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14.03.2002
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Thema und Information

Nach längerer Pause ist es nun endlich so weit: Ein neu zusammengestelltes Challenge-Team hat in aller Heimlichkeit ein Thema für den 10. Challenge ausgeheckt und freut sich schon auf Eure Beiträge.

Themenvorgabe:
Wer kennt ihn nicht, den gleißenden Helden, permanent dem Bösen trotzend, unterwegs für die Armen und Schwachen, Erlöser verwunschener Traumprinzessinnen, selbstlos, tapfer und von strahlender Schönheit?
Nein, um ihn geht es hier nicht, Protagonist soll der Antiheld sein.
Was ihn vom Helden unterscheidet? Selbstlosigkeit ist für ihn gleichbedeutend mit Dummheit. Was er tut oder lässt, geschieht allein aus Eigennutz. Tapferkeit und Risikobereitschaft mögen Attribute sein, derer er sich brüstet, im Ernstfall wählt er den kalkulierbaren Weg des geringsten Widerstandes: Maximaler Nutzen bei minimalem Aufwand. Ihn als ’böse’ zu bezeichnen, greift vielleicht zu kurz, und das nicht nur, weil er zufällig auch einmal etwas Gutes tun könnte: Er hat nicht die Absicht zu schaden oder zu verletzen, er nimmt es lediglich in Kauf, wenn ihm die Alternative zu gefährlich scheint. Anders wäre da Bernard Laplante, der Charakter, den Dustin Hoffman in Ein ganz normaler Held darstellt: dieser trägt den Misanthropen als Vorzeige-Ich, erweist sich im Ernstfall aber als Held.

Was ihn noch vom Helden unterscheidet: Der Antiheld wird nicht klüger aus seinen Fehlern. Schlimm, wenn er diese erst gar nicht erkennt, noch schlimmer, wenn er sie zwar erkennt, aus ihnen aber nicht lernen will, sei es aus Faulheit, Profilierungssucht oder Eigennutz. Der Antiheld ist kein Mensch großer Erkenntnisse.

Der Protagonist Eurer Geschichte muss ein Antiheld sein, darin besteht der erste Teil der Aufgabe.

Technikvorgabe:
Und statt nur einen Antihelden zu beschreiben, verlangen wir Weiteres: Versetzt Euch in den Antihelden hinein! Dieses Hineinversetzen muss sich auch in der erzählerischen Form niederschlagen, und welche ist da nahe liegender als die Form des Bewusstseinsstroms, des stream of consciousness, jene Erzähltechnik, deren prominentester Vertreter vermutlich James Joyces “Ulysses” ist.

Der Bewusstseinsstrom erzählt die Geschichte nicht mehr von außen. Da wird nichts beschrieben, nichts erklärt, keine Handlungsabfolge dargestellt. Die Gehirnforscher wissen: Eine bewusste Verarbeitung und Bewertung von Sinneseindrücken steht am Ende einer langen Kette. Zu Anfang steht die Wahrnehmung als solche, dann fragt sich das Gehirn, ob die Wahrnehmung wichtig ist, gleicht sie mit gespeicherten Erinnerungen ab, fragt nach Assoziationen. Gibt es davon welche, gelangt die Wahrnehmung ins Bewusstsein.
Und das ist der Moment, wo diese Erzähltechnik ansetzt: In der Schwebe zwischen Wahrnehmung, Erinnerungsassoziation und Bewusstsein.

Eine der Pionierinnen dieser Technik war Virginia Woolf, und ihr berühmtester Roman, Mrs. Dalloway, beginnt mit den Worten:

Mrs. Dalloway sagte, sie wolle die Blumen selber kaufen. Denn Lucy hatte genug zu bestellen. Die Türen würden aus den Angeln gehängt werden; Rumpelmayers Leute kämen. Und dann, dachte Clarissa Dalloway, was für ein Morgen frisch, wie geschaffen für Kinder am Strand.

Bei dieser Vorstufe der Technik des Bewusstseinsstroms kommt es einem schon so vor, als hätte die Autorin direkt in den Kopf Clarissa Dalloways geschaut, und die Empfindungen und Gedanken, die sie dort sah, ohne Überarbeitung und Ordnung wiedergegeben. Die einleitenden Formeln „Mrs. Dalloway sagte” und „dachte Clarissa Dalloway” klassifizieren den Ausschnitt zwar eher als “Erlebte Rede” oder “Inneren Monolog”, zwei sehr verwandte Techniken, der Unterschied zum klassischen Erzähler ist aber mehr als deutlich. Dieser hätte vielleicht geschrieben:

„Mrs. Dalloway sagte ihrem Hausmädchen Lucy, sie würde sich um die Blumen für das Fest selber kümmern. Es war eine nette Geste von ihr, da sie wusste, dass Lucy auch so sehr viel zu tun hatte.
Clarissa Dalloway stellte sich vor, wie die Vorbereitungen für das Fest wären: Die Türen zwischen den Räumen würden ausgehängt, um mehr Platz zu machen; das Bedienungspersonal würde sich vorbereiten.
Sie war froh, sich abseilen zu können und trat ins Freie. Sie atmete befreit durch, die Luft war am kühlen Morgen so frisch, dass sie Erinnerungen ans Meer weckte, an Kinder, die im Sand spielten.“

Diese rein erzählende Form wirkt distanziert. Der Autor betrachtet, bewertet und kommentiert die Protagonistin und beschreibt die Handlung.
Der Bewusstseinsstrom gibt die Eindrücke und die entsprechenden Assoziationen wieder, hält sich nicht mit Erklärungen auf, da die nächste Sinneswahrnehmung schon kommt. Handlung wird nicht beschrieben, sondern eben wahrgenommen. Die Erzählform gleicht dem steten Fluss des Wassers in einem mächtigen Strom: Ruhig, spielerisch an manchen Stellen, rasch, zerstörerisch, abgehackt an anderen.​


Deutlicher ist die Technik in Alfred Döblins “Berlin Alexanderplatz” zu beobachten, man achte auf die Mischung der Perspektiven:

Er¹ stieg unbeachtet wieder aus dem Wagen, war unter Menschen. Was war denn? Nichts. Haltung, ausgehungertes Schwein, reiß dich° zusammen, kriegst meine Faust zu riechen. Gewimmel, welch Gewimmel². Wie sich das bewegte. Mein³ Brägen hat wohl kein Schmalz mehr, der ist wohl ganz ausgetrocknet. Was war das alles. Schuhgeschäfte, Hutgeschäfte, Glühlampen, Destillen. Die Menschen müssen doch Schuhe haben, wenn sie soviel rumlaufen, wir hatten ja auch eine Schusterei, wollen das mal festhalten. Hundert blanke Scheiben, laß die doch blitzern, die werden dir doch nicht bange machen, kannst sie ja kaputt schlagen, was ist denn mit die, sind eben blankgeputzt. Man riß das Pflaster am Rosenthaler Platz auf, er ging zwischen den anderen auf Holzbohlen. Man mischt sich unter die anderen, da vergeht alles, dann merkst du nichts, Kerl.

In diesem Textauschnitt erfolgen erklärende Sätze in der dritten Person (¹), die Gedanken des Protagonisten Franz Biberkopf werden unpersönlich (²) oder in einer Ich-Perspektive (³) geäußert, häufig spricht sich der Protagonist in Gedanken mit "Du" selbst an (°).

Einmal Schritt für Schritt durch die Textpassage: Die Nennungen “unbeachtet” und “unter Menschen” sind auf Wahrnehmungen des Protagonisten zurückzuführen. Plötzlich unterbricht die Frage “Was war denn?” den Gedankenfluß, sogleich die Beantwortung “Nichts”. Dem Leser wird nicht klar, woran sich der Protagonist gerade gestoßen hat. Es folgen Wahrnehmungen (“Wie sich das bewegte”, “Hutgeschäfte, Glühlampen, Destillen”), wilde Assoziation setzt ein: Viele Mensche ⇒ bewegen sich ⇒ auf Füßen ⇒ tragen Schuhe ⇒ Schuhe sind notwendig ⇒ man hatte selbst eine Schusterei.
Die Beobachtung der Bauarbeiten am Rosenthaler Platz kann man den Gedanken des Protagonisten zuordnen, muß keinem Erzähler zugeschrieben werden. Dann wieder Gedanken des Protagonisten, die darauf hinweisen, wie unwohl und fremd er sich zwischen den anderen, ’normalen’ Menschen fühlt (Franz Biberkopf wurde zu Beginn aus dem Gefängnis Tegel entlassen).​


Ein letztes Beispiel, ganz ohne einleitende Formeln, findet sich in Arthur Schnitzlers “Lieutenant Gustl”, ein Werk, das komplett in der Technik des Bewusstseinsstroms gehalten ist, durchbrochen nur von Dialogpassagen (je nach Auffassung handelt es sich bei “Lieutenant Gustl” auch nur um Inneren Monolog, vergleiche die Abgrenzung in dem Link zur Uni Essen am Ende des Info-Textes):

Keine ruhige Minute hätt’ ich mehr im Leben … immer hätt’ ich die Angst, daß es doch einer erfahren könnt’, so oder so … und daß mir’s einer einmal in’s Gesicht sagt, was heut’ Abend gescheh’n ist! – Was für ein glücklicher Mensch bin ich vor einer Stund’ gewesen … Muß mir der Kopetzky die Karte schenken – und die Steffi muß mir absagen, das Mensch! – Von sowas hängt man ab … Nachmittag war noch alles gut und schön, und jetzt bin ich ein verlorener Mensch und muß mich totschießen … Warum renn’ ich denn so? Es lauft mir ja nichts davon …

An diesem Beispiel zeigen sich mehrere Eigenheiten dieser Form: Abrupte Wechsel der Themen (Schande, geschenkte Karte, Steffi, Duell), der Verzicht auf einleitende Formeln, das Fehlen eines Erzählers, der den Protagonisten in seine Umwelt einordnet, dessen Handeln kommentiert. Den vollständigen Text von Schnitzler gibt es hier: Projekt Gutenberg-DE.​

In der Hoffnung, nicht weiter zu verwirren:
Wie in der Aufgabenstellung weiter unten auch zu lesen ist, wird die Jury durchaus auch “Inneren Monolog” akzeptieren, hier noch einige Stichpunkte, die “Bewusstseinsstrom” von diesem unterscheiden:
  • Schon beim “Inneren Monolog” verschwindet die Erzählerinstanz, ist aber implizit noch spürbar, weil sie Gedanken ordnet
  • Freie Assoziation (mit dem ersten Punkt eng verbunden)
  • Sprachspiele und Lautmalereien
Illustrativ ein Beispiel aus Wolfgang Koeppens “Tauben im Gras”, wo die Technik immer wieder verwendet wird, um komplexe Gedankengänge wiederzugeben. Noch immer ist hier eine gewisse Ordnung spürbar, die jedoch schon stark von Assoziationsreihen beeinflußt wirkt:

Eid des Hippokrates, kein Leben sollst du nehmen, was geben sie jetzt an mit diesem Eid, wer ist wohl drauf gekommen? Kater nach Euthanasieprozessen, Mord an Geisteskranken, Mord an Ungeborenen, bei mir hängt das in gotischer Fraktur im Gang, und der Spruch macht sich da sehr gut, was ist Leben? die Quanten und das Leben, die Physiker quälen sich jetzt mit der Biologie, ich kann ihre Bücher nicht lesen, zu viel Mathematik Formelkram abstraktes Wissen Gehirnakrobatik, ein Leib ist kein Leib mehr, Auflösung der Gegenständlichkeit in den Bildern der neuen Maler, das sagt mir nichts, ich bin Doktor, vielleicht zu ungebildet, habe auch keine Zeit, kaum für die Fachblätter, immer wieder was Neues, ich bin müde, am Abend, meine Frau will ins Kino, Film mit Alexander, ich halte ihn für einen Schnösel, aber die Frauen? Leben schon im Sperma? das Ei? dann auch Gonokokkenschutz, die Priester sagen natürlich die Seele, sollten sich das mal aufgeschnitten ansehen, Hippokrates, war er Kassenarzt? hatte er eine Großstadtpraxis? die Spartaner warfen die Mißgestalten in die Schluchten des Taygetos, Militärdiktatur totaler Staat, sicher verwerflich, lieber Athen Philosophie und Knabenliebe, aber Hippokrates? er sollte mal zu mir kommen und sich’s anhören »ich bring’ mich um« – »wenn Sie’s Herr Doktor nicht machen« – »ich will’s weghaben«, und zu wissen, wo sie dann hingehen, die Pfuschaborte, sterben zu Tausenden, Ladenmädchen, Sekretärinnen, können sich selber kaum erhalten, und zu was wächst so was heran? Wohlfahrtssuppen Heimbetreuung Familienpflegschaft Arbeitslosigkeit Gefängnis Krieg, ich war Feldarzt, was fiel da rot auf den Tisch, noch mal wie geboren, die Glieder schon weggerissen, zum Tod geboren, Achtzehnjährige, besser nie geboren, was erwartet das Negerkind? man müßte ihnen den Koitus verbieten aussichtslos, sie werden es nie lassen […]

Nach diesen langwierigen Erklärungen nun endlich die Aufgabe für den 10. Challenge:
Erzählt die Geschichte eines Antihelden, der sich mit einer Handlung konfrontiert sieht, der er nicht entrinnen kann. Beschreibt sein Stolpern durch diese Handlung, immer mit dem Bestreben, heil aus der Sache zu kommen. Beschreibt sein Scheitern, wenn er nach Erkenntnissen aus der Handlung sucht.
Der Text muss in der Technik des “Bewusstseinsstroms” gehalten sein, wobei wir diesen nicht streng von “Erlebter Rede” oder “Innerem Monolog” abtrennen wollen. Wichtig ist uns, dass die Gedankenwelt des Protagonisten gut lesbar und verständlich bleibt: der Leser soll also eventuelle Sprünge nachvollziehen können.

Sinn der Übung ist es, sich in eine Person hineinzuversetzen, mit der man sich als Autor eigentlich nicht identifizieren möchte. Und dieser Person eine eigene, individuelle Sprache zu geben, als hätte der Leser einen direkten Einblick in die Gedanken dieser Figur, während diese gerade noch entstehen.

Viel Vergnügen und gutes Gelingen,
das Challenge-Team.

Termine
Geschichten dürfen bis Sonntag, 30. Oktober gepostet werden. Bitte direkt hier in dieser Rubrik (Geschichten → Challenge → Bewusstseinsstrom).

In der Woche vom 31. Oktober bis 6. November dürfen Kommentare verfasst werden, den Teilnehmern bleibt dann bis zum 13. November Zeit, ihre Geschichten zu bearbeiten.

Danach zieht sich die Jury zur Beratung zurück.

Sonstiges
Jedes Mitglied darf nur einen Text posten.
Jury-Mitglieder dürfen posten, ihre Beiträge werden (natürlich) nicht prämiert.
cbrucher moderiert das Forum, hat auf die Entscheidung der Jury aber nur Einfluß, sofern diese sich nicht einigen kann.
Für die Jury-Mitglieder wird nach Ablauf der Fristen eine Version ohne Autorenname und auch ohne Titel der Geschichte erstellt.

Weblink
Wikipedia: Bewusstseinsstrom
Zu Innerem Monolog und Bewusstseinsstrom (Literaturwissenschaft Universität Essen)

 

flashbak wird dabei sein. Immerhin hatte ich schon lange nichts mehr geschrie... ob ich das Stück Kuchen noch esse?

:D

 

"Lieutenant Gustl" von Arthur Schnitzler ist ein gutes Beispiel, zudem ein überschaubares Werk, die ersten drei Seiten in der Buchhandlung zu lesen reicht auch schon.

Aber: könntest Du etwas genauer angeben, was Dir unklar war? Dann könnte ich den Info-Text noch dahingehend verbessern.

 

"Lieutenant Gustl" von Arthur Schnitzler ist ein gutes Beispiel, zudem ein überschaubares Werk, die ersten drei Seiten in der Buchhandlung zu lesen reicht auch schon.
Oder hier klicken. ;)

 

Interessante Aufgabe. Antihelden sind toll.

Kann man die Erklärung in Sachen Stream of Consciousness in etwa mit den Worten "innerer Monolog, der wo die äussere Handlung am Beschreiben ist" zusammenfassen?
Wenn ja, spiel ich mit. Wenn nein, spiel ich auch mit, brauche aber noch fix jemanden, der mir in einfachen Worten erklärt, worums geht ;)

 
Zuletzt bearbeitet:

@Häferl:
Danke, werde den Link direkt in den Info-Text packen.

@gnoebel:
Ganz kurz: Die Erzählerstimme fehlt vollständig, oder wird nur ganz, ganz, ganz sparsam eingesetzt, wenn damit zu rechnen ist, daß sonst jegliche Orientierung für den Leser verlorengeht. Der Rest soll aus den halbausformulierten Gedankenströmen des Protagonisten bestehen.

Nachtrag: Natürlich dürfen beispielsweise Dialoge geführt werden.

 

Von mir nicht. Die Ich-Perspektive ist mein Zuhause. Sollte man allerdings nicht mit persönlichen Geschichten verwechseln (was ich Dir nicht unterstellen will).

Ja, es gibt literarische Theorien, die nur als "Bewusstseinsstrom" anerkennen, was in der Ich-Perspektive gehalten ist.

 

gbwolf schrieb:
Jene böse Form, für die man auf kg.de normalerweise auf die Finger bekommt? :D
Echt? Wo das denn? :susp: Es gibt sogar Theorien, bei denen alles ohne Ich-Erzähler keine echte KG mehr ist ...

Wollte übrigens anmerken, dass ich [objektiv-mode]das Challenge-Thema sehr krass und kompliziert finde... :schiel:[/objektiv-mode] bzw. [persönlich-mode]das Challenge-Thema scheiße finde, weil das wieder so was ist, wo mir ums Verrecken nix zu einfällt. Ob ich in diesem Leben noch mal an nem Challenge werde teilnehmen können? :bonk: [/persönlich-mode].

EDIT: Und ich persönlich finde die Definition des Anti-Helden zu eng gefasst. Aber naja...

 

Um keine Mißverständisse entstehen zu lassen: Die Geschichte muß nicht in der Ich-Perspektive gehalten sein. Ist aber vermutlich einfacher.

@Horni: Und wenn Du Dir ganz, ganz große Mühe gibst? [klugscheiß]Challenge heißt Herausforderung[/klugscheiß]

 

@Claus: Die 2. Hälfte war eher Spaß - ich steh mit Themenvorgaben grundsätzlich auf Kriegsfuß, ganz seltsames Phänomen, weshalb der Challenge für mich eigentlich per se flach fällt, es sei denn, es gibt irgendwann mal ein Thema, zu dem ich rein zufällig schon ne Geschichte habe. :D (Zumal ich im Moment schon froh wäre, wenn ich überhaupt mal was geschrieben bekäme... *seufz*)

@Wolf: Du has ja so recht ... ich und das Längenproblem... *xxlseufz*

 

Sollte es ein Antiheld sein, der da in der Geschichte herumpurzelt?
Kann die Geschichte auch so aufgebaut werden, dass zB ein Objekt durch mehrere Antihelden-Hände geht?

 

Nach Rücksprache mit der Jury: Es dürfen mehrere Antihelden sein, meiner persönlichen Ansicht nach ist davon aber abzuraten. Die Gefahr, daß das zu unverständlich wird, ist ziemlich groß. Zudem gibt es ja noch andere Vorgaben. Aber wenn Du eine geniale Idee haben solltest, wie Du das alles unter einen Hut bringst: in Ordnung.

In keinem Fall darf das aber aus Sicht des Objekts geschehen: damit ginge der psychologische Effekt von "Bewusstseinsstrom" verloren, das wäre mehr als fraglich.

 
Zuletzt bearbeitet:

Erzähltechniksamples

Hallo!

Das Ganze mit dem Antihelden und der unvermeidlichen Handlung, die er vermutlich nicht tun will, aber tun muss, und wie er ziel- und planlos durch die Handlung stolpert erinnert mich an das Genre des amerikanischem Film Noir. Da gibt es dann meist einen Ich-Erzähler, der die innere Handlung, Gefühle und Eindrücke des Protagonisten (im Film ja schlecht direkt zu zeigen) erläutert und Kommentare zur Situation abgibt, sozusagen vom Prot selbst aus der Retrospektive.

Klar, man soll fast ausschließlich die innere Handlung des Antihelden wiedergeben. Aber kann man einen solchen Film Noir Ich-Erzähler ergänzend benutzen?

Und in welcher Zeit soll das Ganze geschrieben sein? Die Erzähltechnik verlangt ja eigentlich das Präsens, wenn man quasi nur die Gedanken des Prots mithört.
Mit dem Ich-Erzähler könnte man das aber in der Vergangenheitsform schreiben.

Ich geb einfach mal zwei Beispiele:

"Mein Magen zog sich zusammen. Blut, alles war voll davon. Die Tapete, das Bett, der Fußboden, sogar das niedliche Familienportrait auf dem Nachttisch. Rot wie der Vorhang, der sich vor meine Augen gelegt hatte, der sich aber nun in Luft aufzulösen schien. Ich hatte es getan. Mir war schlecht. Ich beugte mich vorn über und kotzte in die Blutlache, die aus dem Körper meiner Frau gebrochen war. Arme, schöne Edelaine. Warum musstest du dich denen anschließen?
Durch das Erbrechen fühlte ich mich nicht besser. Ich zitterte am ganzen Körper. Mir war kalt. In meinem Herzen gähnte eine gewaltige Leere und die Schuld nagte schmerzhaft an meinen Eingeweiden. Ich hatte meine Familie umgebracht. Hatte ich eine Wal gehabt? Wahlen. Entscheidungen. Letztendlich liegt alles nur unter einem weißen Tuch, mit roten, dunkeln Flecken darauf."

Das war die Film Noir Variante. Geht das durch?
Reiner Gedankenstrom wäre wohl dies, was aber das Präsens erzwingt:

"Platsch. Das Blut tropft vom Messer. Mit so viel davon hatte ich nicht gerechnet. Alles voll damit. Die Tapete, das Bett, sogar unser Familienfoto auf dem Nachttisch. Alles eingesaut. Edelaine wäre sicher sauer - wenn sie nicht gerade den Teppich vollbluten würde. Oh, Baby, es tut mir so Leid. Ich streichle dein Haar, es fühlt sich noch so seidig an wie am ersten Tag, als wir uns damals kennenlernten. Meine Schöne. Warum musstest du dich denen anschließen? Oh man. Ich musste, ich habe... Wurgs!
Ja mann, kotz dir die Seele aus dem Leib! Besser wird es dann doch nicht. Du hast deine Familie umgebracht. Du wolltest es nicht. Aber es ging nicht anders. Kotze und leide, wie du es verdient hast. Ob Entscheidung oder Schicksal, deine Tat wird bald unter blutigen Leichentüchern verschwinden und du trägst die Schuld daran."

Was davon würde in den Challenge passen? Oder gar nichts davon? Oder eine Mischform?

Ich habe noch nie an einem Challenge teilgenommen, will es aber endlich mal versuchen. Das Thema liegt mir eigentlich; wenn ich doch nur diese Erzählform voll begreifen würde.


Ist bei diesen Samples was Brauchbares dabei (ohne den Inhalt groß zu beachten)?

Grüße
Seth Rock

 

@Seth Rock: Folgende Antwort der Jury gebe ich einfach an Dich weiter:

Ein ich-Erzähler macht noch keinen Bewusstseinsstrom. Virginia Woolf kommt ohne ‚ich’ aus und schreibt in der Vergangenheit. Es gibt hier also keine Vorgabe.

Auf den Erzähler wie im Film noir solltest Du verzichten, da er im SoC keine Funktion hat. Der SoC erzählt nicht explizit, wie und warum etwas getan wird und welche Konsequenz es hat – er beschreibt die Wahrnehmung und wie sie sich gerade eben ins Bewusstsein festsetzt.

So ist Dein erstes Beispiel reine Erzählung, Dein zweites Beispiel ist näher am SoC, dabei aber vor allem in den letzten Sätzen zu deutlich reflektierend. Zwei Gegenbeispiele parallel zu Deinen beiden – das erste Beispiel haben wir bewusst in der dritten Person und in der Vergangenheit geschrieben.

Sein Magen zum Klumpen geformt. Blutig, alles. Die Tapete, das Bett, der Fußboden, das niedliche Familienportrait auf dem Nachttisch. Roter Vorhang vor seinen Augen, langsam sich auflösend. Er sah immer klarer: Er hatte es getan. Übelkeit brach hervor. Er beugte sich vorn über, kotzte in die Blutlache. Kotze brach aus ihm, wie Blut aus dem Körper seiner Frau brach. Arme, schöne Edelaine. Warum musste sie sich denen anschließen?
Nicht besser. Kotze am Mund, auf der Zunge. Gewissen schmeckt salzig bitter. Sein ganzer Körper zitterte sich kalt. Das Herz ein leeres Gefäß, Schuld nagt lieber an den Eingeweiden. Frisst sie auf. Damit die Schuld nicht verdaut werden kann.
Alle tot, blutrot-tot, durch seine Hand. Eine Wahl? Wahlen. Entscheidungen. Wörter unter einem weißen Tuch, mit roten, dunkeln Flecken darauf.​

Oder eine (in unseren Augen) elegantere Version, Deinem Beispiel entsprechend:

Das Messer blutet. Tropft plätschernd. Plätschert alles voll. Rote Blumenmuster auf der Tapete, dem Laken. Das Familienfoto auf dem Nachttisch: Rote Spritzer uns allen im Gesicht. Edelaine ist rot. Färbt den Teppich, auf dem sie liegt. Oh Baby, es tut mir so…
Dein Haar seidig wie am ersten Tag. ‚Schönes Haar’ sagte ich wie eine Anmache. Meine Schöne. Warum hast du dich denen angeschlossen? Ich musste, ich habe … Oh!
Salzige Säure bricht die Seele aus dem Leib. Besser wird es dann doch nicht. Deine Familie tot. Du wolltest nicht. Du hast trotzdem. Du leckst Erbrochenes von den Lippen. Kotze und Leide. Verstecke deine Tat unter Leichentüchern, weiß wie die Unschuld. Ob sie meine blutigen Hände sauber kriegen?​

 

Danke, das hat mir glaube ich sehr geholfen. Werde mich an eurem zweiten Beispiel orientieren.

Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt!

Grüße,
Seth Rock

 

Bei der Definition des Bewusstseinstroms in Wikipedia wird angedeutet, dass bei dieser Form der Darstellung Satzzeichen ausgelassen und grammatische Regeln gebrochen werden. Ich habe eine Vorstellung davon, weil ich das gelegentlich sogar als sinnvoll ansehe und selber mache.

Könntet ihr dennoch ein Beispiel dazu geben, wann die Satzzeichen-/Grammatikregeln sinnvoll durchbrochen o. verändert werden im Bewusstseinsstrom?

 

Oh, dazu hab ich auch noch ne Frage:

Das Messer blutet. Tropft plätschernd. Plätschert alles voll. Rote Blumenmuster auf der Tapete, dem Laken. Das Familienfoto auf dem Nachttisch: Rote Spritzer uns allen im Gesicht. Edelaine ist rot. Färbt den Teppich, auf dem sie liegt. Oh Baby, es tut mir so…
Ist diese (in diesem Beispiel durchaus angebrachte) formale Satzzerhackstückelung zwingend erforderlich für die Aufgabe? Oder anders gefragt: kriege ich Punktabzüge in der B-Note, wenn mein Charakter in ganzen Sätzen und mit Kommas denkt?

 

Ganz gutes Thema... Antihelden sind eh die einzigen Helden, die glaubhaft sind... :D
Mals sehen, vielleicht fällt mir ja mal was ein, obwohl ich es eigentlich hasse, Geschichten nach Themenvorgaben zu schreiben... ich kann Ideen eigentlich nur selten erzwingen...

 
Zuletzt bearbeitet:

@Thorn:
Bruch mit Zeichensetzung und Grammatik ist nicht zwingend erforderlich, bleibt Dir vollkommen freigestellt, solange es noch lesbar ist. Vielleicht hilft das Beispiel unten weiter.

@gnoebel:
Zerhackstückelung ist nicht erforderlich, kein Punktabzug.

@MrPotato:
Viel Erfolg auf jeden Fall, schön, daß Dir das Thema gefällt!

Beispiel:
An der Tür einer, was glotzt der, dem werd’ ich… nickt mir zu, der blöde Hund, der stellt mir ein Bein, ich weiß es. Wart’ nur, dir geb ich’s! Dein Grinsen werd’ ich, dann heißt’s Krankenwagen! Krankenhaus! In Gips kommt der Arm! – hoppla, ich bin durch, der hat gar nicht, vielleicht war’s auch nur Zufall, egal. Bin durch, bin raus, raus auf die Straße. Lärm allerorten, Plakatwände. Wir sind Papst. Suche Ausbildung biete Begeisterung. Überall brabbeln lachen heulen welche, zuviel Alkohol schadet dem Gehirn! Achten Sie auf Ihre Leberwerte! Was einem auch immer in den Sinn, gestern da war ich, also wie der dann auf mich, aber der hat ja gar nicht, nee, war doch besser so.

Nachtrag: (Durch Jury-Hilfe) Unklare Gedanken könnte man durch unklare Sätze, ungeordnete Sätze verdeutlichen. Eine Flut an Sinneswahrnehmungen (Überforderung) durch einzelne Satzstücke.

 

Beschreibt sein Stolpern durch diese Handlung, immer mit dem Bestreben, heil aus der Sache zu kommen. Beschreibt sein Scheitern, wenn er nach Erkenntnissen aus der Handlung sucht.
Ist es unbedingt notwendig, daß der Protagonist scheitern muß? Ich würde gern eine Geschichte schreiben, in der Protagonist zwar erst der "feige Antiheld" ist und "durch die Handlung stolpert", dann aber die Situation doch gut besteht, weil er nach Erkenntnissen aus seinem Handeln sucht und sie auch findet.

 

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