor mir. In den Fugen hat sich wegen der Feuchtigkeit Schimmel fest gesetzt.

Eine interessante Frage - was geschieht mit dem eigenen Spiegelbild, wenn man nicht vor dem Spiegel steht? Diese Fragestellung finde ich so cool, dass ich vermutlich darum die ganze Geschichte schreiben würde. So finde ich es fast zu simpel - er starrt auf die Wand gegenüber des Spiegels. Wie kann "er" das? Hier würde ich mir einen gruseligen oder schrecklichen Ort ausdenken, an den das Spiegelbild "verbannt" wird - das kann auch der Grund sein, warum "es" ausbrechen will.


Der Duft der weiten Welt ist für mich nur die abgestandene Luft meines Kerkers, geschwängert von Zigarettenrauch aus dem Nebenraum.

Sehr schöne Formulierung.

Ich hasse es wenn er lächelt, aber um ihn nicht nervös zu machen lächle ich auch.

Jaja ... wenn man die Geschichte ein erstes Mal liest, hört sich das komisch an, bekommt aber mit dem Ende eine ganz eigene Bedeutung. Echt gut gemacht, diese Andeutungen, gefallen mir.

Aber er wird verstehen. Eines Tages. Ich warte.

Auch das Ende finde ich gut. Eigentlich wirklich eine gute Geschichte, aber ich denke auch, da kann man noch ein bißchen mehr rausholen.

Viele Grüße.

 

Hallo,

ich fand die Geschichte nicht so gut - aber für die erste nach 10 Jahren, na ja.

Er geht. Zurück wo er hergekommen ist

???

. Der Duft der weiten Welt ist für mich nur die abgestandene Luft meines Kerkers, geschwängert von Zigarettenrauch aus dem Nebenraum.

Klingt unfreiwillig Komisch. Zigarette gefällig?

vor sich hin singt wenn
Komma

. Ich hasse es wenn er lächelt,
Komma

Widerwärtiges, dreckiges, besoffenes Schwein
Zuviel des Guten

endlich die lang ersehnt Freiheit genießen zu
Thema ist abgedroschen, da schon im oberen Abschnitt behandelt

Die Geschichte klingt ein wenig krank, unfreiwillig,
das ist ein bisschen so als wenn man sich über Behinderte lustig macht, ohne das zu erkennen. Verstehst du?
Unglaubwürdig.

Wenn ich könnte würde ich ihm ein Messer in seine Kehle rammen und in herrlich warmem, klebrigen Blut baden.


! Ich werde ihn töten. J

Gruss Hanqw

 

Also erstmal muss ich sagen das mir deine Geschichte gut gefallen hat.
Ich fand sie durchgehend interessant und beim Ende musste ich einfach grinsen.
Tolle Idee!
Was ich eigentlich sagen wollte ist, dass mir die Stelle mit dem Grinsen um ihn nicht nervös zu machen gut gefallen hat.
Weil was könnte einen nervöser machen als wenn das eigene Spiegelbild nicht zurückgrinst :D
Würde ich nicht ändern ;)
Gruß Ben

 

Hi hathol,
coole Geschichte, mit bloody Marry-Anspielung! Gut geschrieben und stimmungsvoll. Nichts zu meckern.

mfg leos

 

Kurze Wortmeldung von mir:

1. Ich hab all eure Kritik gelesen und dankbar angenommen
2. Vielen vielen Dank für das Lob, da rauscht mein Ego in ungeahnte Höhen ;)
3. Ich bin leider momentan mit Studium so sehr gefordert, dass ich den Kopf einfach nicht frei habe um die Geschichte nochmal zu überarbeiten, aber ich habs nicht vergessen :)

Gruß

Alex

 

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