Puh, da hast du aber sehr präzise die Säulen erkannt, die das Gewölbe nicht halten,
lieber @linktofink :-)
und vielen, vielen Dank für Deinen Kommentar.
Ich bin ziemlich überrascht, wie unterschiedlich der Text gelesen wird. Der zentrale Kritikpunkt bleibt die emotionale Nähe. Sie bezieht sich auf die Verdrängung und Verarbeitung des Tods vom Vater. Lea bleibt sehr fern, cool, abgeklärt, was den Tod ihres Vaters angeht.
Beim Schreiben der Geschichte ging es mir aber weniger um den Verarbeitungsprozess einer 14,15-jährigen sondern um ihren Kampf für Autonomie und Selbstbestimmung. Das sollte zentrales Thema sein. Ihr wird die Selbstbestimmung durch die LAPAL-Opferhilfe genommen. Die LAPAL-Opferhilfe kann Lea nur als Opfer betrachten. Eine andere Rolle ist für sie nicht vorgesehen. Das will Lea aber nicht akzeptieren. Sie hat den Willen, sich aus der Opferrolle herauszuarbeiten, sie formuliert es auch, sie reagiert trotzig. Wahrscheinlich denke ich zu kompliziert, aber: Der Kampf ist ihre Art, den Tod des Vaters zu verdrängen. Die Machtlosigkeit, die sie dem Raben gegenüber erfährt - dem Unglücksboten - will sie nicht empfinden. Daher ihre Abneigung gegen Therapie, gegen eine Einrichtung, in der alles von der LAPAL-Opferhilfe bestimmt wird. Daher auch das seltsame Ende, ein Gedenkstein wird eingerichtet, die Halbwaisen haben ihre Plätze einzunehmen. Sie haben sich gemäß einer Opferrolle zu verhalten - das ist das, was Lea nicht will.
Selbstbestimmtes Leben, Lea ist 14, 15, pubertär, sie hat den Willen, sich aus der Welt, in der sie lebt, herauszuarbeiten. Sie weiß aber noch nicht wie:
Was meinst Du mit "den Horizont mit ausgleichender Kraft erreichen?" Heißt, Prota balanciert und wenn er ausgleicht, erreicht er den Horizont, weil die Hand darüber wippt? Oder ist das Fliegen gemeint? Ich krieg dazu kein Bild.
Nein, an Fliegen habe ich überhaupt nicht gedacht. Das Balancieren sollte ihre Willenskraft beweisen. Es ist ja ein sehr stumpfes Training, das Balancieren. Mein Bild war das einer Schiene, die zum Horizont geht. Da geht es um die Frage,
wie sie ihre Zukunft erreichen will. Ausgleichend, diplomatisch oder kämpferisch, "instrumentell aggressiv"? Das muss deutlicher werden, sonst verschwimmt der Text, danke.
Vaters Staub funkelte irgendwie ernster als der helle, kindisch blaue Staub der Abraumhalden
Ernster funkeln? Verbinde ich mit Zorn, seine Augen funkelten vor Zorn. Willst Du das sagen? Der Rabenvater war ein zorniger. Wenn nicht, warum ist das so? Beweis die Behauptung. Vllt. ist er mit Schweiß vermischt und deshalb ernster, weil dunkler?
Der Titel gefällt mir sehr gut, aber - ich werde billig - er ist Effekt. Über die Vergangenheit vor dem Unglück habe ich mir keine großen Gedanken gemacht. Das ist sehr vage, hier fällt es auf die Füße. Der Vater ist nicht böse, er ist nicht wütend. Hm, so gesehen passt der Titel überhaupt nicht. Ich hatte gehofft, dass das verstanden wird. Hier werde ich nochmal arbeiten, die des Vaters stärker herausstreichen. Vielleicht klappts ja.
Vaters Staub funkelte irgendwie ernster als der helle, kindisch blaue Staub der Abraumhalden
Ernster funkeln? Verbinde ich mit Zorn, seine Augen funkelten vor Zorn. Willst Du das sagen? Der Rabenvater war ein zorniger. Wenn nicht, warum ist das so? Beweis die Behauptung. Vllt. ist er mit Schweiß vermischt und deshalb ernster, weil dunkler?
Hier wollte ich den Stolz Leas auf die Arbeit des Vaters darstellen. Eine ernste, wichtige, bewusste Arbeit und keine kindlich-naive. Hm, hat hier nicht funktioniert. Auch das ein Punkt: Wie steht Lea zur Arbeit des Vaters?
Der Wind verteilte ihn über Land, Haut, Kleidung und Gebäuden, bis zum Horizont.
Fände besser, die Aufzählung würde der Blickrichtung folgen. Der Wind verteilte ihn über Haut, Kleidung, Gebäude, blies ihn übers Land bis zum Horizon
Geändert. Merci :-)
Die armen Arbeiterfamilien trugen hellblaue Kleidung, wegen des Waschens, der Wasserpreis, jaja, der Wasserpreis. Ich war nicht arm. Ich trug Weiß. Blaues, dreckiges Weiß. Recht hell.
Du setzt einen Unterschied und relativierst ihn direkt. Das Weiß, das seinen Abstand zur Armut definiert, ist blau, dreckig und recht hell. Ich kann verstehen, dass Du kein strahlendes Weiß nimmst, aber so ist der Unterschied zu der hellblauen Kleidung der Arbeiterfamilien kaum existent. Absicht? Willst Du damit sagen, dass er eigentlich doch nicht so wohlhabend ist, dass der Unterschied marginal ist?
Ja, das war Absicht. Lea will die Armut nicht akzeptieren. Aber sie ist es. Aber sie akzeptiert es nicht. Aber sie ist arm. Sprich, sie changiert zwischen dem, was sie sein will, und dem, was sie ist.
Ein Rabe setzte sich auf das Bergwerk.
Zweimal schlug er mit den Flügen.
Die Räder des Förderturms standen still.
Aber ich sprang von der Schiene und lief in die Siedlung.
Auch hier habe ich noch die Rabenbrille auf. Von der Symbolik her sorgt der Prota durch seinen Flügelschlag dafür, dass der Förderturm stillsteht. Die Assoziation hatte ich. Wäre dann quasi eine aktive Mitbeteiligung.
Oder der Prota ist bedeutungsmäßig raus und der Rabe dient als Symbol für den Tod und Unheil, als böses Omen.
Der Rabe ist Symbol für Tod und Unheil.
Ich hatte nicht das Balancieren gelernt.
Ich hatte die Angst vor einem Ereignis gelernt, das jetzt das, was ich sah, aufriss.
Ist es tatsächlich die Angst vor dem
Ereignis? Das ist doch singulär und den Vater kann sie nur einmal verlieren. Wiederholung also ausgeschlossen. Oder sind es die Auswirkungen, die Verluste, die sie erleidet und auch das nur einmal? Sie ist nicht ausbalanciert, hat es nie gelernt. Bevor sie es konnte, starb der Vater. Warum bekomme ich ihre Schlagseite nur so schwer zu fassen
Hm, hm, hm. Ich dachte hier eher an die Angst vor einem Ereignis, dessen Auswirkungen sie nicht kontrollieren kann. Das sehr plötzlich und massiv das eigene Ich destabilisiert.
Aus der Ohnmacht aufwachen.
Sich auf- und abrappeln.
So betont bräuchte es das für mich gar nicht. Was ist das Besondere daran? Eigentlich ist es einfach nur ein Weitermachen, den Bruch gab es doch vorher, als die Angst sie in den blauen Staub schleuderte? Oder ist das die Zusammenfassung des einen Jahres, das seitdem vergangen ist? Da ist mir das "auf- und abrappeln" fast zu schwach, zu niedlich.
Anfangs stand dort etwas anderes, auch das hat MRG zurecht als sehr lapidar wahrgenommen. Mit den Zeilen sollte eine gewisse zeitliche Distanz beschrieben werden. Vielleicht finde ich etwas stärkeres, etwas massiveres, das aber trotzdem ihre Einstellung beschreibt.
Muss ja weitergehen. Das ist so ein Satz, den ich zum Beispiel sehr, sehr schätze.
fühlte das Siegel der LAPAL-Opferhilfe im Buchrücken
Auch das sehr schön, fühlte die Lapal im Rücken, sie stärkt den Rücken als Rückhalt.
Aber das ist nicht der Rückhalt, den Lea will. Die Opferhilfe stellt ein Bett zur Verfügung, ein Essen, eine Therapeutin, sie spendet Bücher. Aber super interessant, dass du das so gelesen hast.
Nebenstrecke: Ich hatte anfangs eine Szene, in der der Sohn des LAPAL-Direktors Kuscheltiere in der Einrichtung verteilt. Lea ist aber viel zu alt für ein Kuscheltier. Sie suchte nach einem Raben. Fand sie nicht, und sie entscheidet sich für einen Alligator und ist enttäuscht: Der Alligator kann ja nicht richtig beißen (ist ja aus Filz) und Lea ist enttäuscht über sich, dass sie mitgemacht hat. Aber sie empfindet auch Mitleid mit dem Sohn des LAPAL-Direktors, der eben nicht im Aufsichtsrat der LAPAL sitzt, sondern auf Grund eigener Talentlosigkeit in die Opferhilfe abgeschoben wird.
Nebenstrecke: Die LAPAL hat ja ihre Gründe, so massiv zu helfen. Sie nutzt die Opfer, sie will zeigen, wie wichtig ihr das ist und von eigener Verantwortung auch ablenken. Die LAPAL redet von "Unglück" - dabei war das kein Unglück, es geschah, weil hier der eine oder andere eben geschlampt hat.
Nebenstrecke: Ich hatte auch eine Szene, in der drei Studentinnen aus der Hauptstadt die Kinder für einen Prozess gegen die LAPAL "begeistern" wollten, aber Lea lehnte ab: Sie sah die Hauptschuld im Raben, nicht die LAPAL. Vielleicht ist das das kindliche, was du vermisst? Aber ich hielt Lea für zu reif für diese Perspektive.
neue Kleider von Vater Staat
Vater Staat, der Staat, der für mich sorgt und mir Sicherheit gibt, ist das nicht eine westliche Vorstellung der Industrienationen mit sozialem Netz?
Geändert. Jetzt hilft nur noch die LAPAL-Opferhilfe - "Da, wo Du bist" (nein, das steht nicht im Text)
„Aber …“, führte ich fort und spürte die Blicke der anderen Bewohnerinnen und Bewohner: „Dieses Blatt wird reichen. Ich werde es einfach in zwei Blätter teilen. Ich habe nicht viel zu schreiben. Vater schuldet mir ein Fahrrad. Und Mutter ist immer herzlich eingeladen in der Einrichtung
Klingt schon arg beiläufig, unbeteiligt, kein Kampf, kein Groll, keine Sehnsucht, fast lapidar.
Hm, das äußert sie ja der Therapeutin gegenüber. Sie will ihr zeigen: Ich brauche dein Konzept nicht. Du hast keine Legitimation, ich habe das verarbeitet (was sie in Wirklichkeit nicht hat). Schau, wie lässig ich damit umgehen, wie kontrolliert ich bin.
Und sie will zeigen: Schau, wie hart mein Leben in Vergleich zu deinem ist. Was nimmst du dir in Anspruch, mir helfen zu wollen? Ich will meinen Weg finden.
Aber das scheint nicht so ganz zu wirken. Ich schau mal, was mir einfällt.
Sie lächelte nicht. Sie machte ihren Job ja ganz gut, wenn auch etwas unsicher für eine Psychologin aus der Hauptstadt. Ihr fehlte der Drive, der Mut, aktiv zu hassen, sie mochte das nicht und das war ihr Fehler.
Auch hier, so merkwürdig unkindlich abgeklärt, fast von oben herab, so überlegen, strange.
Wieder habe ich das Bild des Raben vor Augen, der nicht das süße Vögelchen sieht, das so schön tschilpt, sondern das Futter, das Opfer, das er sich gleich einverleibt. Der Rabe, der den Tod bringt.
Hm, hm, das lasse ich. Lea fühlt sich schon überlegen. Sie soll ruhig ein bisschen arrogant sein.
Das mit dem Raben, voll interessant, dass du das so gelesen hast.
ich deutete ein Silbenklatschen an und fühlte mich ihnen ebenbürtig.
Das kenn ich doch? "Not und Leid", Thi. Thi. Thi-mon. Rhythmik als Verstärkung. Aber warum ebenbürtig, wofür der Wettkampf, ich verstehe ihr Ziel nicht? Warum so ein struggle?
Ist geändert. Lea will damit die "Dummheit" des Opferhilfe-Personals darstellen. Silbenklatschen ist ja eine Tätigkeit der ersten Klasse. Lea ist reif, die Opferhilfe nicht. So denkt sie. Das Personal arbeitet schematisch und distanziert, glauben, dass das, was sie tun, auch gut sein muss, weil sie denken, dass das gut ist, weil ihr jemand erklärt hat, dass das richtig und gut ist.
Eine Art Kontaktmetamorphose, die organische Körper einschloss und Vater auf die Größe einer Walnuss schrumpfen ließ, kein Schmerz, kein Leid, ein Zack und aus.
Krasses Bild, und genau so präsentiert: kein Schmerz, kein Leid, so ist es nun mal, zack und aus.
Woher kommt diese Nüchternheit und Gefühl-Stumpfheit? Diese unglaubliche Distanz?
Hm, Distanz als Prozess der Verdrängung? Da fehlt etwas, definitiv, danke für den wichtigen Hinweis. Ihre Distanz entsteht aber auch aus dem Setting, aus der Umwelt, in der sie lebt, eine harte, schroffe (die ganz hübsch ausschaut).
Nebenstrecke: Vor einiger Zeit mussten wir eine Studie lesen, in einer Fortbildung, zum Thema "Unterschiede in der Emotionsregulation zwischen afro-amerikanischen und euro-amerikanischen Kindern". Ein Erwachsener weinte vor den Kindern. Untersucht wurde, wie die Kinder reagieren. Die afro-amerikanischen schauten oft weg, ignorierten ihn oder setzten ihr Spiel fort. Die euro-amerikanischen nicht, sie trösteten. Erklärt wurde das Verhalten mit dem Emotionsüberzeugungen der Mütter. Die Mütter waren der Überzeugung, dass ihre Kinder keine Schwäche zeigen durften, sie hatten sich "durchzusetzen". Das ist ein Muster, dass sich in marginalisierten oder einkommensschwachen Gruppen wohl oft zeigt, keine Schwäche zeigen, mehr Härte und Stärke. Aber gut, jetzt vermixe ich hier Wissenschaft mit Halbwissen. Nicht gut. Nur, für mich, hat das Sinn gemacht.
die Fernsehkamera auf Off, sie denken uns für lange Zeit als Opfer.
Was sie auch sind, oder nicht? Den Punkt kriege ich nicht ganz klar, dieses Ablehnen der Opferrolle, okay, irgendwann verständlich, aber warum tropft das alles so an ihr ab? Ich verstehe, dass ein Trauma eine Taubheit hinterlässt, aber warum bleibt das so und warum setzt sie sich cool darüber hinweg?
Stichpunkt emotionale Nähe. Ich arbeite dran. Ich kann mir Lea in einem sozialen Kontext nicht
emotional vorstellen. Dazu passt meiner Ansicht nach das Setting nicht: Eine Bergwerkssiedlung, eher ärmlich, marginalisiert, das ist eine Welt, in der Stärke gezeigt werden muss.
Plötzlich sehe ich einen kleinen schwarzen Punkt im Himmel
Der Punkt steht, zieht plötzlich kopfüber zum Boden, freien Fall ins Hellblau.
freier?
Das Omen ist zurück und was tut es da? Ich wringe meinen Verstand aus.
Was bahnt sich an? Der Rabe als Symbol und Verursacher des Unglücks durch seinen zweimaligen Flügelschlag verabschiedet sich, stirbt, kann keine Unheile mehr verkünden, Thema erledigt?
Ja, an sich schließt sich der Kreis. Lea glaubt, hier Macht ausüben zu können, die sie ja gar nicht hat. Sie sieht den Raben als Verursacher. Er stirbt, jetzt hat Lea ... Rache genommen? Hm, das Ende ist unschlüssig.
Lieber @linktofink,
ganz, ganz vielen Dank für deine enorm wertvollen Hinweise. Kann ich sehr gut gebrauchen. Ich arbeite dran. Ich hoffe, einiges wird jetzt klarer.
***
Hallo @CoK :-)
danke für das Lesen und das Kommentieren des Texts. Zurecht sprichst du den Punkt emotionaler Nähe an. Ich werde schauen, was sich machen lässt.
Der Text wurde auch inhaltlich sehr unterschiedlich gelesen, auch interpretiert. Gerade der Balanceakt zu Beginn. Ich verstehe das, ich habe aber nicht vor, eine ganz bestimmte Interpretation zu präsentieren. Da bin ich pragmatisch, wenn der Text gefällt, schön, wenn nicht, schade, schauen, was sie ändern lässt.
Warum der Titel? Hat sich der Vater nicht um das Kind gekümmert?
Oder bezeichnet ihn Lea jetzt so, weil sie aus ihrem Nest geworfen wurde und jetzt in einer Einrichtung lebt?
Ehrlich gesagt, er sollte die Leserin ein wenig auf die falsche Bahn führen. Ich habe sehr einfach gedacht: Ein Rabe, ein Vater. Aber ich merke, nicht immer hat das funktioniert. Über die Vergangenheit habe ich mir gar nicht so viele Gedanken gemacht, ich schau mal, was sich machen lässt.
Ich hatte nicht das Balancieren gelernt
Warum dann hier nicht mehr?
Sie sollte lernen, wie sie mit einem plötzlichen Ereignis umgeht, das ihr Leben umherwirft. Das Balancieren wird geht von einer physischen Handlung ins Abstrakte, ja sie muss Balance halten. Aber ganz sicher, gebe ich zu, war ich mir nicht. Bin ich unschlüssig, lasse ich was bewusst im vagen? Ich glaube hier schon.
Während des Lesens habe ich mich gefragt, wie alt deine Protagonistin ist?
Es war mir nicht möglich ihr Alter einzuschätzen.
Ich hatte an eine 14- bis 15-jährige gedacht.
Vielen Dank @CoK für's Lesen und Kommentieren! Eine PN hatte ich dir ja noch geschickt!
Lg
kiroly
***
Eine wunderschönen, frostig blauen Sonnabend-Morgen @rainsen :-)
heute ist wieder Demotag in Leipzig. Bin gespannt!
Das nur als Nebensache.
Vielen Dank für das Lesen und das Kommentieren der Geschichte. Freut mich, dass dir die Sprache gefallen hat.
Für mich wirkt Leas Verhalten sehr gefasst, sehr unemotional. Klar, sie wurde in eine Ohnmacht gedrückt, aber das klingt zumindest für den Leser eher abstrakt und nicht sehr emotional. Das lässst mich darauf schließen, dass sie ihrem Vater nicht besonders nah war. Das würde - neben der Symbolik - auch den Titel erklären. Eigentlich ist sie nur genervt von dem ganzen Opfer-Kram...sie wird zu etwas gemacht, das sie nicht sein will, ihr wird eine Rolle zugesprochen, die sie einzwängt und ihr nicht erlaubt, sie selbst zu sein.
Emotionale Nähe, da muss mehr kommen. Ich gebe zu, ich hatte mir über das Vater-Tochter-Verhältnis gar nicht so viele Gedanken gemacht. Ja, Rabenvater scheint nur bei einer gewissen Distanz Sinn zu machen. So ganz klar wird das nicht, ich weiß auch nicht, ob das so klar sein kann, da ist ein hohes Maß an Ambivalenz in Lea.
über dem Gedenkstein fünfzig, sechzig Grad Süd, weit zieht er einen Bogen, einen sehr weiten, entfernten Punkt.
Die Bezeichnung der Position finde ich seltsam...das impliziert, dass sie ziemlich genau die Himmelsrichtung lesen kann, und das mit Grad Süd klingt schon fast militärisch...passt für mich nicht ganz.
Auch das "entfernten Punkt" am Ende wirkt komisch. "...zieht (der Punkt) einen bogen, einen (...) Punkt." Der Punkt zieht einen Punkt? Check ich nicht...
Ich glaube, ich mache zum Ende klar, dass das der Rabe ist. Ich hatte noch ein anderes Ende im Kopf, sie verlässt die Einrichtung und sieht einen toten Raben aus der Scheibe eines Busses. Vielleicht macht das auch mehr Sinn. Das Ende ist recht schwach. Es ist sehr gestelzt-symbolisch. Hier geht es um die Verarbeitung eines Traumas, klar, aber auch um den Versuch, Macht zu erhalten, die keine ist. Lea kann ja den Punkt nicht kontrollieren. Das ist das, was Lea so schmerzt, diese Machtlosigkeit, die sie empfindet. Aber sie lügt sich vor, sie könnte es. Auch eine Botschaft: Ich kann nicht alles im Leben kontrollieren. Ich kann es akzeptieren oder ich will es nicht akzeptieren.
Militärisch, jetzt wo du es sagst - absolut. Sehr militärisch sogar. Oder astronomisch. Instrumentell. Der gefühlsferne Mensch. Ich gehe den Text nochmal durch, das werde ich ändern.
Vielen Dank :-)
kiroly