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sonstige

Genre: sonstige

  1. Wir sind Diebe

    Artjom verließ das Haus im Morgengrauen. Er hasste die Frühschicht, war müde und schlecht gelaunt. Zwar benötigte man als Fließbandarbeiter nicht oft sein Hirn, schon gar nicht, wenn man Kleberollen in Kartons verpackt, aber er hatte morgens das Gefühl, überhaupt nicht klar denken zu können...
  2. Gefrorenes Lächeln

    Während Tabea den Schlüssel umdreht, fällt ihr Blick wie jeden Tag zuerst auf den Slogan der Eingangstür: Wir verschenken ein Lächeln. Sie schüttelt den Kopf über ihre Inkonsequenz. Sie hatte wieder mal nicht nein sagen können, als ihr vom Wochenblatt das Werbepaket angeboten wurde: Vier...
  3. Bandit

    Es quietscht und zischt, als der ICE in den Bahnhof einfährt. Ich presse die Hände gegen meine Ohren und schließe die Augen. Aber es hilft nicht. Den Lärm kann ich nicht leiser drehen, die Bilder im Kopf nicht ausblenden. Ich atme, wie es mich die Psychologin gelehrt hat. Tiefe Atemzüge, eine...
  4. 23 Uhr

    23.05 Uhr. Der Dienst ist zu Ende, 6 Minuten Umziehzeit sind einkalkuliert. Die Höflichkeits- Überstunde habe ich abgeleistet. Es wäre ja absurd zu gehen, sobald ich wirklich Feierabend habe und es gibt ohnehin immer genug zu tun. Naja, vielleicht legt sich das mit den Jahren. Bestimmt. Und beim...
  5. Krankenhaus-Alltag

    Mit lautem Klirren zerschellte der Teller an der Wand. „Dieser Fraß ist widerlich!“, verkündete sie lautstark. „Und machen Sie gefälligst mal die Fenster auf zum Lüften. Hier stinkt‘s nach Desinfektionsmittel und der Pisse von der alten da!“ Sie deutete mit ihrem dürren Finger auf die Patientin...
  6. Dieser Moment, wenn …

    Jonas war schon da, als ich in die Schule kam. Er fläzte an seinem Tisch, Kappe auf dem Kopf, Beine auf dem Tisch, obwohl Kühnert schon im Raum war. Kühnert war unser Mathelehrer. Ein Typ, der Menschen als Zahlen betrachtete, am liebsten komplex, potenziert oder sonstwie verwertbar. Jonas und...
  7. Der Mann, der alles kann

    Es war ein seltsames Gefühl dieses Ding auf der Nase zu tragen. Jedoch konnte ich endlich klarer sehen. Ich konnte die Schilder in der Ferne lesen, bevor ich näher herangehen musste. Ich konnte die Gesichter erkennen, die auf mich zu kamen – die Gesichter, die keine Ahnung hatten wohin ich...
  8. Das Hier & Jetzt

    Als Luise am Sonntagmorgen nach einer unruhigen Nacht von dem Ticken ihrer Uhr geweckt wurde, traute sie ihren Augen nicht. Ihr Verlobter war weg. Ein Brief lag auf seiner Holzkommode, die sie damals in Holland zusammen gekauft hatten. Luise erinnerte sich gerne, wie sie zusammen etliche...
  9. Unter einer weißen Schicht

    Daran, wie Marah an ihrer Bluse zupfte, die Ledertasche durchwühlte und sich dabei Haarsträhnen aus der Stirn blies, erkannte Roland, dass es in ihr brodelte. Wieder mal. »Ich bin spät dran«, sagte sie. Er zog die Pyjamahose höher und schlurfte Richtung Küche. »Willst du Kaffee?« Sie blickte auf...
  10. Geraldine und Semjon

    Geraldine und Semjon sitzen zusammen am Tisch. Der Tisch ist heute etwas größer als ihr Tisch vor Jahren. Verschiedenes stimmt nicht überein. "Verschiedenes stimmt nicht überein", sagt Semjon und schnippt etwas, das er so oft wie es ging gefaltet hat, auf der Tischplatte vor sich hin und her. Er...
  11. Diagnosen

    Mein Name ist Sarah Werner. Ich bin 26 Jahre alt und verbrachte die meisten Jahre meines Lebens in Heimen. In das erste Heim kam ich, als ich gerade neun Jahre alt wurde. Zu früh? Nein, es war viel zu spät. Ich habe eine psychische Besonderheit, meine Umwelt leidet darunter. Autismus ist die...
  12. Hautkontakt

    Auf meiner linken Handfläche steht 'Romy' geschrieben. Mit blauem Kugelschreiber, in Blockschrift. Das O ist dick und rund, wie ein Kreis, der mich einschließen will. Ich zittere. Schließe die Hand zur Faust. Romy ist weg. Öffne die Hand erneut. Romy ist wieder da. Ich atme ein und ein und ein...
  13. Die letzte Reise

    Auf meinem Schreibtisch steht eine durchsichtige Miniaturvase, aus der sechs dürre Bäume emporwachsen, deren Wurzeln auf dem Grund eines weißgelben Sees liegen. Jede Baumkrone ragt in eine andere Richtung und hält selbst dem stärksten Unwetter stand. Ich kann es wehen, regnen, donnern und auch...
  14. Camposanto

    Du fühlst schon länger dieses Kribbeln. Seit einigen Monaten merkst du es mal etwas mehr, mal etwas weniger. Diese kaum spürbaren Vibrationen machen dich ganz verrückt. Du fährst oft ziellos durch die Gegend und hoffst, den Ursprung dieses Gefühls zu finden. Heute bist du wieder unterwegs...
  15. Lapplands Sonne

    Als Erik Södersen sein Haus gestrichen hatte, strotzte dieses Rot wie er selbst in jenen Jahren vor Kraft und Optimismus. Nicht grell wie Rebellion oder Revolte, sondern warm und stark – eine Farbe des Vertrauens und der Zuversicht. Drei sorgfältig aufgetragene Farbschichten sollten das Holz...
  16. Bis sich was ändert ...

    Zwischen leeren Chipstüten, getragenen Unterhosen, Synthesizern und Glockenspielen, zwischen Schallplatten und Notenständern, an meinem Klavier saß ich klimpernd. Anstelle von Noten verwendete ich das Plattencover: Sie in lässiger Pose vor einem Abgrund, übersät mit Fettflecken und...
  17. Der alte Mann und das Mädchen

    „Es muss gerade erst passiert sein“, sagte der alte Mann. „Was denn?“, fragte das kleine Mädchen und zupfte dabei zappelnd an ihrem rosa Kleid herum. Der Mann schielte sie an. Er konnte sich nicht erinnern, wann sich das Mädchen neben ihn auf die Parkbank gesetzt hatte. „Siehst du nicht denn...
  18. Anzug

    Eigentlich bettreif steigt er von den Schultern des großen Mannes mit Bart und Brille. Rutscht vielmehr herunter. Zieht sein Sakko glatt, greift die Aktentasche von der linken in die rechte Hand und verabschiedet sich. Flüchtig, mit schlaffem Arm winkt er ohne hinzusehen. Ein Wegwinken...
  19. Das Vier-Meilen-Riff

    Der Sturm der letzten Tage hatte seine Spuren hinterlassen. Eine zentimeterdicke, feine Sandschicht lag auf dem Asphalt der Straßen. An den Rändern, an manchen Stellen bis hin zur Fahrbahnmitte, häuften sich kleine Sanddünen. Kam ihnen ein Wagen entgegen, wischte der Fahrtwind den Sand von der...
  20. Grenzen in Fluss

    Etienne trat aus dem Gebäude, das ich einmal schön gefunden hatte. Ich hob den Arm, um seine Aufmerksamkeit zu wecken. Er schirmte die Augen mit der Hand gegen die Sonne ab, nickte und kam näher. »Hat ziemlich lang gedauert!«, sagte ich. Die Glut der Zigarette schnippte ich ab, prüfte mit...

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