Was ist neu

Vollkommen geBildete Metaphern und andere geschliffene Sprachdiamanten

Die Kinder sind verschwunden. Wolken haben die Sonne gefressen. Ein bösartiger Windstoß faucht durch den Garten. Er wirbelt zerknickte Partyhütchen und Luftballons durcheinander. Der seltsame Tag erstarrt zu einem Gemälde, dessen Farben ineinander laufen. Alles verliert an Kontur und Bedeutung. Da springt Laura hastig auf und flüchtet. Ohne auch nur ein einziges Mal zu zögern, überquert sie mit trommelnden Lackschuhen die steinige, ausgedörrte Ebene der Angst. Nach vielen Schritten klettert sie, direkt von ihrem wilden Herzschlag vorangetrieben, einen kleinen Berg hinauf, von dem sie sich Rettung erhofft. Er besteht aus Bettdecke und Kopfkissen, Matratze, Laken und einigen abgegriffenen Teddys und Puppen. Es ist ein guter Berg. Die letzte Bastion der Hoffnung, wenn all die anderen Wege versperrt sind.
Diese Frau, der es schwer fällt, in ihrem modernen, figurbetonten Kostüm vor Laura in die Hocke zu gehen, und die sich mit einem Berg achtlos zusammengekaufter Geschenke anzubiedern versucht, ist irgendwie in Mutters Körper geschlüpft und spricht mit ihrer Stimme. Das Herz jedoch ist ausgekühlt. Die Worte sind kleine Köter, die ihr zum Mund herausspringen und wild herumkläffen. Sie ist eine andere. Geworden. Aus ihr wurde eine neue Mutter geboren, und die hat die alte Mami tot zurückgelassen, irgendwo zwischen den Scherben der Vergangenheit.
“Du warst sehr tapfer“, lobte Scott sie, als er am Abend seinen ausgebeulten Trainingsanzug gegen den ausgebeulten Pyjama wechselte. Alles an ihm und seiner Umgebung schien ausgebeult zu sein, salopp, gemütlich ... sterbenslangweilig. Er war so nervtötend zufrieden mit sich und der Welt, dass Laura in besonders quälenden Momenten am liebsten auf ihn eingeprügelt hätte, aus Angst, sie könne zusammen mit ihm in seinem schlammigen Phlegma ersticken. Selbst die Sprüche, die er von sich gab, waren banal, ausgebeult.

Nur drei der vielen tollen Stellen aus der Geschichte Die Malerin von Rick in der Rubrik "Seltsam"

 
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"Selbst die Sprüche, die er von sich gab, waren banal, ausgebeult."

Echt stark, eine schlichte Stärke!

Danke, Sim, dass du noch Diamanten schürfst - und natürlich auch allen anderen gilt mein Dank.

LG,

tschüß... Woltochinon

 

Mir ist übel. Keine Zeit, den Finger in den Hals zu stecken. Das Blaulicht flackert. Blauer Schnee fällt. Benetzt meine Haut, schmilzt zu Tropfen, Perlen gleich. Oder? Nein, es sind Opale....

Sie schütteln die Köpfe. Schnee fliegt. Das blaue Licht. Die Flocken tanzen fröhlich darin, fallen behutsam, bleiben liegen. Auch auf meinem Kind. Warum schmilzt er nicht?

Goldene Dame, Winterstarre, Challenge

 

Dort unten, am Elbstrand, sitzen Verzweifelte neben Zweiflern. Sie unterscheiden sich nur in einem Punkt: die einen wissen, wie schlecht die Welt ist, die anderen wollen es nur noch nicht glauben. Verbunden werden sie durch zahllose geleerte Flaschen, gerauchte Kippen und diesen hoffnungslosen Blick. Sie sind harmlos, morgen schon gehen sie wieder ihrer Tätigkeit nach, wissen nichts mehr von nächtlicher Sehnsucht.

chaosqueen, Nachtflug , Alltag

 
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Zeit habe ich ja eigentlich auch nicht. Ist das nicht ein wesentlicher Faktor des Erwachsenseins? Zu lernen, Zeit so einzuteilen, dass wir nie welche haben.
Wir lachen beide. Einfach so. Es gibt keinen besonderen Grund, und sie ist alles andere als witzig, diese ganze elende Geschichte, die er da zögernd vor mir ausgebreitet hat. Dennoch tut es gut, einfach mal dagegen an zu lachen. Vielleicht gerade deshalb, den miesen Umständen zum Trotz. Einfach mal im Dunklen ein Streichholz anzünden. Manchmal ist Lachen wohl auch nix anderes.
Mach erst mal was Kaufmännisches, hieß es doch früher immer. Was Kaufmännisches ist bumsen mit’m Kondom. Auf Nummer sicher gehen.
Rick - Die guten alten Zeiten in Alltag

 
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Hier ist ein Zitat von Naut, das ich schön genug für diesen Thread finde:

Andererseits sind wir die ersten Menschen, die in unserer Zeit leben, das heißt, es gibt per Definition jeden Tag Themen, über die vor uns noch niemand schreiben konnte. Diese Ideen sind jedem zugänglich, sie müssen nur gefunden werden.

kommt nicht aus einer Geschichte, sondern von hier

 

Die Trommeln, die durch den Dschungel hämmern, sind unsere Herzen, die Blätter rascheln unser Blut. Malaria ist ein Nebel. Ich rieche nach Schweiß und Blut und Kot. Ein Tier, das noch rennt, um Aas zu werden. Meine Kleidung wird nie mehr trocken. Vor uns schwimmt ein Baumstamm oder eine Leiche. Alles wuchert, aber die Gedanken sind dumpf, schwere Wolken, die wir in den Himmel atmen. Der Körper besteht aus Wasser und wir verdunsten, wir regnen auf den Wald herab, der Boden trinkt uns, die Wurzeln saugen uns auf, wir rinnen in den Fluss und sitzen in den Bäumen, als Papageien, als Affen. Ein Kannibale schnitzt den Speer, auf dem unsere Köpfe glotzen.

Lukas Iskariot, Tropen Experimente

 

Und immer eine zarte, durch Pfefferminzgeruch akzentuierte Alkoholfahne ausatmend, die ihm etwas Zügelloses und Anarchistisches verlieh. Dabei war er in dieser Redaktion nur ein Alkoholiker von vielen, aber bei ihm roch das irgendwie natürlich.
„Nicht nur einfach hinsetzen, am Bleistift herumkauen und dann schreiben“, dozierte er. „Du musst die Hand an diesen verdammten Bleipimmel legen und ihn wichsen, bis es nur so heraus strömt. Kommt das an? Die Sonne geht nicht einfach nur auf. Die Sonne ist ein goldener Phallus, der seinen feurigen Saft am Himmel verspritzt. Verstehst du, was da abgeht, mein junger, lernbegieriger Freund? Sprache ist nicht nur ein Spiegel. Sprache ist ein Gaukler, ein Clown, ein Spieler, eine Geliebte, eine Hure, ein Zuhälter, ein Maler, ein Traumtänzer, ein Freund, ein Mörder, ein verdammter Hurensohn. Du musst den Lesern nicht einfach nur deinen Schwanz zeigen. Du musste es mit ihnen treiben. Es ihnen besorgen. Sie richtig rannehmen.“
Rick - Impotent

 

und noch mal Rick:

Und vom pickligen Nebendarsteller, der einst irgendwo im Schatten selbstbewusst grinsender Sieger verdorrte, hatte ich nun endlich zum Hauptdarsteller aufsteigen dürfen, in meinem eigenen Leben.
Verwischte Bilder in Romantik/Erotik

 

Die weißen Kronen der Wellen zerbrachen an den schroffen Klippen, die sich aus dem Meer wie riesige Burgen emporhoben. Von Wind getrieben versuchten sie immer wieder den grauen Fels hinaufzusteigen, verloren sich aber in den unzähligen kleinen und großen Spalten, welche weiter oben den Vögeln der See ihren Raum anboten. Am Rand der Klippen saß ein Mann und blickte die gezackte Linie entlang, die das Meer vom Land trennte. Auf der einen Seite wandelte sich der graue Fels in eine grüne Ebene, deren Gras im Wind die selben Muster beschrieb, wie das dunkelblaue Wasser auf der anderen. Am Horizont entdeckte der Mann zwei Spitzen, die langsam hinter der Erdenkrümmung und den darüber aufziehenden Wolken verschwanden. Er schloss seine Augen und lauschte dem Rauschen der See, während er sich das Salz von den Lippen leckte. In seinem Kopf wuchsen die kleinen, kaum noch zu sehenden Masten zu prächtigen Schiffen heran. Ein kunstvolles Geäst aus Streben und Balken, getragen von Planken, getrieben von fein gewebten Segeln, fuhr dem offenen Meer entgegen. Ohne das Ziel zu kennen trug der Wind die Schiffe immer weiter hinaus.

morti, Der Spielmann, Sonstige

 
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Das posiealbum vom Wolto! ich dachte ja, du machst einen Scherz.
das du so metaphernverliebt bist!
freut mich.

ich will dann mal den Nachtschatten hier reinstellen. der hat einige schöne Formulierungen in seinem Aufsatz "Windrichtung jagen" (ich weiß nicht, wie man das verlinkt) ähemm
aber es ist im Alltag. lohnt sich, zu suchen. ähemm

hier nur ein Einblick:

Der Himmel hieß Spätherbst. An ihm hingen Standbildaufnahmen von querwirbelnden Wolkengeschwadern. Grau, weiß - weiß und grau. Herbstwind schlug Bisse in leer stehende Straßen.

Der Link:

Windrichtungen jagen

 

Neben den Leitplanken nichts als Abgrund, der seine Zähne fletschte. Ein reißender Strom, der es nicht dulden würde, ihn zu durchschwimmen. Eine Straße in der Luft.

Aris Rosentrether, Andrej, Alltag


"Poesiealbum" - herrrrlich!!

Danke an alle lieben Link- und Zitateschreiber! :thumbsup:

 

Zum Thema Müll:

„Kippen, Kaugummis und leere Trinkpäckchen lagen umher und strömten einen penetranten, säuerlichen Geruch aus. Vor dem überdachten Wartebereich vermischte der stete Regen Erde und Abfälle zu einem Morast, aus dem eine zerdrückte Coladose ragte und grotesk um Hilfe zu rufen schien.“

Wölfin Regenrequiem, Sonstige

"Bleib ruhig!" Stein trat näher, drehte den Leichnam mit dem Fuß um. Anscheinend ein Penner. Zwei Polyesterjacken übereinander, lose Hohlfaser dazwischengestopft. Halb Mensch, halb Recycling-Müll.

Naut, Der Schatten des Tieres, SF

 

Warum hat hier noch keiner Traumfänger von Malinche zitiert? (Challenge)


Ich schlug die Augen auf und war wach, starrte in die Dunkelheit meines Zimmers und überlegte, was mich geweckt hatte. Dann bemerkte ich es. Es kam aus der Richtung meines Fensters, und es war etwas, was ich noch nie gehört hatte. Ich hörte es auch nicht. Es war wie ein feines Wispern, aber ich nahm es nicht direkt mit den Ohren wahr. Eher wie einen zarten Luftzug, der den Geruch von dunkelgrüner Seide mit sich trug und sanft in der Finsternis schimmerte.

Die Welt ist voll von verlorenen Träumen. Jedenfalls nenne ich sie verloren, denn ich stelle mir vor, dass es jene sind, die dir in der unachtsamen Sekunde zwischen Schlafen und Erwachen entwischen. Nur ein Hauch bleibt zurück, eine unbestimmte Ahnung, die wie ein Spinnwebenschleier zerreißt, wenn du dir erst einmal die Augen gerieben hast. Diese Träume stehlen sich unbemerkt davon.

Ein Schwarm von Zitronenfaltern braust um dich herum. Du spürst ihre zarten Flügel überall und riechst den Duft süßer Zitronen, und du möchtest weinen.

Um nicht die ganze Geschichte zu zitieren, belasse ich es mal damit, aber verdient hätte sie es.

 
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„Capuccinotassen schlagen auf Glastische ein. Zigaretten entzünden sich: rechts, links, hinter mir, wieder links. Kellner irren umher. Weine gluckern aus ihren Flaschen. Finger durchstöbern Geldbörsen. Löffel stechen in Kaffees, kreisen gelangweilt, zerreiben Zucker, kratzen Tassenböden wund. Unterhaltungen: Palaver: nichts weiter als Geräusche. Ungleichmäßige, unschöne Kurven auf einem Oszillografen. Erregungen, Heiterkeit: spritzen heraus."

„Pavels Stimme ein Lasso, das mich in die Realität zurückzieht“

Aris Rosentrehter Die Pianistin, Experimente

 

Der Wind war stärker geworden und pfiff um seine Ohren. Eine schöne Melodie aber, die sich irgendwo zwischen Harmonie und Disharmonie auflöste und wie ein Stein in einen Brunnen fiel.

Die Melodie wurde zu einer Stimme, die von oben herab auf ihn herunter schwirrte. Er begriff, dass er in diesem Augenblick weiter sah, als es seine Augen konnten und er wollte, dass es nie mehr aufhört.

Sternensegler: Marion

 

Ich erwachte irgendwann mitten in der Nacht davon, dass ich mir selbst auf die Hand sabberte. Wieder mal vor dem Fernseher eingeschlafen!
Meine Jogginghose klebte an mir wie ein totes Meerestier: salzig und feucht. In meinem Mund den Geschmack von verendeten Chips, drückte ich mich aus dem Sofa hoch.

Essbar, Horror

 

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